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Die schönsten Sätze

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Die schönsten Sätze

Manchmal lese ich in einem Buch einen wunderschönen Satz, den ich mir eigentlich notieren will, aber dann lese ich weiter und vergesse ihn - fast. Vielleicht erinnert ihr euch noch an solche Sätze, bitte nennt sie mal.
(Mein Satz steht in "Der Mond der brennenden Bäume", ich werde mal nachsehen, wenn ich das Buch wieder habe).

 

Du musst ungeheuer stark sein. Aber nur das Ungeheuer ist stark, das Ungeheuerliche, das mich angeheuert hat, ...

Er schluckte. Was er nicht alles schluckte. Und dann brannte es in seiner Kehle und nahm ihm den Atem.

Die Schlaflosigkeit trieb ihn zu ihr oder sie trieb ihn in die Schlaflosigkeit.

Albert Ostermaier "Zephyr"

Sorry, kann mich so schlecht entscheiden. Ist 'ne Schwäche von mir ;).

 

Die Unterhaltung war für uns wie Sauerstoff. Wir atmeten einander ein in unseren Gesprächen.
Marc Connelly über Dorothy Parkers "Round Table" im Hotel Algonquin, New York

 

Jurek Becker: Schlaflose Tage (S.26 ff)

Die für notwendig gehaltenen Wünsche überprüfen. Wie viele davon können aufgegeben werden, ohne die Lust auf Zukunft zu mindern? Schon ein ausgemusteter Wunsch kann folgenreich sein. Wünsche aufgeben heißt, Kapazität freisetzen.

Skrupel und Feigheit säuberlich voneinander trennen, um Verwechslungen zu vermeiden. Sorgfältig prüfen, ob man nicht auch etwas anderes miteinander verwechselt, einerseits: bestimmte Wünsche haben wollen - andererseits: wünschen. Doch nicht zu lange prüfen, prüfen kann zur Ausrede werden.

Weiter: Wie lernt man es, bis an seine Grenzen vorzudringen? Unbedingt untersuchen, ob nicht ein ausgeklügeltes System aus Fehleinschätzungen, Angst, Bequemlichkeit und Selbstbetrug den Zugang zu den Grenzen versperrt. Wie eine Mauer im Landesinneren, weit vor der eigentlichen Grenze.

Alles in allem: sich mühen, endlich nach dem neuesten Stand seiner Erkenntnisse zu leben. Und sich mühen, aufrichtig zu sein.

Imstande sein zu sagen: Dazu habe ich keine Meinung. Beunruhigt sein, daß in früherer Zeit ein solcher Satz nie über die Lippen gekommen wäre.

Seine Ansichten finden, endlich seine Ansichten aus dem großen Haufen von Ansichten herausfinden, um gelassen sagen zu können, wer man ist.

Das sind für mich die klügsten und damit schönsten Sätze schon seit Jahren.

 

Ein Thread-Wiederbelebungsversuch?

Von innen betrachtet schob er sich eine Zigarette zwischen die Lippen und griff nach seinem Feuerzeug.
Von außen betrachtet explodierte der Bungalow wie ein leuchtender Kürbis, der die Umgebung mit seinem goldenen Licht überflutete.

(Die letzten Sätze aus „Die Rastlosen“ von Philippe Djian)

 

Heute ist mir einer aufgefallen:

Ich überlegte, ob ich an den Bach hinuntergehen sollte, aber ich hatte keinen Grund anzunehmen, dass der Bach überhaupt da war, da ich ihm nie Dienstag vormittags einen Besuch abstattete.

(Shirley Jackson - Wir haben schon immer im Schloss gelebt)

 

Vom fernen Ende des Ganges belauerte uns der Spiegel. Wir entdeckten (in tiefer Nacht ist diese Entdeckung unvermeidlich), daß Spiegel etwas Monströses haben. Daraufhin erinnerte sich Bioy Casares, einer der Häresiarchen von Uqbar habe erklärt, die Spiegel und die Paarung seien abscheulich, weil sie die Zahl der Menschen vervielfachen.

(Jorge Luis Borges - Tlön, Uqbar, Orbis Tertius)

 

Männer, deren weiche Gesicher zu ihren Jobs passten, wie Wurst in den fleischigen Kunstdarm
(aber eigentlich hat er mich im Original voll erwischt:)
Men whose soft faces fit their jobs like sausage in its meaty casing.

(David Foster Wallace / The Pale King)

 

Die Übersetzung finde ich besser. "soft" und "meaty" klingen durch die vorherrschenden T so hart. Im deutschen Satz hat man dieses "ch" zweimal in "weiche Gesichter", dann das "sch" in "fleischig". Das ist so richtig geschmeidig. :)

[...] viel schwieriger, als aus Sand ein Seil zu flechten oder den antlitzlosen Wind in eine Münze zu prägen.
(Jorge Luis Borges - Die kreisförmigen Ruinen)

 

Dante hätte ihm vielleicht ein feuriges Grab zudiktiert; sein Name würde die Kataloge kleinerer Ketzer zwischen Satornilos und Karpokrates bereichern;
(Jorge Luis Borges - Drei Fassungen von Judas)


Mir gefallen die Alliteration und das Nachdenken darüber, was denn ein "kleinerer Ketzer" ist.

 

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