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9/11 oder Silvester 406 und der Nibelunge not

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12.04.2007
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9/11 oder Silvester 406 und der Nibelunge not

9/11
oder
Silvester 406 und der Nibelvnge not

I


»Mutter Erde! Rief ich, du bist zur Witwe geworden,
Dürftig und kinderlos lebst du in langsamer Zeit.
Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in sorgender Liebe,
Alternd im Kinde sich nicht wiederzusehn, ist der Tod.«

Hölderlin, Der Wanderer​


Wer wüsste nicht ums Bekenntnis zur Nibelungentreue, das einst durch einen Kanzler im Reichstage zu Berlin zu Krisenzeiten geprägt wurde? Doch selbst dieser Kanzler wusste sich nicht des lausigen Wintereinbruchs 1159 a. u. c. zu erinnern, als der Reichsverweser Stilicho endlich die Ostfront aufgab. Nachdem die konföderierten Truppen ihre Stellungen geräumt hatten, weckten sie schier grenzenlose Begehrlichkeiten im Osten: eine auf Sensation ausgerichtete spätere Presse wird von Hunderttausenden von Wirtschaftsflüchtlingen sprechen, welche den zugefrorenen Grenzstrom eher schlitternd und unsicher denn rüstig ausschreitend überquerten. Soweit man die wenigen Habseligkeiten nicht am eigenen Körper tragen konnte, waren die auf Ochsenkarren verstaut. Die große Menge der armen Leute ging zu Fuß und nutzte die Karren bestenfalls, um Ruhe zu finden und sich für einige Augenblicke vom langen und mühseligen Weg zu erholen. Die Elenden flohen natürlichen Feinden wie beißendem Hunger und bitterer Kälte, aber auch geborenen Feinden wie benachbarten Völkern, die derzeit erfolgreicher, sprich: siegreicher waren als das eigene Volk. Dabei folgten die Hungerleider einer berittenen und wohlgenährten Elite, die alles andere als Hunger litt und bis an die Zähne bewaffnet war. Suchte die große Masse Not und Elend zu entkommen, etwas Wärme zu finden - vielleicht auch so etwas wie eine neue Heimat - und den Hunger zu stillen, so war die Elite auf der Suche nach Ehre, Ruhm und Macht, vor allem aber Reichtum, den sie sich im Reichsgebiet zu erbeuten hoffte.

Silvesternacht wurde der zugefrorene Strom betreten und bereits am Neujahrstag 407 einer künftigen Zeitrechnung war der Rhein zwischen Mainz und Kaub überquert. Fränkische Verbündete der Römer, die sich dem Zug entgegenstemmten, erlitten zwar eine Niederlage, sorgten aber dafür, dass die Hauptmacht des Flüchtlingstrecks in südlicher Richtung abschwenkte, dass Obergermanien von Plünderung und Verwüstung verschont blieb.

Trotz mancher Niederlage hatten sich die (H)Asdingen - sie hielten sich für Abkömmlinge der Asen - als Heerführer bewährt. Der Name ihres Stammes wurd auf alle mit ihnen ziehenden Volksstämme wie quadische Sueben und Alanen übertragen, denn die Barbaren zogen eine Spur der Verwüstung durch Gallien, bevor sie die iberische Halbinsel heimsuchten, um ihren Namen in (V)Andalusien einzubrennen - wie auch wenige Jahre später Alanen gemeinsam mit Goten im Begriff Katalaniens aufgehen sollten. Wie fast alle Völker und Stämme germanischer Zunge gründeten sie Reiche, deren Namen nach wenigen Generationen mit dem Winde verwehten und vergessen wurden. Bleiben wird das geflügelte Wort durch Voltaire, dass jemand wüte „wie die Wandalen“, obwohl dieses Verhalten kein Privileg dieses einen barbarischen Stammesverbandes, sondern weltweit vielmehr Allgemeingut war – selbst der ach so zivilisierten Welt!

Neujahr 407 moderner Zeitrechnung war mit einer organisatorischen Meisterleistung der Rhein überquert - ein Klacks gegenüber der Leistung eine Generation später, als die verbliebenen achtzigtausend Vandalen unter Geiserich nach Afrika geführt wurden, um ein Reich zu gründen und von Karthago aus das ewige Rom zu bedrohen, immerhin zu plündern und Konstantinopel einige Zeit zu trotzen. Waren suebische Verbände auf der iberischen Halbinsel geblieben und hatten ein eigenes Reich gegründet - wobei nicht bekannt ist, ob der Bevölkerung des nordwestlichen Iberiens gleiche Qualitäten eigen sind, wie sie den entfernten Verwandten in Baden-Württemberg nachgesagt werden. Mit Sicherheit haben sie niemals Hochdeutsch gesprochen - so wenig als jemals die Burgundionen unter ihrem Heerkönig Gibica, nachdem sie die fränkischen Konföderierten geschlagen, den Vandalenzug verlassen und selber das Bündnis zu den Römern gesucht hatten.

Womit eine Geschichte beginnt, die bis heute erzählt wird!

Wie dem auch sei, außer dass der Flüchtlingsstrom unsere ältesten Helden vom rechten zum linken Rheinufer mitziehen lässt, spielen die Vandalen keine weitere Rolle mehr in unserer Geschichte. Im Rhein-Main-Gebiet hatten wenige tausend Burgundionen unter der Führung der Familie des Gibica ihr Volk verlassen und sich dem Tross der Vandalen angeschlossen. Die Burgundionen sind immer ein kleines Volk gewesen, das sich nach fünfhundert Jahren Wanderschaft von einem mythischen Burgundarholm aus – mutmaßlich dem heutigen Bornholm - gelernt hatte, gegenüber größeren und mächtigeren Nachbarn die Identität zu wahren. Es ist ein selbst für damalige Verhältnisse äußerst wehrhaftes und darum kriegerisches Volk, das sich nach langer Wanderschaft für auserwählt hält – ohne dass wir dahinter den dreizehnten, den verlorenen Stamm Israels vermuten dürfen - und am linken Mittelrhein sich am Ziel der Wanderung wähnt.

Die Gibikungen lassen sich als Bundesgenossen der Römer gewinnen und erhalten dafür südlich ihres Übergangs über den Rhein Siedlungsgebiete zwischen Mainz, Alzey und Worms. Die linksrheinischen Burgundionen passen sich an, vermischen sich mit den latinisierten gallisch-keltischen Vangionen und dehnen ihr Siedlungsgebiet binnen einer Generation zwischen Speyer und Straßburg nach Süden aus. Die rechtsrheinisch zwischen Main, Rhein und Donau zurückgebliebenen Verwandten, vielleicht die weitaus größere Zahl, wird von stärkeren Verbänden aufgesogen und alamannisch.

Die Gibikungen werden für die römische Reichspolitik instrumentalisiert, sollen die Rheingrenze schützen. Bündnisfähig bleiben sie, solange sich nicht allzu zahlreich Burgundionen linksrheinisch niederlassen. Verträge werden geschlossen, denn sie sind erbitterte Feinde der Alamannen („alle Männer“), die von den Burgundionen abwertend als Mischvolk, Mischlinge angesehen werden, was sie wohl auch sind als Gemenge von Leuten aus verschiedenen Völkern, die um erfolgreiche Heerführer sich scharen.

Die Burgundionen, insbesondere ihre Führungsschicht hält sich für etwas Besseres, Besonderes. Glauben die Burgundionen, Verwandte der Römer zu sein, so glauben diese hingegen, Burgundionen hätten immer schon die Besatzungen der burgi, spätantiker Grenzbefestigungen gestellt. Zudem wird ihr eigenartiges Königtum durch römische Beobachter und wohlunterrichtete Kreise nicht als barbarisch eingeordnet, sondern mit dem sakral verantwortlichen Königtum Ägyptens verglichen.

Wie auch immer - vielleicht kein sicherer Beweis, aber ein erster Hinweis auf die Herkunft der Burgundionen: in Zeiten übermächtiger Hunnen nahmen gotische Völker den Brauch an, Köpfe künstlich zu deformieren, was die besondere Stellung der Betroffenen herausstellen sollte: Sind die Knochen noch weich, werden Schädel verformt. Dazu wird der rundliche Kopf mit den Händen gedrückt und dann derart stark bandagiert, dass sich der Schädel verlängert, der Kopf sich vergrößert. Ein Turmschädel entsteht.

Langköpfige Menschen gelten als die vornehmsten, die edelsten. So hat jede Zeit ihr eigenes Schönheitsideal. Aber diese Schädeldeformation ist zu dieser Zeit bereits uralt - bereits im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung pflegten Skythen dieses Brauchtum, das somit schwerlich als modische Erscheinung abgetan werden kann.
Als einziges Volk westlich des Rheins pflegen Burgundionen dieses Brauchtum der Schädeldeformation.

