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Wassermann

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28.09.2009
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Wassermann

Ich hätte ihm dieses Lied gerne vorgesungen, aber er ist tot.
Und da oben, am Sternenhimmel sehe ich nichts, nichts, nichts außer leuchtenden Punkten, die gar nichts bedeuten.
Er hat mir natürlich alles erklärt, was es zu sehen gibt; den Großen Wagen und die Venus und den Rest der Bagage.
Den ganzen Tag den Kopf in den Büchern und des Nachts in den Sternen, das hat mich manchmal wahnsinnig gemacht.
„Was ist denn auch so besonders am Nachthimmel? Am Tag gibt es doch auch schöne Sachen, erst gestern, habe ich einen Regenbogen gesehen, der spannte sich vom einen Ende der Stadt, ganz bis zum anderen, du hast ihn verpasst!“
Aber wie oft bin nicht auch ich nachts auf den Balkon gegangen, selbst im Winter, als es kalt war und habe versucht mich zu erinnern?
„Das ist der Wassermann!“, habe ich dann gedacht „Er gießt Wasser aus einem Krug.“ Aber was heißt das? Warum war das letzte, das er in seinem Leben sah ausgerechnet dieses Sternbild?
Zum Weinen ziehe ich mir die Kapuze ins Gesicht, damit mir nicht einmal die Himmelskörper dabei zusehen können.
„Warum er und nicht du?!“ will ich dem Wassermann entgegenschreien, aber ich kann ihn gar nicht sehen, verliere mich in diesen Punkten, die sich mir mit seinem Tod entfremdet haben.
„Das ist ja alles Scheißdreck!“ brülle ich plötzlich „Scheißdreck, Scheißdreck!“
Und doch bin ich am nächsten Tag schon in der Uni, fleißig dabei alle möglichen Konstellationen auswendig zu lernen.
Ist er da oben?
Natürlich nicht, aber ich suche nach etwas, fange an zu fragen, zu zweifeln: „Ist das wirklich Wasser im Krug?“
Was könnte es auch sonst sein?
Nichts, Leere, Stille, Wein, Blut, Tod, was weiß ich, es ist bedeutungslos.
„Du musst die Punkte verbinden!“ Ein gutgemeinter Ratschlag?
Mit Stroh- und Origamisternen wäre er doch nie zufrieden gewesen und langsam werde ich zu ihm.
Seine Bücher schleppe ich umständlich mit mir herum, umständlich!
Ich kann diesen verdammten Wassermann nicht aus dem Kopf bekommen, bin noch immer wütend.

Ich habe mich verirrt, ich bin alleine, wo sind alle?
Ich kritzle die Konturen von Fremden auf ein Blatt Papier, ich besteige einen Berg um besser sehen zu können, ich schlafe nur erbärmliche 3 Stunden und lese, lese, lese, bis mir die Buchstaben durch die Nase, die Ohren und die Augen kriechen und sich am Himmel zu Sternen zusammensetzen.
Betrunken sieht der Himmel schöner aus, weicher, freundlicher.
Die Gesichter sind mir zugewandt, beobachten mich aufmerksam.
Ich bin eine Ameise, krabble auf diesem Planeten herum und suche immerzu.
Ich will doch nur verstehen, wissen warum, habe ich irgendetwas verpasst, ist mir irgendetwas entgangen?
Sie sind wohl schon meine Freunde, wollen aber trotzdem nichts verraten.
Manchmal lachen sie mir aufmunternd zu und sagen: „Sing, sing!“ und klatschen schon in Vorfreude, aber singen kann ich nicht, denn das Lied gehört ihm.
Ich versuche es mit allerlei Tricks, liege ganze Nächte da und versuche etwas auszuspionieren.
Vielleicht, in einem unbedachten Moment, könnte alles plötzlich ganz klar erscheinen.
Ein falsches Wort am falschen Ort und ich zur richtigen Zeit dabei?
Wissen sie, dass mir nicht zu trauen ist, dass ich es auf nichts geringeres als die Wahrheit abgesehen habe?
Auch mit dem Wassermann habe ich schon versucht zu verhandeln.
Er beantwortet alle Fragen mit einem lächelnden „Ich weiß nicht.“ und vielleicht weiß er wirklich von nichts.
Aber ich habe Zeit, hunderttausende von Jahren, und ich harre aus.

Verwendete Wörter:
31. gepostet von st.a.r:

* Regenbogen
* Tod
* Kapuze
* Sternenhimmel
* singen

 

Für zwei Wochen aus der Wörterbörse hierher verschoben.

 

Hallo,

Ich hätte ihm dieses Lied gerne vorgesungen, aber er ist tot.
Und da oben, am Sternenhimmel sehe ich nichts, nichts, nichts außer leuchtenden Punkten, die gar nichts bedeuten.
Ja, ein erster Satz wie aus dem Lehrbuch. Der zweite is … für mich nix. Wiederholungstrikolon und dann noch mal dasselbe Wort. Das ist zu viel, um die Indifferenz der Natur zu beschreiben.

Er hat mir natürlich alles erklärt, was es zu sehen gibt; den Großen Wagen und die Venus und den Rest der Bagage.
Doppelpunkt

Aber wie oft bin nicht auch ich nachts auf den Balkon gegangen
Satzstellung; und du hast eine Kommasetzung, die sich nach der Betonung richtet, nicht nach der Grammatik. Das ist zum Vorlesen toll, für den Leser in der Häufung irritierend.
Obwohl ich das gut verstehen kann, ich mach das nämlich auch häufig.

Ich verstehe das Ende nicht, mit den hunderttausend Jahren. Ist sie selbst ein Sternbild? Denkt sie, sie wäre eins? Was macht sie dann in einer Uni? Ist es irgendwie allegorisch gemeint? Ich weiß es echt nicht.
Es ist wohl ein Trauertext, in dem die Indifferenz der Natur beklagt wird, und dass mystische Vorstellungen einmal etwas ganz Wunderschönes und dann nur kalter Lug und Trug sein können.
Handwerklich finde ich den Text leider etwas zu verspielt, mit den dreifach-Wiederholungen und so richtig eine Klangfarbe will mir da auch nicht vorkommen.
Es ist auf jeden Fall ratsam, sich noch einmal eingehend mit den Regeln der Kommasetzung vertraut zu machen, vor allem mit denen für die wörtliche Rede.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

Danke für's Lesen.
Weiß eh gar nicht, ob "wie aus dem Lehrbuch" positiv gemeint ist :)
War mir eh klar, dass dieser Text stilistisch eher nicht jedem gefällt.
Das war glücklicherweise auch nicht mein Ziel.
Wie das mit den hunderttausenden Jahren gemeint ist, darfst du dir selber aussuchen und: auf der Uni studiert sie (natürlich).
Sie versucht ein Thema zu verstehen, dass ihrem Freund sehr wichtig gewesen ist und dazu studiert sie es.
Danke für den Hinweis bezüglich der Kommasetzung, ich weiß, dass ich die noch nicht so gut drauf habe.

Grüße,

f.

 

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