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Etwas Tun ist keine Arbeit - Version 2
Die Geschichte stand zwei Wochen anonym unter dem Namen Maskenball hier im Forum. Hier ist die zweite Version:
Falls es überhaupt so etwas wie den ganz gewöhnlichen Morgen gibt, wünschte Felix sich diesen seit Monaten, während er vor seinem schwarzen Kaffee saß und Bärbel in der Küche beim Brote Schmieren beobachtete.
Sie hatte noch ihr Schlafshirt an, das knapp den Po bedeckte. Felix mochte das, wenn sie morgens zerknittert und zerzaust in der Küche hantierte. Nach Bett roch sie, nach ganz und gar ihrem Körper, und oft auch etwas streng nach ihm. Manchmal, wenn er sie beim Abschied umarmte und seine Nase im Stoff eingrub, trug er sie zurück ins Schlafzimmer und hörte sich gern die anzüglichen Bemerkungen seiner Arbeitskollegen wegen der Viertelstunde Verspätung an.
Seit einigen Wochen bekam er kaum noch einen hoch, als wäre alles andere nicht schon genug. Bärbel trug das bisher mit Fassung, oder tat jedenfalls so, und Felix gab sich besonders Mühe, wenn sie Lust auf ihn hatte.
Weit öffnete sie das Küchenfenster. Ihr kam warme Luft entgegen, ein Vorbote auf die anstrengende Tageshitze.
„Da wird der Beton aber gut abbinden“, plauderte Bärbel drauf los, „ich nehm' nur Salami, für Aufschnitt oder Käse ist es zu heiß.“
„In der Vesperpause gehen wir sicher wieder an den See.“
Felix schob seinen rechten Arm über die Tischplatte bis zur Tasse hin. Warum musste es gerade jetzt wieder losgehen. Zeige- und Mittelfinger drehte er konzentriert in den Henkel ein, zog die Hand zur Faust zusammen und passte den Moment ab, als Bärbel sich zum Kühlschrank umdrehte, um die Tasse anzuheben. Er konzentrierte sich mit aller Kraft. Er würde das hinbekommen.
Erfolglos. Kaffee rann über sein Kinn und tropfte auf die Zeitung.
Schnell stellte er die Tasse wieder ab und blätterte ein paar Seiten weiter. Bevor er das Gesicht abwischen konnte, blickte Bärbel ihn an.
„Du hast wieder was verschüttet. Das ist doch nicht normal! Ich möchte, dass du jetzt endlich zum Arzt gehst.“
„Ja, mach ich demnächst. “
„Nicht demnächst. Ich melde dich an.“
Er zog sich den Regionalteil der Zeitung unter die Nase und stierte angestrengt auf das Papier. Er wollte nicht reden. Nicht über den Arztbesuch und noch weniger über das Zittern, das in Schüben kam, was er schon einige Wochen bemerkte und immer weniger vor Bärbel verstecken konnte.
Früher hätte er ihr die Hände hingehalten und ihr vorgezittert, sich Dinge angehört, die er nicht hören wollte, aber sie wusste Bescheid und das tat gut.
Bärbel schichtete die Pausenbrote in die Vesperdose, legte noch eine Tomate, eine Karotte, ein paar Radieschen und einen Apfel dazu und schloss sorgsam den Deckel.
„Ich bin nicht da, wenn du Feierabend hast, nach meinem Dienst gehe ich noch zu Mutschka, sie bekommt heute wahrscheinlich den Rollator geliefert. Ich schreib dir eine SMS, wann du den Termin bei Dr. Holsten hast.“
„Ja, danke ... muss jetzt los.“
Felix nahm die Dose, stopfte sie in seinen Rucksack, die Thermoskanne mit Kaffee dazu, drückte Bärbel einen trockenen Kuss auf die Stirn und eilte im Flur zum Schuhschrank, aus dem er seine klobigen Bausandalen zog.
Er schwankte ein wenig, nachdem er in die Schuhe hineingeschlüpft war und sich wieder aufrichtete.
„Vielleicht ist ja nur was mit deinem Kreislauf.“ Sie wollte wenigstens ein versöhnliches Wort zum Abschied von ihm hören. In die frisch gewaschene Maurerhose steckte er einen Meterstab und einen Bleistift, holte den breiten Hut vom Regal und ging stumm in Richtung Haustüre.
„Bis heute Abend“, rief sie ihm nach, „und hol' bitte noch Geld. Deine Badesachen?“
„Unter der Woche geht’s ohne, weißt du doch.“
Die Stufen der Flurtreppe nahm er langsam nach unten. In ihn hatte sich eine immer stärker werdende Lethargie eingeschlichen, die wie ein Prellbock alles von ihm abhielt, was Kraft kosten könnte. Sogar Bärbels kritische Bemerkungen waren ihm zuviel. Sein Körper schien Dinge zu tun und zu sagen, die er so gar nicht wollte. Aber es war ihm egal. Wie sollte er das jemandem erklären? Da würde selbst Bärbel ihm den Vogel zeigen.
Heute musste er sich auch tagsüber zusammenreißen. Ein Gespräch mit dem Filialleiter der Bank stand an. Das Girokonto war ausgereizt, das hatte ihm Drömer gestern telefonisch mitgeteilt. Er war jedoch sehr freundlich, wahrscheinlich, da Felix noch eine feste Anlage bei ihnen stehen hatte. Bis die Bank öffnete, musste er sich die Zeit vertreiben. Als er in seinen verstaubten Golf einstieg, beschloss er kurzerhand, in die Waschanlage zu fahren. Er schloss sich in der Reihe wartender Autofahrer an. So konnte das mit dem Termin um halb Neun passen.
Er wurde in die Waschstraße eingewiesen. Als Felix die Bürsten unerbittlich auf sich zukommen sah, wurden sie durch die Scheibe immer verschwommener, je näher der Wagen auf sie zurollte. Er blinzelte irritiert, aber sein Blick wurde eindeutig trüber. Soviel Wasser konnte nicht über die Scheibe fließen. Nun drehte sich eine der Bürsten auch noch um 90 Grad, seit wann war das denn, nein, das Auto kippte - oder kippte die Mauer? Schlagartig wurde ihm übel und er kämpfte dagegen an, sich übergeben zu müssen. Hektisch drehte er den Kopf mehrfach von der Front- zur Seitenscheibe und versuchte sich zu orientieren. Säure kroch seinen Hals hinauf. Kurz darauf rutschte die Bürste über das Autodach und Felix sah von einer Sekunde zur nächsten wieder klar bis zum Ende der Waschstraße. Seine Übelkeit verschwand, doch das Sodbrennen war eindeutiger Beweis, dass er das alles nicht geträumt hatte. In ihm staute sich ein schmerzender Druck in Brust und Bauch auf, den er bis in die Zehen spürte. Er musste etwas dagegen tun, das hielt er nicht aus. Der Golf wurde an das Trockengebläse herangeschoben. Wieder fing alles an, vor seinen Augen zu verschwimmen. Seine Hände verkrampften sich am Lenkrad. Felix schrie mit schriller Stimme seine ganze Angespanntheit mit einem Nein in das Getöse hinaus. Dieses Mal blieb alles an seinem Platz, wie er es gewohnt war, nur das Brennen im Hals war unverändert. Als der Wagen am Ende der Waschstraße ankam, hatte er den inneren Druck verloren, aber er fühlte sich dadurch nicht besser, er fühlte sich gar nicht.
Unsicher und langsam fuhr er zur Bankfiliale. Was, wenn so etwas während des Fahrens passierte? Gerade wurde die hintere breite Glastüre, die den Bankautomaten vom Servicebereich trennte, von einem jungen Mädchen aufgeschlossen. Er hatte sie hier noch nie gesehen. Ihre langen, roten Haare erinnerten ihn an eine frühere Freundin. Nun blickte sie ihn auch noch mit den gleichen, grünen Augen an.
„Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?“
„Guten Morgen. Sag, bist du die Tochter von der Evi? Bist du schon länger hier?“
„Ja. Nein. Also ich bin die Tochter, aber erst seit letzter Woche hier, ich fange grade mit der Ausbildung an.“ Ihr Lächeln war unverbraucht.
„Ach, das ist ja … ich habe einen Termin mit Herrn Drömer.“
„Ich seh' mal nach, Moment.“
Im gleichen Augenblick kam Drömer mit zu freundlichem Lächeln aus seinem Büro.