Ein weiteres Indiz - ohne endgültige Sicherheit über die Herkunft der Burgundionen zu geben - liefert die reale Verfassung des oben erwähnten eigenartigen Königtums, da ein Ober-, oder soll man sagen: Hochkönig mit einer untergeordneten Mehrheit von Königen dem Volk vorsteht. Eine Verfassungsform - die in gemäßigter Weise – noch für die Vatergeneration des großen Theoderich bezeugt ist und hunnische Verfassungsformen modifiziert.

Wie dem auch sei: Bereits 407 sind durchs Imperium Verträge mit Alamannen und Burgundionen geschlossen worden, um beide Völker zum Schutz der Rheingrenze zu gewinnen und – wie zu vermuten ist – sich wechselseitig in Schach zu halten. Doch 411 greift der gallische Hochadelige Jovinus nach der Kaiserkrone. Machtpolitischer Hintergrund ist eine gentile Koalition unter burgundisch-alanischer Führung. Der König der beteiligten Burgundionen heißt Gundahar und kann mit dem Gunther der Nibelungensage (dem Gunnar der Edda) gleichgesetzt werden. 413 wird dem Völkchen erlaubt, ein Reich zu gründen. Residenz Gundahars mag wohl Worms (Civitas Vangionum, das Borbetomagus der keltischen Vangionen) sein. Der Föderatenstatus bleibt auch nach dem Ende des Usurpators erhalten. Als Gundahar aber in den dreißiger Jahren versucht, seine Herrschaft in nordwestlicher Richtung auszudehnen und Burgundionen aus der obergermanischen in die belgische Provinz vorstoßen, werden sie vom römischen Heermeister Aëtius zurückgeschlagen. Dessen hunnische Söldner greifen ihrerseits 436 an und siegen. Bis zu 20.000 Burgundionen – einschließlich der Königssippe – kommen um. Widersprüchlich wäre es, hier von einer völligen Vernichtung der Burgundionen zu sprechen, wie König in seiner kleinen römischen Geschichte darlegt [König, S. 424], denn Völkermord ist in bevölkerungsarmen Zeiten nicht üblich. Das geschlagene Volk wird vielmehr umgesiedelt und erhält 443 ein Gebiet am Genfer See. Der Ort wird von Aëtius gewählt, um die Alamannen aufzuhalten, die sich inzwischen in der westlichen Schweiz ausbreiten. Müßig zu erwähnen, dass 451 diese Burgunder als Verbündete Aëtius’ an der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern teilnehmen.

„Gundahar war der erste Burgunderkönig seiner Sippe, von dem geschichtliches Handeln bekannt ist. Aber eine um hundert Jahre jüngere gentile Memoria erwähnt Gundahar erst als vierten einer Reihe von Königen, deren Namen nicht bloß durch Stabreim und Variation auf Verwandtschaft ihrer Träger deuten, sondern die auch ausdrücklich als Verwandte bezeichnet werden. Ihr Stammvater war Gibica, den auch die Sage als Stammvater der Gibikungen in Erinnerung behielt“ freilich auch schon einmal als Franke (im Waltharilied). „Des weiteren enthält diese Liste einen Gundomar und einen Gislahar, den Giselher des Nibelungenliedes.“ Der Untergang der Gibikungen im Kampf gegen Hunnen bildet den geschichtlichen Kern des Nibelungenstoffes. „War auch die historische Katastrophe schwer genug, die burgundische Geschichte ging anders als in der Sage weiter. Es wird zwar in den zwei Jahrzehnten nach 436 kein einziger burgundischer Königsname überliefert; doch kann der 456 erwähnte Gundiok-Gundowech mit dem 436 gefallenen Gundahar durchaus verwandt gewesen sein. Allerdings sprechen mehr Argumente gegen eine direkte Verwandtschaft als für den Übergang der Königsherrschaft von den unmittelbaren Gibica-Nachkommen auf eine Seitenlinie, die starke gotische Verbindungen besaß.

So wusste man im Gallien des 6. Jahrhunderts zu erzählen, dass eben dieser Gundiok aus dem Geschlecht Athanarichs, des donaugotischen Richters und Christenverfolgers, stamme. Ja, zum Jahre 457 behauptete man sogar die Anhängigkeit der Burgunder von den tolosanischen Goten.“ [Wolfram1998, S. 354] Die Tragödie des größenwahnsinnigen Gundahar wird sich spiegelbildlich ein Jahrhundert später wiederholen, doch wird der Rhein zur Rhône, die Rolle hunnischer Hilfstruppen des Aëtius (+ 454) übernehmen nun fränkische Krieger der Söhne Chlodwigs, die endlich in Burgund einbrechen können, haben doch die Goten das Interesse an Burgund verloren: König Sigismund lässt 522 Sigerich, seinen Sohn und zugleich ein Enkel des großen Theoderich töten, um die gotische Partei in seinem Reich zu zerstören. Ein mögliches Motiv für den Dietrich der Sage, die Sippe des Gibica hinzurichten!

Freilich gibt es in der Historie ein gutes halbes Dutzend weiterer Bewerber um den „Siegfried“, von denen dann freilich der eine oder andere merowingische Sigibert größere Chancen hat als der namenlose Cherusker oder der gotische Heerführer Uraias.


II

Jætzige Nib’lungenkatastrophen mit einer abschließenden Halbstrophe

Uns wird in alten Geschichten wundervolles erzählt:
Da verzehren zwei sich in Liebe bis ein Drittes beide stört.
Hören von sublimierten Trieben, - was wär daran denn verkehrt? -
Nichts in den alten Gedichten immer wieder neu verszählt*.

& immer die gleichen Geschichten, itzt wundersamer erzählt, -
Von Ehre, Rache, Gerichten, wie er ihn, er sie und sie ihn quält.
Brynchildis was ein scœnes chint. Nützt’s ihr hinter der Nesselhecke?
Wo steckt der Kerl & wo der Prinz, ders Dornröschen erwecke?

Der Kerl kommt stolz daher geritten auf seinem neuen Pickup.
Her Sîvrit heizet der grôzkotz von sehr geringem Verstand.
Der verspritzt kein’ Schweiß & wenig Rotz. Nimmt die Sach’ selbst in die Hand.
Rasch ist die Hecke geschnitten. Siggi sägt sich selbst was ab!

Das wichtigste Glied ist abhanden! Brunni hat nix von dem Mann. –
Wie soll sie mit ihm verbandeln, wenn ers nun nicht mehr kann?
Drum wird des Paares größte Freud die Muckibude geben.
Haben die zwei es jemals bayreuth? Ist das der Sinn des Lebens?

Und die Moral von der Geschicht: Beim bloßen Heckeschneiden,
Trau Ketten- & Nervensägen nicht so kannstu manch Unheil vermeiden.


Könnte also jemand behaupten, das Nationalepos und - so man will – den Gründungsmythos der Deutschen, das Nibelungenlied, zu kennen? Spiegeln sich nicht in der Klage um die Nibelungen deutsche Reichsgründungen wider, dass niemand darin die Heroisierung einer guten alten Zeit erblicken möge! Oder wie Heinz Rupp es ausdrückt: „Ein tief christlich denkender Zuhörer wird sorgenvoll gedacht haben, dass menschliches und politisches Handeln, wie es im Nibelungenlied geschieht, zur Katastrophe führen muss und dass nur ein Um-Denken die Zustände in der Welt ändern kann. Andere werden im Nibelungenlied ihre eigenen Lebenserfahrungen bestätigt gefunden und mit Fatalismus an die Zukunft gedacht haben. Andere – und es wird immer so sein – werden sich am Heldischen begeistert haben und mehr denn je bereit gewesen sein, ihr Leben für politische Ziele, fragwürdiger und weniger fragwürdiger Art, einzusetzen“[zitiert nach Hoffmann, S. 34], Worte, die zugleich an die Zeit nach dem 11. September 2001 erinnern und darum zeitlos sind, wie das Nibelungenlied selber! Eine Geschichte, die ihre klassische Form vor acht Jahrhunderten gefunden hat, da noch kein Ende Burgunds abzusehen war, und Erzählungen (nichts anderes sind „Mythen“) über Ereignisse darstellen, die damals bereits acht Jahrhunderte zuvor geschehen sind. Gegen diese Geschichte offenbaren sich Fantasy und Horror als soap opera und verbreiten die Bitternis abgestandenen kalten Kaffees.

Das Nibelungenlied ist der erste Antikriegsroman deutscher Zunge, der in 38 Abenteuern (Aventiuren) und ca. 2.400 vierzeiligen Strophen ein ganzes Universum darstellt – das zum Untergang verdammt ist. Mehr als 30 bruchstückhafte Handschriften liegen in drei Hauptfassungen vor, von denen Handschrift B die kürzeste, aber wohl auch die älteste, C dagegen die längste und am stärksten überarbeitete Ausgabe ist. Nach ihrer letzten Zeile werden die Handschriften A und B zur Nibelunge Not

„hie har daz mer ein ende ditze ist der Nybelvnge not“ /
„da hat daz mære ein ende diz ist der Nibelvnge not“​
zusammengefasst, gegenüber dem Nibelungen Lied der Fassung C
„hie hat daz mære ein ende**daz ist der Nibelunge liet“,​
die hier auch i. d. R. zitiert wird.

Das Werk besteht aus zwei Teilen: Zunächst Leben und Sterben des Siegfried und hernach der Untergang der Burgunden – oder besser: Kriemhilds Rache. Mit Bertau[, S. 732 ff.] teilen wir die Hälften noch einmal: in die eher komödiantischen Brautwerbungen (bis zur 11. Aventiure) - denen in den nordischen Varianten die eher märchenhaften Jugendtaten Sigurd-Siegfrieds vorangestellt sind und zugleich seine Beziehung zu Brynhild-Brunhild erklären, was hier nur kurz in Hagens Bericht (3. Aventiure) einfließt. Der zweite Teil gliedert sich in den Zug der Burgunden ins Hunnisch-Ungarische in ihren Untergang – entgegen den historischen Vorgängen . Aber wenig zu interessieren braucht hier das zeitgenössische Kolorit, wenn etwa im zweiten Teil die Burgunden dem Weg Barbarossas während des Kreuzzuges folgen: Als die Burgunden nämlich ihren Durst mit dem Blut der Erschlagenen löschen, ruft Bertau – natürlich ironisch - aus „wie beim Kreuzzug!“ [Bertau, S. 736] Schon der erste Teil verdichtet zeitgenössische Ereignisse wie die Schwertleite der Söhne Barbarossas oder auch die Auseinandersetzung zwischen Welfen und Staufen, zwischen Heinrich dem Löwen und dem Kaiser des Heiligen Reichs Friedrich, gekürter König der Deutschen und eingeheirateter König von Burgund. Schwerlich glaubten Zuhörer, dass es im Vogesen oder dem Odenwald des fünften, geschweige denn des zwölften Jahrhunderts noch Löwen gäbe (16. Aventiure). Darum muss auch keine weitere Darstellung erfolgen, ob ritterliche und / oder christliche Ideale verwirklicht sind und wann und wo sie scheitern, denn dieses ist Kritik des Dichters an seiner Zeit – dem zwölften Jahrhundert. Die im Lied dargestellten Ereignisse von der Schwertleite des jungen Siegfried bis hin zu seiner Ermordung und der Rache seiner Witwe wird als bekannt vorausgesetzt, dass wir nun einen gelegentlichen Ausflug ins 21. Jahrhundert wagen können.

Krieg, nicht Frieden heißen wir den Vater aller Dinge. Ein Zustand, der wegen seiner Dauerhaftigkeit als normal empfunden und trotz angelegentlichen Maulens ohne Widerstand hingenommen wird, selbst, so weit er durch Phasen der Trauer, vor allem aber Melancholie und somit des Selbstmitleides unterbrochen wird. Friede dagegen wird ein zartes Pflänzchen genannt, das behutsam gehegt und gepflegt werden muss und immer durch Hass, Wut und Zorn, Neid und Eifersucht, vor allem aber Habgier und Herrschsucht gefährdet ist. Da muss der Wunsch nach einer vaterlosen Gesellschaft gefördert werden - auf dass der Friede groß werde und dauerhaft auf Erden! Binnen zweier Generationen droht den Menschen des Abendlandes die Mühe um dieses empfindliche Gewächs verloren zu gehen. Kriegerische Auseinandersetzungen tobten weit weg - und klopfen dann doch auf dem Balkan an Europas Pforten.

Spätestens am 11. September 2001 hat die Wirklichkeit uns alle heimgeholt, als ein Schmerzensschrei in den Ruf nach Rache umzuschlagen drohte, das Böse sich wieder personifizieren ließ und die Angst vor einem Weltkrieg umging, obwohl doch inmitten Afrikas bereits seit Langem ein Weltkrieg um Rohstoffe tobt. Wer in Krisen lebt, braucht vor Katastrophen nicht zu warnen. Allein, wie ist ein Zusammenhang herzustellen zwischen dem hellen Amerika unserer Tage und den dunklen Zeiten der Nibelungen? Da les’ ich: „Über die Anschläge in New York und Washington am Dienstag, dem 11. September 2001 muss vor allem anderen gesagt werden, dass sie die Verwundbarkeit der Vereinigten Staaten, wie die jeder modernen Gesellschaft, gegenüber einem intelligent geplanten und entschlossenen Angriff demonstrieren. ... Die Planung hat immer unter der Annahme gelitten, Feinde würden auf eine Art und Weise angreifen, die genau zu der Art Verteidigung passte, die schon vorbereitet oder geplant war“ [Pfaff, S. 1181], und just diese Stellungnahme erinnert an Verse des Hebbel’schen Trauerspiels, wenn Hagen bereits im Vorspiel deklamiert: „Nun, was Herr Siegfried wagt, das wagt ich auch. / Nur gegen ihn erheb ich nicht die Klinge: / Das wär ja auch, wie gegen Erz und Stein. / Glaubt’s oder zweifelt, wie es euch gefällt: / Ich hätt’ mich nicht im Schlangenblut gebadet, / Darf denn noch fechten, wer nicht fallen kann?“

Und später im Odenwald: „Er hat den Tod ja abgekauft / Und so den Mord geadelt.“
Und wieder zurück in Worms am Leichnam Siegfrieds „Den Recken hätte ich / Gefordert, und mir ists wohl zuzutraun, / Allein er war vom Drachen nicht zu trennen, / Und Drachen schlägt man tot. Warum begab sich / Der stolze Held auch in des Lindwurms Hut!“ [Hebbel, Der gehörnte Siegfried, Vorspiel, 1. Auftritt / Siegfrieds Tod, V/1 und /9]

Bei aller moralisierenden Kritik der Moderne - insbesondere der Industrialisierung - erkennt Hebbel nach Meinung Kaisers, dass „die Konzentration von Macht und Besitz, die Siegfrieds Panzer darstellt, [...] der zwischenmenschlichen Auseinandersetzung eine neue Qualität [verleiht]. Wer gegen den gehörnten Siegfried kämpft, hat es nicht mehr mit einem verletzlichen Menschen, sondern einem quasi-allmächtigen, verdinglichten Wesen zu tun, das mit den Mitteln eines chancengleichen, geregelten fairen Kampfes nicht zu besiegen ist. Er wird von hinten erschlagen – Siegfrieds Hornhaut fordert die Heimtücke heraus, ...“ [Kaiser, S. 119]
So fordert also ein jeglicher Gegner, der unüberwindlich sich gibt, die Heimtücke heraus.
’s sind Dichtungen tragischer Ereignisse. Der Held wird aktiv und scheitert in aller Regel an einem besonderen Ethos von Treue, Mut und Kampfesfreude, insbesondere aber der Ehre. Wolfram definiert „die Ehre eines Menschen“ als „seine totale Integrität, seine Unverletztheit in körperlicher wie geistiger, materieller wie ideeller Hinsicht. Wer Ehre hat, ist heil, besitzt Heil. Wer ehrlos wird, wird auch heillos, er wird »feig«, das heißt, er ist dem Tode geweiht.“ [Wolfram1995, S. 21] Stets ist Ehre durch Unehre bedroht, bewirkt durch eine üble Tat („Neidingstat“). Die üble Tat schreit nach Vergeltung. Allein durch Rache kann die üble Tat geheilt, Ehre wiederhergestellt werden. Ge- und Beschädigte reagieren mit Blutrache und Fehde. Rechtsgrundsätze von alters her. Wo es keine Strafbehörde gibt, sind Angehörige der Familie zur Vergeltung aufgerufen und der Akt der Vergeltung vermag zum Krieg sich auszuweiten zwischen Familienverbänden und deren Verbündete. Glaube niemand, er wäre gegen ein solch archaisches Denken gefeit.

Wolfram zeigt auf, wie es bis heute fortwirkt, im Großen wie im Kleinen: Gleich welches Motiv dahinter steht, wir erfahren den klein(st)en Diebstahl als persönliche Kränkung, der ertappte kleine Dieb wird bestraft, unabhängig von der Größe des Schadens. So spielt das gegensätzliche Paar Ehre und Unehre bis in die heutige Erziehung hinein, wenngleich andere Modelle von Sanktionen als die real existierenden sich anwenden ließen. –
Oder ins Größere gewendet: Massenvergewaltigungen - Wolfram erinnert an Bosnien, das Mitte der 1990er Jahre in die Schlagzeilen geriet. Die Schändung der Frau(en) trifft nicht nur deren „persönliche Integrität und Ehre, sondern auch die des Gegners insgesamt ...“

Anders gewendet: wesentliches Moment des Schocks des 9/11 ist nicht so sehr das verletzte Sicherheitsgefühl des Westens - um das Sicherheitsgefühl wiederzugewinnen (konnte und) wurde mancherlei unternommen - sondern die nun doppelt gekränkte Ehre in Afghanistan. Zielt doch die „Dramaturgie des Angriffs“ [Lau, S. 54] auf Demütigung des Angegriffenen, dass alsbald der Kampf um Ehre, Stolz, Ruhm, Schande und Schmach in eine schier endlose Spirale der Demütigung der Demütigenden (und umgekehrt) zu führen droht. Archaische Strukturen holen die „moderne“ Zivilisation ein, waren nie überwunden!

Wie entsteht die Heldensage? Aus der Verknüpfung des Spiels der Mächtigen - (ein Mächtiger kann zu jenen Zeiten durchaus ein Schmied wie Wieland, Mime oder Regin sein, dessen ehrbares und kunstvolles Handwerk in den heroischen Zeiten hoch angesehen war und einen geradezu technokratischen Status erreichte) - und der größeren Macht eines nicht zu begreifenden und darum unbegriffenen Schicksals. Dichtungen wie die Edda verurteilen menschliches Fehlverhalten wie „Verleumdung, Neid, Eifersucht und Goldgier, aber [die Edda] nimmt dieses Übel als schicksalhaft, dem Menschen eingeboren. Sie mutet Odin, dem höchsten Gott, die Lust am Bösen zu. Wohl sind die Menschen schuld an dem und an jenem – aber Odin hat es so gewollt, Odin ist zuerst und am meisten schuld. (...) / Es herrscht der Glaube an ein unverrückbares Schicksal. Wie die Griechen ihre Moiren, die Römer ihre Parzen hatten, so die Germanen ihre Nornen. ... Dem vorbestimmten Los kann keiner entrinnen; darum vermögen auch Seher das Schicksal vorauszusagen, ... Die Prädestination lähmt aber die germanischen Helden nicht. In tapferem Kampfe zu fallen, gilt mehr als der gewöhnliche, bürgerliche Tod! Die Walküren heben ja die tapferen Gefallenen auf und tragen sie empor in Odins Walhalla.“[Häny, S. 536 f.] Wollen wir denn von unserem heutigen Standpunkt aus den Altvorderen vorwerfen, nicht mit Brecht begriffen zu haben, dass das Schicksal des Menschen der Mensch ist, wenn wir uns über die Abenteuer eines Harry Potters kindlich, wenn nicht kindisch freuen? Oder wenn wir das Schicksal durch Sachzwänge ersetzen, denen wir uns nahezu hilflos ausgeliefert glauben, weil diese oder jener es mehr und doch weniger kompetent behauptet?

Damit die Heldensage sich des Themas annimmt, bedarf’s des „heroischen Pathos“ (Wolfram) eines untergehenden, zumindest bedrohten Königtums. Als im Jahre 375 unterm Ansturm der Hunnen das südrussische Gotenreich zusammenbrach, verzweifelte der selbst für unsere Zeiten hoch betagte König Ermanarich in auswegloser Einsamkeit, dass er sich Gott verlassen eben diesem Gott opferte, das Schicksal seines Reiches konsequent teilte. Zum Lohn wurde er in die Heldensage aufgenommen. Freilich um den Preis, mit dem historischen Odoaker, der sechzig Jahre nach Ermanarichs Tod erst geboren wurde, Skire war und sich wohl niemals als Gote fühlte oder bezeichnete, die Rolle zu tauschen, verwechselt und mit der Vertreibung und Verbannung des Dietrich von Bern stigmatisiert zu werden. Was die Sachlage vollkommen verkehrt, schließlich usurpierte Theoderich / Dietrich das dem italischen König Odoaker / Ermanarich verbliebene Reich. Der 38-jährige hellleuchtende Held beförderte 493 den 60-jährigen Konkurrenten eigenhändig zu Raben / Ravenna vom Leben zum Tode.

Im Untergang der italischen Ostgoten nach Theoderichs Tod schien sich der Zusammenbruch der südrussischen Goten Ermanarichs zu wiederholen. Durch die Heldensage werden beide gotischen Könige zu zeitgenössischen Gegenspielern, obwohl Theoderich eineinhalb Jahrhunderte nach Ermanarich wenig heldenhaft an der Ruhr mit wahrscheinlich 75 Jahren starb, auch das ein stattliches Alter zu seiner Zeit.

Wie die Verknüpfung unterschiedlicher Zeitebenen in einem Zeitpunkt so sind alle Zahlenangaben in der Sage, aber auch in anderen historiographischen Schriften wirklichkeitsfremd und darum vorsichtig zu genießen. Sie bedeuten oft nicht mehr als „einige“, „viele“, bestenfalls „sehr viel“ (Wolfram). Gleiches gilt auch für geographische Kategorien, wie Strerath-Bolz für die Vorzeitsaga vermerkt: „Besonders auffällig ist ... der Umgang mit zeitlichen und räumlichen Angaben. Als Element der Erzählung spielt Zeit eigentlich keine Rolle, und so scheint es für die Saga von Örvar-Odd nicht das geringste Problem zu sein, dass der Held 300 Jahre alt wird. Ähnliches findet sich in bezug auf geographische Kategorien: Die Helden reisen durch ganz Europa, halten sich in Russland auf, besuchen den arktischen Raum ebenso wie den Mittelmeerraum und das Heilige Land. Aber die erwähnten Städte und Länder sind oft lediglich Namen, die der exotischen Entrückung des Ortes dienen.“[Strerath-Bolz, S. 13]

Das Heer des Stammes bestand aus spezialisierten Elitekriegern und war klein: dreitausend Mann galt - laut Wolfram - offenkundig als Standard. Berichtet wird von innergotischen Stammeskriegen und gefolgschaftsähnlichen Unternehmungen einzelner Häuptlinge. Der Feind war nicht nur das andere, das fremde Volk jenseits der breiten wüsten Grenzzone. Als feindlich galt bereits das Nachbardorf, der nächste Häuptling mit seinem Clan oder die andere Sippe vom gleichen Stamm. Mit Wolfram wundern wir uns, „wie die Stammesüberlieferung solche chaotischen Zustände als harmonisch empfinden konnte. Dies war nur deshalb möglich, weil eine Stammesgesellschaft aus dem heroischen Pathos lebte, das heißt von der »Ehre« reguliert wurde.“[Wolfram1983, S. 18 und ders.1995, S. 20]

Indem das Leben des Helden erzählt wird, werden zugleich existenzielle Fragen besprochen. Setzt die Geschichte mit der Kindheit des Helden an, werden seine besonderen, eben „sagenhafte“ Fähigkeiten herausgestellt wie die übermenschliche Kraft Wolfdietrichs (oder auch Jung-Siegfrieds). Oder besondere Umstände der Zeugung – wie bei Artus. Denn schon damals waren die Erzeuger abwesend – (Durch-)Reisende, auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft, auf Kriegs- und Beutezug, galten als verschollen oder gar tot. Sollten Vater und Sohn sich treffen, stand Ärger an. Im harmlosen Fall endet die Begegnung wie im Gegensatzpaar Hugdietrich und Wolfdietrich. Schlimmsten Falls mit Mord und Totschlag, wie nach dem Hildebrandslied zu vermuten ist. Interessant in diesem Zusammenhang Freud, der die Ansicht über eine Tat, ob sie ein krimineller Akt oder eine Heldentat sei, aus der Stellung des Täters innerhalb der Hierarchie ableitet: „Wer kraft seiner unbeugsamen Konstitution diese Triebunterdrückung nicht mitmachen kann, steht der Gesellschaft als »Verbrecher«, als »outlaw« gegenüber, insofern nicht seine soziale Position und seine hervorragenden Fähigkeiten ihm gestatten, sich in ihr als großer Mann, als »Held« durchzusetzen.“ [Freud Bd. IX, S. 18] Denn bei aller mütterlicher Fürsorge misslingt das Heldenleben wie beim ältesten bekannten Anti-Helden Ortnit, der sich einfach nicht abnabeln kann. Oder gelingt erst auf buchstäblichen Umwegen wie bei Parzival.

»... : / O Mutter Erde, verlierst du denn immer, als Witwe, die Zeit?
Nichts zu erzeugen ist ja und nichts zu Pflegen in Liebe
Alternd im Kinde sich nicht wieder zusehn, wie derTod.«​
Hölderlin, Der Wanderer (2. Fassung)​

NACHTRAG zur Buchmesse 2011:

„Die mittelalterliche Literatur Islands verdient zweifellos den Begriff Weltliteratur“,

zitiert am Samstag, den 8. d. M. die WAZ den Schweizer Peter Büchner, der seit 2007 Bischof der ca. 10.000 Katholiken Islands ist und die Zeit Nr. 41 titelt in ihrer Literaturbeilage Oktober 2011 zur Herbstmesse

„wenn die Aktienkurse in den Keller rauschen, steigt der Wert der Literatur“,

waren doch just die Banken dieser Insel wie unter experimentellen Bedingungen abgestürzt, dass alle Welt in diesem kleinen Laboratorium der Weltgeschichte erkennen mochte, was sie zu erwarten habe. Inzwischen scheint die Hypothekenblase nahezu vergessen und die Krise der Finanzmärkte als eine Schuld(en)krise verstaatlicht zu werden, und doch ist die Literatur dieses kleinen Staates, von dem man meinen könnte, jeder zwote Isländer wäre Schriftsteller, gar Dichter.
Island ist der diesjährige Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, und gibt mir so Gelegenheit, einen Nachtrag zu liefern –
umso mehr, als das Nibelungenlied ja behauptet, Isenstein läge und Brünhilde käme somit von Island! Tatsächlich ist Island erst 874 von norwegischen Auswanderern (mit einem durchaus auch slawischen Anhang) besiedelt worden und mit den Kolonisatoren gingen die Mythen an Land.
Nach Halldór Laxness bewegt sich jeder isländische Schriftsteller im Sagaraum, sei Island doch von Literatur durchdrungen und der eigentliche Witz ist: Isländer können die Sagas im Original lesen. Nicht weil sie gescheiter wären als der durchschnittliche Mitteleuropäer, sondern weil sich das Altisländische – das aus dem Norwegischen sich entwickelte – ohne große Änderungen gehalten hat und doch einfach nur Neuisländisch genannt wird.

Die Sagenwelt der Edda ist unsere eigene und sie ist viel näher dran am ursprünglichen Text als das hochmittelalterliche Nibelungenlied, das ja Zeitkritik enthält. Während das Nibelungenlied Siegfrieds Tod und den Untergang der Burgunden verquickt, wird in der Liederedda der Untergang mit dem Tode Atlis (Etzels) verknüpft – und kommt so den historischen Quellen näher als das Nibelungenlied: Attila war kein sonderlich diplomatischer König, erst recht kein Wohltäter der Menschheit und galt als machtbesessen und gierig. Ihm wird der Mord an seinem Bruder und Mitregenten Bleda - dem Blödel der Sagen - angelastet (was nicht ungewöhnlich ist, s. o. Theoderich/Dietrich). 453 nahm Atli sich eine junge Frau – Hildico („Hildchen“) – und kam noch in der Hochzeitsnacht auf ungeklärte Weise zu Tode – im gleichen Jahre also, wie vermutlich Aëtius. Die beiden kannten sich (Aëtius war in jungen Jahren Geisel der Vatergeneration des Attila, wie ja selbst Gibica, der Vater der Burgunderkönige, und Hagen Geisel der Hunnen waren und das nicht nur im Nibelungenlied, sondern auch schon im Waltharius).
Reginsmál, Fáfnismál und Sigrdrifomál geben Drachenkampf und Hortgewinn des jungen Sigurd (Siegfried) wieder, Brot af Sigurðarkviðu (Fragment) erzählt vom Betrug an Brynhild (Prünhilt) und Sigurds Ermordung, die Atlakviða vom Ende der Gibicungen: Gunnar (Gunther) und Högni (Hagen) werden nicht von Grimhild (Kriemhilt), sondern von Atli (Etzel) ermordet. Grimhild rächt ihre Brüder, indem sie Atli die Herzen seiner beiden Söhne zum Mahl reicht und die Halle anzündet, in der sie und Atli den Tod finden.
Um nun niemand endgültig zu verwirren, sei Gudrung / Kudrun als Variante seefahrender Völker mit diesem einen Satz nur genannt.

„Die Sagas sind nicht nur großartige dramatische Geschichten von Rache und Ehre, sie sind auch brillant geschrieben. Da ist kein Wort zu viel. Auch ich versuche, so zu schreiben, die Worte vorsichtig und sparsam zu verwenden. Die Autoren der Sagas waren Experten darin – und warum nicht von den Besten lernen?“ [so Arnaldur Indriðason in der Zeit Nr. 41, Literatur Oktober 2011, S. 31]
Dem kann man sich nur anschließen.

* Gern hätt ich statt des „SZ“ ein „ß“ verwendet. Aber wer begriff dann noch das Wortspiel „verzählt“ und die Verknüpfung von „Vers“ und „zählen“? Wahrscheinlich müsste dann der Texter wieder seinen eigenen Text interpretieren, dass es besser wär, er schriebe statt des Textes eine Interpretation des Textes, der dann nicht mehr verfasst zu werden brauchte.

ANHANG

Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen, nichtgenannt-sein-wollenden Person, wird nun doch – entgegen meiner ursprünglichen Absicht - im folgenden das Nibelungenlied kurz geschildert, eine Geschichte, gegen die Soap-Operas amerikanischer Prägung kalter Kaffee sind und dessen Bitterkeit verbreiten.

1 Vorstellung des Personals

Das Nibelungenlied setzt ein mit der Schwertleite des jungen Siegfried.
Aufgewachsen in Xanten am Niederrhein ist er von seinen Eltern Siegmund - dem König der Niederlande - und Sieglinde zum vorbildlichen Ritter erzogen worden. Wie nebenbei erfährt man, dass die Großen der Niederlande den jungen Prinzen gern auf dem Thron sähen. Der will aber nicht, solange die Eltern leben. Will stattdessen um die burgundische Prinzessin Kriemhild freien, die in Worms bei ihren Brüdern – den Königen der Burgunden – wohlbehütet lebt. Doch nicht durch standesgemäße Brautwerbung, sondern als fahrender Recke, wenn nötig als Eroberer, will er Braut und ggfs. das Reich der Burgunden als Mitgift erwerben.
Siegfried wird vor allem vor Hagen gewarnt.

Vorgestellt wird parallel zu den Ereignissen am Niederrhein die Sippe der burgundischen Könige und der Hof zu Worms am Mittelrhein. Als Eltern werden Dancrát – der Vater wird nur kurz erwähnt und spielt weiter keine Rolle mehr - und U(o)te genannt. Vier Kinder sind bekannt: drei Söhne teilen sich das Königtum und heißen Gunther - als der älteste ist er zugleich der König, der letztlich das Sagen hat - Gernot und Giselher - der jüngste und damit das ewige „Kind“ im Lied - und Kriemhild, einfach nur schön und ebenso ängstlich.
Erste Vorahnungen Kriemhilds auf den weiteren Verlauf der Ereignisse: ihr träumt, zwei Adler zerrissen einen von ihr abgerichteten Falken. Mutter Ute deutet den Traum auf einen geliebten Mann, dem ein früher Tod drohe. Kriemhild weist jeden Gedanken an Minne von sich.

2 Der Sachsenkrieg

Mit zwölf Begleitern kommt Siegfried nach 7-tägiger Reise vor den Mauern Worms an.
Erster Auftritt des Hagen von Tronje, Onkel und Vasall der burgundischen Könige - als deren Ratgeber vielleicht der erste Kanzler auf späterem deutschen Boden. Hagen kennt den Fremden nicht, vermutet aber in dem Fremden Siegfried & gibt einen kurzen Überblick über Siegfrieds Jugendtaten - Erklärungen für Siegfrieds Kraft, Reichtum und Macht (Horterwerb), Unverwundbarkeit (Drachenkampf), Verstellungskünste (Tarnmantel) - soweit sie für den weiteren Verlauf der Ereignisse bedeutsam sind. Warnt vor dem machtbewussten jungen Mann.
Wie zur Bestätigung der Warnung schockt der junge Mann die Burgunden, fordert Gunther zum Zweikampf um Land und Herrschaft. Lässt sich schließlich besänftigen. Wird geehrter Gast und Freund am Hofe.
Während seines Gastaufenthaltes drohen Sachsen und Dänen Worms mit Krieg. Siegfried erbietet sich, den Krieg mit einem kleinen Heer von tausend Kriegern gegen die sächsisch-dänische Übermacht von 60tausend Mann und mehr zu führen, indem er den Krieg in Feindesland hineinträgt und selbst die Initiative übernimmt. Angriff ist immer schon die beste Verteidigung.
Siegfried erhält tatsächlich die Führung des Heeres. Der Krieg wird ins Sächsische getragen. Die angegriffenen Angreifer sind überrascht und werden geschlagen; Siegfried nimmt bei einem Wartritt den Dänenkönig im Alleingang und in der darauf folgenden - für die Burgunden siegreichen - Schlacht dessen Bruder, den Sachsenkönig gefangen.

Kriemhild hört mit inniger Teilnahme von Siegfrieds Taten.

3 Das Geschäft

Die Sieger kehren heim. Endlich! Bei der Siegesfeier erblickt Siegfried das Objekt seiner Begierde das erste Mal – ein Jahr nach der Ankunft in Worms. Kriemhild darf den siegreichen Heerführer (Herzog, der vorm Heer zog) durch Gruß und Kuss auszeichnen; Liebe erwacht in beiden. Siegfried lässt sich nun sehr leicht bewegen, in Worms zu bleiben. Als vertrauter und verbündeter Freund kann er nun täglich mit Kriemhild zusammen sein.
Gute und freigebige Stimmung herrscht zu Worms: gegen Urfehde kommen die beiden gefangenen Könige ohne Lösegeld frei.

Gunther will auch eine Braut: Brunhild. Die lebt auf Isenstein auf dem fernen Island, gilt als unnahbar, unsäglich schön und stark, kurz: sagenhaft. Die will er zur Braut! Doch Brunhild will nur den als Mann anerkennen, der sie im Wettkampf bezwingt. Was nur Siegfried vermag. Der kennt die Verhältnisse auf Island und ist damit schicksalhaft für Brunhild bestimmt. Gleichsam als Gegenleistung für Kriemhild - die eigene Braut - will Siegfried Brunhild für den künftigen Schwager gewinnen.

4 Die Brautwerbung

Die beiden Brautwerber gehen mit kleiner Begleitung, nur Hagen und dessen Bruder Dankwart begleiten sie, auf die zwölftägige Schiffsreise den Rhein hinunter übers Meer nach Isenstein. Nach erstem Anschein glaubt Brunhild, Brautwerber wäre Siegfried. Doch der gibt sich als Gunthers Dienstmann aus, teilt mit, Gunther sei der Brautwerber. –
Erste Täuschung.
Dank der unsichtbaren Hilfe des Tarnmantels wird Brunhild ein zweites Mal getäuscht: ihr wird vorgespielt, Gunther wäre der siegreiche Kämpfer.

Angeblich, um dem Sieger zu huldigen, erscheinen sehr viele Insulaner. Als die Rheinländer das isländische Aufgebot erkennen, bekommen sie Muffensausen. Siegfried rudert in Rekordfahrt nach Norwegen (!, nicht an den Rhein) zu seinen Nibelungen, um kurzfristig eine Streitmacht herbeizuholen.
Einen Jux will er sich machen: Siegfried gibt sich seinen Leuten nicht sofort zu erkennen. Muss daher in Scheinkämpfen antreten gegen den riesenhaften Pförtner und den zwergwüchsigen Wächter des Hortes – Alberich. Kann beide gerade noch überwinden. Mögliche kurze Zeit für traumhafte Erinnerungen: Drachenkampf; wie er schon als Kind Brunhild gekannt hatte und wie sehr beide einander zugetan waren [Ein Einschub, der in den von mir verwendeten Ausgaben des Nibelungenliedes nicht zu finden ist, den aber Frau Mączyńska erwähnt und von mir übernommen wird, da an einem mythischen Ort Norwegen (wie auch Island/Isenstein) das mythische Element, das zuvor Hagen angerissen hatte, traumhaft dargestellt werden kann. Vgl. Magdalena Mączyńska: Die Völkerwanderung. Geschichte einer ruhelosen Epoche im 4. und 5. Jahrhundert, Zürich 1993, S. 126].
Mit tausend Kriegern der Nibelungen kehrt Siegfried nach Isenstein zurück.
Die vier vom Rhein führen Brunhild heim nach Worms, begleitet von nordischen Völkern, Insulanern Brunhilds und Siegfrieds Nibelungen, kurz: eine kleine Völkerwanderung, in der sich der Gründungsmythos aller (germanischen) Stämme & Völkerschaften von Skandinavien aus widerspiegelt!

5 Gute Zeiten

Also findet eine Doppelhochzeit statt. Doch der nächste Betrug steht an!
In der Brautnacht verweigert sich Brunhild Gunther, dass erneut Siegfried für Gunther eintreten muss. Siegfried nimmt ihr – in Gestalt Gunthers - Ring und Gürtel, durch welche die Kraft ihrer Jungfernschaft begründet ist. Der Dummbax schenkt Kriemhild das Raubgut. Damit birgt der widerspenstigen Zähmung den Kern kommenden Unheils. Zumal die wahre gesellschaftliche Stellung Siegfrieds als die Voraussetzung seiner Heirat mit Kriemhild vor Brunhild weiterhin verborgen bleibt.

Nicht allzu glücklich verläuft die Doppelhochzeit dank Brunhildens Tränen.

Siegfried reist mit den Seinen zurück an den Niederrhein. Regiert dort zehn Jahre. Glücklich, wie gesagt wird. Kriemhild schenkt ihm einen Sohn. Den heißen sie: Gunther.
In Worms kommt in dieser Zeit ein kleiner Siegfried zur Welt.

Sieglinde stirbt.

6 Schlechte Zeiten

Eine Einladung Brunhilds holt das Paar wiederum nach Worms. Ein aufwändiges Fest entfaltet sich.
Bei einem Ritterspiel kommt es zum Streit der Königinnen um den Vorrang der Männer. Folglich auch um die eigene Position. Brunhild degradiert Siegfried zum eigenman, beschimpft Kriemhild als eigen diu, unfreie Magd. Kriemhild setzt als Gegenschlag ein vages Wissen des Brautnachtbetruges und ihren Besitz von Brunhilds Ring und Gürtel als beredte Zeichen ein. Sie nennt Brunhild kebse, Nebenfrau, des als unfrei bezeichneten Siegfried.

Der unter vier Augen begonnene Streit erhält eine öffentliche Fortsetzung. Kriemhild betritt vor Brunhild das Münster vor aller Leut’ Augen. Die Beleidigung Brunhilds im Angesicht des Hofes führt dazu, dass die Männer eingreifen müssen. Hagen, dem der Strahlemann vom Niederrhein ohnehin zu mächtig wird, schmiedet den Plan, Siegfried zu ermorden. Die Könige willigen (halb-)widerstrebend ein. Eine erneute Kriegserklärung der Sachsen und Dänen wird fingiert. Selbstverständlich bietet Siegfried den Verwandten und Freunden seine Hilfe an.

7 Die Jagd

Hagen verleitet die besorgte Kriemhild, Siegfrieds verwundbare Stelle zu bezeichnen. Er behauptet: Damit er ihn im Kampf schützen könne. Sobald Hagen sich vergewissert hat, dass das Zeichen vorhanden ist, wird der Feldzug abgesagt und in eine Jagd umgewandelt.

Alpträume bedrücken Kriemhild. Warnen. Kriemhild versucht, Siegfried von der Jagd abzuhalten. -
Vergeblich, natürlich.
Während der Jagd im Wasgenwald - (heute: Vogesen; - die herrschende Meinung sieht hier eine Verwechslung mit dem Odenwald; aber warum sollte die Jagdgesellschaft erst über den Rhein fahren, wenn man eh lieber ausreitet? Und spielt der Wasgenwald nicht eine entscheidende Rolle im Walthari und wäre danach mit dem Rosengarten von Worms gleichzusetzen? -) - entfaltet sich Siegfrieds strahlende Überlegenheit ein letztes Mal. Scherze Siegfrieds: ein Löwe wird erjagt, zum Schrecken der Jagdgesellschaft ein ausgewachsener Bär (lebendig!) ins Lager geführt. Zur Mahlzeit fehlt – auf Hagens Anstiften – der Wein; der dürstende Siegfried wird auf einen nahen Quell verwiesen. Hagen schlägt einen Wettlauf dorthin vor. Siegfried kommt, wie zu erwarten, lange Zeit vor Hagen und Gunther an, wartet aber höfisch, - höflich, - korrekt, bis der König getrunken hat. Den ahnungslos über den Quell – gemeinhin Symbol des Lebens - gebeugten Helden trifft Hagen von hinten mit Siegfrieds eigenem Speer. Der waidwunde Siegfried versucht, den flüchtenden Hagen zu erreichen, bricht aber zusammen und stirbt, nachdem er - Ironie des Schicksals - Kriemhild dem Schutz der Brüder anempfohlen hat.

8 Räuber und Mörder

Die Mordsbande gibt vor, Siegfried wäre durch Räuber erschlagen worden. Was keiner so recht glauben mag. Mit Mühe verhindert Kriemhild einen nutzlosen Racheversuch des alternden Siegmunds. Der kehrt mit den Seinen heim an den Niederrhein. Nur Kriemhild bleibt in Worms bei den Brüdern. Der Gatte hat’s anempfohlen.

Nach drei und einem halben Jahr kann Kriemhild sich mit Gunther versöhnen, arrangieren. Nicht aber mit Hagen. Ihm gilt Kriemhilds lang anhaltender Rachewille.
Sie lässt den Hort der Nibelungen nach Burgund holen. Durch arge Freigebigkeit verpflichtet sie einige Recken für sich. Hagen beobachtet misstrauisch ihren Machtzuwachs. Erkennt die Gefahr. Auf seinen Rat hin wird der Hort geraubt und im Rhein versenkt.

9 Dreizehn Jahre später

Nach dreizehn Jahren der Trauer Kriemhildens wirbt der gerade verwitwete Hunnenkönig Etzel um sie. Die Witwe zögert lange. Willigt letztlich ein. Rechnet durch den neuen Status der Macht mit neuen Chancen der Rache.
Sie zieht ostwärts durch den Donauraum, über Wien, wo die Hochzeit gefeiert wird, nach Ungarn zur Etzelburg. Dort herrscht sie gewaltig, wie gesagt wird.
Im verflixten siebenten Jahr der Ehe schenkt sie Etzel einen Sohn: Ortlieb.

Nach dreizehn Ehejahren ist die Zeit reif zur Rache. Sie bewegt Etzel dazu, die Wormser Verwandten zu einem Fest einzuladen. Die Boten, zwei bekannte Spielleute, erhalten von Kriemhild besondere Aufträge: insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass Hagen nicht zurückbleibt.
Nach zwölftägigem Ritt erreichen die Boten Worms. Die Einladung wird angenommen - trotz zahlreicher Warnungen. Ute träumt schlecht: Unheil droht. Selbst der Küchenchef warnt vor der Reise.

10 Reise nach Osten

Hagen allein ahnt, nein: weiß, was gespielt wird. Kann die Reise nicht verhindern. Immerhin erreicht er, dass zur Reisegesellschaft eintausend erprobte Ritter und neuntausend Knappen gehören. Aus taktischen Gründen hält er die Abreise der Boten so lange hin, dass Kriemhild kaum Gelegenheit zu langen Vorbereitungen finden kann.
Der Heerzug bricht auf, überwindet Schwierigkeiten. Als wolle die Natur die Reise verwehren, führt die Donau Hochwasser, und der Fährmann weigert sich, die Armee (oder sollte man besser sagen: Volkswanderung?) überzusetzen. Hagen erschlägt den Fährmann und übernimmt dessen Job, worauf es zu Scharmützeln mit den bairischen Lehnsherren des Erschlagenen kommt. Jetzt können die Burgunden schwerlich zurück …
Wieder und wieder Warnungen an die Burgunden. Zuletzt durch Dietrich von Bern, der sie bei der Ankunft auf der Etzelburg begrüßt. Allein Giselher wird von Kriemhild freundlich begrüßt. Hagen begegnet sie feindlich. Der weigert sich, Rüstung oder Waffen abzulegen. Kriemhild merkt, dass die Burgunden gewarnt sind und Dietrich bekennt sich trotzig als der Warner.
Etzel hingegen erkundigt sich, wer denn der gewaltige Mann sei, erinnert sich dann der Tage, da der junge Hagen Geisel an seinem Hof war.

11 Erste allgemeine Verunsicherung

Die Gäste werden zunehmend verunsichert. Kriemhild sucht jede Gelegenheit zum Streit. Aber auch Gäste verstehen zu provozieren: Hagen und Volker setzen sich auf eine Bank gegenüber Kriemhildens Palast. Kriemhild tritt mit einer gewaffneten Schar auf sie zu. Die beiden verweigern ihr den Gruß, indem sie nicht aufstehen, ja Hagen legt sogar herausfordernd Siegfrieds Schwert über seine Knie. Auf Kriemhilds Frage bekennt sich nun endlich Hagen frei als Siegfrieds Mörder. Als sie darauf die Hunnen auffordert, ihr Leid an Hagen zu rächen, ziehen sich diese feige zurück.
So wird der Besuch der rheinischen Verwandtschaft nach und nach zum Kampf der Burgunden gegen die Hunnen hochgeschaukelt.
Nach dem Festmahl suchen die Burgunden den ihnen zugewiesenen Saal auf. Ein nächtlicher Überfall der Hunnen scheitert an der Wachsamkeit der beiden Wachen Hagen und Volker. Die Hunnen ziehen sich zurück. Ernten dafür Hohn und Spott durch Volker.
Anderntags bleiben die Burgunden selbst beim Kirchgang gewaffnet.

12 Eskalation der Gewalt

Beim folgenden Turnier tötet Volker einen stutzerhaften, hunnischen Ritter. Den ausbrechenden Tumult vermag Etzel noch einmal zu dämpfen. Kriemhild versucht, Helfer für ihren Racheplan zu werben. Dietrich lehnt scharf ab. Bloedel, Etzels Bruder dagegen lässt sich gewinnen. Nomen est Omen? Während das Festmahl beginnt, waffnet sich Bloedel mit seinen Leuten.
Kriemhild lässt Ortlieb in den Festsaal bringen. Etzel freut sich seines Sohnes. Hagen spricht düster vom nahen Ende des Knaben.
Unter Führung Bloedels werden die Knappen niedergemetzelt. Nur Dankwart entkommt in den Empfangssaal der Etzelburg. Als dort Hagen dem jungen Ortlieb den Kopf abschlägt, ist selbst für den bis dahin - vielleicht - ahnungslosen Etzel keine Befriedung mehr möglich. Die Schlacht tobt.

13 Schlachtengemälde

Tote und verwundete Hunnen werden aus den Saal geworfen. Die Hunnen weichen zurück. Kriemhild bietet Berge von Gold für Hagens Kopf. Thüringer und Dänen an Etzels Hof kämpfen um Ehre, Ruhm und Gold. Werden im Handgemenge niedergemetzelt. Erneut greifen Hunnen an. Die Burgunden ermatten und
versuchen letztmalig zu verhandeln. Kriemhild fordert von den Brüdern, Hagen auszuliefern. Die Forderung wird zurückgewiesen. Gemäß lehnsrechtlicher Treuepflichten gegenüber dem Vasallen. Blut fließt in Strömen. Ekeln soll sich’s Publikum bei der detaillierten Schilderung der Kriegsgräuel, das Lied singt gegen den Krieg.

14 Showdown

Aber die Burgunden scheinen die Oberhand zu gewinnen. Als Kriemhild das erkennt, befiehlt sie, den Saal zu verriegeln und niederzubrennen. Auf Hagens Rat löschen die Burgunden den quälenden Durst im Blut der Erschlagenen. Fangen das stürzende Gebälk mit den Schilden ab. Überdauern so die Nacht. Groß das Geschrei. Doch größer der Jammer!
Dietrich sendet seinen Waffenmeister Hildebrand zu den Burgunden, die Lage zu erkunden. Gegen den Willen Dietrichs schließen sich weitere Amelungen bewaffnet dem alten und erfahrenen Waffenmeister an. Das Gemetzel neigt sich dem Ende zu.
Nach zwei Tagen und drei Nächten des Schlachtens ist das burgundische Heer ausgelöscht. Von den Burgunden leben nur noch Gunther und Hagen. Auf Seiten der Amelungen überlebt einzig Hildebrand.
Nun greift Dietrich ein. Überwindet die beiden Burgunden und übergibt sie Kriemhild.

15 Das Ende

Nicht sofort übt Kriemhild Rache an Hagen. Fordert vielmehr in dramatischer Konfrontation mit dem Gegenspieler die Herausgabe des geraubten Schatzes. Um das angebliche Hindernis der Hortrückgabe zu beseitigen lässt sie ihren Bruder Gunther töten. Hagen triumphiert endgültig. Versagt ihr den Schatz. Kriemhild reagiert, indem sie Hagen mit Siegfrieds Schwert eigenhändig den Kopf abschlägt.
Horror für Etzel.
Den Gegenschlag führt Meister Hildebrand aus. Der schlägt Kriemhild buchstäblich in Stücke.
Etzel und Dietrich klagen, wie auch das Volk und also das Land. „So holt die Rache die Königin schließlich selbst ein und vernichtet auch sie wie den männlichen Teil ihrer Familie und deren Gefolge. ...“ [Ursula Schulze: Das Nibelungenlied, Stuttgart 1997, S. 89]

Im Osten nichts Neues?

So wenig als historisch im Westen!

Letzte Änderung am 10.09.2021

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, was hat mich da wieder mal geritten - eine Folge des Moses-Romans kann es nicht sein, denn eine längere und inhaltlich umfassendere Version wächst seit eben dem Jahre 2001 und ufert aus, dass ich erst mal wieder - wie hier - ein wenig kanalisieren muss. Darum hier noch das

Verzeichnis der verwendeten Literatur,

nebst kleineren Bemerkungen:

Für den, der von Fantasy genug hat oder auch nur wissen will, an welcher Bank Tolkien seine Anleihen aufgenommen hat:

Das Nibelungenlied. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch, hgg. v. Helmut de Boor, Wiesbaden 195613

Das Nibelungenlied. Zweisprachige Ausgabe, hgg. und übertragen von Helmut de Boor, (Sammlung Dieterich Band 250), Bremen, Leipzig 1959

Alle drei Handschriften finden sich auch im Netz und wer kein Mittelhochdeutsch kann, dem sei geraten: laut lesen - und schon kapiert man, wenn nicht alles, so doch einiges!

Die Edda. Götter- und Heldenlieder der Germanen, aus dem Altnordischen übertragen, mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Arthur Häny, Zürich 1987

Isländische Vorzeitsagas. Bd. I, hgg. und aus dem Altisländischen übersetzt von Ulrike Strerath-Bolz, (Diederichs: Saga, Bibliothek der altnordischen Literatur. Helden, Ritter, Abenteuer), München 1997

Wo Tolkien nicht mehr zu kommen konnte:
Lodemann, Jürgen: Siegfried und Krimhild, Roman, (Klett-Cotta), 2. Aufl., Stuttgart 2002,
die romanhafte und eigenwillige Umsetzung des Stoffes erster Teil, der freilich mehr Kondition erfordert als die Darstellung durch Gustav Schwab

Ansonsten

Bertau, Karl: Deutsche Literatur im europäischen Mittelalter. Bd. I: 800 – 1197, München 1972 –
ein Wälzer, der aber auch Querverbindungen aufzeigt, denn dem geneigten Leser erklärt sich erst das Dreiecksverhältnis Brunhild - Siegfried - Gunther wenn er den Waltharius kennt, denn nicht nur Hagen war gehandicapt!

Freud, Sigmund: Studienausgabe Bd. IX. Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion, Ffm. 19747 -
musste ja passieren!

Häny, Arthur: Nachwort, in: Die Edda. Götter- und ..., a. a. O., S. 523 ff.

Hebbel, Friedrich: Die Nibelungen. Ein deutsches Trauerspiel in drei Abteilungen, der Reclam Universal-Bibliothek Nr. 3171/72, Stuttgart 1963
ein fast vergessener Meister deutscher Zunge!

Hoffmann, Werner: Das Nibelungenlied. 6. überarbeitete und erweiterte Auflage des Bandes „Nibelungenlied“ von Gottfried Weber und Werner Hoffmann, (Sammlung Metzler Band 7), Stuttgart, Weimar 1992

Kaiser, Herbert: Friedrich Hebbel. Geschichtliche Interpretation des dramatischen Werks, München 1983

König, Ingemar: Kleine römische Geschichte, Stuttgart 2001

Lau, Jörg: Geopolitik der Gefühle, in: Die Zeit, Nr. 46, vom 08.11.2001, S. 54

Mackensen, Lutz: Die Nibelungen. Sage, Geschichte, ihr Lied und sein Dichter, Stuttgart 1984

Mączyńska, Magdalena: Die Völkerwanderung. Geschichte einer ruhelosen Epoche im 4. und 5. Jahrhundert, Zürich 1993 –
einmal aus polnischer Sicht, ließen sich doch gotische Völker einstweilen bei ihrem Spaziergang durch Europa im Weichselraum nieder

Oberste, Jörg: Der Schatz der Nibelungen – Mythos und Geschichte, Bergisch Gladbach 2008 –
Terra X vom ZDF lässt grüßen - was ohne Ironie gemeint ist.

Pfaff, William: Drei Lektionen des 11. September 2001, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2001, S. 1181
Ich bewunder Menschen, die eine halbe Stunde nach dem Vorfall scheißkluge Dinge von sich geben können!

Schneider, Reinhard: Das Frankenreich, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 5), München 2001

Schulze, Hans K.: Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen. Merowinger und Karolinger, (Siedler Deutsche Geschichte), vollständige Taschenbuchausgabe, Berlin 1998
Gelungene Reihe bei Siedler, die neben die Propyläen Weltgeschichte und Golo Mann gehört!

Schulze, Ursula: Das Nibelungenlied, Stuttgart 1997

Strerath-Bolz, Ulrike: Einführung zu: Isländische Vorzeitsagas. Bd. I, a. A. O, S. 11 ff.

Todd, Malcolm: Die Germanen. Von den frühen Stammesverbänden zu den Erben des Weströmischen Reiches, aus dem Englischen von Nicole Strobel, Stuttgart 2000 -
mals die angelsächsische Sicht der Dinge

Wolfram, Herwig: Geschichte der Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts, Sonderausgabe, München 1983 -
Standardwerk!

ders.: Die Germanen, München 1995 -
der kleine Happen so zwischendurch.

ders.: Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter, (Siedler Deutsche Geschichte), Vollständige Taschenbuchausgabe, Berlin, Oktober 1998
s. o. Schulze, H.

und auch die Mediathek des ZDF mit Beiträgen zu Attila u. a.

Friedel

 

Ja, auch solche Ergüsse werden nicht fertig, so habe ich mich durchgerungen, das Eingangszitat aus Handschrift C zur Einleitung des Teiles II

"Uns ist in alten mæren**wnd/ers\ vil geseit"

durch einige Verse in der Kürenberg-Strophe (die nach ihrer bekanntesten Erscheinungsform eben "Nibelungenstrophe" genannt wird) zu ersetzen. Vom Kürenberger sind fünfzehn Gedichte erhalten, darunter das Falkenlied. Wer will, kann im "Falken"-Traum der Kriemhild eine Fortsetzung dazu sehn ... was kein Beweis sein muss, dass der Kürenberger der oder vielleicht auch nur einer der Dichter des Nibelungenliedes sei.

 

Island

als literarischer Heimat von Brunichildico, vor allem aber
als Gastland der nahenden Buchmesse

gibt mir noch einmal Gelegenheit und Anlass zu einem kleinen Nachtrag.

 

Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Person wird nun doch – entgegen meiner ursprünglichen Absicht - im folgenden das Nibelungenlied im ANHANG kurz nacherzählt

 
Zuletzt bearbeitet:

Krieg, nicht Frieden heißen wir den Vater aller Dinge. Ein Zustand, der wegen seiner Dauerhaftigkeit als normal empfunden und trotz angelegentlichen Maulens ohne Widerstand hingenommen wird

Da besteht Hoffnung. Einst sprach ich in einer Runde Professoren über Internet.

Es sei eine Erfindung gewesen, halluzinierte ich dort, die von Militärs geschaffen worden sei, für ausfallsichere Kommunikation, die sich stets über Umwege ans Ziel leite, wenn ein Kabel durchschnitten werde. So steht es in vielen Büchern.

Ich musste mir gefallen lassen (und es gefällt mir immer noch) gesagt zu kriegen: Es waren keine Generäle und keine Gefreiten, die das entwickelten.

Es waren Wissenschaftler, Denker. Das Militär erschafft nichts, Denker sind die Väter und Mütter aller Dinge. Manchmal solche, die ihre Brötchen aus Militäretats bezahlen. Aber was zählt das?

War es nicht Tucholsky, der sich einmal über die Gedenktafeln an Burgen und Schlössern mokierte? Welcher Fürst hat denn wirklich (s)ein Schloß gebaut, wie auf den Schildern behauptet? Gebaut haben es Maurer und Zimmerleute, Künstler geschmückt, Bauern bezahlt.

Die Obrigkeit ist die Mutter von nichts, der Krieg niemandes Vater. Und es ist nicht der Zustand, den wir ohne Maulen hinnehmen, es ist die Behauptung des Zustandes, die wir schlucken, bis wir darüber nachdenken.

 

War es nicht Tucholsky, der sich einmal über die Gedenktafeln an Burgen und Schlössern mokierte? Welcher Fürst hat denn wirklich (s)ein Schloß gebaut, wie auf den Schildern behauptet? Gebaut haben es Maurer und Zimmerleute, Künstler geschmückt, Bauern bezahlt.
Ja, Maurer und Zimmerleute haben Burgen, Schlösser und Kathedralen gebaut, Künstler geschmückt, Bauern bezahlt und Frondienste geleistet. Aber sie alle hätten das nicht geschafft, wenn nicht jemand die Idee und den Mut dazu hätte, die besten ihres Fachs von weit her anzuheuern. Manch einer ist bei dem Versuch, Außergewöhnliches, ja Unvergängliches zu schaffen, bankrott gegangen, dennoch finden sich auch heute immer wieder Menschen, die statt einer Weltreise auf einem Luxuskreuzfahrtschiff lieber einen Künstler finanzieren oder eben kein 08/15-Haus bauen (lassen).

 

Mag sein, dass Tucho auch was zu gesagt hat (hab ich jetzt nicht parat), aber Brechts Fragen eines lesenden Arbeiters tun's wohl auch. Denn wer hätte die Bagage sonst beköstigt, wenn nicht Rumold die burgundischen Recken bekocht hätte. Aber da sie in Zehntausende zu bemessen waren (1000 Ritter, 9000 Knappen + das Dreifache an Tross) wird er wohl auch nicht als Küchenmeister einsam gewesen sein ...

Gruß & Dank Euch beiden aus'm Pott von

Knecht Graubart

 

Wie immer bei mir, aktualisiert (Afghanistan-AbenTeuer zB.) zum Jahrestag. Interessant und doch noch ungeklärt, ist der Bezug zu den Saudis. Bekannt ist bisher nur, dass die Familie Bush Beziehungen zum Hause Sauds hat(te?) Wer neuere Nachricht kennt möge sich melden oder auch nicht ...

Friedel

 

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