Sintflut 2.0
Sintflut 2.0
Neo sah sich in seinem Zimmer um. Gern hätte er ein letztes Mal Trinity geküsst. Keine Zeit! Die Mission wartete. Wie eine Sanduhr zerrannen die Momente zwischen seinen Fingern.
Energisch packte er die Sporttasche. Er dachte wieder an seine Frau und ihre beiden wundervollen Kinder. Die Erinnerung quälte ihn, wie immer. Alle drei waren kaltblütig in einer Bandenschießerei abgeschlachtet worden, als sie im Central Park spazierten. Der Abschaum klärte seine Differenzen auf die einzigen Art, die er kannte: mit Uzis. Seine Familie hatte einfach nur das Pech gehabt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. An diesem Tag wurde er ein anderer. Er starb mit ihnen. Zurück blieb nur ein heiliger Lebenszweck: Bestrafung! In Vietnam hatte er gelernt, wie man tötet! Er liebte den Krieg – und den Krieg würde er zu ihnen tragen.
Unbändige Wut brandete wie eine schwarze Woge in ihm hoch. Er zwang sich zur Ruhe, schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, seinen Hass auf ein kontrollierbares Maß zurückzutreiben. Wenn er diesen inneren Kampf verlor, würde der Damm seiner Selbstbeherrschung hinweggefegt wie ein Blatt Papier. Und dann würde....es...erwachen. Mächtig. Wild. Unbändig. Grün!
Unzählige Male hatte er diesen Kampf zu seinen Gunsten entschieden. Nur manchmal, in jenen kostbaren Augenblicken, wenn er ganz allein für sich war, gestattete er sich den exstatischen Genuss des totalen Kontrollverlustes, das Schleifen der Zügel, das Hochfahren der Reaktors bis in den roten Bereich.
„Jonas! Kommst du jetzt bitte?!“ Die Stimme seiner Mutter hatte wieder diesen typisch nörgelnden Klang, den er so verabscheute. Wenn die da draußen wüssten, wie oft sie ihn fast so weit hatten mit ihren gottverdammten Nichtigkeiten, der erdrückenden Konformität und all den ganzen Lappalien, welche sie für so wichtig erachteten!, dachte er mit zusammengepresstem Kiefer.
Gott sei Dank wartete schon sein neuer, wunderschöner blauer Körper auf ihn. Nie wieder die triste, eintönige und gleichgültige Illusion, durch die er sich Tag für Tag schleppen musste. Nur noch Eins mit sich und dem Seelenbaum sein. Wenn er doch nur....
„JONAS! Es ist Viertel vor!“
Er stieß die Luft aus und verließ sein Zimmer. Zum letzten Mal. Seine Mutter wartete an der Treppe auf ihn.
„Willst du schon wieder zu spät kommen? Herr Neumann ist mit seiner Geduld jetzt fast am Ende – und ich auch, mein Freund!“
Flüchtig verabschiedete er sich von ihr und ging hinaus. In weniger als sechzig Minuten würde er Vader gegenüberstehen. Endlich hatte das Versteckspiel ein Ende. Er hatte lange warten müssen, bis er seine wahre Identität enthüllen konnte. Aber jetzt war er sicher – sie waren machtlos gegen ihn. Seine Mission konnte beginnen.
Die Flaschen waren mit Lappen umwickelt, damit sie nicht klirrten. Das Schwert hatte er auf einem Flohmarkt gekauft und jeden Tag geschliffen. Es passte gerade eben in die Tasche. Die Hockeymaske würde er im Flur aufsetzen.
MacLeod musste schnell sein. Aber er würde ihnen die Köpfe abschlagen. Allen!
Es kann nur einen geben!