„Herr Brehm, ich grüße Sie. Gut, dass es gleich geklappt hat, kommen Sie bitte herein!“
Felix nahm auf dem Stuhl mit dem schwarzen Stoff vor dem Schreibtisch Platz. Drömer hatte eine rote Krawatte am Hals, passend zum Logo der Firma, und war ansonsten in Grau gekleidet.
„Sie müssen sicher gleich wieder zur Arbeit, aber wollen Sie trotzdem einen Kaffee?“
„Danke nein, ich muss gleich wieder los, ich habe zu tun. Herr Drömer, ich mach es kurz: Ich will das Geld von der Anlage auflösen und das Girokonto damit auffüllen. Ich brauche immer wieder größere Summen, deswegen soll es auch da drauf bleiben. Wir wollen anbauen.“
Langsam lehnte sich Drömer in seinen Bürostuhl zurück und blickte Felix ernst an. „Herr Brehm, wenn Sie den Fond jetzt auflösen, verlieren Sie in der gegenwärtigen Situation viel Geld.“ Felix sah in seine Augen und schwieg.
Drömer löste sich aus der Rückenlehne und kroch mit den Ellenbogen bis zur Mitte seines Schreibtisches. Sein Lächeln war ausgeleiert, als er Felix zuraunte: „Herr Brehm, jetzt sprechen wir doch einmal ganz offen miteinander. Sie haben seit fünf Monaten keine Gehaltseingänge auf ihrem Girokonto. Sie haben eine andere Bank als Hausbank gewählt, schätze ich. Jetzt holen Sie auch noch das Festgeld ab. Wieso sind Sie denn nicht erst auf mich zugekommen?“
Drömer dachte in die falsche Richtung. Er kam gar nicht auf die Idee, dass Felix gar kein Gehalt mehr erhalten haben könnte. In dem ganzen Irrwitz fühlte sich Felix für einen Moment erleichtert.
„Ich muss gleich los. Wir reden da ein andermal drüber.“
„Gut, Herr Brehm, morgen haben Sie das Geld auf Ihrem Konto.“
Felix verließ mit einem kurzen Gruß das Büro. Am gegenüberliegenden Beratungstisch im Foyer sortierte Evis Tochter Briefumschläge.
„Sagst du bitte der Evi einen lieben Gruß vom Felix?“
Sie lächelte ihn fröhlich an. „Das ist ja witzig. Ich heiße Felizitas. Wir sind beide die Glücklichen, oder?“
Felix zuckte hilflos die Schultern.
„Geht's deiner Mama gut?“
„Ja, ich denke schon. Wir zwei wursteln uns so durchs Leben.“
„Ja, dann … alles Gute euch.“
„Moment noch. Felix … wie?“
„Felix der Stromer.“ Er lächelte sie kurz an.
Dann zog er am Geldautomat 200 Euro und lief seltsam berührt hinaus in die Hitze.
Felizitas sah ihm nach und wunderte sich, dass er ein paar Schritte schwankend ging.
Felix fuhr zu seinem Weiher. Er kannte ihn mittlerweile wie einen alten Freund, denn seit fast fünf Monaten verbrachte er seine offiziellen Arbeitstage mit ihm.
Das Gewässer war nichts Besonderes, ein früheres Grubenloch einer Ziegelei.
Thomas, sein Freund, hatte vor Jahren Jungfische ausgesetzt, aber geangelt hatte er nie, denn kurz darauf bekam er die Stelle im Ausland. Felix zog regelmäßig größere Karpfen aus dem Wasser, die er nach kurzer Begutachtung und einem Foto gleich wieder zurückwarf. Außer dem kleinen Waldweg dorthin war alles zugewuchert. Glücklicherweise hatte Thomas hier noch einen kleinen Schuppen mit einem alten Ofen für kältere Tage.
