Was ist neu

Was ist Entropie?

Mitglied
Beitritt
10.08.2001
Beiträge
28

Was ist Entropie?

Passagier 23 trank gerade sein Glas Wasser, dass ihm die Stewardess gebracht hatte, als ihm der Kopf seines Vordermannes auffiel. Nicht, dass der Kopf vorher nicht dagewesen oder abnorm geformt gewesen wäre, nein, aber der Kopf begann sich aufzulösen. Unser Passagier blickte erschrocken auf seine Füsse, um den Blick gleich wieder zu heben, doch der Befund blieb der Gleiche: Der Kopf seines Vordermannes löste sich auf, und verteilte sich als feiner Nebel im Raum. Passagier 23 war unfähig, den Blick abzuwenden oder sich nur zu rühren, und schaute fasziniert dem Vorgang zu.
Der Kopf war bis zur Nase abgetragen (welche er von hinten erkennen konnte), als er einen feinen Überzug auf seiner Haut bemerkte, der eine schleimige Konsistenz besass. Völlig gebannt streckte er seine Hand aus, um diesen sich auflösenden Kopf zu berühren, als plötzlich seine Fingerkuppen verschwanden und Blut aus den Fingern hervorschoss, welches sich nach kurzer Strecke in Luft aufzulösen schien. Jetzt erst schrie er, und andere Passagiere im Flugzeug bemerkten, was vor sich ging. Panik brach aus, Leute schrieen, sprangen aus ihren Sitzen und stolperten durch dir überfüllten Gänge. Passagier 23 krümmte sich über seiner Hand zusammen, als die imaginäre Sphäre, in der sich alles auflöste, sich ruckartig ausdehnte und auch ihn erfasste.

Es war mal wieder eine dieser Konferenzen, in der Herr Müller, ein Programmierer, sass. Die Absatzzahlen gingen laufend zurück, und die Zinslast der Schulden wurde langsam erdrückend.
Der Präsident (der den Betrieb nach eigenem Bekunden in der Garage gegründet hatte) hielt eine seiner Ansprachen, die in Wirklichkeit mehr einer Schimpfkanonade glichen.
Dies war langweilig, dies kam jeden Monat vor, und Herr Müller blickte wieder in seine Papiere, die vor ihm ausgebreitet waren. Das plötzliche Aufhören des Schimpfens erregte seine Aufmerksamkeit. Herr Müller blickte auf, und zu seiner Überraschung bewegte der Präsident noch seine Lippen und schien noch mitten in der Ansprache zu sein, doch es kam kein einziger Laut bei den Anwesenden an. Ein Ausdruck des Erstaunens machte sich auf dessen Gesicht breit, und er schlug mit der Faust auf den Tisch, der spürbar erbebte. Merkwürdigerweise schien er zuviel Wucht in den Schlag gelegt zu haben, denn der Präsident brach sich den kleinen Finger. Dies konnte Herr Müller erkennen, der Finger stand in einem abormen Winkel von der Hand ab. Aber es war kein Laut zu hören, als der Präsident seinen Mund aufriss, und sich eine Rotfärbung seines Gesichts bemerkbar machte. Auf einmal blickte Herr Schröder, der zur Linken des Präsidents sass, völlig übberrascht auf, und Herrn Müller fiel auf, dass sich der Rauch der Zigarre gar nicht mehr kräuselte, sondern schlagartig verteilte und verschwand. Auch Herr Schröder riss seinen Mund auf, und er legte seine Hände an den Hals. Und da spürte Herr Müller es auch, ihm blieb die Luft weg, und vor Überraschung prustete er; doch es gab keine Luft mehr, die er einatmen konnte. Er sprang auf, doch er stolperte sofort über den umgestossenen Stuhl seines Tischnachbarn. Auf dem Boden lag er, und er konnte sich nicht mehr wieder aufrichten. Verkrümmt wand er auf dem Boden, und unmenschliche Laute hätten sich ihm entrungen, wäre noch Luft dagewesen, die den Schall hätte leiten können. Herr Müller wand sich, wie alle Anwesenden, in einem stillen Krampf ...

Langsam kamen die Moleküle wieder, sie krochen aus der Ecke, in der sich versammelt hatten, um gemeinsam den Gesetzen der Thermodynamik zu trotzen, und die Luft nahm wieder den Platz ein, der ihr zustand; Sie folgte wieder der Regel, dass die Entropie nie abnehmen darf, nur zunehmen, und verteilte sich wieder gleichmässig im Raum, doch war diese Entwicklung zu spät für die Menschen, die dort im Saal lagen, denn sie waren alle erstickt.

"Und die Putzfrau hat die Tür aufgemacht, und sie ist vor Schreck fast ohnmächtig geworden. Dann ist sie weggerannt und hat das ganze Haus zusammengeschrieen." "A-ha ..." "Ja, sie lagen alle auf dem Boden verteilt, in den merkwürdigsten Haltungen. Es hat sich von diesen abergläubischen Thailänderinnen noch keine in Raum reingetraut." "Tja, was soll man davon halten?" Schweigen. "Hast du übrigens von dem Flugzeug gehört, das heute morgen in 4000 Meter Höhe vom Radar verschwunden ist?" "Nee. Komisch ..." Für den Rest der Fahrt schwiegen die beiden Spezialisten von der Spurensicherung.

So seltsam die zeitliche Koinzidenz dieser beiden Ereignisse ist, so ist sie doch kein Zufall. Das Schicksal des Flugzeugs war mit dem der Konferenzteilnehmer eng verknüpft. Denn als die Gasmoleküle beschlossen, sich in der Ecke zu einem denkendem Gebilde mit einem gewiss sehr hohen Grad an Organisation zusammenzutun, da begann das Flugzeug sich zu desorganisieren. Die Entropie darf ja nie abnehmen, sondern nur zunehmen.
Dies ist nicht unmöglich, dies ist nicht unglaublich, dieses Ereignis ist nur äusserst unwahrscheinlich. Hätten die Nullen der Zahl, die diese Unwahrscheinlichkeit beschreibt, einen Durchmesser, der dem Äquator der Erde entspricht, und wögen sie soviel wie der Mt. Everest, so wäre die Zahl 8,35 mal länger als der Durchmesser des Universums und wöge 3,09 mal soviel die die Milchstrasse und die kleine Magellanische Wolke zusammen.
Fürwahr eine gigantische Unwahrscheinlichkeit.
Trotzdem keine Unmöglichkeit. Die Venus von Milo verdankt ihre Entstehung einen solch unwahrscheinlichem Ereigniss (auch wenn dies nicht allgemein bekannt ist). Der Mathematiker Thales von Milo warf am Morgen des 20. April 50 v.u.Z. einen sehr grossen Klumpen Lehm in die Luft, und dieser formte sich, als er auftraf, zu dem Gebilde, welches wir heute als "Die Venus" bezeichnen, nach ihrem Erschaffer benannt. Tales war darob so erstaunt, dass er eine Herzattacke erlitt, doch überlebte er trotz der schlechten mediznischen Versorgung, nur um später durch die Lande zu ziehen und überall sein Werk vorzuführen.
Hätte er allerdings gewusst, welches Ereignis er noch mit seinem Lehmwurf verursachte, so hätte er mehr als nur eine Herzattacke erlitten.
Zur gleichen Zeit erbaute sich in Ägypten, in Gizeh, die Pharaonin Cleopatra eine Pyramide, die ihresgleichen suchen sollte, mit einer angepeilten Höhe von 384 Metern. Doch an dem besagten Morgen gab es einen grossen Knall, der die gesamte ägyptische Bevölkerung taub werden liess, und die fast fertiggestellte Pyramide samt Baustelle und anwesendem Personal (und merkwürdigerweise dem nichtanwesenden Personal auch) löste sich in einen grossen, feinverteiltem Nebel auf, und sie wurde hinweggeweht. Eine Woche später gab es in Mittelamerika den grössten Staubsturm des Jahrtausends. Auf Stelen wurde dieser Sturm von den verzweifelten Indianern aufgezeichnet, und Völkerkundler zerbrachen sich zweitausend Jahre später den Kopf, was damit gemeint war.
In der Alten Welt entstand durch die Zerstörung der Pyramide übrigens der Mythos des Turmbaus zu Babel (entgegen der üblichen Lehrmeinung), und die Pyramide wurde von den ägyptischen Schreibern aus allen Quellen gestrichen (weswegen sich der Mythos verselbständigte), weil man den Bau der Pyramide für verflucht hielt. Deswegen wurden auch danach keine Pyramiden mehr gebaut.
Das Prinzip, welches heute eines der zentralen der Thermodynamik ist, hat seinen Namen von der Tochter des Tales namens Entropie, die fettleibig war. Tales selber stellte die Regel auf, dass die "Ordnung", ein Mass für die Verteilung von Atomen und Molekülen, nie zunehmen darf, nur abnehmen (in völliger Verkennung der Tatsachen). Diese Ordnung nannte er "Entropie".
In der Folge wurde Entropie die erste bekannte Frau, die an Magersucht starb.

Die beiden Polizisten überfuhren einen beschrankten Bahnübergang, als infolge eines Schaltfehlers im Stellwerk ein Zug sich näherte und das Auto erfasste. Es wurde über einen halben Kilometer mitgeschleift, und die beiden Männer hatten keine Chance zu überleben.

 

Ein Kommentar gleich vorne weg:
Entropie wird wirklich irgendwie so ähnlich wie im Text definiert. DAS ist kein Kritikpunkt, einverstanden?!
Und dass ich über Entropie schreibe, hat noch lange nicht zu bedeuten, dass ich davon Ahnung habe.

 

Habe mich neuerdings alten stories gewidmet, die keine oder nur wenige Kritiken bekamen. Finde es nämlich doof, dass sich alles auf die erste Seite konzentriert.

Die Entropie darf ja nie abnehmen, sondern nur zunehmen.

Das gilt nur in einem expandierendem Universum. Sollte genug Masse in schwarzen Löchern versteckt sein, dass das Universum kraft seiner eigenen Gravitation die Expansion stoppen und in eine Implosion umkehren kann, kehre sich die Gesetze der Thermodynamik um, und die Entrophie nimmt ab.

Unter "Seltsam" wäre diese story vielleicht besser aufgehoben als unter "Satire". Mir gefällt sie. Vermeide "welche" und Klammern - dies ist keine wissenschaftliche Abhandlung. Klammern in Prosa sind fast immer pfuibah. Kritisiere gerne mehr von dir. So Du noch unter uns weilst. Sachlich schienen mir Halbwissen von Entropie und Chaosforschung etwas durcheinander gebracht; dennoch relativ amüsant formuliert. Etwas wirr. Doch das stört hier nicht.

 

Danke für die netten Worte. Ich weile noch unter den Lebenden, habe aber keine Geschichten mehr auf Lager, die ich hier niederlegen könnte. Und meine kreative Phase hat ein schnelles Ende gefunden, was ich wirklich bedaure; die eigenen Geschichten zu lesen, wenn das Niederschreiben schon ein Jahr her ist, macht mich vergnügt.
Im übrigen ziehe ich gerne Inspiration, so denn dieses hochtrabende Wort bei mir zutrifft, aus mir schleierhaften Sachverhalten. Mit der Entropie ist das so, die habe ich auch nicht verstanden. Deswegen kann ich auch nicht sagen, ob das stimmt mit der Entropie im kollabierenden Universum, auch wenn das Sinn macht. Egal, diese Geschichte soll nur beleuchten, was ich nicht verstehe. Ich werde mal übrigens dir folgen, und einige Menschen hier mit meiner Meinung beglücken, deren Geschichten im Laufe der Zeit so in die hinterste Ecke verschwanden.

 

@alpha:

Hm, ich glaube, Hawking behauptete, in einem in sich zusammenstürzenden Universum würde die Entropie trotzdem immer noch zunehmen und auch die Zeit nicht rückwärts laufen. *überleg*
Hab ich doch letztens erst gelesen, den Knaben. Wenn ich wieder zuhause bin, müsste ich mal den Abschnitt aus der Brief History of Time raussuchen...

 

Nee, Ben, das hast Du falsch in Erinnerung. Kenne meinen Stevie. Er benutzt das Beispiel mit der heruntergefallenen Tasse, die wieder auf den Tisch zurückspringt. Der thermodynamische Zeitpfeil und die Entropie bewegen sich immer in die Richtung, in der sich das Universum ausdehnt (laut Hawkings). Wird aus der Explosion eine Implosion, kehren sie sich ebenfalls um. Habe selbst ein Universumsmodell entwickelt, das die Zeitumkehr ausschließt. Musst nur mein Buch lesen, Du Nase. Das Problem ist, dass laut Hawkings in einem implodierenden Universum kein Leben existieren könnte, weil sich die Kausalitäten (z.B. Geburt-Leben-Tod) ebenfalls umkehren. Das ist natürlich Schwachsinn. Steviemaus stellt mittlerweile einige seiner (und Roger Penroses) Theorien in Frage, bzw. modifiziert sie. Er vermutet u.a., dass es nicht einen, sondern evtl. mehrere, leicht zeitversetzte Urknallsexplosionen gab. Und so weiter, bla bla, lies endlich meine Schwarte, dann kennste Dir aus!

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom