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Copywrite Verhandlungssache

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Monster-WG
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15.07.2004
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Verhandlungssache

Für die anderen bin ich bloß das Sensibelchen.
Der Jammerlappen. Das Weichei.
Nicht, dass mich das überrascht. Ich weiß, was sie hinter meinem Rücken über mich sagen. Der liebe Gott hat mir zwei gesunde Ohren geschenkt. Ich bin nicht taub.
Aber seit gestern habe ich es schwarz auf weiß.
Auf den Dienstplan haben sie es geschmiert. Für alle sichtbar, mit Edding, in Großbuchstaben, direkt neben meinem Namen.
HEULSUSE!
Wahrscheinlich war es Meike, während Nadine, Yvonne und Michaela – ihr Fanclub – sich vor Lachen bepisst haben. Ja, der Meike würde ich das zutrauen. Unsympathisch bis zum Gehtnichtmehr.
Vielleicht war es auch Nadeschka. Der Stationseiszapfen.
Die heult nie. Ist immer zu hundert Prozent professionell. Hart wie Kruppstahl, das Mädchen. Und auch noch stolz darauf.
Nee, so bin ich nicht.
So will ich auch gar nicht sein.
Oder... oder Dr. Banz hat es geschrieben. Das wäre am Schlimmsten. Der Banz mochte mich noch nie. Von Anfang an nicht. Sagt jedem, ich sei zu weich für die Intensiv. Zu labil.
Wenn es der Banz war, dann ... Mensch ... dann kann ich eigentlich direkt hinschmeißen. Ehrlich. Dann bekomme ich hier kein Bein mehr auf den Boden. Nie wieder. Aber der Banz, der ist doch Arzt. Der darf doch nicht...
Verdammt! Ruhig bleiben. Ganz ruhig.
Ich hätte den Plan einfach abreißen sollen. Zerknüllen. Wegwerfen. Vergessen.
Darüber Lachen wäre auch gut gewesen.
Oder ihn wenigstens ignorieren.
Habe ich aber nicht gemacht. Nichts davon. Stattdessen bin ich ins Schwesternzimmer gelaufen und habe geflennt.
Flennen ist typisch für mich.
Heulsuse.
Katharina, die Heulsuse.
Das bin ich.

Ich muss mich zusammenreißen. Wir haben viel Arbeit. Haufenweise Patienten, alle kurz vorm krepieren.
Der Jüngste ist vier. Organversagen. Scheiße noch mal! Vier! Lieber Gott, mach, dass das nicht wahr ist!
Natürlich ist es wahr.
Die ganze Aura des Jungen ist merkwürdig grau. Er sieht aus, als sei er aus einem Schwarzweißfilm in die Gegenwart gefallen. Die Atemmaske ist viel zu groß für sein kleines Gesicht. Neben der Krankenbahre läuft schluchzend seine Mutter, hält seine Hand, schreit seinen Namen.
Yannik. Immer wieder, Yannik.
Der Sanitäter verdreht die Augen.
Meike kommt ihm zu Hilfe. Packt die Mutter am Arm. Sagt ihr, dass sie nicht mit in den Behandlungsraum kommen darf. Dass man alles tun wird, um ihrem Kleinen zu helfen, sicher doch, aber, dass sie Gott verdammt nicht im Weg stehen soll.
„Wir tun unser Bestes!“
Sie schreit es der Frau ins Gesicht. Lässt sie dann stehen und eilt dem Sanitäter hinterher. Einfühlsam ist anders.
Ich merke, wie mir wieder die Tränen in die Augen schießen.
Vielleicht hat Dr. Banz doch Recht und bin ich wirklich zu weich für diesen Job. Aber ein bisschen Menschlichkeit muss es hier doch auch geben. Wenigstens ein bisschen.
Ist das denn wirklich so falsch?

Ich gehe zu der Mutter, die wie versteinert in der Mitte des Krankenhausflures steht. Ihre Augen sind geweitet, starren auf die Tür, hinter der ihr Sohn gerade verschwunden ist. Ihre Hand scheint immer noch seine zu halten.
Ich lege meinen Arm um ihre Schulter und führe sie sanft zu einem Stuhl in der Nähe.
Noch während sie darauf plumpst, fängt sie an zu schluchzen.
Ich umarme sie und weine mit ihr. Das scheint sie zu beruhigen und ihr Kraft zu geben.
„Er schafft es!“, flüstert sie.
Es ist keine Frage.
Ich lächle und nicke.
„Er schafft es!“, antworte ich.
Meine Stimme ist fest und professionell. Ich bin ein bisschen stolz auf mich.
Beim Aufstehen drücke ich noch einmal ihre Hand.
„Er schafft es!“, wiederhole ich.
Und ich ... ich werde meinen Teil dazu beitragen.

Ich handele oft mit dem lieben Gott.
Früher nur bei den schrecklichsten Fällen. Denjenigen, die einem das Herz zerreißen.
Aber es gibt so viele davon. Viel mehr, als man ertragen kann.
Als ich ertragen kann.
Mittlerweile verhandele ich viel öfter mit ihm. Ich bin die Fürsprecherin für die Patienten, die nicht sterben dürfen. Die überleben müssen, weil ihre Zeit noch nicht gekommen ist.
Der graue Junge ist einer davon.

Ich muss einen Moment nachdenken.
Auf Zehenspitzen stehle ich mich an dem Raum vorbei, in dem sie um Yanniks Leben kämpfen. Dort kann ich gerade nichts tun.
Helfen werde ich ihm trotzdem.
Auf meine Art.
Leise öffne ich die Tür zum Nebenzimmer.
Aber dort ist schon Nadeschka. Mit verbissener Miene bearbeitet sie den Oberkörper einer alten Frau.
Reanimation.
Ich hasse dieses Wort. Es klingt so kalt und gefühllos, durch und durch nach Klinik.
Nadeschka bemerkt mich nicht, sondern drückt wie in Trance, versucht alles, um die Patientin zurückzuholen. Ihre Bewegungen sind präzise und zielgerichtet, ihre Mimik ist starr, beinahe fanatisch.
Mit angehaltenem Atem schaue ich ihr zu. Sie arbeitet wie eine Maschine.
Manchmal wäre ich doch gern wie sie.
Dann fällt mein Blick auf die Patientin. Ihr Gesicht liegt mir zugewandt.
Es strahlt trotz allem eine merkwürdige Würde aus und wirkt erstaunlich gelassen.
Diese Frau hat gelebt, durchfährt es mich.
Hier findet der Tod kein Opfer. Hier geht jemand, der bereit dafür ist.
Für einen kurzen Augenblick fühle ich mich erleichtert.
Ich nicke der Alten kurz zu.
Tränen rollen über mein Gesicht, als ich die Tür leise schließe.
Die Heulsuse in Aktion.

Im Schwesternzimmer finde ich die nötige Ruhe.
Kein Mensch ist hier.
Natürlich nicht. Alle arbeiten emsig wie die Ameisen.
Dr. Banz würde mir den Kopf abreißen, wenn er mich jetzt hier sehen würde.
Möglichweise sogar abmahnen.
Aber Dr. Banz ist bei Yannik. Ich wünsche ihm nur das Beste. Als Mensch ist er ein Vollarsch. Als Mediziner fast schon ein Genie.
Ich schließe die Augen und atme tief durch. Dann bin ich bereit.
Die Verhandlungen werden nicht einfach. Das sind sie nie.
Früher dachte ich, es ist genug, einfach zu beten und fest zu glauben.
Ab und an reicht das auch.
Aber eben nicht immer. Ich kann nie wirklich sicher sein.
Auch der liebe Gott hat eine Tagesform. Das musste ich lernen. Manchmal gibt er und manchmal nimmt er. Das darf man niemals vergessen, wenn man mit ihm verhandelt. Ich stehe nie mit leeren Händen da, wenn ich mit ihm ins Geschäft kommen will.
Und trotzdem: Einige sterben dennoch.
„Der Junge“, sage ich leise. „Yannik. Bitte! Bitte, lieber Gott, er ist noch nicht so weit. Hilf ihm! Bitte!“
Ich horche in mich rein, warte auf ein Zeichen.
Aber da ist nichts.
Ich strenge mich noch mehr an, wünsche mir mit jeder Faser meines Körpers, dass er mich erhört.
„Rette ihn, Herr!“
Meine Hände sind ineinander verkrampft. Blaue Adern treten hervor.
„Rette den Jungen!“
Stille.
Es ist an der Zeit, meinen Trumpf zu spielen.
„Du kannst die alte Frau haben“, murmele ich.
Wieder lausche ich. Immer noch nichts.
„Die Frau, lieber Gott! Nimm die Frau! Der Junge muss leben!“
Und dann endlich ein Ton, eine Art Brummen. Kaum zu hören. Aber doch da.
Wir haben Kontakt.
Ich keuche auf.
„Die Frau! Sie ist bereit dafür!“
Ich spüre, dass er mir zuhört.
Der liebe Gott spricht nicht wirklich mit mir. Zumindest nicht so, wie er in der Bibel mit Noah, Abraham oder Moses gesprochen hat. Er sendet mir Töne.
Ich weiß, wie das klingt. Aber es ist die Wahrheit.
Ein Ton heißt ja.
Ja, ich höre dich. Ja, ich sehe dich. Ja, ich wirke durch dich.
Je lauter der Ton, desto sicherer der Deal.
Es hat lange gedauert, bis ich das begriffen habe. Anfangs war ich unsicher.
Mittlerweile weiß ich genau, was ich sagen muss, um den Ton zu verstärken.
Natürlich heule ich wieder, als ich den entscheidenden Satz stammele.
„Und ich ... ich bin auch bereit dafür.“
Der Ton dröhnt jetzt donnernd in meinen Kopf.
Ich habe dem lieben Gott meine Hand gereicht.
Und er hat eingeschlagen.

Als ich das Schwesterzimmer verlasse, sitzt Yanniks Mutter noch immer reglos auf ihrem Stuhl. Ihr Gesicht ist jetzt ebenso grau wie das ihres Sohnes.
In diesem Moment tritt Nadeschka auf den Flur. Sie schüttelt sich kurz. Dann geht sie in den Raum, in dem der Junge liegt.
Die nimmermüde Nadeschka.
Die ewig heulende Katharina.
Der Herr steht mir bei.
Der Ton sirrt in meinen Kopf. Durch ihn fühle ich mich sicher.
Bevor ich tue, was getan werden muss, knie ich mich neben die wartende Frau.
„Gute Neuigkeiten“, sage ich. „Yannik kommt durch.“
Ihr Mund klappt auf. Trotzdem dauert es einige Sekunden, bevor sie einen Satz formen kann.
„Hat das der Arzt gesagt?“
Ich nicke. Es würde keinen Sinn machen, ihr alles zu erklären. Sie könnte es nicht verstehen. Es ist nicht ihre Schuld.
Niemand versteht das.
„Vertrauen Sie mir!“, sage ich sanft. „Warten sie ab! Aber keine Angst. Alles wird gut!“

Niemand beachtet mich, als ich in das Zimmer der alten Frau husche. Yanniks Mutter hält ihr Gesicht in beiden Händen und heult vor Glück. Für die anderen bin ich einfach nur eine Krankenschwester, die ihren Job erledigt. Ich passe ins Bild, bin unverdächtig. Die meisten nehmen mich ohnehin nicht wirklich wahr.
Trotzdem ist es um diese Zeit riskant. Zu viele Menschen auf dem Flur.
Aber Deal ist Deal.
Und Gott hält seine schützende Hand über mich.
Ich atme tief ein. Meine Finger wandern zu dem Gegenstand in der Kitteltasche.
Dann verharre ich.
Schon auf dem ersten Blick sehe ich, dass ich die Spritze mit dem Insulin nicht brauchen werde.
Danke!
Die Frau liegt seltsam verdreht in ihrem Bett. Es wird nicht lange dauern bis die Totenstarre einsetzt.
Ihr Blick ist starr, aber immer noch würdevoll.
Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel.
Der liebe Gott ist gnädig heute. Diesmal hat er selbst die Drecksarbeit übernommen.
Das ist leider nicht immer so.
Aber ich will nicht jammern. Es ist okay, wie es ist.
Ich schenke der Alten ein letztes Lächeln. Hoffentlich hat sie nicht lange leiden müssen.
Dann stehe ich wieder auf dem Flur.

Ich sehe, dass Meike mit Yanniks Mutter spricht. Die Frau schluchzt lautstark, aber es ist ein freudiges Schluchzen.
Meike wischt sich unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel.
So viel zur Heulsuse.
Als wir uns auf dem Gang begegnen, blickt Meike mich an. Lächelt sogar. Sie wirkt richtig nett in diesem Moment. Jetzt kann ich mir kaum noch vorstellen, dass sie es war, die den Dienstplan beschmiert hat.
Sie berührt mich leicht am Arm.
„Der Junge hat es geschafft, Katharina. Es war verdammt knapp. Aber er hat es wirklich geschafft.“
„Ich weiß“, sage ich nur.
Und dann fange ich an zu heulen.

 

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Da sind noch ein paar Flüchtigkeitsfehler drin, ich fang grad mal damit an um sie abzuarbeiten:

Vielleicht es auch war Nadeschka.

... war es auch ...

Aber der Banz, der ist doch ist Arzt.

Zweites "ist" raus

Meike kommt ihm zur Hilfe.

zu Hilfe

Pack die Mutter am Arm.

Packt

Ihre Hand ist scheint immer noch seine zu halten.

Ebenfalls das "ist" raus

Auf Zehenspitze stehle ich mich an dem Raum vorbei,

Zehenspitzen

Das habe musste ich lernen.

"habe" raus

Aber kein Angst.

keine

So. Das Thema gefällt mir gut, diese essentielle Frage, wer denn nun leben darf und wer sterben muss. Da schwingen immer solch philosophische Fragen mit, welches Leben ist wertvoller? Kann man ein Leben gegen ein anderes aufwiegen?
Hätte mir gut gefallen, wenn der Text da mehr ins Eingemachte gegangen wäre - junges Kind vs. alte Frau, da muss deine Katharina nicht viel investieren, um eine Entscheidung zu treffen. Natürlich ist auch hier das Pro und Contra spannend, aber der Text thematisiert das nicht - die Entscheidung steht fest zugunsten des Kindes, fertig. Die Erzählerin hat hier kein Hindernis zu überwinden, für sie gestaltet sich die Entscheidung zu einfach.
Ich sehe zwei Möglichkeiten, um dem Text bei diesem Aspekt mehr Tiefe zu geben: Entweder, du stellst der Erzählerin jemanden gegenüber, der sie infrage stellt, vor dem sie ihre Entscheidungen rechtfertigen muss - oder du machst die Entscheidung selbst für sie schwieriger (bspw. indem sie jemanden "opfern" muss, der ihr Nahe steht). Denn erst dann kannst du mMn wirklich in das Thema einsteigen und einen echten Konflikt präsentieren, so in der Form ist mir das noch zu glatt, das geht zu einfach.

Auch der Plan geht dann sehr einfach auf - ich gehe jetzt mal davon aus, hier sind keine übersinnlichen Kräfte am Werk und es war einfach Zufall, dass die Frau gestorben ist, bevor Katharina sie in ihrem Wahn töten konnte. Auch da machst du es der Figur sehr leicht - interessant wäre bspw. eine Reaktion gewesen, wenn der Junge dennoch gestorben wäre. Was hätte sie dann gemacht, Rache an Gott genommen? So eine echte Hürde, welche der Frau ihre Tat schwermacht, das fehlt mir hier in dem Text.

Sonst - Idee, wie gesagt, sehr schön, auch das Motiv, dieser Handel mit Gott, das gefällt mir. Da hast du dem Original noch eine interessanten Aspekt abgewonnen.

Vom Stil her hätte ich mir mehr Abwechslung gewünscht. Diese kurzen Sätze lassen sich zwar sehr schnell lesen, aber sie ermüden mit der Zeit, vor allem weil der Rhythmus immer derselbe ist. Es gibt auch ständig so nachgeschobene Anhängsel, das fand ich dann irgendwann störend:

Helfen werde ich ihm trotzdem.
Auf meine Art.

Kein Mensch ist hier.
Natürlich nicht.

Dr. Banz würde mir den Kopf abreißen, wenn er mich jetzt hier sehen würde.
Möglichweise sogar abmahnen.

Die Verhandlungen werden nicht einfach. Das sind sie nie.

Ab und an reicht das auch.
Aber eben nicht immer

Siehst du, das ist irgendwie immer dasselbe Muster, im ersten Satz wird was behauptet, und im zweiten dann nochmal relativiert, betont, ergänzt etc. Und so zieht es sich fast durch den gesamten Text. Das kann man sicherlich als Stilmittel mal einsetzen, hier finde ich es dann aber zu viel. Das ginge stilistisch besser, da kann man den zweiten Satz auch mal weglassen oder in den ersten mitverpacken oder so.

Gibt aber auch Stellen, die mir gut gefallen haben, das hier zB

Die ganze Aura des Jungen ist merkwürdig grau. Er sieht aus, als sei er aus einem Schwarzweißfilm in die Gegenwart gefallen.

oder auch hier

Ich habe dem lieben Gott meine Hand gereicht.
Und er hat eingeschlagen.

Hier passt der Nachsatz viel besser rein finde ich wie bei den oben zitierten Beispielen.

Unterm Strich wie gesagt hast du dem Thema einen neuen interessanten Aspekt abgewinnen können, inhaltlich könnte man den Text dahingehend noch ausbauen, dass es der Prot. nicht gar so einfach gemacht wird. Dann könntest du auch tiefer in das Thema eintauchen, weil du sie dann auch mit moralischen Fragestellungen bzgl. ihres Handelns konfrontieren könntest.

Viele Grüsse,
Schwups

 

Hi schwups,

danke fürs Lesen und Kommentieren.

Zunächst mal zum Stil, weil du da durchaus einen "wunden" Punkt triffst. ;)
Quinn hat mich mal zurecht bei einer anderen Geschichte (Skylla... mittlerweile umgeschrieben und unter dem Titel Lottchen auf kg.de zu finden) genau für das stakkatoartige, also die kurzen Sätze mit darauffolgenden Anhängseln kritisiert.
Ich gebe zu, ich benutze derzeit dieses Stilmittel total gern - wahrscheinlich zu gern.
Ich habe in letzterzeit viel Szenisches für die Bühne geschrieben, laut gesprochen kommt das immer gut finde ich.
Witzigerweise habe ich vor dem Posten dieser Geschichte sogar noch diesbezüglich ein bisschen abgemindert, offensichtlich aber nicht genug.
Werde die Gescichte daraufhin noch mal durchsehen.
Was mir generell an diesem Stil gefällt, ist, das sich so Gedanken schnell aneinanderfügen lassen, der Text weniger geschrieben und mehr gedacht wirkt. (Bilde ich mir zumindest ein) ;)
Notiz an mich selbst: Bewusst mal wieder einen ganz anderen Stil versuchen.
Danke für den Hinweis. Offenbar ist es da mit mir durchgegangen.

Hätte mir gut gefallen, wenn der Text da mehr ins Eingemachte gegangen wäre - junges Kind vs. alte Frau, da muss deine Katharina nicht viel investieren, um eine Entscheidung zu treffen. Natürlich ist auch hier das Pro und Contra spannend, aber der Text thematisiert das nicht - die Entscheidung steht fest zugunsten des Kindes, fertig.
Was den Inhalt anbelangt, habe ich versucht mich sehr nah an das Original zu halten. Deswegen Kind und alte Frau usw...
Allerdings finde ich gerade spannend, wie wenig Katharina in einen Konflikt gerät. Sie ist sich ihrer Sache total sicher und lässt sich auch nicht davonabbringen, trifft Entscheidungen, handelt danach.
Ich wollte das in einen Kontrast zur Heulsuse bringen.

Auch der Plan geht dann sehr einfach auf - ich gehe jetzt mal davon aus, hier sind keine übersinnlichen Kräfte am Werk und es war einfach Zufall, dass die Frau gestorben ist, bevor Katharina sie in ihrem Wahn töten konnte.
Ja, Zufall. Keine übersinnlichen Kräfte!


Auch da machst du es der Figur sehr leicht - interessant wäre bspw. eine Reaktion gewesen, wenn der Junge dennoch gestorben wäre. Was hätte sie dann gemacht, Rache an Gott genommen? So eine echte Hürde, welche der Frau ihre Tat schwermacht, das fehlt mir hier in dem Text.
Finde ich spannend, diesen Aspekt. Hat für mich beim Schreiben ehrlich gesagt keine Rolle gespielt, ließe sich aber was draus machen.
Letztendlich glaube ich, sie hätte es dann irgendwie in ihrem Kopf für sich hingebogen.
Mein Focus lag da anders, das stimmt schon. Mir ging es mehr um ihren Wahn, als um die Moral.

Sonst - Idee, wie gesagt, sehr schön, auch das Motiv, dieser Handel mit Gott, das gefällt mir. Da hast du dem Original noch eine interessanten Aspekt abgewonnen.
Freut mich.

Nochmals danke!

 
Zuletzt bearbeitet:

ho svg,

muss leider sagen, dass mir das Teil nicht so gefallen hat.
Die Idee dahinter, die dem Text auch zum ersten Mal Schwung gibt und noch hätte retten können, die kommt leider viel zu spät. Zumindest für mich.
Das ist diese Stelle hier:

Es ist an der Zeit, meinen Trumpf zu spielen.
„Du kannst die alte Frau haben“, murmele ich.
das fetzt, da horch ich auf, da will ich mehr.
Aber leider kippst du zu schnell zurück in den Ton, der diese kg bestimmt. Und der wollte und wollte einfach nicht stimmen in meinem Ohr. Wenn ich jetzt sage, der Ton ist zu weinerlich, kannst du natürlich triumphieren, geht es doch um eine Heulsuse ;) Also zum Teil ist das schon da drin begründet, ich finde den Charakter zu übertrieben angesetzt, da hätte ein Hauch mehr Zurückhaltung viel bringen können. Du drückst mich als Leser zu heftig in diese eine Richtung, ich fühl mich da ein bisschen zu heftig angepackt, wenn du verstehst, was ich meine. ;) Ich denke, da hast du dir für diesen Plot nicht so den Gefallen getan mit. Lebt ja auch von Betroffenheit und die verbaust du damit (bei mir). Verbuch es unter Geschmack von mir aus. Ich schreib ja auch gern diese Nabelschau-Dinger, auch, weil ich die gern lese, wenn die gut gemacht sind. Hier ... hm, find ichs nicht gut gemacht. Also ich hab gespürt, dass es mich genervt hat, dieses ständige umkreiseln, dieses tausendmal das gleiche in anderen Worten sagen. Okay, damit soll wahrscheinlich die Unsicherheit transportiert werden, aber mir war das too much. Da hätte ich lieber versucht etwas mehr von der Krankenhaus-Atmosphäre aufzufangen. Darüber hätte man das auch - und besser erreichen können. Die kam nämlich gar nicht an bei mir, die Krankenhausatmo. Ziemliche Bilderarmut herrscht hier vor.

Ich hab mal nur so ein paar Dinger rausgepickt, um dir zu verdeutlichen, was ich mein:

Für die anderen bin ich bloß das Sensibelchen.
Der Jammerlappen. Das Weichei.
das ist der Einstieg und das Programm. Ganz klar ein Stilmittel, aber das ist mir zu dominant, kommt doch gleich drei Zeilen weiter:
Für alle sichtbar, mit Edding, in Großbuchstaben, direkt neben meinem Namen.
das hat wieder dieses Aufzählungscharakter und ist mir zu schnell hintereinander.

Dazwinschen übrigens:

Der liebe Gott hat mir zwei gesunde Ohren geschenkt. Ich bin nicht taub.
das finde ich missraten, weil sie nicht das Verhältnis zum Herrn hat, dass "der liebe Gott" in die eine oder andere Richtung plausibel erscheinen lässt

Oder... oder Dr. Banz hat es geschrieben.
Musste ich mit drei Betonungen lesen, bis es bei mir saß. Ich denke ein vielleicht dazwischen oder so, am besten gar nicht doppeln. Mal abgesehen von dem fehjlenden Leerzeichen vor den drei ... ;)
lle kurz vorm krepieren.
K
Die ganze Aura des Jungen ist merkwürdig grau. Er sieht aus, als sei er aus einem Schwarzweißfilm in die Gegenwart gefallen.
Das kickt raus. Wie kann sie denn die Aura sehen? Jetzt im Nachhinein, okay, vll kann sie das wirklich, aber an dieser Stelle beschreibst du ja schon was physisches mit dem Satz danach
Dass man alles tun wird, um ihrem Kleinen zu helfen, sicher doch, aber, dass sie Gott verdammt nicht im Weg stehen soll.
Gottverdammt oder mit Bindestrichen. Ist aber ein Ungetüm dieser Satz, der schmeißt raus. Zu viele Kommata an prekären Stellen
Aber ein bisschen Menschlichkeit muss es hier doch auch geben. Wenigstens ein bisschen.
Ist das denn wirklich so falsch?
Da sind noch viele Stellen vorher, aber hier hat es mich wieder so genervt, dass ich diese Tripplung noch mal brandmarken wollte :D
Ihre Augen sind geweitet, starren auf die Tür, hinter der ihr Sohn gerade verschwunden ist.
mja, kann man machen, dass die Augen starren, obwohl ja die Frau eigentlich starrt, hier hats mich gestört, auch, weil so viel von Augen da steht und dann geht es aber um die Tür. Also so ganz rund find ichs nicht.
Ihre Hand scheint immer noch seine zu halten.
Da habe ich kein Bild von oder bei ...
Leise öffne ich die Tür zum Nebenzimmer.
Aber dort ist schon Nadeschka. Mit verbissener Miene bearbeitet sie den Oberkörper einer alten Frau.
Reanimation.
Das mein ich mit fehlender Krankenhausatmosphäre. Du schreibst so nett von Zimmerlein, wo man mal eben leise hineinschlüpft oder nciht. Wo sind die typischen Gerüche, die Töne, die Leute, das Summen, das stöhnen und ...
Ihre Bewegungen sind präzise und zielgerichtet, ihre Mimik ist starr, beinahe fanatisch.
Mit angehaltenem Atem schaue ich ihr zu. Sie arbeitet wie eine Maschine.
das widerspricht den anderen Bescheibungen. Fanatisch sein, da glüht man ja und ist aufgeladen und agil, das beißt sich mit Maschine
Diese Frau hat gelebt, durchfährt es mich.
Hier findet der Tod kein Opfer. Hier geht jemand, der bereit dafür ist.
Für einen kurzen Augenblick fühle ich mich erleichtert.
Ich nicke der Alten kurz zu.
2xkurz
Dr. Banz würde mir den Kopf abreißen, wenn er mich jetzt hier sehen würde.
Möglichweise sogar abmahnen.
Das geht nur als Gag durch und der ist an dieser Stelle sicher nicht beabsichtigt. Kopfabreißen ist also schlimmer als Abmahnen. MIr ist schon klar, dass das eine ein geflügeltes Wort ist, dennoch sitzt das hier schief im Sattel
Aber Dr. Banz ist bei Yannik. Ich wünsche ihm nur das Beste. .
auf wen du dich beziehst folgt erst im nächsten Satz, das irritiert. Ungeschickt gelöst
Ich horche in mich rein,
rein? Naja
wünsche mir mit jeder Faser meines Körpers,
abgedroschen

NUn ja, wie man sieht, da ist für mich noch zu viel Kram drin, der mich stört. Das riecht für mich nach Schnellschuss, was ja manchmal so ist bei den Copys. Normalerweise sind Hobby-Schreiber ja eine Dead-Line nicht gewöhnt.
Also gemessen an dem, was ich sonst so von dir kenne, fällt dieses Teil hier durch. Ich denke aber mit einer entsprechenden Überholung könnte das Dingen deutlich gewinnen.

grüßlichst
weltenläufer

edit: Guck dir vll auch mal an, wie viele Absätze du hast. Ich finde, das liest sich immer so effektheischend, wenn man das mit den Absätzen übertreibt.

 

Hey svg,

also langsam frag ich mich ja, was mit mir nicht stimmt. Ich finde in letzter Zeit so viele Sachen gut hier und dann kommen die anderen und sagen, ach nö, oder schauen da viel genauer drauf und stoßen sich auch an ganz anderen Sachen, als dass sie mir je aufgefallen wären. Aber, so ist das jetzt eben.

Ich fand den Ansatz ziemlich genial. Ich mochte auch den Plot. Und ich fand die Heulsuse da gut, auch wenn ich am Anfang dachte, Mann oh Mann, aber die wird ja ziemlich schräg im Verlauf des Textes und das muss eben auch vorbereitet werden.
Mit den Absätzen hatte ich mich schwer. Jedenfalls, was das reinkommen betrifft. Dann hate ich irgendwann meine Leserstimme gefunden und habe mich damit arrangiert. Also, das lief dann schon. Vielleicht hatte ich irgendwann tatsächlich so eine Bühnenstimme im Kopf. Derzeitig ist auf jeden Fall mehr eine Vortragegeschichte, als eine Lesegeschichte. Aber einfach ein paar Zeilenwechsel wegkicken, macht nu auch nicht so viel Arbeit, inhaltlich unterstützen tun die den Text auf jeden Fall nicht - also von wegen stilistisches Mittel. Damit kommst Du nicht durch ;).

Ich mochte den Anfang, wie sie sich da vorstellt. Das wirft ein gutes Licht auf sie, auf die Kollegen, auf die Station. Figuren eingeführt, Konflikt da - also, ich denke, es braucht den Anfang und ich mochte den auch.

Die ganze Aura des Jungen ist merkwürdig grau ... Die Atemmaske ist viel zu groß für sein kleines Gesicht.

Das mochte ich sehr. Den Zischensatz nicht so, aber die beiden ja.

Neben der Krankenbahre läuft schluchzend seine Mutter, hält seine Hand, schreit seinen Namen.
Yannik. Immer wieder, Yannik.
Der Sanitäter verdreht die Augen.

Wir sind auf der Intensiv, ja. Da laufen keine Sanitäter rum und liefern kleine Jungs ein. Notaufnahme oder Intensiv, Du solltest dich entscheiden. Entweder sie arbeitet in der Notaufnahme - auch sehr heftige Station, aber da kommt das mit dem Ende nicht mehr hin, oder der Junge kommt aus dem OP und zwei Zivis schieben ihn da über die Gänge.

Meike kommt ihm zu Hilfe. Packt die Mutter am Arm. Sagt ihr, dass sie nicht mit in den Behandlungsraum kommen darf. Dass man alles tun wird, um ihrem Kleinen zu helfen, sicher doch, aber, dass sie Gott verdammt nicht im Weg stehen soll.

Ja, dass müsste auch umgezwitscht werden. Aber Intensiv, da muss man sich ja so Zeugs anziehen und der Junge muss ja auch erst mal an die Maschinen angestöpselt werden, da würde Mutti auch stören.

Die Heulsuse in Aktion.

Ein Streichkandiat?

Dr. Banz würde mir den Kopf abreißen, wenn er mich jetzt hier sehen würde.
Möglichweise sogar abmahnen.

Ich habe beim ersten mal statt "abmahnen" - abnehmen gelesen und fand das sehr lustig. statt Kopf abreissen, wird er sauber aboperiert.

Der liebe Gott spricht nicht wirklich mit mir. Zumindest nicht so, wie er in der Bibel mit Noah, Abraham oder Moses gesprochen hat. Er sendet mir Töne.
Ich weiß, wie das klingt. Aber es ist die Wahrheit.

Die Idee finde ich ziemlich gut.

„Und ich ... ich bin auch bereit dafür.“

Ich habe hier gedacht, sie bietet sich ihm auch an. Nimm mich, nicht den Jungen. Jetzt denke ich, sie ist bereit, ihm die Frau zu geben, nachzuhelfen. Das ahnte ich beim ersten Lesen ja nicht. Deshalb fand ich die Steigerung ihres Verhaltens auch gut, weil es mich noch einmal überraschen konnte.

Also, ich habe es von der Geschichte und von der Sprache her wirklich gern gelesen. Schöne Copy, und gute Geschichte, was Wendungen und Überraschungen betrifft. Viele gute Ideen. Könnte man jetzt sicher noch endlos ausbauen und verstärken und nachlegen, aber weiß nicht, ob es dadurch wirklich intensiver werden würde. Glaub fast nicht.

Beste Grüße Fliege

 

Hey svg,

ich finde Du hast einen interessanten Zugang zum Original gefunden. Was in solchen Todesengeln vorgeht, finde ich schon sehr spannend. Und auch dieses Verhandeln mit Gott ist ein interessantes Thema. Das hab ich als Kind auch immer gemacht, vor allem, wenn ich meinen Haustuerschluessel vergessen hab und keiner zum Aufmachen da war. Da hab ich ihm meist folgenden Handel vorgeschlagen: Wenn jetzt in den naechsten 5 Minuten jemand kommt, und mich reinlaesst, werde ich an Dich glauben und mindestens einmal am Tag beten, auch wenn ich grad nichts brauche, nur so zum Hallo und Danke sagen. Irgendwie kamen wir nie so richtig zusammen. :D

An der Umsetzung des Themas koennte man hier und da noch etwas feilen. Das wirkt mir teilweise noch ein bisschen mit der heissen Nadel gestrickt. Aber vielleicht taeuscht mich das Layout auch ein bisschen. Das sieht schon ziemlich zerfleddert aus, mit den vielen Absaetzen und von sowas lasse ich mich in meinem Urteil leicht beeinflussen.

Also am Anfang war ich ein bisschen auf der falschen Spur mit diesem "Heulsuse"-Ding, da dachte ich, es geht jetzt darum, herauszufinden, wer das geschrieben hat. Und der Konflikt und das Thema des Textes ist Mobbing. Also ich find es scon gut, dass gezeigt wird, dass Katharina anders als die anderen ist, aber die Boshaftigkeit der anderen kam mir ueberzogen vor. Professionelle Kaelte wuerde da als Kontrast zum Heulen m.E. genuegen und waere auch son bisschen glaubhafter fuer mich. Und man wuerde nicht so auf die Mobbing-Faehrte gesetzt, die dann zu nichts fuehrt.

Ich muss auch Weltenlaeufer zustimmen, dass Du es der Figur mit der Wahl zwischen alter Frau und Kind, und dann noch mit dem gnaedigen Tod, relativ einfach machst. Dabei finde ich den Grundgedanken sehr spannend, dass da einer im einen Raum stirbt und im anderen ueberlebt, auch, dass da vielleicht so ne magische Lebensenergieverschiebung vonstatten gehen koennte. Und dem hilft sie halt so ein bisschen nach.

Kleinvieh:

Unsympathisch bis zum Gehtnichtmehr.
Das find ich son bisschen schwach. Da haette ich mir nen originelleren Ausdruck gewuenscht.

Die ganze Aura des Jungen ist merkwürdig grau.
wuerd ich rauskicken. Ansonsten aber schoen, da kommt das Verrueckte schon ein bisschen durch

Lässt sie dann stehen und eilt dem Sanitäter hinterher. Einfühlsam ist anders.
Ich weiss nicht, ob es diese abschliessende Beurteilung noch braucht. Das Verhalten ist ja recht eindeutig.

Die Interaktion mit der Mutter finde ich dann aber wieder sehr gut eingefangen.

Meike wischt sich unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel.
Das fand ich sehr gut, dass Du hier zeigst, dass die anderen nicht wirklich Monster sind, sondern auch nur versuchen, ihren Job zu machen und irgendwie damit klarzukommen.

lg,
fiz

 

Hallo svg,

Schon auf dem ersten Blick sehe ich, dass ich die Spritze mit dem Insulin nicht brauchen werde.

Der liebe Gott ist gnädig heute. Diesmal hat er selbst die Drecksarbeit übernommen.
Das ist leider nicht immer so.
Die beiden Stellen haben für mich den Text gerettet. Erst dachte ich, da dealt jemand mit Gott und durch ein Wunder wird alles gut und die Sache läuft glatt. Aber dann: Katarina handelt nicht nur mit Gott, sie ist auch bereit einen Teil der Abmachung durchzusetzen und das ist toll (also für den Text.) Das bekommt mit einem Schlag mehr Tiefe und rettet die Geschichte vor so einer Heiligenerzählung. Eigentlich ist das ja richtig krankhaft und dann handelt es sich aber um ein Umfeld, in dem solche Sachen nicht umbedingt auffallen. Vielleicht hätte man das noch stärker machen können, wenn Gott nicht die Arbeit übernommen hätte. Aber das müsste man ausprobieren, vielleicht ist es so mit der Andeutung auch besser.

„Gute Neuigkeiten“, sage ich. „Yannik kommt durch.“
Hier lehnt sie sich irre weit aus dem Fenster und das ist toll. Da schwingt die Bedrohung mit, dass Yannik es nicht schafft und dann ist Katarina dran. Weil sie ganz klar gelogen hat. Und allein schon seelisch, sie hat der Mutter Hoffnungen gemacht, die nicht erfüllt wurden. Ich dachte erst, es ginge auch in die Richtung.

Mit der Mobbing-Sache: Das bräuchte es nicht so dick. Also eigentlich würde es doch reichen, wenn du da den Kommentar vom Doktor nimmst und ihre eigenen Zweifel, ob sie geeignet ist für eine Stelle, die so sehr an die Substanz geht. Und dann noch den Gegensatz zum Rest des Teams. Würde doch reichen, wenn sie sich selber fertig macht. Dann hättest du nicht noch dieses zusätzliche Thema drin. So dachte ich erst, es geht in eine ganz andere Richtung. Also nicht, dass es so nicht funktionieren würde, aber es könnte durchaushelfen, da etwas weniger zu machen, denke ich.

Der Sanitäter verdreht die Augen.

Reanimation.
Ich hasse dieses Wort. Es klingt so kalt und gefühllos, durch und durch nach Klinik
Die beiden Stellen mochte ich, die werfen für mich gute Schlaglichter.

Insofern gern gelesen.

Gruß,
Kew

 

Hey svg,

die Thematik freilich ist interessant, auch in der Art und Weise, die mich interessiert, schon das Original. Du greifst viele Dinge geschickt auf, das Weinenwollen wird zu einem Weinenmüssen, die Patientenverfügung „Nein, ich will nicht wiederbelebt werden!“ überträgst du ins schlichte „Ich habe schon gelebt. Ich kann jetzt sterben.“ Wie nah Leben und Tod liegen, doch mit Gegenteilen macht man es sich manchmal selbst leicht. Alte Frau gegen junger Junge. Da haben meine Vorredner schon recht, wenn sie sagen, dass die Entscheidung da nicht sehr schwer fällt, vor allem, wenn die Frau sowieso sterben will. Etwas unsanft fand ich die Formulierung „Drecksarbeit“ in dem Kontext, sehe ich die Gnade Gottes eher als eine Art Rückenwind im Prozess des Sterbens. „Verhandlungssache“ betitelst du deine Erzählung und die Tränen fallen nicht sinnlos, sie fallen für eine Sache – Tränen fürs Leben. Die Idee ist schön, auch, dass sie keine große Sache daraus macht, dass sie damit lebt, als Heulsuse hingestellt zu werden, sie hat Probleme damit, aber sie macht ihren Job, der in dem Moment aufhört Job zu sein, um Berufung zu werden. Mit dem Gott plaudern, auch wenn es nur akustische Signale bleiben, hm, schwierig. Möglich, aber hier lässt es mich kalt, ich nehme das hin, ich lasse mich darauf ein, aber berühren kann mich das Beten im Sinne von Verhandeln nicht. Woran das liegt? Es ist nicht genug nachvollziehbar für mich. Das schreibe ich in letzter Zeit oft. Aber ich meine es schon so. Ich bin zwar katholisch, aber einen Dialog mit dem Göttlichen stelle ich mir anders vor, verhandeln sowieso nicht, hat schon Theodizee probiert. Lese gerade Nemesis und nicht nur da wird deutlich, dass – wenn es nach Gott geht – unendlich viel passiert, was nicht unseren Vorstellungen von Gerechtigkeit entspricht. Jannik stirbt. Die alte Frau wird wiederbelebt und lebt noch zehn Jahre mit zerebralen Schäden künstlich ernährt. Aber wie gesagt: Ich lasse mich drauf ein, nur machst du die Verhandlung nicht lebendig. Beim Verhandeln geht es doch immer um zwei Seiten. Deine Verhandlung ist recht einseitig und zwar einseitig von der Protagonistin, von der weinenden Katharina, der Katharsis-Kathi. Dass Gott gar nicht viel dagegen redet, wundert und enttäuscht mich. Also einerseits die bloß oberflächliche Verhandlung mit Gott, andererseits eine zu leichte Entscheidung. Gewiss warst du an das Original gebunden und da war die alte Frau, aber vielleicht will Gott die alte Frau und ein Kind, was erst später kommen wird und Katharina verspricht ihm schon im vornherein den Tod des Kindes, was ihr leichter fällt, weil sie es noch nicht wahrnimmt, weil die Zukunft meist gegen die Gegenwart verliert.

Aber deine Erzählung hat auch noch eine ganz andere Dimension. Ich lese in deiner Protagonistin auch eine Verrückte. Sie nimmt eine Außenseiterrolle ein, sie weint nicht oft, sondern fast immer, was sie durchaus zu einer psychisch labilen Person macht, die Verhandlung mit Gott ist vielleicht bewusst so unkompliziert, weil es keinen göttlichen Dialog gibt, sondern nur den Monolog. Sie tötet für das Leben. Eine Verrückte, die im göttlichen Auftrag handelt, die glaubt, Leben gegen Tod tauschen zu können. Freilich muss man da ein bisschen hineinlesen, das ist keine Leserichtung, die angeschrieben wurde, aber im Ansatz steckt das schon drin. Das macht deine Geschichte wieder sehr interessant. Ich denke, mehr in diese Leserichtung zu schreiben, würde deiner Erzählung hier nicht schaden. Kommt natürlich auf deine Intention an. Wenn du das überhaupt nicht wolltest, und sich meine Gedanken verirrt haben, dann würde ich es so subtil lassen. Vielleicht die „Drecksarbeit“ rausnehmen, ich fand das schon hart.

Ein paar Anmerkungen:

Hart wie Kruppstahl, das Mädchen.
Gefällt mir nicht.

Haufenweise Patienten, alle kurz vorm krepieren.
vorm = vor dem Krepieren.

Er sieht aus, als sei er aus einem Schwarzweißfilm in die Gegenwart gefallen.
Gefällt mir sehr. Ich möchte sagen: das schönste Bild in deiner Erzählung. Zum Klauen schön.

Ich handele oft mit dem lieben Gott.
Vorschlag: Ich verhandle oft mit dem lieben Gott.

Alle arbeiten emsig wie die Ameisen.
Hart wie Kruppstahl, wie Ameisen arbeiten … Nicht, dass ich dir mangelnde Innovation bei den Vergleichen vorwerfe, aber die Vergleiche passen einfach nicht. Emotion und Stahl, Krankenschwestern und Ameisen – das ist Ameisensäure auf meiner Zunge.

Dr. Banz würde mir den Kopf abreißen, wenn er mich jetzt hier sehen würde.
Möglichweise sogar abmahnen.
Da erwarte ich als Leser eine Steigerung, ne schöne Klimax. Hier steht, dass die Protagonistin eine Abmahnung schlimmer findet, als die Trennung von Kopf und Körper.


Wenn deine Geschichte funktioniert, dann eher als Kopie. Hast du schon klug gelöst, die Perspektive verdreht. Warum du nahezu jedem Satz eine eigene Zeile schenkst, verstehe ich nicht ganz. In dem Umfang ist das kein Problem, dem Lesen sogar zuträglich, möchte ich behaupten, aber das streckt die Geschichte auch. Hat das einen Grund? Den letzten Satz würde ich streichen. Das ist übertrieben. „Ich weiß“, sage ich nur. Das ist viel stärker.

Mir hat es schon gefallen, aber ich war enttäuscht, weil du den Verhandlungsaspekt anspruchsvoller, die Entscheidung schwerer und die weinerliche Psyche von Katharina deutlicher gestalten hättest können. Deine sonst so lebendigen Dialoge habe ich auch vermisst, hier wird fast nichts gesagt und wenn, einsilbig und unspektakulär. Eine Stärke, die du hier nicht ausspielst.

Beste Grüße
markus.

 

Lieber svg,

du hast echt lange warten müssen, dabei hatte ich doch vor ein paar Wochen schon versprochen, nun endlich zu kommentieren.

Ich bin erstaunt, dass du dir ausgerechnet die einzige meiner KGen ausgesucht hast, die damals einhellig als Nicht-KG klassifiziert wurde. Auf der anderen Seite freue ich mich über deine Wahl, da mir persönlich sehr viel an diesem Text liegt, da er voller Empathiebemühungen für die Pflegenden ist und mir nicht leicht fiel.

Genug davon, jetzt zum Text selbst.

Meine Vorkommentatoren haben einige Dinge angesprochen. Du hast dich sehr eng an meine Vorlage gehalten, deshalb blieb dir an vielen Stellen keine Wahl. Was ich schon eingangs gut fand, ist, dass du die Nebenfigur Katharina zu deiner Prota gemacht hast. Die Begründung, die du dir für ihren Ruf als Heulsuse ausgedacht hast, finde ich echt gut. Das ist so ne Ecke, in die ich nie und nimmer gedacht hätte. Katharina, die verrückte Gottesanbeterin. Find ich gut.

Ich glaube, Novak schrieb, dass sie erst annahm, die Prota würde sich selbst als Opfer darbieten. Das Gleiche habe ich auch erst gedacht. Ob ich dir jetzt raten würde, das so abzuändern, dass dieser Gedanke unterbunden wird, weiß ich allerdings nicht. Das hat was.

An der Stelle, an der Katharina ganz gezielt ins Nebenzimmer geht, habe ich als Leser den Eindruck, dass sie schon genau weiß, wer da liegt, wie alt sie ist usw. Nun lässt du Katharina den Satz:

Diese Frau hat gelebt, durchfährt es mich.
sagen, und ich bin verwirrt, denn offensichtlich wusste sie doch nicht, wer da liegt. Vielleicht ist bei mir auch der Originaltext zu präsent und vernebelt meine Auffassungsgabe hier.

Aber dort ist schon Nadeschka.
Hier, ich denke, es ist dieser Satz, der mich verwirrt. Habs markiert, was mich stutzen lässt. Katharina hatte m.M. hier schon etwas vor, zu dem sie nun nicht mehr kommt, eben weil da schon jemand ist.

Langer Rede, kurzer Sinn: Da hakt es für mich auf seltsame Weise.

Erst dachte ich, es handele sich bei deiner Geschichte um eine "Krankenschwester spricht wirklich mit Gott"-Story. Als ich in einem deiner Kommentare las, dass es sich um eine Psycho handelte, hat mich das mit dem Text versöhnt. Frag mich nicht, weshalb, es fühlt sich einfach "richtiger" so an. Das klingt jetzt wohl recht eigenartig, aber somit ist der Bezug zur Realität wiederhergestellt.

Den Ein-Satz-Pro-Zeile-Ansatz finde ich auch nicht so perfekt. Mich hat es im letzten Drittel wirklich begonnen zu stören.

Zusammengefasst möchte ich sagen, dass mir deine Version gut gefällt. Die Idee ist originell, und bis auf die vielen Zeilenumbrüche gut umgesetzt. Besonders die kleine Insulinspritze, die sicherheitshalber mitgeführt wird und auf den psychischen Zustand der Prota zumindest schließen lässt, ist ein feiner Akzent, den du geschickt setzt, finde ich.

Ich habe das sehr gerne gelesen. Und bitte entschuldige den schrecklich späten Kommentar.

Ganz liebe Grüße,
PSS

 

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