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KGs ohne Handlung

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28.02.2008
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KGs ohne Handlung

Mich würde mal interessieren, was ihr von Texten haltet, die keine wirkliche Handlung haben, sondern stattdessen eher so etwas wie ein Gemälde sind, also nur die Beschreibung einer einzigen Situation..

Sind das dann überhaupt Kurzgeschichten, also gehören die hierher?
Wenn ja, dann nur in die Kategorie Experimente??

Wie seht ihr das?

 

Für mich sind das Kurzgeschichten wie alle anderen auch, weil sie oft eine Stimmung ausdrücken, ein Gefühl und das eben anhanden einer einzigen Situation oder dergleichen (und oft wird genau das anhanden solcher Kurzgeschichten sogar noch besser ausgedrückt als bei "gewöhnlichen"). Auch sollte bei diesen Kurzgeschichten mehr auf Sprache geachtet werden, was eine Herausforderung ist.
Ich sehe da eigentlich keine Notwendigkeit, diese Art von Geschichten nach "Experimente" zu verschieben.

 

Aber sollte eine Kurzgeschichte nicht einen Handlungsstrang aufweisen oder zumindest erkennen lassen?!
Sicherlich lassen sich stimmungsvolle "Bilder" erstellen, indem man eine bestimmte Situation beschreibt, aber das ist mMn dann doch weit entfernt von einer Geschichte.

 

Handlung wird hier als Kriterium festgelegt, ist natürlich für alle am leichtesten nachzuprüfen und zu durchschauen. Letztlich sollte es aber eher um die Erzählabsicht gehen, die fehlt mir meistens in solchen Stimmungsbildern und Situationsbeschreibungen. Sie sind so introvertiert, dass sie mich als Leser nicht mitnehmen können. Was geteilt werden soll, wird nicht geteilt.
Es ist also immer die Frage, was hat ein Text, das ihn über einen privaten Tagebucheintrag hinaushebt?
Wenn das aus dem Text hervorgeht, dieser mir also mitteilen kann, warum ich ihn überhaupt lesen soll, dann empfinde ich auch Gemälde oder Situationsbeschreibungen als Geschichte. Sonst nicht.

 

Sim hat es schon hervorragend beschrieben, dem schließe ich mich an.

Hinzufügen würde ich noch, dass bei einer Situationsbeschreibung vermutlich dann eher eine Akzeptanz gegeben ist, es noch so grad eben als Geschichte durchgehen zu lassen, wenn sich die Situation in irgendeiner Form innerhalb des Beschriebenen verändert. Wenn also z.B. der Trauernde, der sich in seine Eigenbetrachtung verstrickt in seinem Gram suhlt am Ende wenigstens den Entschluss fasst, nun keine Taschentücher mehr vollzurotzen. :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Eigentlich beinhaltet die Fragestellung an sich schon den entscheidenden Widerspruch. Genau genommen muss eine Kurzgeschichte möglichst ALLES Geschriebene in Handlung auflösen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Eine Kurzgeschichte ohne Handlung ist keine Kurzgeschichte.

Würde man allerdings diese Regel so eng gesteckt für die hier veröffentlichten Texte anwenden, dann blieben eine Menge davon um Regelsieb hängen.

Auch ich zähle mich gelegentlich mit eigenen Arbeiten zu den Grenzgängern und mir haben auch häufig Texte von anderen AutorInnen gefallen, die die "offiziell gültigen" Anforderungen einer Kurzgeschichte nicht erfüllen.

Insofern meine ich, dass die Toleranz in diesem Forum, was solche Abweichungen betrifft, recht groß ist und man selbst ausloten muss, wie weit man sich innnerhalb dieser Toleranzen bewegen kann und darf. Mit einem gewissen Risiko, versteht sich: dem Risiko, gelöscht zu werden.

Allein "Bilder zu malen", eine Situation nur in ausgefallenen Worten zu beschreiben, und zwar so, dass es für Leser interessant genug ist, ihnen mit Interesse zu folgen, ist eine verdammt schwere Aufgabe. Meines Erachtens schwerer, als "nur" eine Kurzgeschichte zu schreiben.

Die ziemlich klare Regel, dass ausschließlich Handlung zählt, ist ja, wenn man ein gewisses Grundtalent im Schreiben hat, gar nicht so schwer. Dann heißt es eben nicht. "Hans hatte eine große Nase" sondern man lässt ihn sich an seiner großen Nase kratzen usw.

Deswegen ist es empfehlenswert, vor allem erst einmal auf dem Gebiet der klassischen Kurzgeschichte Handwerk & Technik zu erlernen, bis man sich gut und sicher fühlt. Erst dann wäre es eine Überlegung wert, Nebenwege auszuloten und Regeln mal gegen den Strich zu bürsten. Es ist ja nie sinnvoll, den zweiten vor dem ersten Schritt zu machen.

Der Ansatz, Wortgemälde fabrizieren zu wollen, entsteht meiner Meinung nach übrigens oft deshalb, weil man keine Idee für eine gut Geschichte hat, aber dennoch etwas schreiben möchte. Und dann meint man, das mangelnde Konzept mit einem gut geschriebenen Nichts verheimlichen zu können. Woher ich das weiß? Weil ich das ab und zu auch gern mache!

Grüße von Rick

 

Guten Abend!

Also spricht Wikipedia:

Es gibt keine einheitlichen Merkmale, der Gattungsbegriff „Kurzgeschichte“ ist nicht trennscharf. Die literarische Praxis der Kurzgeschichtenschreiber entscheidet über die Merkmale, die mit dem Begriff „Kurzgeschichte“ in Verbindung gebracht werden. Trotzdem lassen sich einige Merkmale finden, die vor allem für die deutsche Kurzgeschichte von 1945-1955 kennzeichnend sind:

* Die Geschichte soll in einem Leseakt gelesen werden können.

Erzähltechnik und Sprache

* Meist personaler Erzähler, Bericht aus der Distanz, in einigen Texten aber auch Ich-Erzähler, z. B. bei Wolfgang Hildesheimers Kurzgeschichte „Ich schreibe kein Buch über Kafka“ oder auktoriale Erzählperspektive wie in Günter Bruno Fuchs' „Ein Baumeister hat Hunger“
* Keine oder nur sehr kurze Einleitung (Exposition); sofortiger Einstieg in die Handlung (in medias res), etwa durch Einführen der noch unbekannten Personen durch Pronomina.
* Techniken der Verdichtung durch Aussparungen, Andeutungen, Metaphern und Symbole.
* Chronologisches Erzählen hauptsächlich im Präteritum, teilweise Simultaneität durch innere Monologe, Einblendungen
* Die erzählte Zeit beträgt meist nur wenige Minuten oder Stunden, häufig wird das Geschehen auf wenige Augenblicke, eine exemplarische Situation, ein Bild oder eine Momentaufnahme reduziert.
* Lakonischer Sprachstil, Alltagssprache, teilweise Verwendung von Umgangssprache, Dialekt oder Jargon.
* Doppelbödigkeit, Mehrdeutigkeit: das geschilderte Alltagsereignis verweist auf komplexere Probleme, die oft über Metaphern und Leitmotive zu erschließen sind.
* Offener Schluss oder eine Pointe => Der offene Schluss „zwingt“ den Leser förmlich dazu, über das Geschehen nachzudenken, denn es bleiben noch Fragen übrig - der Leser muss zwischen den Zeilen lesen.
* Vermeiden von Wertungen, Deutungen, Lösungen.

Themen, Handlung und Personen

* Konfliktreiche, häufig nur skizzenhaft dargestellte Situation, geprägt von Emotionen.
* Ein oder zwei oft typisierte Hauptpersonen stehen im Mittelpunkt (es gibt jedoch auch Kurzgeschichten mit deutlich mehr Hauptpersonen). Personen werden nur in Aspekten beschrieben/charakterisiert.
* Die Geschichte spielt nur an wenigen Orten.
* Ein entscheidender Einschnitt aus dem Leben der handelnden Person oder Figur wird erzählt.
* Einsträngige Handlung.
* Wenig Handlung.
* Themen sind Probleme der Zeit.
* Meist gibt es einen Glückswechsel (Peripetie).
* Alltäglichkeit von Handlung und Personen: Die Figuren sind Menschen, die nicht herausragen oder heldenhaft auftreten.

Viele Autoren verstehen die Kurzgeschichte als offene Gattung und experimentieren mit verschiedenen Textelementen, etwa Aspekten von Fabeln, Märchen oder Sagen.


Also spricht Kurzgeschichten.de:

Wir meinen mit "Kurzgeschichte" zwar nicht unbedingt den Literaturbegriff Kurzgeschichte, sondern eher einen etwas weiter gefassten Begriff, aber es sollte dennoch erkennbar bleiben, dass es sich bei dem Text um eine Geschichte handelt. Vollkommen sinnfreie Texte werden gelöscht.
Beachten Sie bitte auch die Hinweise in den einzelnen Rubriken.

Das bringt es alles nicht wirklich auf den Punkt, oder? Hier steht mehr oder weniger: Alles erlaubt, solang man es am Stück durchlesen kann.

Krimi, Gruselgeschichte oder Märchen ohne Handlung wäre bestimmt ganz schwierig, aber womöglich auch machbar; vielleicht ein tolles Experiment-für-alle-zum-Mitmachen, um dem Handlungsmythos hinter die Schliche zu kommen.
Humoristische Texte, Satiren, Alltagsgeschichten etc brauchen nicht unbedingt eine.
Wo steht außerdem geschrieben, ab wann z.B. ein innerer Monolog, eine Einblendung, Erinnerung, eine Gedankenfolge Handlung sind?

