Was ist neu

Kritik als Konflikt

Seniors
Beitritt
29.01.2010
Beiträge
1.504

Kritik als Konflikt

Heute erschien im Zürcher «Tages-Anzeiger» die Thematisierung eines gärenden Konflikts von Adolf Muschg mit einem Kritiker der «SonntagsZeitung». Öffentlich ausgetragene Literaturstreitereien gab es immer wieder mal. Was mir an diesem Artikel dennoch bemerkenswert erschien, ist die Schlussfolgerung, welche der bekannte Literaturkritiker Martin Ebel über dieses Ereignis trifft:

«Wie gut Adolf Muschgs neuer Roman ist, entscheidet nicht die Kritik, schon gar nicht eine einzelne Rezension; aber auch nicht ein Plädoyer zwischen Autor und Kritiker vor dem Tribunal der Öffentlichkeit. Entscheiden tut die letzte Instanz: die Leser. Deren Urteil fällt in der Regel vielfältig und differenziert aus. Schon weil es viele Leser sind. Deshalb sollte der Autor ihr Votum in aller Gemütsruhe abwarten können.»

http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/diverses/Wann-Dichter-schweigen-sollten/story/24585498

Kritik ist aber stets auch Dialog, selbst dann, wie es Muschg im vorstehenden Fall empfand, dass «sie unter die Gürtellinie zielte». Sie verletzte ihn, tangierte sein Ego des renommierten Schriftstellers, was man ihm nicht verdenken kann. Seine Sichtweise als Autor steht der des Kritikers gegenüber, wobei sie verschiedene Wertungen treffen.

Ich habe mir überlegt, inwiefern die zitierten Worte von Martin Ebel auch für Autoren und Kritiker im Forum KG.de von Bedeutung sein könnten. Hier ist die Situation etwas anders. Autoren als auch Kritiker üben es nicht als Profession aus, die Texte stellen sich der Meinungsbildung, was letztlich zu Verbesserungen führen soll. Im Gegensatz zum in einem Verlag veröffentlichten Werk hat der Autor hier die Möglichkeit noch Änderungen am Text vorzunehmen. Es bedingt jedoch, dass sich Autoren und Kritiker einander annähern können, sich konstruktiv und dialogisch miteinander auseinandersetzen. Ein Kritiker muss in seiner Perspektive keineswegs immer recht haben, er kann die Intention des Autors missverstehen, den Text fehlinterpretieren oder dessen Stil fremd empfinden. Doch auch der Autor kann sich irren, sein verinnerlichtes Werk kann für ihn transparent sein, während es Lesern vielleicht nur schwer verständlich wird. Hier setzt zu Recht die Kritik ein, nicht um einen destruktiven Konflikt zu erzeugen, vielmehr um den Autor mit einer andern Perspektive zu konfrontieren und ihn zu eigener, neuerlicher Auseinandersetzung anzuregen. Ob es sich nun im besprochenen Text direkt auswirkt, eher in künftigen, oder gar nicht, hängt dann meist von verschiedenen Faktoren ab. Ignoranz des Autors gegenüber andern Sichtweisen wäre allerdings das Unklugste, denn auch stillschweigende Leser bilden sich Meinungen. Dem Autor hier bleibt aber doch die Gewissheit, die Leser sind die letzte Instanz. Wenn seine Geschichten bei diesen ankommen, hat er auch seinen festen Leserstamm.

 

Selbstverständlich, wenn auch nicht natürlich, hastu

lieber Anakreon,

so recht wie Ebel und Muschg. Aber erst recht hat jeder sein Recht auf Irrtum.

Unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es sogar eine (lehrbuchmäßige) Binsenwahrheit, dass die Nachfrage das Angebot bestimme. Der Käufer, nicht so sehr der Leser, die ja nicht identisch sein müssen, gibt sein Votum ab. Die wirtschaftliche Seite wird von eingefleischten Fangemeinden – wie selbst hier an Bord – in die religiöse Dimension durch Gelübde und ewige Treue zu diesem oder jenem Populisten erhoben (Karl May bis Rowlings), was dann wiederum – jedenfalls für mich – nach Satire und Komik ruft.

Weil ich das neue Werk Muschgs nicht kenn - ich glaub, der Rote Ritter hat mich seinerzeit erschlagen -, unterstell ich mal einen Wettbewerb, der niemand mehr weh tun sollte, im Hause Goethe.