Er setzte sich erst einmal in einen Campingstuhl. Alles war so anstrengend. Die Hitze, die Menschen, das Lügen. Aber die Wahrheit war für ihn noch schlimmer. Immer hatte er noch die Hoffnung, dass er wieder richtig wach und stark werden würde. Er würde dann bei seinem alten Chef vorbeischauen. Der würde ihn sofort wieder nehmen, auch wenn Felix von einem auf den anderen Tag sang- und klanglos nicht mehr auf die Baustelle gekommen war. Er war ein guter Arbeiter. Vielleicht dachten die Kollegen, er hätte im Lotto gewonnen und wollte es keinem sagen. Deswegen meldete sich auch niemand bei ihm, schlussfolgerte Felix.
Er fragte sich oft, wie er das so lange durchhalten konnte, ohne dass auch nur einer etwas bemerkte. Bärbel war mit ihrer Arbeit und der Pflege ihrer Mutter sehr beschäftigt und überließ ihm den ganzen Bürokram. Glücklicherweise, sonst hätte sie vielleicht schon einmal einen Brief von seiner Krankenkasse gelesen, die die fehlenden Beiträge einforderte.
Sein rechter Arm fing wieder an zu zittern. Er hielt ihn mit der linken Hand fest.
„Hör auf damit, was soll das?“
Sein Schreien ließ zwei Enten verschreckt vom Ufer auffliegen.
„Hör auf, hör auf. Ich will nicht mehr. Ich will nicht mehr!“
Felix brüllte sich in Rage. Er wurde mit jedem Satz lauter. Dann stand er aus dem Campingstuhl auf und lief gehetzt umher. Plötzlich schwankte er, stolperte über eine Baumwurzel und fiel ins Ufergras.
Er war sicher eine längere Zeit eingeschlafen, oder war er ohnmächtig gewesen? Felix rappelte sich auf und stand etwas wackelig auf den Beinen.
Sein Mund war trocken und seine Stirn tat ihm weh. Mit seinen Fingern tastete er etwas Feuchtes, wahrscheinlich eine Platzwunde. Langsam machte er sich zum Auto auf und besah sich das Malheur im Seitenspiegel. Die Schürfwunde an der oberen Stirnhälfte war nicht tragisch, er hatte Glück gehabt.
Er holte aus dem Auto eine Wasserflasche und trank diese fast leer. Er sah auf sein Handy. Es war schon gegen ein Uhr Mittag. Also lag er doch schon länger. Bärbels SMS hatte nur die Information, dass er um halb sechs beim Arzt sein sollte.
Ihm ging es nicht gut, vielleicht hatte er auch einen Sonnenstich vom stundenlangen Liegen in der Sonne. Er beschloss, sich in die Hütte zu setzen und mindestens bis gegen vier Uhr zu warten. Beim Gehen verlor er wieder das Gleichgewicht. Er konnte seine Bewegungen nicht kontrollieren. Die Hütte war noch etwa zehn Meter von ihm entfernt und verschwamm komplett vor seinen Augen, er blinzelte ununterbrochen und fühlte sich in diesem Moment völlig verloren. Felix ging in die Knie und krabbelte auf allen Vieren weiter.
Kieselsteine bohrten sich in seine Handflächen, Staub wirbelte ihm ins Gesicht. Die Holzwände vor ihm bogen sich, als würde er durch einen Flaschenboden blicken. Ihm war hundeelend. Er schaffte es bis zu einer Seitenwand und lehnte sich mit dem Rücken daran.
Die Magensäure brannte bis zur Zunge.
„Ich kann nicht mehr.“
Das Rascheln der Blätter im Wind war lauter als seine Kapitulation.
Felix stand unter der kalten Dusche und versuchte sich zu erinnern, wie er nach Hause gekommen war. Jetzt wollte auch er zum Arzt. Danach wollte er gleich mit Bärbel reden.
Er saß seinem Hausarzt Dr. Holsten gegenüber und beide schwiegen einen Augenblick. Felix war mit seinen Erzählungen über die letzten Wochen und Monate fertig.
„Herr Brehm, wieso kommen Sie jetzt erst?“
„Ich dachte, das wird wieder.“
„Sie müssen sofort in die neurologische Klinik, das hört sich nicht gut an.“
Die Sprechstundenhilfe klopfte leise an die Türe.
„Entschuldigung, Herr Brehm, ihre Krankenkassenkarte ist gesperrt. Haben Sie vielleicht eine neue?“
„Nein, ich habe ...“.
Die junge Frau blickte ihn erwartungsvoll an.
„Ich habe keine Beiträge mehr bezahlt. Ich bin gerade nicht versichert. Aber ich war ja zwanzig Jahre bei denen, das geht doch sicher irgendwie auch so.“
Dr. Holsten schnappte nach Luft, kniff aber dann gleich seine Lippen zusammen. „Sie müssen auf jeden Fall in die Klinik. Ich regle das gleich.“
„Felix, bist du da?“
„Ja, ich sitz im Wohnzimmer.“ Er wartete auf dem Sofa und blickte ihr entgegen.
„Und – was sagt der Holsten?“
„Ich muss morgen in die Neurologische.“
„Ja, wie … was meint er denn?“
„Er hat nichts Konkretes gesagt. Ich werde untersucht. Aber ich muss dir jetzt was sagen, Bärbel.“
Felix standen die Tränen in den Augen.
„Bitte glaub mir, ich wollte dich nie belügen. Ich liebe dich doch.“
„Felix, was ist los?“ Bärbel setzte sich neben ihn und nahm seine Hand.
„Ich bin schon lange nicht mehr … auf den Bau gegangen. Glaub mir, ich konnte einfach nicht mehr. Das war so … heftig. Ich hatte keine Kraft mehr. Ich hab' mich so geschämt. Es ging nicht mehr. Ich habe mich selber nicht mehr gekannt. Ich hab mich versteckt.“ Felix sah sie ängstlich an.
Bärbel schluckte, erwiderte den Blick und zog ihre Hand zurück.
„Wie lange schon?“
„So fünf Monate.“
„Wo warst du den ganzen Tag? Du hast doch immer erzählt, was ihr gearbeitet habt … Du hast doch immer dreckige Kleidung heimgebracht.“
Bärbel wurde von Wort zu Wort lauter, bis sie hysterisch schrie.
“War das alles … Theater?“
Sie stand auf und lief vor dem Sofa hin und her. So dumm kam sie sich vor. Als Frau musste man doch merken, ob der Mann zum Arbeiten geht oder nicht. Wie blind war sie denn?
„Ich bin im falschen Film. Das kann doch alles nicht wahr sein. Wieso hast du nichts gesagt?“
Felix blickte sie stumm wie ein leidender Hund an, der von seinem Herrchen beschimpft wurde.
„Felix!“ Sie schüttelte ihn mit beiden Händen an den Schultern.
„Wieso hast du nichts erzählt?“
Bärbels Stimme versank in einem Schluchzen.
Felix stand auf und wollte sie umarmen. Sie flüchtete ans Fenster und drehte ihm den Rücken zu.
„Bitte lass mich nicht alleine.“
„Ich muss das erstmal verdauen, ich mag jetzt nicht weiter mit dir reden, ich versteh das alles nicht.“
„Ich geh mal raus.“ Bärbel schlich sich aus dem Wohnzimmer und einige Sekunden später hörte Felix die Haustüre zuschnappen.
Am nächsten Morgen wurde er in der Klinik sofort in den Kernspintomograph geschoben. Anschließend hatte er ein Gespräch mit dem leitenden Professor. Bärbel hatte sich freigenommen und Felix begleitet.
„Herr Brehm, es war höchste Zeit, dass Sie kommen. Wir haben einen Tumor unter ihrer Hirnrinde entdeckt, der ist schon recht groß gewachsen. Deshalb hatten Sie die Seh- und Gleichgewichtsprobleme, weil er sich an den Nervenzellen, die dafür verantwortlich sind, breitgemacht hat.“
Bärbel stieß einen leisen Schrei aus und verdeckte mit ihrer Hand den Mund.
Die Luft ging ihr aus und mit tiefen Atemzügen versuchte sie, sich zu beruhigen und in sich keine Panik aufkommen zu lassen.
Felix saß ruhig auf dem Stuhl und fragte knapp:“ Wie sieht's für mich aus?“
„Herr Brehm, wir können im Moment noch nicht genau sagen, wie gefährlich er ist, das wird eine Gewebeprobe zeigen.“
„Sie wissen, dass ich keine Krankenversicherung habe?“
„Ja, aber das ist im Moment nicht das Wichtigste, oder?“
Bärbel nahm Felix' Hand und drückte sie, bis es ihm wehtat.