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Copywrite Der Tod und das Mädchen

Beitritt
06.09.2012
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Der Tod und das Mädchen

Kant sagt, der Instinkt sei die Stimme Gottes. Demzufolge handelt jedes Wesen, das seinen Trieben folgt, im Sinne Gottes und befolgt dessen Willen. Der Löwe, der die Brut seines Vorgängers kaltblütig tötet. Der Alligator, der sein Opfer schon in Stücke reißt, noch während es elendig ersäuft. Der Unsterbliche, der dem Sterblichen die Luft nimmt, während er ihn zu Tode trinkt. Gottes Wille.
Ich habe unzählige Nächte darüber nachgedacht, denn ich habe Zeit. Ich war Arzt, habe den Eid geleistet. Damals, in meinem Lichtleben. Nun bin ich nur noch dunkler Trieb, und keine Gasse des heruntergekommensten Viertels von Paris ist finster genug, um Gottes Stimme in mir zu ersticken.

***

Als ich zu mir kam, lief Schubert. Vielleicht hatte die Musik mich auch geweckt, das kann ich nicht mehr genau sagen, meine Erinnerung ist recht diffus. Als das Quartett zum 4. Satz anhob, öffnete ich meine Augen und erstarrte, als ich schemenhafte, metallne Ringe im Mauerwerk erkannte. Und Ketten, die mich daran fesselten. Ich versuchte, daran zu ziehen, doch ich war zu schwach. Meine Kraft reichte gerade, um meinen Arm leicht anzuheben. Erschöpft ließ ich ihn wieder fallen. Die Kette klirrte triumphierend, und ich spürte, wie die Bewusstlosigkeit, die in der Dunkelheit um mich herum zu lauern schien, mich erneut übermannen wollte.
Da hörte ich die Stimme hinter mir.
"Oh gut", sagte sie, "ich dachte schon, ich hätte es übertrieben."
Mein Puls schnellte nach oben; ich riss die Augen weit auf und starrte an das schemenhaft erkennbare Mauerwerk, versuchte, abzuschätzen, woher die Stimme kam, ob sie sich bewegte. Auf mich zu kam. Mich der Stimme zuzuwenden, das traute ich mich nicht.
"Ihr braucht Euch nicht zu fürchten", sagte die Stimme. Eine Männerstimme. Tief, rauh und jung. Und alt. Während ich noch panisch über diesen Widerspruch nachdachte, war da Bewegung. Ich hörte sie, bevor ich sie sah: Knirschen von altem Leder, dann Metall, das über Holz schabt. Schritte. Dann ein dumpfes Licht, das heller wurde. Mit jedem Schritt. Er kam in meine Richtung. Die Ketten klirrten, als ich mich mit letzter Kraft zur Wand schob, die Augen fest geschlossen.
"Junger Freund", sagte die alte junge Stimme nun direkt hinter mir. Er musste sich nieder gekniet haben. "Junger Freund, beruhigt Euch. Bin ich nicht auch gefangen, wie Ihr? Von mir müsst Ihr nichts befürchten. Entspannt Euch." Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und öffnete die Augen, mehr aus Schreck als willentlich. Der flackernde Schein einer Kerze erhellte nun die Wand direkt vor meinen Augen, und ich erkannte, weshalb sich alles feucht anfühlte.
"Ist das ... Blut?", stieß ich hervor und starrte auf die rote Wand. Spürte die Lache, in der ich lag. Die ganze Zeit gelegen hatte.
"Ja, das ist Blut", antwortete dieser Mann, und während er sich die Pulsader seines rechten Armes bedächtig öffnete, fügte er hinzu, "Eures, um genau zu sein."

***

Sein Name war Larasse. Monsieur Hector Larasse, unehelicher Sohn einer Küchenmagd. Das mochte man gar nicht glauben, wenn man ihn sprechen hörte. Zeit bildet. Besonders, wenn man Jahrhunderte davon hat.
Larasse war es, der mich damals fast ausbluten ließ. Das nahm ich ihm jedoch noch nie übel, zumindest heute nicht mehr. Damals, in jener Nacht und noch einige Zeit danach, war das anders. Aber das lag wohl in der Natur der Dinge.
Eine Sache bringt mich bis heute zum Schmunzeln. In der kalten Oktobernacht im Jahre 1962, in der Larasse mich erschaffen hat, fragte ich mich keine Sekunde, weshalb ich in diesem alten, gemäuerten Verließ saß. Manche Dinge nimmt man in solchen Situationen wohl einfach hin - aber ich schweife ab.
Die Geschichte, die ich Ihnen nun erzählen werde, handelt vom Töten und Getötetwerden. Und vom Tod.

***

Ich habe ihn nur ein paar Male wirklich gesehen, den Tod. Wenn ich meinen Teil getan habe, gehe ich, bevor er kommt. In jener Oktobernacht, da sah ich ihn das erste Mal. Er war da, am Rande. Erst dachte ich, es wären nur Schatten, die das Kerzenlicht in die Ecken warf. Doch dann sah ich ihn. Bereit. Wartend. Nein, abwartend. Der Tod hat es nie eilig. Er weiß, dass seine Zeit kommen wird. Also wartet er einfach ab. Manchmal geht er wieder, da es noch nicht an seiner Zeit ist. Aber er kommt wieder. Irgendwann kommt er wieder. Auch zu mir wird er wohl noch einmal kommen. Endgültig. Denn entgegen der allgemeinen Annahme sind wir nicht unsterblich. Wir schmücken uns mit diesem Wort, nennen uns "Unsterbliche", doch ich habe schon Viele der Meinen sterben sehen, denn es passiert schnell, dass das Opfer schon tot ist, und man trotzdem von ihm trinkt. Es ist kein schöner Anblick. Der Tod jedoch sieht keinen Unterschied: Ob Sterblicher oder Unsterblicher, Seelenfaden bleibt Seelenfaden; sein Handwerk bleibt das gleiche, sein Werkzeug tut sich nicht schwerer. Nur der Weg, den er danach nimmt, unsere Seelen unter seinem weiten Mantel verstaut, dieser Weg, so sagt man, sei ein anderer.
Wurde man erwählt, hat man keine Wahl. Man sagt, man habe sie, doch das ist ein Irrtum. In jenem Augenblick, in dem sich die Zähne lösen, und der Unsterbliche die Worte spricht - in jenem Augenblick schon steht die Entscheidung fest. "Ich werde Dir eine Wahl lassen, die ich niemals hatte." Dies sind die Worte, so will es die Tradition. Dies sind die Worte, die auch ich hörte, bevor ich gierig das schwarze Blut des Hector Larasse trank, Tropfen für Tropfen. Wie Tausende vor mir. Tausende nach mir. Wir haben keine Wahl.
Um den Schmerz zu beschreiben, fehlen mir fast die Worte. Es ist dieser Moment, in dem man sich unweigerlich fragt, ob man nicht doch eine Wahl gehabt hätte. Es ist dieser Moment, der später jeden, der sich einen Gefährten schaffen will, dazu bringt, selbst der Tradition zu folgen und die Worte zu sprechen, aus Überzeugung. Als Warnung. Ein Schmerz, der keinen Zweifel lässt. Ein Schmerz, der dich zerschneidet wie heißer Stahl; rotglühend und zischend trennt er dich von dem, was du eben noch warst. Du saugst die brennende Luft ein, öffnest die Augen - und da ist sie, die Schwärze, mit der er Einzug in dich hält, ein in Dunkelheit gehüllter Trieb, ein Wollen - und du weißt, er wird nie wieder gehen.

***

"Das war unnötig", sagte ich, nicht zum ersten Mal. Es war der siebte Winter seit jener Oktobernacht, und die letzten Stunden hatten wir damit verbracht, Mademoiselle D'Ainci nach allen Regeln der Kunst - Larasses Kunst - aus der Welt zu schaffen. Nun saß er mir gegenüber, zufrieden, im Hausmantel, die Beine dem wärmenden Kamin entgegen gestreckt. Die Waschmaschine lief schon.
Er sah mich an und schüttelte den Kopf. "Wen habe ich mir da nur zum Gefährten gemacht", sagte er und kraulte Mimi, der Katze, den ihm zugestreckten Bauch. Sie schnurrte. "Euch fehlt der Sinn für Ästhetik, junger Freund", fügte er hinzu, "ja, ein gar absonderlicher Vampir seid Ihr. Es fehlt nur noch, dass Ihr Mimi die Ratten streitig macht. Oder tut er das schon, mein Herz?", fragte er, der Katze auf seinem Schoß zugewandt.
"Ich habe mir nie eine Ratte genommen", hob ich an, im Wissen, was nun kommen würde.
"Ratten, Tauben! Wo ist der Unterschied?" Ein herablassendes Lächeln begleitete seine Worte. "Noch nicht einmal wilde Tauben hattet Ihr gewählt. Euren eigenen Taubenschlag habt ihr genommen. Ein Feigling seid Ihr, Merlaux. Ein Feigling ohne Sinn für Ästhetik. Nicht mehr."
"Wie oft wollen Sie mir das noch vorhalten, wie oft noch?", entfuhr es mir. "Ich habe mich geändert, keiner weiß das besser, als Sie. Aber weshalb müssen es immer junge Frauen sein, wieso immer dunkle Gassen? Wozu das Spielen und Locken und Versprechen? Wozu all das, wenn Sie ihr Blut auch einfach so haben können?"
"Wozu?", fragte er und sah mich ungläubig an. "Sie schmecken besser. Ist Euch das entgangen?"

***

Den ersten Sterblichen nahm ich mir in meinem fünften Jahr. Es war eine verzweifelte Zeit; mein Hunger war ins Unermessliche gestiegen. Ich konnte nicht mehr anders, nie wieder; Gott hatte gewonnen. Seit jener Nacht also leben die Tauben, Katzen und Hunde dieser Stadt in Frieden. Jedoch halte ich mich zurück. Entgegen der allgemeinen Annahme, wir müssten jede Nacht nach Beute Ausschau halten, reicht es, wenn wir es zwei Male im Jahr tun. Ist das Opfer so groß und beleibt wie Michel Lepeaux, der Metzger, den ich mir wohlweißlich als meinen Ersten ausgewählt hatte, kommt man sogar fast über ein ganzes Jahr - vorausgesetzt, man bewahrt die Contenance. Hector Larasse war ein vorzüglicher Zeitgenosse, gebildet und sprachgewandt, in gewisser Weise auch von großer Tugendhaftigkeit. Contenance allerdings zählte nicht zu seinen Stärken. Wo er war, war der Tod. Und wo er sein Werk getan hatte, blieb der Tod länger, denn Larasses Jagd war schon lange nicht mehr nur Mittel zum Zweck; sie war ein Drama in drei Akten, seine Opfer der künstlerische Ausdruck seiner selbst.
Haben Sie schon einmal einen Geparden bei der Jagd gesehen? Seit ich zum ersten Mal einen solchen gesehen habe, faszinieren mich diese Geschöpfe. Studiert man ihre Jagd und reduziert die Geschwindigkeit, dann wird man sich der Gesichtslosigkeit ihres Tötens bewusst. Mir fehlten stets die Worte, um den tiefen Eindruck zu beschreiben, den ihre Jagd bei mir hinterlassen hat. Dann, in dieser Nacht im letzten Sommer, nahm ich mir das Buch zur Hand, welches mein letztes Opfer bei sich getragen hatte. Er war wohl ein Student, vielleicht auch nur mannigfaltig interessiert; meine Opfer trugen fast immer Bücher bei sich. Ich habe nun schon mehr als achtzig, ordentlich aufgereiht in Larasses altem Bücherregal. Ich erinnere mich, dass mir der rote Einband des Buches schon aufgefallen war, als ich mich dem jungen Mann im Parkhaus näherte. Er hielt es in seiner Hand, obwohl er eine Büchertasche trug. Später, als es getan war, der Geruch der Angst schon langsam verflog, und ich die Präsenz des Todes in meinem Rücken spürte, da nahm ich es mir. Ich ging, ohne mich noch einmal umzudrehen, denn der Tod braucht keine Zuschauer. Zuhause angekommen setzte ich mich - seit meiner Taubenzeit musste ich meine Kleidung hinterher nie wieder waschen - und begann zu lesen. Und nach einigen Stunden fand ich sie, die Worte, die die Seele der Jagd zum ersten Mal beschreiben konnten, ihr Legitimation verliehen: "Der Gepard ist versunken in fokussierter Intensität."
Versunken in fokussierter Intensität.
Ich dachte an meinen Mentor. An seine dunklen Gassen, an die von ihm forcierte Angst seiner Opfer, die das hervorbrachte, was er schwärmerisch 'Panikbouquet' nannte, an verzerrte rote Münder, "die Ästhetik des Todeskampfes", wie Larasse schwärmte, an formlose Überreste aus Fleisch, Blut und Knochen - an den Mauern, auf der Straße. Und an den Tod, wie er über Larasses Opfern verharrte. Verharren musste.
Ich las nicht weiter; Larasse kehrte von seinem nächtlichen Streifzug zurück. Als er die Tür der Waschmaschine mit einem Knall schloss, klappte ich das Buch zu. Ich schaute aus dem Fenster; die Entscheidung, die ich in jenem Moment traf, schien so hell und klar wie der Vollmond am sternenlosen Nachthimmel.

Das Opfer war schnell gefunden. Larasse bevorzugte junge, üppige Frauen, und Paris war voll von ihnen. Eine Sophie begleitete mich bereitwillig zur Unterkunft, in der Larasse und ich die kalte Jahreszeit zu verbringen pflegten; als sie jedoch das fahle Licht, die heruntergekommenen Mauern und die Tür sah, von der sich die uralte Farbe schon in großen Streifen ablöste, wurde sie unruhig. Es musste schnell gehen. Während ich trank, tastete ich nach ihrem Herzschlag. Als er verstummte, wusste ich, dass nicht viel Zeit blieb, denn er war schon da, der Tod. Doch stand er nicht hinter mir, wie er es sonst zu tun pflegte: Er war zwar da, jedoch am Rande, wie in jener Nacht, in der ich erschaffen wurde. Im Schatten der monderhellten Mauer stand er, und schaute mich an. Mir blieb nicht viel Zeit; die junge Sophie musste noch warm sein, sonst würde Larasse mein Spiel durchschauen und nicht von der Toten trinken. Jedoch erinnere ich mich an diesen Moment, in dem ich regungslos in der Tür stand, die leblose Sophie auf meinen Armen, und in die Schatten schaute - und der Tod nichts tat. Er wurde zu meinem Komplizen.
Larasse ahnte nichts. Es ging so schnell, dass ihm noch nicht einmal Zeit blieb, ein Kunstwerk zu beginnen. Der Tod tat still sein Werk. Welchen Weg er danach nahm, weiß ich nicht mehr.
Ich war nun allein.

***

Vielleicht bin ich der männlichen Gesellschaft überdrüssig. Wir Unsterblichen belästigen einander zwar nicht und lassen einander Raum; ab und an jedoch, wenn es die Etiquette verlangt, kommen wir für ein Mahl zusammen. Und Larasse war nicht der einzige Ästhet, das wusste ich schon bald. Ich habe zu viele Kunstwerke gesehen. Frauen, so sage ich mir, sind anders. So habe ich es jedenfalls in Erinnerung. Aber es ist lange her, dass ich Zeit mit Frauen zweckfrei verbracht hätte. Ich muss es jedoch wagen; ich will nicht länger alleine sein.

Ich lasse Schubert laufen, sein Streichquartett Nr.14, und denke an die Nacht, in der ich die Wahl gehabt hätte. Der vierte Satz beginnt, jagt durch das alte Gewölbe; es kann nun nicht mehr lange dauern. Ich warte. Als ich in den Schattenspielen versinke, die die Kerze auf dem alten Tisch vor mir an die Wand wirft, sehe ich ihn. Abwartend. Er wird wiederkommen müssen, der Tod, das weiß er, denn das Mädchen wird heute noch nicht gehen. Und doch ist er da und schaut mich an. Er war auch da, als ich an diese Wand gekettet war. "Was willst du?", frage ich ihn, doch er antwortet nicht.
Die Ketten klirren. Es ist so weit. Ich gehe zu ihr und knie nieder.
Madeleine, beruhigen Sie sich. Haben Sie keine Angst, die Schwäche wird gleich vorüber gehen. Bitte, bleiben Sie wach. Ja, ich werde Ihnen die Ketten gleich abnehmen, doch erst möchte ich Ihnen etwas geben. Ein Geschenk.
Ich öffne den rechten Ärmel meines Hemdes, dann meinen Arm. Und während ich die Worte spreche, wie es die Tradition will - wie ich es will - und das Mädchen keine Wahl hat, schaue ich in die Schatten. Der Tod ist nun ganz nah; einen Augenblick denke ich, er habe mir zugezwinkert. Doch bevor ich mich darüber wundern kann, überrascht es mich erneut.

Dass es noch dunkler werden würde, konnte ich nicht ahnen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Das hier ist das verspätete Copywrite für weltenläufers "Diesseitiges Jenseits".
Ich weiß nicht, ob ich alle Regeln befolgt habe, habs aber versucht.

Die zusätzlichen Referenzen sind Kants Mutmaßlicher Anfang der Menschheitsgeschichte, und das Gepardendestillat stammt aus Gumbrechts Lob des Sports. Darüber hinaus findet man ein paar Parallelen zum Interview mit einem Vampir, denke ich. Das liegt daran, dass das der einzige Vampirfilm (oder -buch) ist, den ich je gesehen habe. Das war somit unvermeidlich.

Edit:
Die Naheliegendste habe ich vergessen: Schuberts Streichquartett Nr.14 in d-Moll "Der Tod und das Mädchen".

PSS

 

"Wir haben keine Wahl."
Mutti​

Dich kenn ich doch - wo hazze dich'n widda rumjetrieben!,

aba schön, ma' widda wat von Dich zu lesen!

Hallo PSS,

der Satz

Als ich zu mir kam, lief Schubert
hat trotz seiner Vollständigkeit den Effekt einer Ellipse, denn wer wird eines Tages mit den google-glasses und seiner augmented reality ein Musikstück hinter einem laufenden Schubert vermuten, wenn der doch nicht mal mehr selber spielen kann?

Das nahm ich ihm jedoch nicht übel, zumindest heute nicht mehr.
Der Gezeitenwechsel lässt mich ein wenig stolpern. Warum nicht etwa derart umgehen
Das nahm ich ihm jedoch [noch nie übel]
?

Huppsa - mir läuft jetzt das Stündchen Internet/Tag davon ...

aber es klingt mir wie eine Parodie auf Frau Kanzler ohne Alternative ...

Ich komm wieder, sagt der

Friedel,

der noch'n schönes Wochenende wünscht!

 

Hallo,

Ich hab eine ziemlich ähnliche Idee grade für eine Geschichte, in der ein Vampir vorkommt, der sich selbst rechtfertigt. Und ich hab eher die Idee gehabt, dass er argumentiert, indem er sagt: Nehmen wir an, ein Gärtner ist dafür zuständig, den Bestand der Rosen zu kontrollieren. Zu dem Zweck schneidet er vor allem Triebe ab. Nehmen wir an, er hat dafür eine Ewigkeit Zeit. Wäre es dann nicht sinnvoll, wenn er sich von den abgeschnittenen Trieben ernähren könnte?
So wie dein Vampir argumentiert, finde ich es sprachlich schwierig, weil dieser Schnitt zu hart ist:

Der Löwe, der die Brut seines Vorgängers kaltblütig tötet. Der Alligator, der sein Opfer schon in Stücke reißt, noch während es elendig ersäuft. Der Unsterbliche, der dem Sterblichen die Luft nimmt, während er ihn zu Tode trinkt.
Ich finde das sprachlich nicht sehr schön, irgendwie auch inkonsequent. Das 1. ist ein Beispiel für Hierachieverhalten innerhalb einer Spezies, das 2. für eine Nahrungskette und das 3. … naja.

Ich war Arzt, müssen Sie wissen. Ich habe den Eid geleistet. Damals. In meinem Lichtleben.
Ich finde das sind so typische Horror-Sätze. „Müssen Sie wissen“ - das mag ich nie. Dann dieses „kurze“ Damals und „In meinem Lichtleben“. Das Nietzsche-Zitat am Anfang. ;)
Fischstäbchen hat da mal vor Jahren das schön parodisiert.

Wir schmücken uns mit diesem Wort, nennen uns "Unsterbliche", aber da war wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens.
Die Stilebene beißt sich hier. Dieses „Der Wunsch Vater des Gedanken“ ist in meinen Ohren eine ziemlich abgeschmackte Phrase, und vorher will der Stil grade in so eine mystische Ebene abheben.

Darüber hinaus findet man ein paar Parallelen zum*Interview mit einem Vampir, denke ich. Das liegt daran, dass das der einzige Vampirfilm (oder -buch) ist, den ich je gesehen habe. Das war somit unvermeidlich.
Jau – also die hab ich auch deutlich erkannt, die waren sogar so dick, dass sie in meinen Augen deinen Text völlig überdeckt haben und ich ständig den Film – das Buch kenn ich nicht – vor Augen hatte. Also … ich denke das war nix hier, ich hab gar nicht viel von dem Text mitbekommen leider, weil es auch so unklar war, für mich, und die Figuren mir dann einfach nur ein Abklatsch der Figuren aus Interview mit einem Vampir schienen.
Ich finde auch dieses sehr kultivierte Sprachen und Denken für eine Kurzgeschichte schwierig, weil es oft unklar ist, was er jetzt eigentlich meint. Und dann hat man halt diese Ideen „Von Ratten leben“, „Doch den Menschen jagen“, „Durst“, „Nicht den Tod trinken“ -die sind alle 1:1 aus dem Interview mit einem Vampir – ich hab das Orginal von weltenläufer damals gelesen, ich hab eben gesehen, ich hab das sehr negativ kommentiert, ich kann mich ehrlich gesagt an den Text von weltenläufer überhaupt nicht mehr erinnern, aber … der Text hier ist, in meinen Augen, echt gar nix. Es ist extrem schwer, eine irgendwie „epische“ Geschichte auf 12.000 Zeichen runterzubrechen, wenn der Leser die Mythologie dahinter und das Epos schon aus einer ganz anderen Vorlage kennt, weil man eigentlich für eine Geschichte, wie sie hier angelegt ist, World-Building betreiben müsste oder zumindest Mythologie-Building oder wie man es nennen will, sonst schreibt man leider Fan Fiction.
Das ist eines der großen Probleme bei Fantasy/Horror und SF-Kurzgeschichten. Man braucht einfach World-Building, wenn man irgendwas komplexes schreiben will, und World-Building dauert sehr lange, sonst ist es oft ein zu großer Info-Dump. Die meisten „großen“ Hits spielen dann in einem eigenen Universum, in dem man das World-Building über viele Seiten verteilen kann.
Gut bei Horror ist es oft anders, weil man da in die Alltagswelt was einbrechen lässt, aber bei dieser Unterart so ein mythologischer Horror – das läuft dann fast eher wie Fantasy ab.

Tut mir leid, dass ich jetzt nichts Nettes zu dem Text sagen konnte, ich freu mich aber – wie der Rest des Forums auch – sehr, dass du wieder da bist und offenbar wieder schreiben möchtest
Quinn

 

„… autonome Kunst ist ein Stück veranstalteter Unsterblichkeit, …“
Adorno​

Ich habe unzählige Nächte darüber nachgedacht, denn ich habe Zeit,
wie scheinbar auch der pure Sternenstaub im All,

lieber PSS,

und in der Tat gilt selbst unterm Regiment des Zeitmanagements: Wer keine Zeit hat, ist schon tot.

Darf denn einer, der dem Aberglauben abgeschworen, nicht einmal Bram Stoker gelesen hat und zudem den Tanz der Vampire für eine angemessene Antwort auf den osteuropäischen Volks(aber)glauben ansieht, zu der Geschichte was sagen?

Klar doch, zu Deiner Einleitung hat Quinn ja recht: es ist auch eine Frage der Hierarchie und Macht-/Herrschaftsverhältnisse (Frau merkels - warum schreib ich die den klein? - Alternativlosigkeit blinzelt ja durch Deinen Text), in dem sich z. B. die Bush-rangers mit ihrer Oil and blood Politik als zwobeinige Zecken darstellen und auch tatsächlich glauben, den Willen Gottes zu erfüllen, denn als Hundehalter gelten mir Zecken statt der Blattnasen als real existierende Vampirchen. Aber irgendwie trifft sich diese Haltung allein schon in dem Satz

Entgegen der allgemeinen Annahme, wir müssten jede Nacht nach Beute Ausschau halten, reicht es, wenn wir es zwei Male im Jahr tun,
was dem Leben der Holzböckin (Herr Holzbock ist hierzulande die Erscheinungsform des Zeckenunwesens) entspricht: Das Fräuchen von Ixodes ricinus (!) lauert seit 15 Grad Celsius im Gras, im Gebüsch und auf Blättern der Bäume und lässt sich bei geringstem Schweißgeruch, eigentlich minimalsten Spuren von Blutsäure auf den Wirt, genauer: aufs Opfer fallen, bohrt sich in die Haut und vermag ein bis nahezu zwei Wochen Blut zu saugen (wenn mans nicht verhindern kann), um sich dann mit dem bis zu 200-fachen des Eigengewichts vollzusaugen und sich dann der Aufzucht der künftigen Generation von Plagegeistern zu widmen. Der niedlich kleinere Herr Holzbock hingegen gibt sich hingegen als Asket und lebt wahrlich enthaltsam!, was in der Politik (siehe "Bush"ranger) etwas anders aussieht - aber Eiserne Ladies sind ja auch nicht ohne …)

Doch halt! Richtet sich nicht das schändliche Tun auch gegen Bücherwürmer?

meine Opfer trugen fast immer Bücher bei sich.
Nunja, ich seh’s halt ironisch und der Tod trägt’s mit Humor (der ist gar nicht so bierernst wie man fürchtet, trinkt nur nix - pflichtgemäß - während der Dienstzeit, wie ich an anderer Stelle belegt habe)
Der Tod ist nun ganz nah; einen Augenblick denke ich, er habe mir zugezwinkert
Bliebe noch kurz darauf hinzuweisen, dass
Etiquette
schon voll eingebürgert ist als „Etikette“.

Und gleich einem Propheten zu Blood & Oil schrieb weiland Yeats

"In tombs of gold and lapis lazuli
Bodies of holy men and women exude
“Miraculous oil, odor of violet.
But under heavy loads of trampled clay
Lie bodies of the vampires full of blood;
Their shrouds are bloody and their lips are wet.”
W. B. Yeats: Oil And Blood​

Gern gelesen vom

Friedel,
selbst wenn der kein ausgewiesener Horrorloge ist

 

he PSS,

da ist es also, das Copy.
orneweg: Keine Sorge, du hast alle Regeln befolgt. Denn im Grunde gibt es eigentlich keine ;)
Für diese Geschichte hast du dich also entschieden, mutig, wenn du mit dem Genre eigentlich nichts am Hut hast ;)
Die Anleihen an "INterview ..." habe ich auch ganz deutlich rausgelesen. Allerdings musste ich aufgrund der "vegetarischen Ader" auch ein bisschen an Twilight denken ;)
Was ich schick fand, war, wie du immer wieder Zitate aus dem Original eingestreut hast. Aber das liest natürlich kaum ein anderer raus, von daher bringt dir das wahrscheinlich wenig Punkte.
Gefallen hat mir auch, dass du meinen Prot quasi deinem wertenden Equivalent gegenübergestellt hast. Der Ausgang bleibt in beiden Stücken der gleiche.
Ich hatte meine Geschichte damals schon in dieser Humor-Form geschrieben, weil ich hoffte, dem Vampir-Gehabe dadurch eine etwas frischere Note zu verpassen. Du begibst dich hier mutig in das klassischere Szenario. In meinen Augen ist das immer etwas schwer, weil das eben schon so oft bedient wurde. Eine neue Note gewinnst du dem jetzt nicht gerade ab (wobei ich nicht sagen will, dass meine Umsetzung wirklich neu war ;) ). Dennoch habe ich deine Geschichte gern gelesen, denn sie hat etwas, das eine jede noch so oft bediente Thematik Glanz verleiht - sie ist sehr gut geschrieben. Ich fand es auch spannend und wollte wissen, in welche Richtung du das ganze treibst, wie sich der Konflikt auflöst.
Da rede ich natürlich als Urheber des "Originals" und bin damit aus einer wertfreien Betrachtung raus. Wie das auf andere wirkt ... Puh, werden wir ja sehen.
In jedem Fall ein Danke, dass du dich noch mal gemeldet hattest. Und danke auch für das Copy, das ist immer wieder sehr spannend, was da von einem selbst genommen und wie damit umgegangen wird. Und zuletzt: Schön, dass du überhaupt wieder unter uns bist :)
Vielleicht die Tage noch mal mehr von mir.

grüßlchst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Friedel,

vielen Dank für deinen – wie immer - vielschichtigen Kommentar. Das mit dem übel nehmen hab ich übernommen, hast Recht, war ganz schön verschnurbelt irgendwie. Die Etiquette allerdings, die behalt ich. Passt doch gut ins frankophone Setting. :Pfeif:
Tanz der Vampire! Wie konnte ich dieses Meisterwerk vergessen! Da hab ich sogar ein Lieblingszitat: „Wollen wir einem Engel erlauben, durchs Zimmer zu gehen?“ :D


Lieber Quinn,

oha.
Also erstmal danke für deinen Kommentar. Ich weiß grad gar nicht, wo ich anfangen soll.
Diese typischen Horrorsätze und Phrasen hab ich zumindest abgewandelt, weil: stimmt. Was du mit dem „Nietzsche-Zitat am Anfang“ meinst, versteh ich aber nicht.

Ja, das Interview mit nem Vampir. Nach deinem Kommentar hab ich mir den Film nochmal angeguckt – und bin geschockt. Es stimmt, da sind mehr Parallelen als Un-Parallelen in meinem Text. Allerdings hab ich keine Ahnung, wie ich die da rauskriegen soll, mir fehlt auch der Wille ehrlich gesagt, denn ich selbst wäre niemals auf die Idee gekommen, eine Vampirgeschichte zu schreiben. :D Allerdings war ich während des Schreibens wirklich der festen Überzeugung, viele eigene Ideen reingebracht zu haben. Ja, und jetzt muss ich feststellen: Nee, gar nicht. Das ist schon niederschmetternd.

Es ist extrem schwer, eine irgendwie „epische“ Geschichte auf 12.000 Zeichen runterzubrechen, wenn der Leser die Mythologie dahinter und das Epos schon aus einer ganz anderen Vorlage kennt, weil man eigentlich für eine Geschichte, wie sie hier angelegt ist, World-Building betreiben müsste oder zumindest Mythologie-Building oder wie man es nennen will, sonst schreibt man leider Fan Fiction.
Schön gesagt; ich hab dem nix hinzuzufügen. :Pfeif:


Lieber weltenläufer,

ich freu mich ehrlich, dass du keinen Kollaps gekriegt hast, als du die Geschichte gelesen hast. :lol:

Die Anleihen an "INterview ..." habe ich auch ganz deutlich rausgelesen.
Sehr diplomatisch. :D

Allerdings musste ich aufgrund der "vegetarischen Ader" auch ein bisschen an Twilight denken
AAAAAH, was? Oh Gott. Ohgottohgott.

Ich habe mir dein Diesseitiges Jenseits ausgesucht, weil sie momentan die einzige deiner Geschichten ist, die mir ganz klar erscheint. Alle anderen fallen mir grad schwer, ich weiß auch nicht, weshalb.
Ich habe einige Ansätze ausprobiert; am Ende las ich alle Kommentare zu deiner Geschichte, und Makita schrieb am Ende, dass man die ganze Sache auch ohne Klamauk, also im ernsten Stil, schreiben könne. Da dachte, ich: Ja, warum nicht?

Also mir fehlt echt die Erfahrung mit Vampirgeschichten, mich zieht es da auch nicht wirklich hin. Dabei fiel mir nach Friedels Kommentar hier auf, dass ich gelogen habe, als ich schrieb, ich würde nur das „Interview“ kennen, denn „Tanz der Vampire“ kenn ich nämlich auch! Haha. Allerdings ist das ja auch klamautig sozusagen, und davon wollte ich ja weg.

Hm. Also das war im Großen und Ganzen dann wohl eher nix, wa?
Macht nüscht, hat mir trotzdem Spaß gemacht, sonst hätt ich sie nicht geschrieben. Und ich fand den Ansatz mit dem Tod, der da durch die Gegend zwinkert und so, ganz spannend. Hab versucht, solche Highlights in diese Geschichte einzubauen, denn ich fand die toll. Und dass wahrscheinlich nur du diese Zitate und Anspielungen bemerken würdest, hatte ich erwartet, aber es war mir ganz wichtig, DEINE Geschichte zu kopieren und zu verwenden. Waren ja auch ein paar klasse Sachen drin. Panikbouquet und so. :D


An euch alle:
Danke nochmal für eure Zeit, und dass ihr nach meiner langen Verzögerung kommentiert habt. :shy: Ich hatte echt bisschen Bammel.
Die anderen Copywrites kommentier ich auch noch, krieg das nur nicht so schnell auf die Reihe grad.

Liebe Grüße,
PSS

 

Hallo PSS

Erstmal vorweg, ich freu mich auch, dass du dich wieder gemeldet hast und deine Geschichte noch eingestellt hast. Willkommen zurück :)!

Ich hab Interview mit einem Vampir auch gesehen, fand den Film aber größtenteils langweilig. Hat mir gar nicht zugesagt, ich bin aber auch kein großer Fan von Vampir-Geschichten. So finster die Nacht ist der einzige Vampir-Roman, der mir wirklich gut gefallen hat, da fand ich auch den Film sehenswert (zumindest den Schwedischen, das US-Remake hab ich noch nicht gesehen).

Jetzt aber zu deiner Geschichte:

Vielleicht hatte die Musik mich auch geweckt, das kann ich nicht mehr genau sagen, meine Erinnerung ist recht diffus.

Streiche das "recht": meine Erinnerung ist diffus. Klingt viel besser, finde ich.

Mein Puls schnellte nach oben; ich riss die Augen weit auf und starrte an das schemenhaft erkennbare Mauerwerk,

Hm, da kommt schon zum 2. Mal "schemenhaft" innerhalb kurzer Zeit. Das ist ein Wort, das ins Auge fällt (mir zumindest), mit sowas würde ich ganz sparsam umgehen.

Tief, rauh und jung.

rau

Ich finde das gut geschrieben und mag auch den Stil; das Problem für mich an der Geschichte ist, dass nicht klar wird, wo eigentlich der Fokus liegt.

Es gibt da den Konflikt zwischen den beiden Vampiren, der letzten Endes ja auch darin gipfelt, dass der gewissenhafte Erzähler den gewissenlosen Mentor tötet. Ich finde, das könnte man ausbauen, oder anders formuliert: Ich hab den Konflikt jetzt nicht als so schlimm / belastend für den Erzähler empfunden, dass er zwangsläufig zu einem Mord führen muss. Vielleicht liegt es auch an dem kultivierten und distanziert wirkenden Erzählton. Auch wenn ich es gut geschrieben finde, ich vermisse da das Feuer, mal einen Ausbruch von Emotionen, der dann auch den Mord in glaubhafterem Licht erscheinen lässt.

Dann gibt es den personalisierten Tod. Ich finde, der passt nicht in die Geschichte, das geht in die Richtung was Quinn anmerkte, dass es mehr Zeit für ein solches Setting braucht. Ich hab das auch so empfunden, in einer Welt voller Vampire wirkt der Tod als Person auf mich wie ein Fremdkörper, zumindest in der Form, wie du ihn hier präsentierst. Zumal mir dann auch seine Einführung nicht gefällt:

In jener Oktobernacht, da sah ich ihn das erste Mal. Er war da, am Rande. Erst dachte ich, es wären nur Schatten, die das Kerzenlicht in die Ecken warf. Doch dann sah ich ihn. Bereit. Wartend. Nein, abwartend. Der Tod hat es nie eilig. Er weiß, dass seine Zeit kommen wird. Also wartet er einfach ab. Manchmal geht er wieder, da es noch nicht an seiner Zeit ist. Aber er kommt wieder. Irgendwann kommt er wieder. Auch zu mir wird er wohl noch einmal kommen. Endgültig.

Das ist mir vom Stil her zu schleppend, ich finde diese kurzen, sich wiederholenden Sätze, dieses Stakkato-Mäßige hier anstrengend.

Interessant ist dann dein Ansatz, diese beiden "Stränge" zu verknüpfen. Irgendwie bringt der Erzähler den Tod dazu, seinen Mentor mitzunehmen:

Er wurde zu meinem Komplizen.
Larasse ahnte nichts. Es ging so schnell, dass ihm noch nicht einmal Zeit blieb, ein Kunstwerk zu beginnen. Der Tod tat still sein Werk.

Ich muss aber zugeben, so richtig verstanden habe ich nicht, was hier passiert ist.

Mir blieb nicht viel Zeit; die junge Sophie musste noch warm sein, sonst würde Larasse mein Spiel durchschauen und nicht von der Toten trinken.

Was ist denn jetzt genau der Plan? Larasse soll denken, die lebt noch, und dann vom Tod überrascht werden? Irgendwie was in der Art, oder hab ichs komplett missverstanden?

Hier versuchst du, dem Tod irgendeine echte Daseinsberechtigung in der Geschichte zu geben, indem du ihn verwendest, um den Erzähler von seinem Mentor zu befreien - ja, kann man sicher machen, aber es tun sich halt viele Fragen auf. Es scheint da irgendein besonderes Verhältnis zwischen dem Tod und dem Erzähler zu geben, aber für mich ist das nicht greifbar. Am Ende schnappt sich der Tod ja dann auch den Erzähler selbst - warum nicht schon früher? Klar, der Tod holt sich wen er will und wann er will - aber hier wirkt es halt schon ein wenig konstruiert.

Also vielleicht da nochmal tiefer eintauchen, oder wie gesagt den Konflikt zwischen dem Erzähler und Larasse ausbauen - ich glaube, das wäre besser für die Geschichte als bspw. dieser Abschnitt über Geparden. Da wollte sich mir der Bezug zur Geschichte auch nicht erschließen - also das meine ich, wenn ich sage, wo liegt der Fokus? Es ist ja eher ein knapper Text, dafür werden viele Themen angerissen - vermutlich auch so ein Beispiel, wo du als Autor viel mehr siehst, als dann bei mir als Leser ankommt.

Sonst, wie gesagt, vom Stil her, vom Atmosphärischen finde ich das gar nicht schlecht. Auch den letzten Absatz mit dem Streichquartett, dem Gewölbe - das hat schon was.

Insgesamt konnte mich die Geschichte auch nicht überzeugen. Zu viele Fragen hab ich mir während des Lesens gestellt, die nicht befriedigend beantwortet wurden - da schwirren mir zu viele lose Enden durch den Text. Ich hab das Gefühl, auf ein großes Bild zu schauen, aber alles unscharf zu sehen, vieles lässt sich nur erahnen - wenn du nur einen kleinen Ausschnitt dieses Bildes nimmst, diesen aber fokussiert darstellst, dann lässt sich glaube ich auch mit einer solchen Idee und mit diesem Erzählton eine sehr ansprechende Kurzgeschichte schreiben.

Grüsse,
Schwups

 

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