Problematisch finde ich auch, wenn bei einer Geschichte die "falsche" Handlung diagnostiziert wird, z.B. "nicht relevante", "uninteressante" oder solche mit offenem, einen Leser nicht befriedigenden Schluß. Handlung heißt ja erstmal nur: Es passiert was. Und dann wird es subjektiv, was ein Segen ist; nicht jeder erwartet und meint dasselbe, wenn er Handlung sagt.

Wenn ein Text wirklich fade geschrieben und dann auch noch ohne Handlung daherkommt, ist es ganz doof, das versteht jeder und erkennt auch jeder. Aber Handlung wird so oft überbewertet wie übersehen und ist beileibe nicht das wichtigste Kriterium, um eine Erzählung zu bewerten.

Liebe Grüße!
Makita.

 

Aber Handlung wird so oft überbewertet wie übersehen und ist beileibe nicht das wichtigste Kriterium, um eine Erzählung zu bewerten.
Nee, bitte nicht. Heute schreibt jeder Texte ohne Handlung und nennt es "Blog" und da meint auf einmal jeder, er könne geistreich schreiben und sich wahnsinnig viele Gedanken über alles mögliche machen.
Als Schreiber find ich Handlung auch doof, weil sie anstrengend ist, genau wie ordentliche Figuren. Aber als Leser find ich Handlung und Figuren toll. Wenn ich Essays lesen will, kauf ich mir ne Zeitschrift und wenn ich allgemeines, spritziges Räsonieren über die Welt bevorzuge, dann schau ich mir nen Stand-Up-Comedian an.
Sicher, viele erfolgreiche Kolummnen werden als Buch gesammelt und herausgebracht. Sicher, jede Stand-Up-Comedian, der mal bei 7Tage,7Köpfe auf der Bank saß, hat heute vier Bücher aufwärts in seinem Fan-Shop. Und sogar Bastian Sick schreibt ja Pseudo-Geschichten (Ich war mit meinem englischen Freund Butros Butros Lexika da und da und hab ihm erstmal erklärt, wie das so mit dem abgeleiteten Vokal beim dritten Apostrophen ist), aber ... mäh, das hat den Gehalt einer Textaufgabe aus dem Mathematik-Unterricht. Es wird halt irgendwo in einen Rahmen gepresst, der mehr als fadenscheinig ist.

Handlung, Figuren, Erzählen bitte. Und dann Gedanken reinpacken und das, was man immer schon mal unters Volk bringen wollte, reinschmuggeln.
Nicht so müde Vehikel mit der Standard-Ausrede "War ja eh alles schon mal da, warum sollte ich mir Mühe geben".

Gruß
Quinn

 

Dito: Texte ohne Handlung sind keine Geschichten. Geschichten sind, schematisch betrachtet, Anreihungen von Buchstaben, die beim Leser ein Stückweit das Gefühl eigenen Erlebens erzeugen. Einzelne Situationen lassen sich durchaus erleben, dagegen mangelt es Momentaufnahmen und Zustandsbeschreibungen am notwendigen zeitlich-kausalen Verlauf. Und von diesem ist die, zumindest im Rahmen der Fiktion, objektiv wahrnehmbare Interaktion zwischen Figur und Umwelt, d.h. die Handlung, nunmal die uns am leichtesten verständliche Form. Texte, die das vermissen lassen, müssen andere Qualitäten ausgeprägt haben, um ihren Inhalt zu kommunizieren, und sind folglich selten der auf dieser Plattform erwünschten Gattung zuzuordnen.

-- floritiv.

 

Kurzgeschichten ohne Handlung scheinen wohl meine Stärke zu sein; bei den Kritiken, die ich bisher über meine schlechten, langweiligen und bezugslosen Stories gelesen hab *ironie*

Also, ich denk mal, das kann sicherlich auch eine Kurzgeschichte sein - schließlich gibt es ja sogar ganze Romane ohne Handlung ;-)

Nein, jetzt mal im Ernst. So ein Wortgemälde kann schon interessant sein, wenn der Verfasser es irgendwie vermag, einen gewissen Glanz und emotionale Verbindung zu kleinsten Abläufen zu vermitteln... keine AHnung, vielleicht sollte ich das auch mal so probieren, denn: eine Handlung zu konstruieren, scheint wahrlich nicht meine Stärke. Ich kann entweder nur "mitschreiben", was mir passiert bzw. durch den Kopf geht, oder eben Dinge detailbewusst beschreiben; na ja.

Wie auch immer - probiers halt einfach aus..

Gruß, Ganesh

 

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