Während der Alte konsequent seinem hohen Maßstab folgen konnte und einfach die Beschränktheit der Welt gelassen z. K. nahm (im Gegensatz etwa zu seinem Freund Schiller), schrieb der Schwager fleißig Schauer- (mich juckt’s eigentlich in den Fingern, die hiesige Klassifikation zu verwenden, die’s leider damals noch nicht gab) und Räuberpistolen, die auch gut ver- und somit gekauft wurden. Doch wer außer einer handvoll Nutzern der Plattform wüsste noch um dessen Namen? Vergessen?

Wer liest den Rinaldo Rinaldini, wo wir doch zwischenzeitlich unsern viel handfesteren Schinderhannes in real bekommen konnten, der dann auch noch durch Zuckmayer seine literarische Überhöhung fand?

Nunja, den Namen des Schreibers des damaligen Bestsellers kennen die meisten bestenfalls durch Frau Christiane: Vulpius. So gibt es einen natürlichen Markt des Vergessens.

Aber trotz des vergessenen Vulpius bliebe Goethe der kommerziell gesehene Verlierer und lacht sich wahrscheinlich halbtot über diese geschäftliche Logik.

Dat sei ma' genuch für heute.

Schönes Wochenende sacht'e

Friedel

 

Hallo,

ich würde sagen, Kritik wäre hier im Forum doch auch eigentlich nicht der passende Begriff - ich empfinde es eher als offene Diskussion, als Diskurs, im tatsächlichen Sinne, also hin und hergehend. Ein Text wird mit und durch die Leser immer verschiedenen Interpretationen und Meinungen evozieren, das, denke ich, liegt in der Natur der Sache. Autoren mögen vielleicht bis zu einem gewissen Punkt in der Lage sein, den implizierten Leser vor dem inneren Auge zu haben, aber damit decken sie doch auch nur einen Teil der Leserschaft ab.

Das stimmt schon: Hier ist ein Text im Prinzip ja nie fertig, also ist die Textarbeit an sich ein fließender Prozess, und wie viele Urheber hat dann ein mehrmals bearbeiteter Text hier eigentlich? Das ist eine andere Frage, klar. Das Werk des professionellen oder arrivierten Autoren wird doch auch nach den Maßstäben der Berechtigung und Relevanz gemessen, oder nicht? Es gibt im Internet ein Video von einer Bachmann-Veranstaltung, da liest der Jörg Fauser, ich glaube, aus seinem Roman Rohstoff. Reich-Ranicki und die anderen machen ihn fertig, sie sagen sogar, er gehöre da nicht hin, und sprechen seinem Text eine Relevanz ab, gesamtgesellschaftlich. Das Fauser aber im Prinzip mit vielen seiner Romane eben nichts Triviales, sondern ein bundesdeutsches Panorama und Sittengemälde gezeichnet hat, das wollte denen nicht in den Kopf. Das ging nicht. Autoren mussten es damals eben anders machen. Ein paar Jahre später konnte Urs Allemann mit "Babyficker" den Preis sogar gewinnen, da hatten sich die Relevanzen anscheinend kurzfristig geändert.

Und diese Normierung besteht doch hier nicht, man kann schreiben, was und wie man will, man ist freier und kann sich aus den hier geschriebenen Kommentaren nehmen, was man möchte. Ich betrachte es viel eher als Labor, an dem, wenn man die Formen wahrt, alle profitieren.

Gruss, Jimmy.

 

Und diese Normierung besteht doch hier nicht, man kann schreiben, was und wie man will, man ist freier und kann sich aus den hier geschriebenen Kommentaren nehmen, was man möchte. Ich betrachte es viel eher als Labor, an dem, wenn man die Formen wahrt, alle profitieren.

das muss ich mal quoten. das wäre ja das Ideal, das du hier nennst - ich habe das Gefühl, häufig kommt diese Seite dem auch nahe.
das ist auch ein Grund, warum im Netz und auf Foren schreiben eben kein Platzhalter für endlich "echte" Veröffentlichungen sein muss, es ist etwas anderes.
hier entstehen andere Geschichten durch die vielen Anregungen, Leser, Kritisierende und Schreiber interagieren und beeinflussen sich hier viel intensiver und direkter, als es im normalen Schreibgeschäft möglich wäre. von dem neuen Text als Gemeinschaftswerk bzw dem nie fertigen Text mal abgesehen, diese Schreibtechniken haben auch noch Potential, Neuigkeiten zu bringen, das ohne Netz-Communities wahrscheinlich eher versandet wäre. sehr interessant das alles.

 

Querdenken war einst eine Obliegenheit der Philosophen. Aber bereits, bevor es industrialisiert wurde, hinderte es noch nie einen schlauen Bauern, sich dessen auch zu bedienen. Es ist also allgemeines Gut, dem sich der denkende Mensch hingeben mag, wenn es ihn danach dürstet.

Lieber Friedel

Ich fragte mich, welches Recht auf den Irrtum du meinst? In der Politik und im Recht ist es ja ein gängiger Begriff. Doch in Bezug auf die zitierten Personen? Spontan dachte ich an Voltaire, denn ich bei deftigen Disputen gerne auch mal aus dem Gedächtnis zitiere. Der Einfachheit halber liesse sich auch der Begriff der Hypothese heranziehen, die durch die These widerlegt wird. Nur diese bedingt der Schlüssigkeit, welche ich in deinen nachfolgenden Worten diesmal nicht nachvollziehen konnte.

Ein mildes Lächeln kam mir auf, als ich erkennen musste, dass der Oeconomicus in dir durchbricht, hinweisend, es sind Ach zwei Seelen in deiner vom Parka gewärmten Brust. Natürlich ist die wirtschaftliche Existenz die eine Seite, wenn er nicht wie Muschg genügend Vermögen und Einnahmen besitzt. Doch was noch viel mehr zählt, ist das Selbstwertgefühl des Menschen dahinter, das mit seinem schöpferischen Werk steht oder wankt. Wäre er dagegen immun, dürfte man mit Recht eine Störung vermuten.
Dein Vergleich, der Käufer gebe sein Votum ab, nicht der Leser, da sie ja nicht identisch sein müssen, finde ich, auch wenn es sich kommerziell nur so nachweisen lässt, eine sehr flüchtige und vorläufige Überlegung. Sie könnte jener classe politique gerecht werden, die du sonst gern mokierst. Nur schon das Stichwort Bibliotheken, die einen hohen Zulauf ausweisen, unterlaufen solch kapitale Sätze.

Du irrst dich auch beim „Alten“ wie du ihn erhaben nennst, stichele ich jetzt einfach mal. Auch Goethe oder Karl Kraus – um einen anderen dir nahestehenden zu nennen - waren keine Unfehlbaren, auch sie fielen der Kritik anheim. Unvorstellbar, dass Goethe nicht verletzlich war, allein schon die Vernichtung eines Teils seiner Gedichte spricht für sich.
Wollte man Vulpius, seinen Schwager Goethe und vielleicht Kleist gegeneinander messen, wer war der Beste. In deiner Interpretation Goethe. Es war aber nicht nur seine Sprachgewalt, unbesehen von seinem Werk, sondern ebenso seine politischen Intrigen, die ihm den Platz auf dem Podest sicherten.
Es ist auch keine Frage der Vergänglichkeit, so manches rettet sich auch über die Zeit oder wird Neuentdeckt. Ovid zum Beispiel findet man in manchen Häusern in denen ein Quäntchen humanistische Bildung nicht zum Kuriosum verkam. Raymund Radiguet, der als Siebzehnjähriger ein einziges Werk schrieb, ehe er mit zwanzig Jahren starb, ist unvergessen. Obwohl teils verschmäht, sind es eben mehr oder weniger Bekannten, die es mitunter ermöglichten, dass Literatur stets ein Bedürfnis und Kulturgut war. Karl May hat da durchaus seine Berechtigung, auch wenn man in Anlehnung an die Worte vieler Kritiker und wohl meist nicht aus eigener Erkenntnis als Leser heute über ihn lächelt. Doch Kern der Sache ist nicht, welche unterhaltsam geschriebenen Geschichten die Existenz eines Autoren überstehen, sondern mehr, wie die Kritik an Gegenwärtigem zu gewichten ist.

Rowling, Pilcher und andere mehr haben ihre Leser, die die Bücher nicht nur zur Zierde in einem Büchergestell aufreihen. Das Niveau entspricht mit Recht nicht jedermann, doch wer misst sich das Recht zu, andern abzusprechen, diese zu lesen. Das wäre Fahrenheit 451 praktisch umgesetzt. Natürlich stülpt sich mancher die Narrenkappe über, übt sich mit verkleideten Worten als Satiriker, dabei wäre es doch ehrlicher zu sagen: Mir gefällt dies nicht. Also Klartext, der eben verletzen kann. Und das ist der Kern der Sache, wenn man die Bedeutung von Kritik in seiner Tiefenwirkung betrachten will. Hier steht der Kritiker in der Verantwortung. Du erinnerst dich an den ersten Text, den du von mir rezensiert hast, es war zu einem ebensolchen Thema.

Verzeih Friedel, jetzt habe ich deine Meinungsäusserung nach Massstäben der Kritik exemplarisch beleuchtet, obwohl ich mich über deinen Beitrag freue. Aber diese Spiegelung ist präzis das was ich meine, was zählen sollte. Nicht einfach seine Erwartungen oder Vorurteile einem Autor auflasten, sondern sich seinem Text zu stellen.

Nichts für ungut und ein schönes Spätsommer-Wochenende.

Anakreon


+++


Hallo Jimmy

Ich stimme dir zu, dass die Situation hier im Forum etwas anders ist als in der freien Wildbahn des Literaturdschungels. Selbst bezeichnete ich mich auch nie als Kritiker wenn ich einen Kommentar zu Texten abgab. Allenfalls noch als kritischer Leser oder einfach als Leser. Unabhängig davon sprechen die Forumsregeln von Autoren und Kritikern, was in der Sache ja stimmt. Aber egal wie man es bezeichnet, es läuft immer darauf hinaus, dass man einen Text eines andern beurteilt. Darin unterscheidet es sich also nicht vom Literaturgeschehen in der grossen Welt.
Das andere ist, wie ich auch erwähnte, dass man als Autor weiter an seinem Text arbeiten kann, also Laborbedingungen, wie du es nennst.
Dennoch kommt es manchmal auch zu härteren Formulierungen, wer zimperlich ist und wenn er unangemessen angegriffen wird, es nicht parieren kann, leidet darunter und könnte im ungeschützten Literaturdschungel kaum bestehen. Insofern kann es eine Schulung sein, will er im Aussen bestehen. Doch sollte es nicht nur der Autor als solches verstehen, sondern nicht minder auch der Kritiker. Es ist auch ihm ein Übungsfeld, in dem er sein Können unter Beweis stellen kann, falls er für eine Zeitung oder so schreiben möchte. Es gibt hier im Forum einige sehr gute Kritiker, die sich ebenso wie manche Autoren dadurch abheben, dass sie sehr qualifizierte Texte vorlegen. Wenn ich die Aussage des Literaturkritikers zum Anlass nahm, dies zu thematisieren, so da ich denke, man sollte sich dessen bewusst sein.
Insofern sehen wir es wohl ähnlich.


+++


Hallo Kubus

Auch mit deinen Worten gehe ich einig, dass es her viel dichter ist. Kürzlich hatte sich mal ein Absolvent eines Literaturinstituts geäussert, der bereits ein Buch veröffentlichte. Er fand an jenem Institut analoge Bedingungen mit Mitschülern und einem Mentor, weil nicht nur sein Buch, sondern auch neue Texte besprochen wurden. Für ihn, der hauptberuflich Journalist ist, war es eine ganz neue Erfahrung, die ihn begeisterte.

 
Zuletzt bearbeitet:

Grüezi wohl,

lieber Anakreon,
(oh mein J. 's reimt sich!)

den Beitrag nehm ich mit in die heim(l)i(s)che gute Stube bei einem, oder doch eher zwei Urböckli.

Da werd ich mal drüber nachdenken und die Tage drauf zurückkommen.

Auch Euch Dreien ein schönes Wochenende vom

Friedel,
der grundsätzlich nix für ungut nimmt (wahrscheinlich gar nicht erst gelernt hat - oder umgekehrt?)


Oh großer Gott!,

muss ich wieder lesen lernen oder hätt’ ich beim ersten Lesen mit einem Kurzschluss geantwortet und nur noch das Zitat des Tages-Anzeigers im Kopf gehabt?
So aber kann’s gehn, wenn ich mich zu spontanen Äußerungen hinreißen lass, zu denen ein Kühlschrank an sich gar nicht fähig sein sollte: schwuppdiwupp ist das Eis dahingeschmolzen. Und so sehn wir,

lieber Anakreon,

dass nicht Politik und/oder Recht das Recht auf Irrtum usurpiert halten, sondern menschliche Schwäche überhaupt. So leiste ich denn Abbitte, haben wir beide doch erfahren, wie der Adorno-Schüler Joachim Kaiser einmal im Nachgang zu Schopenhauer, dass in der Kunstsphäre nichts bewiesen werde, geschrieben: „Wahrheit in der Kunst muss »er-diskutiert« werden. Man muss also darüber streiten. Dazu sind an sich die Kritiker da“[Henriette. u. Joachim Kaiser, »Ich bin der letzte Mohikaner«, S. 18], nicht ohne noch ein bösartiges, aber umso schöneres Adorno-Zitat nachzuschieben: „Das Publikum hat ein Recht darauf, nicht zu bekommen, wonach es verlangt.“ [Theodor W.Adorno, zitiert nach Norbert Sievers: Zwischen Angebot und Nachfrage [!] Das Janusgesicht der Kulturpolitik, in: Passagen Nr. 40, S. 4]
Und schon mal dabei, wird auch eine hellsichtige Passage aus Deiner Feder, pardon, aus Deinem Schlüsselbrett angefügt:

Hervorgehoben wurde, dass Kamm-Stein ein angesehener Kritiker sei und sein Urteil sich auf die Verkaufszahlen von besprochenen Büchern, wie auf die beruflichen Erfolgsaussichten der Autoren auswirken kann. Seine Ausführungen seien in dieser Rezension jedoch zu hart und zu kompromisslos ausgefallen, seine Einschätzung wohl wenig gelungen. Die Zeitung erdreistete sich gar infrage zu stellen, ob er das Buch durchgehend gelesen oder lediglich punktuelle Absätze herausgegriffen habe. Der Artikel schloss dann mit der Empfehlung, die geneigten Leser möchten sich doch selbst ein Bild über das Buch machen und dieses unvoreingenommen lesen.[aus: Anakreon, Der blinde Spiegel des Narziss]

Gruß vom

Friedel

Na, ich such mir mal langsam ein [Alz]heim.

 

Da hast du dich aber mit einem (beinah advokatischen) Winkelzug aus der Bredouille gezogen,

lieber Friedel

:D Verzeih, dieses Antlitz muss hier stehen.

Ja, ja, der Joachim Kaiser hat schon recht mit dem er-diskutieren der Kunst, dem streiten darüber. Doch gehört zu seiner Selbsterkenntnis auch, nur fünf Seiter weiter ebenda: „Wenn man nicht im Stande ist, Gesichtspunkte zu finden die über die bloße Information hinausgehen, schreibt man schlechte Kritiken.“
Damit spricht er, soweit ich es interpretiere, die Gefühle an, nicht die der Autoren, sondern seine eigenen als Kritiker an. Er fühlte sich in die Geschichten (oder auch die Musik) ein, horchte auf die Schwingungen und gab seine wohlmeinende oder harsche Meinung dazu ab.

Nicht übersehen darf man hierbei auch, was seine Tochter Susanne Kaiser über ihn sagte:
„Menschen interessieren ihn nicht. Menschen interessieren ihn, wenn sie zwischen zwei Buchdeckeln sind. Auf einen Roman, auf eine Geschichte oder auf eine Komposition lässt er sich total ein. Aber auf einen Menschen – ich weiß nicht so recht.“ (ebenda, Seite 354)
Das deutet daraufhin, dass er das Kunstwerk über den Menschen als dessen Schöpfer stellte, ja diesen einzig als Medium wahrzunehmen schien, wodurch der Bezug zum blinden Spiegel des Narziss sich auch bei ihm weist.

Und letztlich. Wenn ich in meiner Geschichte damals die Zeitung über Kamm-Stein schreiben liess, sein Urteil wirke sich «auf die Verkaufszahlen von besprochenen Büchern, wie auf die beruflichen Erfolgsaussichten der Autoren aus», so spiegelt es eben die Verantwortung des Kritikers, die dieser wahrnimmt oder außer Acht lässt. Und hier greifen dann Ebels Worte: Entscheiden tut die letzte Instanz: die Leser.

Nicht vorenthalten möchte ich, dass Muschg im heutigen «Tages-Anzeiger» sich selbst zum Artikel äusserte, auch wenn es auf meinen Fokus hier an sich keinen Einfluss hat:
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/architektur/Warum-es-diesmal-nicht-gelungen-ist/story/19229838

So möge das er-diskutieren von Geschichten einen fruchtbaren Boden finden.

Schöne Grüsse

Anakreon


PS: Beinah hätte ich es übersehen:

Na, ich such mir mal langsam ein [Alz]heim.

Ne, ne, so leicht entkommst du uns nicht, die Brotlosigkeit der Kunst muss weiter er-diskutiert werden, da zählt jede Stimme und jeder Leser.

 

Moin,

als literarischer Ignorant (Beim Abitur knapp an Deutsch: Mangelhaft vorbeigezittert) kann ich mit vielem, was meine verehrten Vorschreiber dargelegt haben, wenig beginnen. Für mich sind Kritiken in diesem keiine Bewertungen eines abgeschlossenen Werkes. Ich sehe sie als Hilfestellung und betrachte die Kritiker eher als Lektoren, die dem Autor helfen wollen und ihm keine Grube darbieten wollen.
Dementsprechend versuche ich auch meine Kommentare so zu gestalten, dass sie den jeweiligen Schreibern weiterhelfen können.

Aber jetzt geh ich ins Bett, bevor ich noch blödsinniger werde.

Jobär

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom