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Acht-Wort-Geschichten: Kommentare & Kritiken

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Acht-Wort-Geschichten: Kommentare & Kritiken

Hier könnt ihr, der Titel des Threads lässt es vielleicht vermuten, Acht-Wort-Geschichten kommentieren bzw. kritisieren. Viel Spaß dabei. Es gelten natürlich die üblichen Regeln.

 

Das ist, in meinen Augen, immer noch das Falscheste, was es auf der Seite hier gibt, weil es dazu einlädt, 2 Minuten, was zu machen, und zu denken, man hätte was "Literarisches" erschaffen und sich gut zu fühlen. Das ist echt so ein "Autoren-Ausweg", so eine Wort-Bulimie.

Dieses "Literarische erschaffen und sich danach gut fühlen" sollte man als Autor mit Schweiß, Leistung und Arbeit verbinden oder von mir aus mit "Ich hab jahrelang an meinem Schreiben gearbeitet und jetzt fällt mir auch mal was leichter", aber nicht mit diesem Bulimie-Schreiben, Fingerübungskram hier.

Ich hab mich über die Jahre ja schon mehrfach hierüber aufgeregt, aber dass der Mist nach all den Jahren immer noch genutzt wird ... Klowand. Ich weiß, ich bin da immer der Spielverderber und so, aber ...

 

Ich sehe das eher als Auflockerungsübung vor dem Rennen und zum Nachdenken regt es allemal an. Es ist nun mal so, dass manche Wörter mehr Kraft haben als andere, aussagekräftiger sind und Bilder erzeugen. Wenn ich hier zum Beispiel "Reifenqietschen" nehme, weiß zumindest jeder, der einen Führerschein hat, was gemeint ist. Ich habe also bei 60 Millionen, das kleine Österreich inbegriffen, ein Bild erzeugt. Schreibe ich nun aber "Kompressorstall" vermutest du vielleicht den Ort dahinter, wo all die kleinen Kompressoren gefüttert werden. Falsch. Tatsächlich erzeugt dieses Wort aber genau so ein deutliches Bild von Gefahr, wie Reifenquietschen. Nur eben nicht bei 60 Millionen sondern vielleicht bei einigen Tausend, die ein Flugzeug fliegen. Also, geeignet für Fachliteratur aber nicht für die Allgemeinheit.
Ich finde, eine nette Übung und nicht mehr.

 
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Versuch einer ernsthaften Rezension:

Sunnygirl schrieb:
Jährlich verschwinden zahlreiche Männer spurlos! "Neue Kühltruhe, Schatz?"

Schon den ersten Satz finde ich fragwürdig. Zum einen vermisse ich daran jegliche Literarizität, vom Stil her gemahnt er mich nämlich an den Untertitel einer Zeitungsreportage, zum anderen ist er ein Spannungskiller, weil er quasi das Ende vorwegnimmt. Entsprechend flach, um nicht zu sagen unterirdisch, verläuft der Spannungsbogen. Eine Figurencharakterisierung ist zwar in Ansätzen erkennbar, immerhin weist der Kosename in der Dialogzeile auf ein empfinsames Wesen der Protagonistin hin, für mein Gefühl allerdings bedarf es hier noch einer gehörigen Ausarbeitung. Das Ende schließlich ist mir zu spezifisch verortet. Ich befürchte, dass das genuin österreichische Phänomen der "Eisprinzessin", auf das du hier offenbar anspielst, den wenigsten deutschen Lesern ein Begriff ist. Darüber hinaus bla bla bla ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Das ist, in meinen Augen, immer noch das Falscheste, was es auf der Seite hier gibt, weil es dazu einlädt, 2 Minuten, was zu machen, und zu denken, man hätte was "Literarisches" erschaffen und sich gut zu fühlen. Das ist echt so ein "Autoren-Ausweg", so eine Wort-Bulimie.

Dieses "Literarische erschaffen und sich danach gut fühlen" sollte man als Autor mit Schweiß, Leistung und Arbeit verbinden oder von mir aus mit "Ich hab jahrelang an meinem Schreiben gearbeitet und jetzt fällt mir auch mal was leichter", aber nicht mit diesem Bulimie-Schreiben, Fingerübungskram hier.

Ich hab mich über die Jahre ja schon mehrfach hierüber aufgeregt, aber dass der Mist nach all den Jahren immer noch genutzt wird ... Klowand. Ich weiß, ich bin da immer der Spielverderber und so, aber ...


Also "Mist" und "Klowand", dazu sag ich jetzt mal nichts weiter, dass dieser Satz deine Kritik an der Rubrik abflacht, weißt du sicher selbst.

Die Rubrik der Acht-Wort-Geschichten versteht man genau dann falsch, wenn man zwei Minuten braucht, um so einen Text zu schreiben, wenn man keine Zeit darin investiert, auch hier Sorgfalt walten zu lassen. Diese Rubrik lädt nur die Faulen dazu ein, diese als reine Fingerübung zu sehen. Hier gibt es einige Geschichten, die mit ihren acht Worten extrem viel Substanz bieten, dazu gehört großes Geschick, von "Bulimie-Schreiben" kann also keine Rede sein. Wenn du eine komplette Rubrik deshalb nutzlos findest, weil es einige Autoren gibt, die hier lahme Sätze veröffentlichen, dann könnte man direkt die komplette Seite dicht machen, weil das schließlich für jede Rubrik hier gilt.

 

Ich seh's nicht. Ich seh's schon bei den "Beispiel-Sätzen" damals für besonders gelungene Geschichten nicht.

"Bush erzählt die Wahrheit. Hölle friert zu." - Wo ist das eine Geschichte? Das ist ein politisches Bonmont.
Auch da gibt's clevere Sachen: Commas, add, like, nada, you, see. - Ja, clever, aber doch in tausend Jahren keine Geschichte.
Da könnte man nur sagen: Das sind Geschichten, weil sie von Autoren kommen, die sonst Geschichten schreiben. Dann wäre die Definition von "Geschichte": Text, den ein Autor geschrieben hat. Das ist die Definition des Wired-Magazins aus dem Eingangsposting, weil sogar die Autoren, die da gefragt wurden, das gar nicht ernst nehmen.

Das einzige, wo man sagen könnte: Oh, da ist was dran, ist tatsächlich Hemingway mit den Baby-Schuhen, weil der das Kunststück fertig bringt, 99% des Kontexts mitschwingen zu lassen. Das geht aber auch nur mit ganz bestimmten Stoffen, das wäre die einzige Form dieser Geschichte, die irgendwie funktioniert, die 99% müssen schon im Leser sein: Wenn die Geschichte schon im Kopf des Lesers ist und nur getriggert werden muss, wenn man auf ein Klischee zurückgreift, böse gesagt, das man unverändert abrufen kann - denn für das Verändern dieses Grundplots fehlt der Platz.

Im Fall von Hemingway: Schwangere freut sich auf Kind, hat Fehlgeburt - das ist ja nun kein riesen Plot, aber einer mit maximaler emotionaler Wirkung.

Wenn man darauf abzielt, in 8 Wörtern eine Geschichte zu triggern, die der Leser schon kennt und ihn dabei was fühlen zu lassen: So wären diese 8-Wörter-Geschichten formelhaft möglich. Also ... was weiß ich:
Aufgebot bestellt. Wo ist die Braut? Hochzeitswagen Leerfahrt.

Das wär eine "funktionierende" 8-Wort-Geschichte, weil der Leser im Prinzip diese Idee "Am Altar stehen gelassen" schon so oft gesehen und gelesen hat, dass er sich den Rest dazu denken kann. Genau wie mit "Schwangere hat Fehlgeburt."

Aber ist das jetzt wirklich eine Message, die man möchte, dass man Erzählungen, die ein Leser schon kennt, mit 8 Wörtern triggern kann?

Ansonsten bemühen wir uns im Forum ständig darum, zu klären, was zu einer Geschichte dazugehört und hier tun wir so, als kriegen wir das in 8 Wörtern hin. Das ist hier ein Werbegag des Wired-Magazins, dem wir 8 Jahre danach noch hinterherhetzen, weil's irgendwie eine Social-Komponente hat.

Für mich beweist der Thread, dass in 8 Wörtern keiner eine Geschichte erzählen kann, nur Hemingway und der hat gemogelt.

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Quinn, so triggert doch alle Literatur. Erzählen, gutes Erzählen ist Triggern. Tausende Texte haben mich – und andere tausende von Texten sicher auch dich – nicht triggern können, einfach weil das Kontextwissen nicht da ist. Ein Text kann noch so gut geschrieben sein, zum Zerreißen spannend; wenn er meilenweit an der Lebenserfahrung des Lesers vorbeigeht, wird dieser ihn als verschwendete Zeit empfinden bzw. die Lektüre abbrechen. Gute Literatur ist Handwerk, originelle Selbst-/Weltreflektion und auf die richtigen Leser treffen, zu welchen Anteilen jeweils auch immer. Wieviele Worte ein Text umfasst, ist zweitrangig.

Die einzelnen Worte eines Textes könnte man mit Knopfdrücken vergleichen. Wenn hinter einem Knopf kein Kontakt ist, weder Saite noch Hämmerchen wie beim Klavier, ist er sinnlos. Wenn es nur acht Knöpfe sind, aber hinter jedem eine Kette von Dominosteinen, die sich durch den ganzen Leserkopf schlängelt ... Das ist selten, ohne Frage. Es ist vielleicht unwahrscheinlich, dass es dereinst einen 8W-Text gibt, der Hemmingways Paroli bietet, meinetwegen. Es gibt aber ebensowenig Anlass zu glauben, dass es einen solche Geschichte nicht geben kann.

Sich daran zu versuchen ist allemal doch produktiver als Lotto spielen. Zwar kann jeder acht Wörter halbwegs sinnvoll aneinander reihen, genau wie 6 aus 49 ankreuzen. Aber es ist doch klar, was das Autorenhirn mehr auf Trab hält, gell?

Aufgebot bestellt. Wo ist die Braut? Hochzeitswagen Leerfahrt.
Millionenlos Niete. ;)

 

Auch da gibt's clevere Sachen: Commas, add, like, nada, you, see. - Ja, clever, aber doch in tausend Jahren keine Geschichte.
Natürlich nicht, das sind ja auch nur sechs Worte.

 
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Nur weil du das Scheiße findest, Quinn, heißt das noch lange nicht, dass diese Art des Schreibens überflüssig ist, da kannst du auch die nächsten Jahre drüber lamentieren, während die Acht-Wort-Geschichte weiterhin bestehen bleiben. Wir sind hier in der Kreativwerkstatt, da geht es nicht darum, durch Gehate den Schaffensdrang zu unterbinden.

Übrigens schlage ich vor, dass sich jeder mal die in den letzten Jahren im Print veröffentlichten Geschichten von Dante (Frank Hebben), dem Threadersteller, zu Gemüte führt, hier ist ein ganz großes Talent am Werk. Wenn der also eine Fingerübung vorschlägt (egal wie lange das her ist), dann sollte man ganz genau hinsehen, auch wenn man selbst gut schreibt. Es ist im Ergebnis immer wertvoller, wenn man einen Sinn in einer Sache erkennt, als ewig nach ihrer Sinnlosigkeit zu suchen.

 

Diese Acht-Wort-Geschichten haben eine erstaunliche Komplexität. Also, ich suche acht Worte, z. B. die Zahlen von eins bis acht. Wenn ich damit Geschichten bastle, die jedes Wort aus diesen acht Wörtern nur einmal enthalten dürfen, so gibt es 40320 Möglichkeiten. Daher ist eine bestimmte Geschichte ein "Meisterwerk", denn die Wahrscheinlichkeit, zufällig gerade diese Geschichte zu schreiben, ist eins geteilt durch 40320 (0,0000248...). Lässt man Wiederholungen zu (z. B. die Geschichte "Eins, eins, eins, ..."), gibt es sogar 16777216 Möglichkeiten. Lässt man alle Worte einer Sprache zu, dann werden es fast unendlich viele Möglichkeiten für eine Acht-Wort-Geschichte. So gesehen wird dieser Thread in unserem Leben nicht mehr aufhören.

 

Zahlen sind keine Geschichten, egal, wie du sie anordnest, auch keine symbolträchtige Zahlen, auch nicht, wenn man sie rückwärts zählt. Die Anzahl der Wörter sind hier wie im englischen Spiel willkürlich gesetzt, also weiß nicht, warum man sich jetzt an die Zahl acht festbeißt ... nun gut, jetzt ist es so, aber die Zahl ansich hat keine Bedeutung und erzählt keine Geschichte.

 
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Fugusan schrieb:
Lässt man alle Worte einer Sprache zu, dann werden es fast unendlich viele Möglichkeiten für eine Acht-Wort-Geschichte.
Nein, nicht fast unendlich viele Möglichkeiten für eine Acht-Wort-Geschichte, sondern nur fast unendlich viele Möglichkeiten für eine Acht-Wörter-Gruppierung.

 

JoBlack: Ja, vielleicht würde eine Abwandlung der Regel zu "Maximal 143 Zeichen" auch was Interessantes hervorbringen. Gibt Twitterer, die sowas machen, mangels Interesse habe mir ihre Accountnamen nicht gemerkt.

Das ganze schimpft sich auf Englisch "Flash fiction", weiß die Wikipedia zu berichten. Erinnert mich an den Ausspruch Mark Twains: "Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und einem fast richtigen Wort ist derselbe wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen." Genauso verhält es sich eben mit der Kürzestgeschichte, wo auch immer man da die Grenze zieht: Hier gibt es den Boah!-Garanten und da den Schulterzucker. Dazwischen herrscht gähnende Leere.

 
Zuletzt bearbeitet:

Fugusan schrieb:
Im Schnee des Waldes ist ein gelber Fleck.

Auf ungewöhnliche Art gelingt es dir, Fugu, mit diesem Text tradierte Lesererwartungen, nein, nicht nur zu ignor-, sondern förmlich zu torpedieren, und eben diese, also die im Grunde bornierte Erwartungshaltung der konservativen Leserschaft als in Wahrheit denkfaule Ignoranz zu entlarven.
Der geniale Kniff, am Höhepunkt der Spannung den mittlerweile fingernägelkauenden Leser rücksichtlos aus der Geschichte zu schmeißen, darf nicht als billiger Cliffhanger missverstanden werden, sondern stellt vielmehr einen radikal avantgardistischen Kunstgriff dar, der dem Genre der Spannungsliteratur eine neue Dimension eröffnet, um nicht zu sagen, das mimetische Konzept der Autor-Leser-Konvergenz neu definiert, bzw. - vereinfacht gesagt - auf einer subtextoralen Metaebene einen wahrhaft revolutionär mutigen Schritt in eine moderne, kalkulativ dissonante Literaturdekonstruktion wagt.
bla bla bla usw.

Im Ernst jetzt:

Einmal mit dem Würfeln aussetzen und zurück zum Start, Fugusan

 

Floritiv, danke für den Tipp, dann schaue ich mir mal diese "twitter" Seite mal an.
Nee, ich plädiere hier für gar keine Regeländerungen, ich wollte nur klar stellen, dass eine Zahlenreihe keine Geschichte ist.


...

es verabschiedet sich Captain Obvious.

 

Katze überlegt es sich anders, dann doch nicht.
Henrik Sturmbluth
Was bitte soll das? Das musst du mir erklären. Wo soll da mein Kopfkino einsetzen?

 

Henrik Sturmbluth
Was bitte soll das? Das musst du mir erklären. Wo soll da mein Kopfkino einsetzen?

Gegenfrage: Bist du Katzenbesitzerin? Wahrscheinlich ist diese Geschichte nur von Katzenbesitzern zu verstehen. Die aber sollten sofort kapieren, was damit gemeint ist ;)

 

Wahrscheinlich ist diese Geschichte nur von Katzenbesitzern zu verstehen. Die aber sollten sofort kapieren, was damit gemeint ist
Ich geb bernadette Recht, obwohl ich lange mit Katzen zusammengelebt habe. Das ist ungenau und ich vermute, dass Du das an einer konkreteren Situation festmachst, an einem verunglückten Sprung oder an einer vergessenen Pfote.
So jedenfalls hängt das in der Luft.
Ich denke dabei übrigens an ein Chamäleon, weil die ihre Ärmchen immer so unentschlossen vor und zurück bewegen, bevor sie wirklich zugreifen.

 

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