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Die Umarmung

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04.09.2013
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Die Umarmung

Unentschlossen lehnte sie an der Küchentür, die schon ziemlich abgenutzten Trekkingschuhe in der Hand.
"Jetzt geh schon", sagte ihr Mann.
"Aber ich kann euch doch nicht alleine lassen, ihr seid krank."
"Wir sind erkältet und nicht schwerkrank. Ich mach das schon, keine Sorge. Dir würde die frische Luft wieder mal gut tun."
"Aber..."
"Kein Aber." Ihr Mann stand nun vor ihr und strich ihr liebevoll über die Wange. "Und wenn du jetzt endlich deinen Hintern zur Tür hinausschwingen würdest, dann wärst du auch wieder pünktlich zurück, um uns ein leckeres Mittagessen zu zaubern." Sanft schubste er sie zur Tür hinaus, bevor er einen Hustenanfall über sich ergehen lassen musste. "Ich sag es dir, du schaffst es noch, dich anzustecken, wenn du weiterhin so stur bleibst."
Sie musste schmunzeln.
"Na gut, dann bin ich mal weg."
Noch bevor er sich abwenden konnte, drückte sie ihm einen Kuss auf den Mund.
"Tschüss, Kinder!", rief sie ihren beiden in den Fernseher starrenden Söhnen zu, während sie sich die Schuhe
zuband. Ein gemurmeltes Tschüss war die einzige Reaktion. Wie es schien, kam ihre Familie wirklich zwei Stunden ohne sie zurecht. Ein dreistimmiger Hustenchor ließ sie schnell das Weite suchen.

Tief atmete sie die laue Luft an diesem wolkenverhangenen Oktobervormittag ein. Der Tag sollte eigentlich mit einer kleinen Familienwanderung starten. Alle hatten sich darauf gefreut, gemeinsam etwas zu unternehmen, es war eine willkommene Abwechslung zum Alltag.
Ihre Motivation war nun durch die fehlende Begleitung etwas gedämpft, sie war nicht gerne alleine unterwegs, aber sobald sie die ersten Schritte hinter sich gebracht hatte und die wunderschöne, unberührte Natur bewusst wahrnahm, wurde ihr wieder klar, warum es sich hier jederzeit lohnte, die Zeit im Freien zu genießen. Die freie Natur hatte es ihr schon immer angetan und war ihr auf eine seltsame Art und Weise vertraut.

Ihre Wanderroute führte sie zuerst einen breiteren Weg entlang, der ausschließlich für Holztransporte bestimmt war, dieser mündete aber bald in einen selten begangenen Waldsteig, der steil den Berg hinauf führte.
Nach einer halben Stunde Gehzeit sah sie von weitem jemanden entgegenkommen. Es war die erste Person, die ihr heute begegnen würde und trotzdem war sie verwundert, hier überhaupt wen anzutreffen. Den Kopf zu Boden gesenkt, um über keine Steine oder Wurzeln zu stolpern, die den Waldweg säumten, setzte sie ihren Weg fort und hob kurz darauf wieder den Kopf, um nachzusehen, wie weit entfernt sie von der Person noch war. Ihr Blick streifte das Gesicht des Gegenübers, nun nah genug, um zu erkennen, dass es ein Mann war. Ein Mann, der ihr sehr bekannt vorkam.
Ohne es zu wollen, zogen Bilder an ihr vorbei. Lust, Leidenschaft, heftiges Verlangen, zwei gierige Körper die sich aneinander festhalten wie zwei Ertrinkende. Nein, das konnte nicht er sein. Sie musste sich geirrt haben. Den Kopf wieder starr zu Boden gerichtet, ging sie weiter, ihr Puls schnellte in die Höhe, aber sie wusste, es war nicht der Anstrengung wegen. Ihr Gegenüber war nun schon unmittelbar vor ihr, sie konnte es hören und nahm es kurz darauf aus dem Augenwinkel wahr. Es war unvermeidbar, sie würde nun den Kopf heben müssen. Sie würde gleich Gewissheit haben, sich hoffentlich wirklich geirrt zu haben und vor ihr einen unbekannten Mann erblicken. Sie hob den Kopf und schlagartig stockte ihr der Atem.
In Sekundenbruchteilen zog eine Episode ihres Lebens an ihrem inneren Auge vorbei. So muss es sein, kurz bevor man stirbt. Aber sie starb ja gerade nicht, oder doch? Ihr Herzschlag schien sich dessen nicht so sicher zu sein, denn unruhig und heftig spürte sie ihn in ihrer Brust. Vor ihr stand er. ER. Tom. Ihre Affäre von damals. Eine Affäre, die, wie der Name schon sagt, nicht hätte sein dürfen. Eine Affäre, die innerhalb von Minuten wie aus dem Nichts entstanden war, nur weil sie sich zuvor etwas länger als erlaubt in die Augen geblickt hatten. Eine Affäre, deren Intensität sie nie mehr danach in ihrem Leben erfahren sollte.

Die Erinnerungen der Vergangenheit hatten sie eingeholt. Sie war wieder jung. Anfang 20, ungebunden und immer unterwegs. Eine kalte Winternacht. Mit Freunden in ihrem Stammlokal.
Sie standen plaudernd an der Bartheke, als sie gegenüber einen Mann entdeckte, der ihr hier zuvor noch nie aufgefallen war. Dunkles Haar und ein lautes, männliches Lachen, als er sich über das Gesagte seines Gegenübers amüsierte, waren das Erste, das ihr auffiel. Als ob er ihren Blick gespürt hätte, sah er sie auf einmal an. Dunkle, ausdrucksstarke Augen musterten sie und ließen ihr sogar auf die Entfernung einen Schauer über den Rücken jagen. Anfangs wandte sie den Blick noch ab. Bald aber fand sie Gefallen an dem Spiel, das er mit ihr spielte. Er starrte sie so offensichtlich unverhohlen an, dass sie glaubte, es müsse schon das ganze Lokal darauf aufmerksam geworden sein. Sie starrte zurück, fand es reizvoll, welches Kribbeln dieses alleinige Anstarren in ihrem Körper hervorrief.
"Was schaut denn dieser alte Sack so aufdringlich herüber?", hörte sie ihre Freundin sagen.
Sie grinste. Er musste sicher 15 oder 20 Jahre älter sein. Wahrscheinlich verheiratet. Eigentlich hätte sie das abschrecken sollen, aber sie hielt ihn weiterhin mit ihrem Blick fest.
"Jetzt kommt der auch noch rüber. Ich bin dann mal weg." Ihre Freundin stöhnte auf und wandte sich schnell ab.

Plötzlich stand er vor ihr.
"Hallo." Er lächelte sie an. Von ganz nah schienen seine Augen sie regelrecht durchdringen zu wollen.
"Hallo!"
"Tom." Er streckte ihr die Hand entgegen.
"Anna", sagte sie, während sie ihm die warme Hand schüttelte.
Die wenige Distanz, die zwischen ihnen noch bestanden hatte, schien mit diesem Händeschütteln endgültig gebrochen. Die nächsten Stunden unterhielt sie sich so gut, wie schon lange nicht mehr. Über lokale Politik. Arbeit. Leute, die sie beide kannten. Über seine Frau. Das Wetter. Seine 4 Kinder. Das aktuelle Kinoprogramm. Über banale Themen, die vermutlich nur deshalb so interessant waren, weil sie mit ihm darüber sprach. Mit ihm, der so unübersehbar mit ihr flirtete.

Irgendwann wurden die Pausen zwischen ihren Gesprächen länger. Nicht, weil ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen war, sondern weil sich etwas an der Stimmung geändert hatte. Das Gespräch war nicht mehr ungezwungen. Es hatte eine Form angenommen, in der auf einmal jeder Satz mit Bedacht gewählt wurde, als würde ein falsches Wort plötzlich etwas kaputt machen, das noch gar nicht zu benennen war. Das Kribbeln, welches sie zuvor bei seinem Anblick noch verspürt hatte, war mittlerweile zu einem eigenartigen Verlangen angewachsen, das sie selber nicht in Worte fassen konnte. Warum übte ausgerechnet dieser Mann so eine Faszination auf sie aus? War es, weil sich dieser viel reifere Mann, der sie mit seinen Blicken regelrecht auszuziehen schien, für sie interessierte und sie sich dabei groß und stark fühlte? War es der Reiz des Verbotenen? Oder lag es nur am Alkohol? Vielleicht war es ein Zusammenspiel von allem, sie wusste es nicht. Aber sie hatte ihren Entschluss gefasst. Sie wollte mehr.
"Bitte sieh mich nicht so an, das macht mich verrückt", flehte er plötzlich in eine Stille hinein, die in der musikgeschwängerten Bar nur für sie beide existiert hatte. Er, der doch damit angefangen hatte. Innerlich triumphierte sie.
"Ich schaue ganz normal", erwiderte sie, wohlwissend, dass dem ganz und gar nicht so war. Ihr Blick sprach in dem Moment mehr als tausend Worte. Es lag das pure Verlangen darin. Das Verlangen nach diesem Mann, einem verheirateten und eigentlich für sie viel zu alten Familienvater.
Die Sekunden verstrichen langsam, ihre Augen ruhten auf den seinen, sie forderte ihn heraus, provozierte ihn regelrecht. Wartete auf seine nächsten Worte.
"Ich will heute zumindest noch eine Umarmung von dir", sagte er schließlich.
Noch war es nicht zu spät, noch war ein Rückzieher erlaubt. Aber ihre Entscheidung war längst gefallen. Und seine auch. Dieses kleine, in jeder anderen Situation so belanglose Wort hatte alles gesagt: zumindest.
"Du weißt genau, dass es nicht dabei bleiben wird", hörte sie sich sagen.

Der Weg dauerte zehn Minuten. Zehn Minuten, in denen so gut wie nichts gesprochen wurde. Nur, wohin sie gehen sollten. Danach hörten sie nur noch den kalten Schnee unter ihren immer schneller werdenden Schritten knirschen. Im schwachen Schein der Straßenlaternen sahen sie ihrem Atem zu, der kleine Nebelschwaden in der kalten Luft hinterließ. Die Hände hatten beide tief in die Taschen gesteckt, jede Berührung vermeidend, obwohl dieses zwanghafte Nichtberühren sie fast um den Verstand brachte. Noch war die Gefahr zu groß, gesehen zu werden.
Bald gab es keine künstliche Beleuchtung mehr, die weiß reflektierende Schneedecke war die einzige Lichtquelle, die ihnen den Weg wies. Hinter einem unbewohnten Haus machten sie Halt. Sie standen sich gegenüber, zögerten kurz, als würden sie nun plötzlich auf etwas warten, obwohl doch alles schon abgesprochen war.
"Komm", sagte er und sie ließ sich endlich in seine Arme fallen. Sie verharrten in dieser Umarmung, fest aneinandergepresst. Sie spürte seine Lippen an ihrem Hals, am Ohr, an der Stirn und schließlich auf dem Mund. Gierig erwiderte sie seinen Kuss. Ewig schien dieser anzudauern, bevor die Triebe endgültig siegten und sie sich hastig des Nötigsten entledigten. Der eiskalte Schnee, den sie wenig später an ihrem nackten Unterkörper spürte, ließ sie in dieser Nacht nicht frieren.

Am Anfang war es für sie nur ein Spiel. Wenn sie in der Bar, wo alles begonnen hatte, auf ihn traf - und das tat sie für einen verheirateten Mann oft - dann fanden sie immer einen Weg, ihrer Leidenschaft freien Lauf zu lassen. Sie genoss dieses Machtspiel. Es gab ihrem Selbstbewusstsein einen gewaltigen Auftrieb, wenn sie es jedes Mal wieder schaffte, diesen Mann alleine nur mit ihren Blicken zu verführen. Und es war ihr andererseits egal, wenn sie dann wieder tagelang nichts von ihm hörte. Sie war nicht abhängig, sondern fühlte sich einfach nur so frei wie noch nie.

Nachdem sie sich schon einige Monate trafen, die Plätze im Schnee hatte die Natur mittlerweile in saftige, weiche Wiesen verwandelt, stand er eines Abends wieder an der Bar. Sie ging auf ihn zu, mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht und er brachte ihr nur ein gequältes Lächeln entgegen.
"Was ist...?" Noch bevor sie die Frage zu Ende gestellt hatte, brach es aus ihm hervor:
"Du musst das beenden. Sei wenigstens du so intelligent und hau ab. Geh einfach. Ich kann es nicht." Er holte tief Luft. "Bitte!", flehte er.
"Und warum sollte ich das tun?"
"Sieh mich an", sagte er leise, sodass es in der lauten Bar kaum zu hören war.
Sein Gesicht spiegelte die pure Verzweiflung wider. Die Schuldgefühle seiner Familie gegenüber waren ihm daraus deutlich abzulesen. Sie glaubte, sogar feuchte Augen zu erkennen. Sofort wandte sie ihr Gesicht ab. Sie hasste es, wenn er so schwach war. Er war doch ihr starker Liebhaber, der wusste was er wollte und sich einfach nahm, was er brauchte. Dessen Fingernägel Spuren auf ihrem Rücken hinterließen, während er sie ein geiles Luder nannte. Wie konnte er da, verdammt nochmal, so schwach sein? Er durfte schwach werden, aber doch nicht schwach sein.
In dieser Nacht verließ sie wütend das Lokal. Alleine.

Die Wochen verstrichen. Sie hörte kein Lebenszeichen von ihm und von sich aus hatte sie sich ohnehin noch nie bei ihm gemeldet. Sie brauchte ihn eigentlich gar nicht. Er war nur ein netter Zeitvertreib. Eine Anlaufstelle, wo sie ihre Urtriebe ausleben konnte. Ihr Leben wäre ohne ihn nicht anders, sie trafen sich ja doch nur heimlich. Er war ersetzbar. Redete sie sich ein. Die Erleichterung, die sich ihr aufdrängte, als er sich nach langer Zeit doch wieder meldete, wollte sie nicht wahrhaben. Auch nicht die Anspannung, die sich in ihr aufgebaut hatte, als er wieder vor ihr stand und sie erst nach Minuten des Wartens mit einem "Komm" davon erlöste, das sie in seine Arme stürzen ließ.
Es war wieder so wie vorher. Sie genoss die wenige Zeit, die sie zusammen verbrachten. Die Augenblicke, in denen sie sich wieder groß und stark fühlte. Er rief sie mittlerweile fast täglich an. Wenn sie nichts von ihm hörte, war es ihr egal. Dass ihr Herz jedes Mal höher schlug, wenn sein Name auf dem Display erschien, schrieb sie dem Adrenalin zu, das dem Reiz des Verbotenen entsprang. Eines Tages meinte er am Ende eines Gespräches, er müsse ihr etwas sagen, beim nächsten Treffen. Bei diesen Worten breitete sich ein ungutes Gefühl in ihr aus.
Als sie in seinem Auto übereinander herfielen, dachte sie im ersten Moment nicht mehr daran.
"Du wolltest mir noch etwas sagen", fiel ihr ein, als sie sich danach ihre Kleidung, so weit es auf der engen Rückbank möglich war, überstreifte. Versuchte, so locker wie möglich zu klingen. Er schwieg.
"Ist es etwas Schlechtes?", drängte sie nach. Er sah sie sekundenlang an, bevor er antwortete.
"Sagen wir es so: Es würde die Sache nicht einfacher machen."
Ihr Herz schlug plötzlich bis zum Hals. Nein, nicht dieser Satz. Es war ihr noch nie bewusst geworden, aber sie wollte diese Worte, die jetzt kommen würden, von ihm nicht hören. Als ob es etwas ändern könnte, wenn sie ungesagt blieben, erwiderte sie schnell:
"Dann will ich es lieber nicht hören." Er sagte nichts mehr. Sie tat, als hätte sie den Schmerz in seinen Augen nicht gesehen und verließ das Auto.

Seine unausgesprochenen Worte hämmerten in ihrem Kopf, ließen sie wach liegen. Immer und immer wieder: "Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe..." Sie mochte es zwar nie bestätigt bekommen, aber sie war sich sicher, dass es das war, was er ihr sagen wollte. Es war doch so klar. Die täglichen Anrufe, die Risiken, die er ihretwegen eingegangen war. Das alles hatte nichts mehr mit Sex zu tun. Warum hatte sie das nicht früher gesehen? Aber wie konnte er, ein Mann, der doch um so vieles reifer und lebenserfahrener war als sie, sich in so etwas verrennen? Er wusste doch gar nicht, wie sie wirklich war. Wie sie lebte und dachte. Was sie in ihrem Leben noch alles vor hatte. Wie konnte er da an Liebe denken?

Er meldete sich nicht mehr. Sie traf ihn auch nicht mehr Samstagabend in ihrem Lokal. Ihr Lokal, so hatten sie es mittlerweile schon bezeichnet. Es war, als wäre er zum selben Schluss gekommen wie sie.
Hatte sie vorher immer geglaubt, sie würde ohne ihn auskommen, so ertappte sie sich jetzt häufig dabei, wie sie an ihn dachte. Griff manchmal zum Telefon, strich mit dem Finger über seinen Namen und drückte schlussendlich auf die Anruftaste, nur um dann gleich wieder aufzulegen. Was sollte sie ihm sagen? Sie wusste ja selber nicht, was in ihr vorging. Es hatte doch keinen Sinn. Für sie, die noch ihr ganzes Leben vor ihr hatte, gab es sicher eine andere Bestimmung, als auf ewig ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann zu haben.

Einmal noch sah sie Tom in ihrem Lokal. Sie war mit ihrem Freund unterwegs. Hatte es geschafft, eine Lebensbestimmung zu finden und sich dieser zu fügen. Sie stand an der Bar, genau dort, wo Tom sie damals mit seinen Augen in den Bann gezogen hatte.
Er entdeckte sie zuerst. Musste den vertrauten Umgang zwischen ihr und ihrem Gegenüber bemerkt haben, denn als sie ihn sah, war er gerade dabei, hastig sein Getränk zu leeren und nach draußen zu verschwinden, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

Jahre später tauchte Tom wieder in ihren Gedanken auf. Nicht beherrschend, aber in Situationen, in denen er eigentlich nicht dort sein sollte. Während eines Streits mit ihrem Mann dachte sie an die Blödeleien mit Tom, die aber niemals in Boshaftigkeit ausgeartet waren. Wenn die Kinder an ihren Nerven zehrten, dachte sie an seine ruhige und in den richtigen Momenten doch wieder stürmische Art, die sie aber nie zur Verzweiflung gebracht hatte. Beim Sex schloss sie die Augen und stellte sich vor, es wäre Tom, der sie gerade nahm. Manchmal musste sie sich auf die Lippen beißen, um nicht seinen Namen zu schreien. Er war weit weg und doch irgendwie da.

Nun, nach so langer Zeit, stand er tatsächlich vor ihr. Alleine. Hektisch war ihr Blick zuvor schon umhergewandert, auf der Suche nach seiner Begleitung. Es existierte keine. Der Moment war gekommen, nach mehr als zehn Jahren würde sie ihm wieder in die Augen sehen. Würde erfahren, ob es darin noch immer das zu sehen gab, was sie damals verrückt werden ließ. Sie wusste es, als sich warmes Verlangen in ihr ausbreitete. Nichts hatte sich geändert.
Erwartend blickte er sie an und sagte: "Komm." Nur dieses Wort. Wie damals.
Es war ihr, als hätten sie sich gestern erst getroffen. Sie haderte kurz, doch tief in ihrem Inneren wusste sie es schon. Sie wollte sie. Nur diese eine Umarmung. Es wäre kein Fremdgehen, kein Kuss, kein Erforschen des anderes Körpers, kein Sex. Nur eine Umarmung. Nicht mehr. Sie zögerte dennoch kurz, bevor sie sich schlussendlich in seine Arme fallen ließ. Sie spürte die Wärme seines Körpers und drückte sich so fest es ging an seine Brust. Ihre Hände ruhten auf seinen Schulterblättern, übten Druck aus, um dieser Umarmung nicht gleich wieder zu entgleiten. Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Kopf, durch ihre Haare hindurch. Sein Herz schlug kräftig und schnell an ihrer Brust. Oder war es ihr eigenes, das sie so intensiv spürte? Niemand von beiden sagte auch nur ein Wort. Sie hielten sich einfach fest. Minutenlang. Er vergrub seine Nase in ihrem Haar, wodurch sie seinen Atem noch intensiver spürte. Er wagte es nicht, ihren Kopf mit seinen Lippen zu berühren. Das waren die unausgesprochenen Regeln zwischen ihnen. Ihre Härchen am gesamten Körper richteten sich auf und eine unglaubliche Wärme machte sich in ihr breit. Sie konnte es nicht mehr leugnen, sie wollte mehr. Sie dachte an den wilden, ungestümen und lauten Sex von damals, an ihr scheinbar unstillbares Verlangen nacheinander, welches sich nun wieder nach oben drängte.
Und doch hatte sie das Gefühl, dass diese Umarmung mehr in ihr auslöste, als es jede andere Berührung der Welt je getan hätte. Sie wünschte sich, diese Umarmung würde nie mehr enden.

Als sie sich gefühlte Stunden später schließlich aus der Umarmung lösten und sich tief in die Augen blickten, konnten darin beide dasselbe ablesen. Entweder sie müssten sofort aufhören und getrennte Wege gehen, oder sie würden sich vergessen und dem Verlangen nachgeben. Erneut, nach so langer Zeit. Es war nur noch ein kleiner Schritt, eine kleine Geste, ein kurzes geflüstertes oder auch nur von den Lippen ablesbares Wort hätte gereicht und sie könnten die vergangenen zehn Jahre aus ihrem Gedächtnis verbannen und dort weitermachen, wo sie damals aufgehört hatten. Zwanzig Schritte in den Wald hinein und niemand würde sie sehen, es würde nur noch sie beide geben. Wie früher. Sie standen sich gegenüber und blickten sich noch immer wie gebannt an. Mit den Händen hielten sie sich an den Armen des anderen fest. Langsam, ganz langsam streiften ihre Hände an den Armen entlang nach vorne. Die Berührung hinterließ ein Kribbeln auf ihrer Haut. Schließlich hielten sie sich nur noch an den Händen. Wärme durchflutete sie. Langsam löste sich die eine Hand und so hielten sie sich nur noch an der anderen. An einer Hand, die durch eine klitzekleine Bewegung den anderen mit sich ziehen hätte können.
Seine Finger streiften nun die Innenseite ihrer Handfläche. Ihre taten dasselbe, bis sie schließlich beide an den Fingerspitzen angelangt waren. Ein letztes Gefühl von unendlichem Verlangen durchströmte sie, bevor ihre Hand keinen Widerstand mehr spürte und das Gefühl der Wärme und des Prickelns auf ihren Fingerspitzen verflog. Kurz noch standen sie sich gegenüber, blickten sich an, bis sie ihren Blick senkte, sich wortlos abwandte und ihren Weg bergwärts fortsetzte.

Es war ein Abschied. Ein Abschied, der zuvor nie stattgefunden hatte, den damals niemand wollte, in Erwartung dessen, was noch alles kommen könnte. Nun war die Zeit gekommen. Diese Umarmung war der Abschied. Der Abschied für immer.

Kurze Zeit später kam sie auf ihrem Rückweg zu der Stelle zurück, wo sie sich umarmt hatten. Nichts deutete mehr auf die Begegnung hin, nur das feuchte Gras war an einer Stelle niedergetreten. Sie hockte sich hin und ließ ein Stück Natur in Form des braun verfärbten Grases durch ihre Finger gleiten. Wusste endlich, warum sie sich der Natur so verbunden fühlte.
Und da gestand sie sich endlich ein, dass sie ihn auf eine eigene Art und Weise schon all die Jahre liebte. Seit sie das erste Mal in seine dunklen Augen geblickt hatte. Sie liebte ihn nicht so, wie sie ihren Mann liebte. Den sie lieben gelernt hatte, weil er ihr und den gemeinsamen Kindern Sicherheit und Geborgenheit bieten konnte. Weil er einfach immer für sie da sein konnte. Weil das alle für normal und gut hielten.
Ihre Liebe zu Tom war anders. Nicht offensichtlich. Nur heimlich, in Gedanken. Sie hatte ihn endgültig abgewiesen, weil das so bleiben sollte. Aus dem einfachen Grund, weil die schönen Momente, die kurzen Erlebnisse höchsten Glücks das für immer bleiben würden, wenn sie in ihren Gedanken konserviert waren. Weil diese kostbaren Momente dort nie dem Alltag ausgesetzt wären, der all das hätte zerstören können.

 
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Hallo, liebe Rehla,
schön, dass du hier auf der Seite gelandet bist, ja hoffentlich bist du noch da, musstest ja etwaswarten bis zu deinem ersten Kommentar.

Ich hab mich an die Rubrik Romantik gewagt, obwohl das normalerweise nicht so mein Ding ist, weil ich die Anmerkungen in deinem Profil so nett fand:

Ich möchte erfahren, ob meine Lust am Schreiben lieber gleich im Keim erstickt werden sollte, um die Menschheit vor Schlimmerem zu bewahren
:D
Nein, ich erstick hier gar nichts im Keim, denn die Lust am Schreiben ist die Hauptsache und wenn du die hast, dann ist eine riesige Voraussetzung erfüllt. Außerdem kannst du schon mal mit Sprache als Handwerkszeug umgehen, denn du machst erfreulicherweise nur wenige Fehler in formaler Hinsicht (Rechtschreibung, Kommasetzung und so). Und das andere, also ein guter, spannender Plot, ein interessanter Stil, da kann man eine Menge lernen und lernt eh nie aus und wenn man sich darauf einlässt und sich Zeit dafür nimmt, dann ist die Frage, ob man als Hobbyautor anderen auch etwas geben kann, nur noch eine Frage dessen, ob man den eigenen Ansprüchen genügt.
Kritisiert, beschimpft, kränkt oder lobt mich, nur daraus kann ich lernen
:D
Beschimpft und gekränkt wird hier nicht. Aber kritisiert und zum Glück auch manchmal gelobt, dass die Schwarte kracht. Es ist halt wichtig, sich immer wieder klar zu machen, dass der Kritiker die Geschichte meint und nicht den Autoren.

Deine Geschichte ist eigentlich nur eine einzige Szene. Ich weiß nicht, wie lange du schon schreibst, aber gerade wenn man am Anfang ist, ist es wichtig, sich nicht allzuviel vorzunehmen, von daher, warum nicht nur eine einzige Szene zu wählen.
Find ich gut, und kann man ja auch was draus machen aus dem Thema.
Eine verheiratete Frau trifft auf einem Spaziergang ihren ehemaligen Liebhaber und nach einigem gefühlsmäßigem Hin und Her verabschiedet sie sich von ihm für immer.
Das alles symbolisiert in der Umarmung, die normalerweise der Auftakt zu einer deftigen Sexszene war, hier aber zum Ende der Beziehung wird. Find ich auch schön, sich so ein bestimmtes Moment (wie die Umarmung) herauszusuchen, das dann innerhalb der Geschichte verändert wird.
Du hast auch einen Spannungsverlauf in der Geschichte drin, die Frau hadert ja mit sich, ob sie sich auf den Ex einlassen soll, und entscheidet sich dann. Also viel schon mal richtig aus meiner Sicht.
Aber so richtig funktionieren tut die Geschichte für mich trotzdem noch nicht. Und das liegt an den Charakterisiertungen. Da müsste viel mehr rein an Gründen und Motiven, warum sie sich so entscheidet, oder warum ausgerechnet dieser Mann sie sofort, wenn sie ihn sieht, schwach werden lässt. Wenn das alles auf einer eher oberflächlichen Ebene bleibt und du uns als Leser nicht mitnimmst in ihre Gefühlswelt, dann fragt man sich, warum die Frau eigentlich so einen Aufstand macht.
Ich hab mir z. B. zwischendrin gedacht, Frau, jetzt geh doch endlich und hab ein Schäferstündchen mit dem Kerl, was hält dich denn bloß davon ab?
Du beteiligst uns Leser nicht an den Gründen, warum eine Affäre für sie so unmöglich ist. Wenn du da gar nichts benennst, dann bleibt für den Leser nichts als das platte moralische Gebot, dass man halt nicht ehebrechen soll. Naja. Reißt mich jetzt nicht vom Hocker.
Wenn du stattdessen zeigst (z. B. am Anfang der Geschichte, bevor sie losgeht) an dem Umgang, den sie mit ihren Kindern hat, mit ihrem Mann, dass sie da voll eingebunden ist in der Familie, die sie total brauchen, sie in diesem Verhältnis aufgeht, was auch immer du dir da einfallen lässt, dann kann man ihre Entscheidung vielleicht leichter nachvollziehen. So bleibt das halt eine ganz abstrakte, fleischlose Entscheidung gegen die schnelle, kleine, nette Affäre.
Das gleiche mit dem Mann, was hat der denn, dass sie so unmittelbar auf ihn abfährt, das muss ja George Clooney mit Bauchmuskeln sein, dass sie sich so unmittelbar für ihn hinlegen möchte.
Weißt du, das ist für eine normale Leserin wie mich schwer nachvollziehbar, dass so ein schwitzender Wanderer einfach nur "Komm" sagen muss und schon ist alles zu spät. Da wird es dann auch unfreiwillig komisch. Du beschreibst da auch nur wieder abstrakte Gefühle, aber nichts wirklich Fleischernes, Handfestes, was er in ihr auslöst. Das kann ja der hammergute Sex sein oder er ist für sie Freiheit pur gegen ihre Familie oder wie du es ja auch antippst, der Reiz des Verbotenen, was weiß ich, aber so knapp und unausgeführt jedenfalls ist ihr Begehren für mich nicht nachvollziehbar.

Ich finde insgesamt, dass du mehr Mut haben solltest, hier in die Tiefe zu gehen und auszuloten, warum ausgerechnet dieser Mann für sie so eine Versuchung ist und warum sie sich trotzdem von dieser Versuchung verabschieden muss.
Das Noch-Mutlose korrespondiert dann mit deiner Sprache, mit der du dann die Gefühlswelt dieser Frau beschreibst. Das bleibt mir auch zu gängig, zu blass, oft auch zu brav. Müsste viel individueller werden.
Denk nur mal an diese Stelle:

Es fing immer mit dieser Umarmung an und steigerte sich zum Äußersten.
Sei mir bitte nicht bös, wenn ich das platt sage, aber so hat meine Oma über Sex geredet: Kind, ist es etwa bis zum Äußersten gekommen? Und schon da fand das jeder zum Totlachen.
Das kannst du nicht im Ernst schreiben. Du willst doch die Versuchung dieser Umarmung zeigen, das Hemmungslose, Magische, das da entstehen kann. Und dann "bis zum Äußersten"?

Ich glaube, macnhmal ist es gut, man denkt sich wirklich eine Frau in einer bestimmten Lebenssituation mit Vorlieben, einem beruflichen Hintergrund, einer Weltanschauung aus, ihren Träumen und ihrem Verlangen. Man lässt dann zwar 9/10tel davon (oder noch mehr) in der Geschichte von diesen Hintergründen weg, aber man lässt eine Fantasiefigur aus Fleisch und Blut agieren, eine ganz einzigartige Person, die der Leser dann auch spüren kann. Die dann beim Wandern von mir aus einen Buff mit einem Totenkopf drauf trägt, weil sie von mir aus ein bisschen mit der Gefahr liebäugelt (ja ok, velleicht schlechtes Beispiel, aber trotzdem), die Frau jedenfalls deiner Geshichte kann ich nicht riechen und spüren, aber das wär das Ziel.

Was den Stil betrifft, nur ein paar Beispiele, um meine Anmerkungen zu vedeutlichen.

Es war ein wolkenverhangener, grauer Oktobervormittag. Die Temperaturen waren dennoch recht angenehm und es sah auch nicht nach Regen aus. Ihre Kinder waren beide etwas kränklich und auch ihr Mann klagte über eine beginnende Erkältung. Eigentlich hatten sie geplant, einen kleinen Wanderausflug zu unternehmen, aber so wie es aussah wurde wohl nichts daraus. Dennoch zog es sie an die frische Luft und nach Absprache mit ihrer Familie beschloss sie, einfach alleine eine etwas kürzere Wanderung zu unternehmen. Ihre Motivation war zwar durch die fehlende Begleitung etwas gedämpft, aber sobald sie die ersten Schritte vor die Tür setzte, die laue Luft tief einatmete und die wunderschöne, unberührte Natur bewusst wahrnahm, war ihr wieder klar, warum es sich hier jederzeit lohnte, die Zeit im Freien zu genießen.

1)Du fängst mit einer Wetterbeschreibung an. Und naja, so fangen halt viele an. Wenn du das machst, dann beschreib das viel, viel plastischer, das muss sofort ansprechend wirken und den Leser in deine story reinziehen.Und du schreibst zwar sehr gewählt und flüssig, aber manchmal auch viel zu fornell und insgesamt wirkt es eher zusammenfassend und die Grundvoraussetzungen deiner Geschichte absteckend. Aber nicht wie eine kleine Verlockung, auch wirklich in deine Geschichte einzusteigen. Ich find das auch immer sehr schwer. Aber das ist trotzdem das Ziel.

2)grauer: Das ist eine inhaltliche Wiederholung, denn wenn der Himmel voller Wolken ist, dann ist er sowieso grau. Redundante Formulierungen bremsen die Geschichte. Muss man aufpassen, dass man sowas nur dann macht, wenn man das wirklich will.

3) und nach Absprache mit ihrer Familie: Das ist sehr formell. Wie wenn du einen Unfallbericht schreiben würdest. Dann zeig doch lieber, wie sie mit denen redet, würde uns die Frau auch näher bringen. Oder wenn du das nicht magst, dann formuliere lieber um oder lass es ganz weg.

4) beschloss sie, einfach alleine eine etwas kürzere Wanderung zu unternehmen.
Wieder sehr formell. Die Tätigkeit, um die es dir geht, ist wandern. Mit dem "beschloss sie" baust du noch einmal einen Filter ein, bis sie dann endlich loswandert.
"Wanderung zu unternehmen" das ist der Nominalstil, wie er in Behördendeutsch vorkommt.
Eine ganz wichtige Sache beim Schreiben, die habe ich auch erst hier bewusst gelernt, das sind die Verben. Ausdrucksstarke Vollverben.
Auf solche Sachen würde ich an deiner Stelle deinen Text noch mal durchgehen.
Und: Auf jeden Fall sollte die gesamte Exposition deiner Geschichte mehr Zug kriegen, es ist alles gut formuliert, aber solche Formal-Formulierungen sind es, die die Handlung abbremsen und denLeser aus dem Boot hauen.

5) Ihre Motivation war zwar durch die fehlende Begleitung etwas gedämpft.
Was denkt sie denn? Ist sie sauer? Geknickt?
Versteh mich nicht falsch, du formulierst gut, aber es ist mir halt oft zu allgemein, zu formell.

Am Ende dieses Abschnittes hätte ich mir eine ganz ganz kleine Prise Landschaft gewünscht. Auch wenn das nicht unbedingt zu der Szene als Muss dazugehört. Aber man merkt, dass es eine schöne Landschaft sein muss, da fänd ich es klasse und auch wieder viel indvidueller, ich erfahr, was sie da sieht oder wo sie langgehen will.

Bis hierhin mal.
Naja, ich hoffe, ich hab dir nicht zuviel kritisiert. Gemeint ist es jedenfalls als Tipp von Autorin zu Autorin. Ich wünsch dir noch viel Spaß hier. Und viel Erfolg beim Schreiben.

Viele Grüße
Novak

 
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Hallo rehla,

auch ein herzliches Willkommen von mir.

Novak hat dir schon sehr viel von dem, was ich auch beim Lesen dachte, mitgeteilt. Ich möchte noch anfügen, dass der Text so "vorhersehbar" und deswegen zäh für mich als Leser wirkt. z.B dieser Absatz:

Nach einer halben Stunde Gehzeit sah sie von weitem eine Person, die ihr entgegenkam Es war die erste Person, die ihr heute begegnen würde und trotzdem war sie verwundert, hier überhaupt jemanden anzutreffen. Den Kopf zu Boden gesenkt, um über keine Steine oder Wurzeln zu stolpern, die hier den schmalen Waldweg säumten, setzte sie ihren Weg fort und hob kurz darauf wieder den Kopf, um nachzusehen, wie weit entfernt sie von der Person noch war. Ihr Blick streifte das Gesicht des Gegenübers, nun nah genug um zu erkennen, dass es ein Mann war. Ein Mann, der ihr sehr bekannt vorkam. Nein, das konnte nicht sein. Sie musste sich geirrt haben. Den Kopf wieder starr zu Boden gesenkt ging sie weiter, ihr Puls schnellte in die Höhe, aber nicht der Anstrengung wegen. Der Mann war nun schon unmittelbar vor ihr, sie konnte es hören und nahm es kurz darauf aus dem Augenwinkel wahr. Es war unvermeidbar, sie würde nun den Kopf heben müssen. Sie würde gleich Gewissheit haben, sich hoffentlich wirklich geirrt zu haben und vor ihr eine unbekannte Person erblicken. Sie hob den Kopf und schlagartig stockte ihr der Atem.

Schon beim einführenden Satz (kursiv) wird mir klar, dass dieser Mensch eine tragende Rolle spielen wird. Danach wird mir zuviel auf den Boden geschaut und auf Steinchen und Wurzeln geachtet und noch mal näher und noch mal: Ist er es?
Auch wird das Wort Person zu oft verwendet.

Spätestens nach diesem Satz:
I

hr Blick streifte das Gesicht des Gegenübers, nun nah genug um zu erkennen, dass es ein Mann war. (Ein Mann, der ihr sehr bekannt vorkam.)
muss sein Name kommen, also von mir aus: Peter! Mein Gott, kann das sein? Dann sollte die Erzählung auch an Fahrt gewinnen, nervöser, hektischer werden. Und direkt um Peter gehen. Das wäre der Moment, in dem du gradewegs ohne Umschweife von ihm erzählen kannst, so wie es der Protagonistin auch einfallen würde: Seine Grübchen, strahlende Augen, warmes Lächeln, tiefe Stimme, was weiß ich. Irgendwelche Schlaglichter der Affäre. Das ungute Gefühl, wenn sie mit ihm zusammen war, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, die seeligen Momente. Das muss den Leser mit reinziehen, der muss erfahren, wieso ihr Herz so klopft.


Brennend interessieren würde mich auch, wieso denn nie in Betracht gezogen worden ist, dass sie sich von ihrem Mann trennt, wenn der Wanderer doch so eine Anziehungskraft auf sie hat. Dieses Abwägen von beiden Männern fände ich einen spannenden Aspekt in der Geschichte.

Grundsätzlich wird mir im zweiten Teil zu wenig gesprochen. Das "Komm" alleine kann es ja nicht gewesen sein. Diese fehlenden Dialoge lässt mich als Leser dann außen vor, ich sehe einen Stummfilm.

Aber wie Novak schon schrieb, hast du das Handwerkszeug schon im Griff, nun geht es daran, etwas daraus zu machen.

Viel Spaß bei uns,
bernadette

 
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Hallo Novak und bernadette,

recht herzlichen Dank für die nette Aufnahme im Forum und für eure Bemühungen im Hinblick auf so einige Verbesserungsmöglichkeiten.
Ganz ehrlich? Ich war total nervös, als mein Text für einige Zeit nicht kommentiert wurde. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie wichtig es mir war, hier eine Kritik zu erhalten, egal, wie diese ausfallen würde. Gar kein Kommentar hätte mich mehr gekränkt. Und so kann ich nun sagen, dass ich mit dieser Kritik sehr, sehr gut leben kann. Es scheint also nicht Hopfen und Malz verloren zu sein.

Ich werde mich auf jeden Fall noch daran machen, die Geschichte umzuschreiben und zu verbessern. Es ist mein erster Text, mit dem ich mich ernsthaft beschäftige, das heißt, man kann mich wohl als Neuling bezeichnen.

Während meiner Wartezeit auf ein Kommentar sind mir auch durchaus selber schon ein paar Dinge bewusst geworden:

1)Du fängst mit einer Wetterbeschreibung an. Und naja, so fangen halt viele an. Wenn du das machst, dann beschreib das viel, viel plastischer, das muss sofort ansprechend wirken und den Leser in deine story reinziehen.Und du schreibst zwar sehr gewählt und flüssig, aber manchmal auch viel zu fornell und insgesamt wirkt es eher zusammenfassend und die Grundvoraussetzungen deiner Geschichte absteckend. Aber nicht wie eine kleine Verlockung, auch wirklich in deine Geschichte einzusteigen. Ich find das auch immer sehr schwer. Aber das ist trotzdem das Ziel.

Ich finde den Einstieg mit der Wetterbeschreibung mittlerweile sehr schrecklich.

3) und nach Absprache mit ihrer Familie: Das ist sehr formell. Wie wenn du einen Unfallbericht schreiben würdest. Dann zeig doch lieber, wie sie mit denen redet, würde uns die Frau auch näher bringen. Oder wenn du das nicht magst, dann formuliere lieber um oder lass es ganz weg.

4) beschloss sie, einfach alleine eine etwas kürzere Wanderung zu unternehmen.
Wieder sehr formell. Die Tätigkeit, um die es dir geht, ist wandern. Mit dem "beschloss sie" baust du noch einmal einen Filter ein, bis sie dann endlich loswandert.
"Wanderung zu unternehmen" das ist der Nominalstil, wie er in Behördendeutsch vorkommt.
Eine ganz wichtige Sache beim Schreiben, die habe ich auch erst hier bewusst gelernt, das sind die Verben. Ausdrucksstarke Vollverben.
Auf solche Sachen würde ich an deiner Stelle deinen Text noch mal durchgehen.
Und: Auf jeden Fall sollte die gesamte Exposition deiner Geschichte mehr Zug kriegen, es ist alles gut formuliert, aber solche Formal-Formulierungen sind es, die die Handlung abbremsen und denLeser aus dem Boot hauen.


Dieses Formelle muss ich mir abgewöhnen, nur wie? Weiß nicht, warum ich das habe.

Am Ende dieses Abschnittes hätte ich mir eine ganz ganz kleine Prise Landschaft gewünscht. Auch wenn das nicht unbedingt zu der Szene als Muss dazugehört. Aber man merkt, dass es eine schöne Landschaft sein muss, da fänd ich es klasse und auch wieder viel indvidueller, ich erfahr, was sie da sieht oder wo sie langgehen will.

Ich würde generell besser beschreiben können, aber das widerspricht sich eben mit dem Formellen, das ich habe. Na ja, Übung soll ja bekanntlich den Meister machen.

Zitat:
Es fing immer mit dieser Umarmung an und steigerte sich zum Äußersten.
Sei mir bitte nicht bös, wenn ich das platt sage, aber so hat meine Oma über Sex geredet: Kind, ist es etwa bis zum Äußersten gekommen? Und schon da fand das jeder zum Totlachen.
Das kannst du nicht im Ernst schreiben. Du willst doch die Versuchung dieser Umarmung zeigen, das Hemmungslose, Magische, das da entstehen kann. Und dann "bis zum Äußersten"?

Du hast so recht! Ich habe mich nun selber totgelacht darüber. :D Ebenso über die Bauchmuskeln von George Clooney.

Spätestens nach diesem Satz:
I
Zitat:
hr Blick streifte das Gesicht des Gegenübers, nun nah genug um zu erkennen, dass es ein Mann war. (Ein Mann, der ihr sehr bekannt vorkam.)
muss sein Name kommen, also von mir aus: Peter! Mein Gott, kann das sein? Dann sollte die Erzählung auch an Fahrt gewinnen, nervöser, hektischer werden. Und direkt um Peter gehen. Das wäre der Moment, in dem du gradewegs ohne Umschweife von ihm erzählen kannst, so wie es der Protagonistin auch einfallen würde: Seine Grübchen, strahlende Augen, warmes Lächeln, tiefe Stimme, was weiß ich. Irgendwelche Schlaglichter der Affäre. Das ungute Gefühl, wenn sie mit ihm zusammen war, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, die seeligen Momente. Das muss den Leser mit reinziehen, der muss erfahren, wieso ihr Herz so klopft.

Das wäre grundsätzlich anzudenken.

Grundsätzlich wird mir im zweiten Teil zu wenig gesprochen. Das "Komm" alleine kann es ja nicht gewesen sein. Diese fehlenden Dialoge lässt mich als Leser dann außen vor, ich sehe einen Stummfilm.

Ich bin mir unsicher, ob ich bei der Begegnung im Hier und Jetzt meine Figuren dann wirklich mehr sprechen lassen soll. Auf jeden Fall werde ich aber versuchen, zumindest Dialoge aus der Vergangenheit einzubinden.

Sobald es die Zeit erlaubt werde ich mich an eine Überarbeitung machen.

Vielen Dank nochmal an euch beide!

rehla

 

Servus relha,

je nach Sichtweise ist es schwierig bzw. einfach, zu einer Geschichte etwas zu sagen, die schon sowohl von Novak als auch von bernadette kommentiert wurde. Zu Novaks empathischen und trotzdem unbestechlichen, ungemein lehrreichen Analysen und bernadettes nüchternen, pragmatischen Betrachtungen, kann ein Zuspätkommender eigentlich kaum noch etwas hinzufügen. Im Grunde genügte es, zu allem, was die beiden anmerken, einfach mit dem Kopf zu nicken und zu sagen: “Also besser hätte selbst ich es nicht auszudrücken vermocht.“
Jetzt fragst du dich wahrscheinlich, warum ich trotzdem noch Stellung nehme zu deinem Text, obwohl doch schon alles gesagt ist. (Nur halt noch nicht von allen. © Karl Valentin)
Na ja, weil mir die Grundidee deiner Geschichte gefällt und ich dich das einfach wissen lassen will. Ich empfinde das einfach als ein sehr interessantes Thema, diese Jahre überdauernde, beinahe obsessive Liebe, die vermutlich nur deshalb so verlockend und reizvoll erscheint, weil sie sich nie im wirklichen Leben, im Alltag bewähren musste, also, abgesehen von seltenen Momenten erfüllten Glücks, eigentlich überwiegend Illusion und Wunschdenken ist.
Und jetzt beziehe ich mich ganz nonchalant auf meine beiden Vorkommentatorinnen, genau wie diese empfinde nämlich auch ich, dass du aus dieser an sich spannenden Figurenkonstellation einfach zu wenig herausholst. Das geht mir alles zu glatt, zu konfliktlos, zu sprachlos über die Bühne. Da ist wirklich noch mehr drin, glaub ich und sprachlich bist du ohnehin schon sehr gewandt und souverän.
Ja, das ist wohl der wahre Grund für meinen kleinen Kommentar: dich zu motivieren, dich zu ermuntern, mit deinem Schreiben weiter zu machen, einfach weil ich das Gefühl habe, dass noch interessante Geschichten in dir schlummern und ich die lesen will. (Und es obendrein immer wieder eine Wohltat ist, einen Text zu lesen, in dem man nicht in jeder zweiten Zeile aufgrund elendiger Rechtschreibung auf die Fresse fliegt.)

Gruß, offshore

 

Hallo offshore,

vielen Dank für deinen Beitrag. Deine Worte ermuntern mich ungemein und es freut mich, dass du mich das wissen hast lassen, obwohl du das Gefühl hattest, es sei schon alles gesagt.

Und jetzt beziehe ich mich ganz nonchalant auf meine beiden Vorkommentatorinnen, genau wie diese empfinde nämlich auch ich, dass du aus dieser an sich spannenden Figurenkonstellation einfach zu wenig herausholst. Das geht mir alles zu glatt, zu konfliktlos, zu sprachlos über die Bühne. Da ist wirklich noch mehr drin, glaub ich

Eure Kritik dahingehend habe ich mir bereits zu Herzen genommen und bin gerade fest beim Werken. Ich hoffe, ihr lest dann auch die Neuversion.

rehla

 

Hallo zusammen!

Ich habe meine Geschichte jetzt überarbeitet und versucht, eurer Kritik weitgehend gerecht zu werden. Novak hat es ja für gut befunden, dass ich mich für den Anfang nur einer Szene gewidmet habe. Nun ist wohl etwas mehr daraus geworden, und ich hoffe, damit habe ich mir nicht selber ins Knie geschossen.

Grüße,
rehla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rehla,

Vorab: mir hat deine Geschichte wirklich gefallen. Ich treibe mich selten hier in der Romantik-Ecke herum. Besonders von Neulingen bekommt man hier immer so Shades-Of-Grey-Kopien serviert. Damit hast du mich zum Glück verschont.

Bevor ich es jetzt ganz vergesse: Herzlich willkommen hier im Forum!:)
Ja, Offshore hat ja schon erwähnt, dass es den Kritiken der Vorredner wenig hinzuzufügen gibt. Du arbeitest sehr sauber, was Rechtschreibung und Grammatik anbelangt. Dafür schon mal ein großes Lob.
Nun ich kenne den Vorgänger nicht, aber mir scheint es, dass der Ausbau der Geschichte nicht geschadet hat. Im Gegenteil. Du hast dir also nicht ins eigene Knie geschossen. Das ist jetzt so eine Geschichte auf zwei Ebenen. Und die wirkliche Tragik spielt sich für mich eh im neuen Teil, also in der Vergangenheit ab. Was als harmlose Affäre beginnt entwickelt sich zu etwas Größerem.

Er wusste doch gar nicht, wie sie wirklich war. Wie sie lebte und dachte. Was sie in ihrem Leben noch alles vor hatte. Wie konnte er da an Liebe denken?
Aber braucht er das wirklich zu wissen? Liebe entsteht oft aus dem Affekt heraus. Mann, das haut einen doch um. Da ist man glücklich verheiratet, hat Kinder und plötzlich steht da dieses junge Ding an der Bar und lächelt einem zu. Vielleicht ist es naiv, dumm, überstürzt ... oder eben einfach Liebe. Ich kauf dir das auf jeden Fall ab.

Ein paar Stellen, an denen ich hängen blieb:

schmalen Waldsteig, der steil den Berg hinauf führte, und den nur wenige Menschen nutzten.
Das Fette würde ich vielleicht eher zum Adjektiv umformen oder ganz weglassen. Sonst wirkt der Satz so aufgebläht.
... schmalen, unberührten, menschenleeren - oder was dir eben einfällt


Sie würde gleich Gewissheit haben, sich hoffentlich wirklich geirrt zu haben und vor ihr einen unbekannten Mann erblicken.
Der Satz liest sich einfach holprig mit diesen zwei "habens". Da fällt dir sicher was ein.

Ihre Affäre von damals. Eine Affäre, die, wie der Name schon sagt, nicht hätte sein dürfen. Eine Affäre, die innerhalb von Minuten wie aus dem Nichts entstanden war, nur weil sie sich zuvor etwas länger als erlaubt in die Augen geblickt hatten. Eine Affäre, deren Intensität sie nie mehr danach in ihrem Leben erfahren sollte.
Gut, die Anapher funktioniert an dieser Stelle eigentlich ganz gut für mich. Ist immer ein Risiko so etwas zu verwenden, weil Wortwiederholungen eher ein stilistisches No-Go bedeutet. Was mich allerdings stört ist der letzte Satz. An dieser Stelle erlaubst du dir eine Prognose für die Zukunft. So rutscht man finde ich etwas aus der Perspektive der Protagonistin heraus. Würde ich streichen.

"Was schaut denn dieser alte Sack so aufdringlich herüber?", hörte sie ihre Freundin sagen.
Ich mag die etwas verspielte Sprache, die sich sehr gut in die Geschichte einfügt. Aber manchmal solltest du vielleicht auch mal direkter vorgehen.
Ein (, sagte ihre Freundin) ist völlig ausreichend. Möchtest du der Freundin nicht noch gleich einen Namen geben?

Nun zur letzten Szene. Für mich ist da auch etwas zu wenig Dialog. Nur dieses gehauchte Komm. Du hast mir zwar den Beginn der Affäre offenbart und ich erfahre, dass dieses Komm eine Art Schlüsselwort zwischen den beiden ist. Trotzdem reicht mir das hier nicht. Der Schluss ist wohl die einzige Stelle, die ich dir nicht so ganz abkaufe.

Ansonsten habe ich das wirklich gern gelesen. Eine Liebe, die nicht sein dürfte, und doch eine Ewigkeit zu überdauern scheint.

Weiterhin viel Spaß beim Schreiben, Lesen, Kommentieren ;)

Hacke

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus rehla,

... rief sie ihren beiden, [kein Komma] in den Fernseher starrenden Söhnen zu,

Dieses elende Fehlerchenanmerken! Schön langsam kommt's mir vor, als hätte KG.de aus mir einen Zwangsneurotiker gemacht …
Nun gut, für heute will ich es bei diesem Komma belassen.

Hacke schrieb:
schmalen Waldsteig, der steil den Berg hinauf führte, und den nur wenige Menschen nutzten.

Das Fette würde ich vielleicht eher zum Adjektiv umformen oder ganz weglassen. Sonst wirkt der Satz so aufgebläht.

Hacke hat es in seinem Kommentar ja schon bemängelt und ich möchte es wiederholen: Du tendierst offenbar dazu, deine Sätze unnötig zu verkomplizieren, dieser Satz hier ist ein gutes Beispiel:

Ihre Wanderroute führte sie zuerst einen breiteren Weg entlang, der ausschließlich für Holztransporte bestimmt war, dieser mündete aber bald in einen schmalen Waldsteig, der steil den Berg hinauf führte, und den nur wenige Menschen nutzten.

Hier hast du vier nachgestellte, rückbezügliche Nebensätze (keine Ahnung, ob ich hier die richtigen grammatikalischen Fachtemini benutze …), die obendrein überfrachtet sind mit unnötigen bzw. redundanten Informationen (was z. B. bedeutet ein breiterer Weg, wenn ich keine Vergleichsgröße habe, auf die sich das Adjektiv bezieht? Und schmal zu sein ist eine einem Steig immanente Eigenschaft)
Ihre Wanderroute führte sie zuerst einen Forstweg entlang und dann über einen selten begangenen Steig steil den Berg hinan. Das z.B. wäre eine reduzierte Variante, die nicht viel weniger als dein Satzungetüm aussagt.
Noch ein Beispiel:

Sanft schubste er sie zur Tür hinaus, bevor er einen Hustenanfall über sich ergehen lassen musste.

… bevor ihn ein Hustenanfall übermannte/schüttelte ... oder so ähnlich.

Es war die erste Person, die ihr heute begegnen würde

Hier stört mich der Konjunktiv, vor allem in dieser Formulierung mit würde. Die Person ist ja schon im Begriff, ihr zu begegnen, die Begegnung steht also außer Frage. Du könntest dich elegant aus der Affäre ziehen, indem du die ihr heute begegnete schriebest. Dann hättest du einerseits deinen Konjunktiv, die Leser allerdings könnten es genauso gut als Präteritum verstehen.

… und trotzdem war sie verwundert, hier überhaupt wen anzutreffen.

Trotzdem? Das passt mir irgendwie nicht recht. Wenn man die Satzglieder sinngemäß umstellt, klingt es nämlich so: Sie war verwundert, wen anzutreffen, obwohl er die erste Person war, die ihr heute begegnete. Versteh ich nicht recht.

Überhaupt scheint mir deine Geschichte sprachlich diesmal nicht so souverän wie in der Erstfassung, sie ist weitaus adjektivlastiger und irgendwie zu ausufernd vom Satzbau her. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich beim Lesen der Erstfassung viel am Stil zu beanstanden fand. Und meine Anmerkungen oben beziehen sich nur auf die ersten paar Absätze.

Eine Affäre, deren Intensität sie nie mehr danach in ihrem Leben erfahren sollte.

Hacke schlägt dir vor, diesen Satz zu streichen, ich möchte ihm in diesem Fall widersprechen. Danach bezieht sich nämlich für mein Gefühl auf den Zeitraum zwischen der Affäre und dem momentanen Zeitpunkt der Handlung, ist also keine Prognose für die Zukunft, sondern eher ein Resümee des bisherigen Lebens der Erzählerin. Also ich empfand das nicht als ein Verlassen der Erzählperspektive.

Ich hab deine Geschichte ja schon in der ursprünglichen Version gelesen, das ist beinahe vier Wochen her, und natürlich erinnere ich mich nicht mehr an alle Details der Erstfassung. Allerdings erinnere ich mich noch an das Gefühl, das die Geschichte damals in mir hinterlassen hat. Das war irgendwie ein gänzlich anderes als heute. Und jetzt begebe ich mich wahrscheinlich auf argumentativ einigermaßen dünnes Eis, weil ich diesmal etwas beanstande, das ich letztes Mal einforderte. Ich weiß gar nicht recht, ob ich dir das jetzt halbwegs verständlich vermitteln kann, egal, ich versuch’s einfach: der ursprüngliche Text beließ viel in Andeutungen, den wahren Grund für die obsessive Beziehung zwischen der Frau und dem Mann musste ich mir als Leser sozusagen selbst ausdenken, das ließ die ganze Geschichte ein bisschen mysteriös auf mich wirken und sie hatte dadurch einen eigenartigen Zauber. Natürlich wollte ich mehr über die Hintergründe wissen, das war wohl auch der Grund dafür, dass ich in meinem ersten Kommentar schrieb, aus der Geschichte wäre weit mehr herauszuholen. Und das hast du jetzt ja auch gemacht. Für mein Gefühl aber bist du, äh, ich sag das jetzt mal auf die Gefahr hin, dass du mich für wankelmütig hältst, beinahe zu sehr ins Detail gegangen. Die Vorgeschichte ist mir einfach zu, ja, irgendwie zu banal fast. Eine junge Frau und ein verheirateter Mann halt, und durch die Umstände ist die Beziehung zum Scheitern verurteilt. Ich weiß nicht, was ich mir vorgestellt habe, irgendwas Geheimnisvolleres, was unbeschreiblich Einzigartiges wahrscheinlich, eine Art Wunder. Na ja, und dann war’s halt nur eine Affäre.
Und zu dieser Vorgeschichte passt mir das Ende, das mir ziemlich unverändert erscheint, nicht recht zu passen. Was hatten die denn für eine eigenartige, fragwürdige (?) Beziehung, frage ich mich, wenn die jetzt einfach so vollkommen wortlos auseinandergehen? Für immer, offenbar. Also sehr lebensecht erscheint mir das nicht.

Nicht, dass ich dich zu einer dritten Version drängen will, rehla, du hast ja schon mehr als genug Arbeit reingesteckt, aber vielleicht überlegst du dir, den Text noch einmal auf sprachliche Unsauberkeiten hin durchzusehen, ihn eine wenig zu verdichten und ihn bei der Gelegenheit auch ein bisschen zu entadjektivieren.

In der Hoffnung, dich nicht zu nerven.

offshore

PS
Apropos wankelmütig: Sollte ich diesmal Sätze und Formulierungen beanstandet haben, die du unverändert aus der Erstfassung übernommen hast, war ich beim erstenmal Lesen offenbar unkonzentrierter oder wohlwollender. Darfst es dir aussuchen.

 

Hallo Hacke, hallo ernst,

vielen Dank für das (ernst: nochmalige) Durchlesen meiner Geschichte, die ja nun doch etwas länger geworden ist. Tja, was soll ich sagen. Unterschiedlicher könnten eure Meinungen dazu wohl fast nicht sein. Aber alles andere wäre auch langweilig.

@Hacke

Es freut mich zu hören, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Mir war selber bewusst, dass sich einige Stellen etwas holprig anhören mögen. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, man müsse etwas gut umschreiben, damit es auch schön zu lesen ist, aber da ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Kurz und prägnant. Muss ich noch lernen. Ich werde den Text dahingehend noch einmal verbessern.

Zitat:
"Was schaut denn dieser alte Sack so aufdringlich herüber?", hörte sie ihre Freundin sagen.

Ich mag die etwas verspielte Sprache, die sich sehr gut in die Geschichte einfügt. Aber manchmal solltest du vielleicht auch mal direkter vorgehen.
Ein (, sagte ihre Freundin) ist völlig ausreichend. Möchtest du der Freundin nicht noch gleich einen Namen geben?


Hier habe ich dieses "hörte sie ihre Freundin sagen" verwendet, weil ich zum Ausdruck bringen wollte, dass sie eigentlich mit den Gedanken ganz woanders - bei ihm - ist und nicht aktiv hinhört.

Nun zur letzten Szene. Für mich ist da auch etwas zu wenig Dialog. Nur dieses gehauchte Komm. Du hast mir zwar den Beginn der Affäre offenbart und ich erfahre, dass dieses Komm eine Art Schlüsselwort zwischen den beiden ist. Trotzdem reicht mir das hier nicht. Der Schluss ist wohl die einzige Stelle, die ich dir nicht so ganz abkaufe.

Ja, der Schluss. Ich weiß nicht warum ich mich weigere, dort einen Dialog einzubauen, aber ich finde einfach, dass es hier nichts zu sagen gibt. Warum sie davonläuft, beschreibe ich ja am Schluss. Und dass er noch nie einer war, der alles hinterfragt hat, sollte eigentlich im Text klar werden. Aber das konnte ich vielleicht zu wenig rüberbringen.

Jedenfalls noch einmal vielen Dank. Ich habe gesehen, dass du dich vorwiegend in der Rubrik Horror herumtreibst und werde mir demnächst sicher auch einen deiner Texte zu Gemüte führen. Wenn ich nervenstark genug bin. ;)

@ernst

Nun zu dir. Traurig und am Boden zerstört bin ich. Du, der mir gesagt hat, ich solle mehr Details in den Text bringen, der mich ermuntert hat weiterzuschreiben, genau du sagst mir jetzt, ich soll mich mit meiner Neuversion brausen gehen? Ach was, Spaß beiseite und ganz im Ernst (Wie oft hast du den schon gehört?): Ich danke dir, dass du dir nochmal die Mühe gemacht hast, meine Geschichte zu lesen und diese wieder ausführlich zu kommentieren. Jetzt will ich es aber wissen. Und gleich vorweg:

PS
Apropos wankelmütig: Sollte ich diesmal Sätze und Formulierungen beanstandet haben, die du unverändert aus der Erstfassung übernommen hast, war ich beim erstenmal Lesen offenbar unkonzentrierter oder wohlwollender. Darfst es dir aussuchen.

Äh, ja. Dann muss ich wirklich sagen, du warst beim ersten Mal wohlwollender. Die meisten der Passagen, die dich dieses Mal nicht ansprechen, sind fast wortgenau übernommen worden.

Dieses elende Fehlerchenanmerken! Schön langsam kommt's mir vor, als hätte KG.de aus mir einen Zwangsneurotiker gemacht …
Nun gut, für heute will ich es bei diesem Komma belassen.

Ich bitte darum! Die Rechtschreibung beherrsche ich zwar ganz gut, aber mit den Kommas da fuchst es mich schon ganz schön. Darf man das hier überhaupt laut sagen, dass ich die fast ausschließlich nach Gefühl mache? Gibt es für so etwas Nachhilfeunterricht?

Für mein Gefühl aber bist du, äh, ich sag das jetzt mal auf die Gefahr hin, dass du mich für wankelmütig hältst, beinahe zu sehr ins Detail gegangen. Die Vorgeschichte ist mir einfach zu, ja, irgendwie zu banal fast. Eine junge Frau und ein verheirateter Mann halt, und durch die Umstände ist die Beziehung zum Scheitern verurteilt. Ich weiß nicht, was ich mir vorgestellt habe, irgendwas Geheimnisvolleres, was unbeschreiblich Einzigartiges wahrscheinlich, eine Art Wunder. Na ja, und dann war’s halt nur eine Affäre.

Kannst du mir vielleicht eine Idee geben, welche Art Wunder dir da in den Sinn gekommen wäre? Ich muss ja sagen, dass ich mit der ersten Version auch schon diese Geschichte im Hinterkopf hatte, nur habe ich damals eben einen Bruchteil davon preisgegeben. Generell tu ich mir mit Wundern und Zaubern noch etwas schwer, für mich muss es immer etwas Handfestes sein, es muss eine Erklärung für alles geben.

Ich weiß, da liegt noch viel Arbeit vor mir.

In der Hoffnung, dich nicht zu nerven.

Nein, ganz und gar nicht. Mach bitte weiter so.

Grüße,
rehla

 
Zuletzt bearbeitet:

Noch mal ich, rehla,
weil du mir ja ein paar explizite Fragen gestellt hast.

Kannst du mir vielleicht eine Idee geben, welche Art Wunder dir da in den Sinn gekommen wäre?

Na ja, wenn ich das könnte, wäre ich wohl Schriftsteller.

rehla schrieb:
Generell tu ich mir mit Wundern und Zaubern noch etwas schwer, für mich muss es immer etwas Handfestes sein, es muss eine Erklärung für alles geben.

Ich weiß schon, in meinem letzten Kommentar forderte ich „irgendwas Geheimnisvolleres, was unbeschreiblich Einzigartiges, eine Art Wunder“ ein, aber eben nicht unbedingt eine Erklärung dazu. Wie soll man denn auch den Umstand, dass zwei Menschen von der Liebe wie vom Blitz aus heiterem Himmel getroffen werden, rational erklären, so man kein Neurologe oder Evolutionsbiologe ist. Jede Liebesbeziehung ist doch in Wahrheit eine Art einzigartiges Wunder.

rehla schrieb:
Du, der mir gesagt hat, ich solle mehr Details in den Text bringen, der mich ermuntert hat weiterzuschreiben,

Da hast du mich ein wenig missverstanden, glaub ich, weil eigentlich sagte ich nur das:
"… empfinde nämlich auch ich, dass du aus dieser an sich spannenden Figurenkonstellation einfach zu wenig herausholst. Das geht mir alles zu glatt, zu konfliktlos, zu sprachlos über die Bühne. Da ist wirklich noch mehr drin …"
Ach rehla, ich weiß doch selbst nicht so recht, was ich da von dir eigentlich verlange, das eine war mir zu wenig, das andere zu viel. Tatsache ist, das ich die Erstversion auf eine gewisse Art zauberhafter, irgendwie magischer empfand, da schien mir auch noch mehr Gewicht auf der Rahmenhandlung zu liegen, dieser einsamen Wanderung der Frau durch ihre geliebte Natur.

Und noch was zu deiner Antwort an Hacke:

rehla schrieb:
Irgendwie habe ich immer das Gefühl, man müsse etwas gut umschreiben, damit es auch schön zu lesen ist, aber da ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Kurz und prägnant. Muss ich noch lernen. Ich werde den Text dahingehend noch einmal verbessern.

und zu dem was du in deiner Antwort an mich schreibst:

rehla schrieb:
Äh, ja. Dann muss ich wirklich sagen, du warst beim ersten Mal wohlwollender. Die meisten der Passagen, die dich dieses Mal nicht ansprechen, sind fast wortgenau übernommen worden.

Ich habe den überarbeiteten Text wahrscheinlich nicht weniger wohlwollend, sondern vielmehr eingehender gelesen, scheint mir. Und da fallen einem halt einfach mehr stilistische Unzulänglichkeiten auf. Wobei stilistische Unzulänglichkeiten natürlich sehr relativ ist, weil es im Grunde ja nur um persönlichen Geschmack geht. Den einen wahren, einer Kurzgeschichte angemessenen Stil gibt es einfach nicht, auch wenn noch so viele oberschlaue Bücher das Gegenteil behaupten.
Kurz und prägnant, das klingt ja schön und gut und sehr plausibel, aber das ist ja kein in Stein gemeißeltes Dogma. Weit wichtiger ist mir, beim Lesen das Gefühl zu haben, der Autor hat sich um seine eigene, persönliche Sprache bemüht. Und mit bemühen darum meine ich, dass ich spüren will, wie er offenbar jedes Wort auf die Waagschale gelegt hat, jeden Satz drehte und wendete, als wäre er der allerletzte, den er schreiben darf.
Ich weiß schon, mit diesem hohen Anspruch wird man kaum jemals eine Geschichte fertig bekommen, aber zumindest versuchen darf man es.
Ich will dir noch ein paar (willkürliche) Beispiele zeigen, die meinem persönlichen Geschmack etwas zuwiderlaufen, vielleicht können dir die eine neue Sichtweise auf dein Schreiben geben.

Den Kopf zu Boden gesenkt, um über keine Steine oder Wurzeln zu stolpern, die den schmalen Waldweg säumten, setzte sie ihren Weg fort und hob kurz darauf wieder den Kopf, um nachzusehen, wie weit entfernt sie von der Person noch war. Ihr Blick streifte das Gesicht des Gegenübers, nun nah genug, um zu erkennen, dass es ein Mann war. Ein Mann, der ihr sehr bekannt vorkam.

Das Hervorgehobene finde ich zu umständlich bzw. entbehrlich. Warum?
die den schmalen Waldweg säumten. Mit diesem Nebensatz versuchst du mir ein Bild zu erklären, dass ich schon seit der ersten Erwähnung des Gebirgssteiges vor mir sehe. Und obendrein ist die Beschreibung des Weges als schmal mittlerweile überflüssig, das weiß ich ja auch schon.
Und das weitere ist mir auch ein bisschen zu ungelenk, beinahe zu geschwätzig. Außerdem gefällt mir in dem Zusammenhang der Begriff des Gegenübers nicht. Der klingt, als stehe die Person schon direkt vor ihr, in Wahrheit ist sie allerdings noch so weit weg, dass die Erzählerin gerademal erkennen kann, dass es sich um einen Mann handelt.

ein lautes, männliches Lachen,

welches Adjektiv ist hier überflüssig?

und ließen ihr sogar auf die Entfernung einen Schauer über den Rücken jagen.

besser: jagten ihr über den Rücken

während sie ihm die warme Hand schüttelte.

Der Typ steht ja schon ziemlich lange in der Bar. Erwähnenswert wäre es höchstens, hätte er kalte Hände.

Seine 4 Kinder.

vier

flehte er plötzlich in eine Stille hinein, die in der musikgeschwängerten Bar nur für sie beide existiert hatte.

besser: existierte oder noch besser: zu existieren schien

Die Arme hatten beide tief in die Taschen gesteckt,

Bis zu den Schultern?

Der eiskalte Schnee, den sie wenig später an ihrem nackten Unterkörper spürte, ließ sie in dieser Nacht nicht frieren.

Das hat jetzt nichts mit Schreibstil zu tun, sondern eher mit Nichtnachvollziehbarkeit. Na ja, ich war auch mal achtzehn, aber nackt im Schnee hab nicht mal ich gevögelt.

Die Schuldgefühle seiner Familie gegenüber waren ihm daraus deutlich abzulesen.

entweder: … waren daraus deutlich abzulesen.
oder: … waren ihm deutlich anzusehen.

Ich will’s hier mal gut sein lassen, rehla. Aber vielleicht erkennst du anhand der Beispiele, wie haargenau man sich jeden Satz, jede Formulierung, jedes Wort überlegen sollte. Wenn du dir bewusst machen kannst, wie viel an Überflüssigem noch in deinem Text steckt und du entsprechend verbesserst, wird sich sprachliche Dichte und Prägnanz gleichsam von selbst einstellen.

Der große William Goldman gab einen Rat, wie man einen guten Text schreibt:
"Schreibe den besten Text, den du zuwege bringst, und kürze ihn um das schlechteste Drittel. Kürze das Übrige wiederum um ein Drittel. Übrig bleibt ein guter Text."

Schönes Wochenende, rehla

 

Hallo ernst,

danke für dein neuerliches Kommentar, dem ich nur noch das hinzuzufügen habe:

Zitat:
ein lautes, männliches Lachen,
welches Adjektiv ist hier überflüssig?

und

Zitat:
während sie ihm die warme Hand schüttelte.

Das heißt, erwähnen sollte man lieber nur Dinge/Eigenschaften, die in diesem Sinne nicht als normal gelten?

Zitat:
Die Arme hatten beide tief in die Taschen gesteckt,
Bis zu den Schultern?

Huch, das ist wohl meinem Dialekt zuzuschreiben, dass ich damit Schwierigkeiten habe. Hier wird umgekehrt meist der gesamte Arm als Hand bezeichnet.

Zitat:
Der eiskalte Schnee, den sie wenig später an ihrem nackten Unterkörper spürte, ließ sie in dieser Nacht nicht frieren.
Das hat jetzt nichts mit Schreibstil zu tun, sondern eher mit Nichtnachvollziehbarkeit. Na ja, ich war auch mal achtzehn, aber nackt im Schnee hab nicht mal ich gevögelt.

Na ja, darüber ließe sich jetzt wirklich streiten. Ich habe mir eben genau bei dieser Szene gedacht, dass es als Art Zauber wirke, wenn sie sich gerade für IHN sogar in den kalten Schnee legt. Und ganz ehrlich? Ich halte das jetzt absolut nicht für nicht nachvollziehbar. Hätte ich gar nicht daran gedacht. Wenn man bedenkt, wo, wie und womit man heutzutage Sex hat, tja... Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich auf meinen nächtlichen Heimwegen neben den Après Ski-Hütten schon Sachen gesehen habe, wo Sex im Schnee dann noch zu den weniger skurrilen Dingen gehört. Gott sei Dank war ich nicht mehr nüchtern. (Und nein, ich habe es nicht deswegen gesehen.)

Der große William Goldman gab einen Rat, wie man einen guten Text schreibt:
"Schreibe den besten Text, den du zuwege bringst, und kürze ihn um das schlechteste Drittel. Kürze das Übrige wiederum um ein Drittel. Übrig bleibt ein guter Text."

Ein sehr guter Rat.

Grüße aus dem Westen,
rehla

 

rehla schrieb:
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich auf meinen nächtlichen Heimwegen neben den Après Ski-Hütten schon Sachen gesehen habe, wo Sex im Schnee dann noch zu den weniger skurrilen Dingen gehört.

Also jetzt machst du mich wirklich neugierig auf deine nächsten Geschichten.

Erwartungsvoll,
offshore

 

Liebe rehla,

ich kenne nur die überarbeitete Version Deiner Geschichte, in der Du es auf jeden Fall geschafft hast, einen Spannungsbogen zu erzeugen. Natürlich wollte ich wissen, ob sie sich auf ihn einlässt oder eben nicht.

Manche Sätze fand ich etwas verschachtelt. Hier ein Beispiel:

Es war nur noch ein kleiner Schritt, eine kleine Geste, ein kurzes geflüstertes oder auch nur von den Lippen ablesbares Wort hätte gereicht und sie könnten die vergangenen zehn Jahre aus ihrem Gedächtnis verbannen und dort weitermachen, wo sie damals aufgehört hatten.

Die Handlung Deiner Geschichte, so kann ich mir vorstellen, werden jedoch einige Frauen (oder auch Männer) nachempfinden können. Hier meine Frage zurück an Dich: Autobiografie? ;)
Ich jedenfalls kann mitfühlen.

Freue mich auf Deine nächste Geschichte.

Lieber Gruß,
Meraviglia

P.S.: Die kleinen grammatikalischen Fehlerchen lasse ich jetzt mal so stehen - und überlasse sie ggf. Mr. offshore. :D

 

Hallo Meraviglia,

danke, dass du dich auch meiner Geschichte gewidmet hast. Ich weiß, dass ich hier ziemlich viele Verschachtelungen drinnen habe. Dieser werde ich mich auch noch mal annehmen. Momentan versuche ich mich aber lieber an einer neuen Geschichte, wo ich dashoffentlich verbessern kann.

Hier meine Frage zurück an Dich: Autobiografie?

Darf ich dich ebenfalls an Max Frisch verweisen? ;)

Danke fürs Lesen und Kommentieren!

rehla

 

Sie genoss dieses Machtspiel.
Ja,

liebe rehla,

die Liebe ist nicht nur ein seltsames Spiel (wie’s ein Schlager behauptet), sie ist vor allem ein Machtspiel, wenn nicht schon ein Kampf (nicht nur um Besitz) und sie kommt in unterschiedlichen Verkleidungen daher (Du stellst zwei ihrer Erscheinungsweisen vor, das Ehepaar vs. Liebespaar). Egal, was jetzt kommt, die Geschichte ist gut und ebenso gut zu lesen, wenn gelegentlich Passagen auch ungenau werden bis hin zum Groschenroman: Was hier geht

Dass ihr Herz jedes Mal höher schlug, …
läuft zuvor ein bissken aus dem Ruder
So muss es sein, kurz bevor man stirbt. Aber sie starb ja gerade nicht, oder doch? Ihr Herzschlag schien sich dessen nicht so sicher zu sein, denn unruhig und heftig spürte sie ihn in ihrer Brust

Vermutung und Zweifel (vor und/oder durch Liebe sterben ist gerade M. Glass' Thema) wirken , um dann mit einem verunsicherten Herzschlag am Kitsch langzuschreddern – allein wegen des Reflexivpronomens: Sicherlich kann er schwanken und unsicher sein, aber niemals kann der Herzschlag „sich“ sicher oder unsicher sein! Das Herz, nicht als Körperorgan, sondern als symbolischer Ort des Gefühlslebens könnte es, was dann im Herzschlag seinen Ausdruck findet. In der Regel kombiniert mit anderen Orten: Knie z. B., die weich werden, Schweiß, der ausbricht u. a. Die einfachste Lösung – ohne aufwendiges Möbelrücken – ist, dem Herzschlag den Schlag zu nehmen und (bloß nicht vergessen!) Pronomen notwendigerweise zu ändern. Sieht dann so aus
Ihr Herz[…] schien sich dessen nicht so sicher zu sein, denn unruhig und heftig spürte sie [es] in ihrer Brust

Hier wird m. E. doppelt-gemoppelt:
Die Erinnerungen der Vergangenheit hatten sie eingeholt.
Sind Erinnerungen nicht immer rückwärtsgewandt?
Die Vergangenheit holt einen schon mal ein.

In Sekundenbruchteilen zog eine Episode ihres Lebens an ihrem inneren Auge vorbei.
Hm, an wessen Auge könnte sonst noch „ihr“ leben vorbeiziehn? Besser
In Sekundenbruchteilen zog eine Episode ihres Lebens a[m] inneren Auge vorbei.

Schwer tu ich mich mit diesem Satz
Sie standen plaudernd an der Bartheke, als sie gegenüber einen Mann entdeckte, …
weil wir hernach erfahren, dass dieses Gegenüber ein weiteres Gegenüber aufweist
… als er sich über das Gesagte seines Gegenübers amüsierte …
Die Entdeckung kann also nah oder gar am andern Ende der Theke stehen, ja sogar das eher unwahrscheinlich anmutende „auf der andern Seite der Theke“. Was eine Möglichkeit dem Problem zu entkommen wäre:
… als sie [am andern Ende/auf der andern Seite (der Theke)] einen Mann entdeckte …

Gehn wir zu Einfacherem!
"Aber..."
Die Auslassungspunkte haben im deutschen Schriftbild zwei Funktionen: anzuzeigen, dass an einem Wort ein /mehrere Buchstabe/n - letzteres wäre dann schon eine Silbe – ausgelassen sind oder dass einem Satz/Text was „ausgelassen wurde“ = fehlt. Letzteres wird durch eine Leerstelle/-taste angezeigt. Ich vermute mal, dass am „aber“ nicht der kleinste Buchstabe fehlt …
Hier ebenso
"Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe[…]..."

"Kein Aber."
Klingt ein bisschen wie’n Befehl, zumindest wie eine Aufforderung oder Wunsch. Warum da nicht ein Ausrufezeichen!?

Bei Relativ- und Infinitivsätzen (learning by doing ist doch besser als Theorie pauken, gelt?) wird schon mal die Kommasetzung verdrängt, wie hier

Es war die erste Person, die ihr heute begegnen würde[,] und trotzdem war sie verwundert, …
… Verlangen, zwei gierige Körper[,] die sich aneinander festhalten wie zwei Ertrinkende.
Sie würde gleich Gewissheit haben, sich hoffentlich wirklich geirrt zu haben[,] und vor ihr einen unbekannten Mann erblicken.
…, der wusste[,] was er wollte[,] und sich einfach nahm, was …

…, ein kurzes[,] geflüstertes oder …
(bloße Aufzählung gleichrangiger Adjektive)

Hier, durchs entweder – oder, ist das Komma entbehrlich:

Entweder sie müssten sofort aufhören und getrennte Wege gehen[…] oder sie würden sich vergessen und dem Verlangen nachgeben.

Seine 4 Kinder.
Zahlen bis zwölf werden üblicherweise ausgeschrieben.

Für sie, die noch ihr ganzes Leben vor ihr hatte, …
Das zwote „ihr“ besser durch „sich“ ersetzen.

Gruß vom

Friedel

 

Lieber Friedel,

ach was hatte ich nun monatelang für ein schlechtes Gewissen. Du antwortest mir auf meinen Erstlingstext, versuchst mir nahezubringen, dass Wörter wie Relativ- und Infinitivsätze nicht nur im Duden existieren, sondern ich diese, wenn auch nicht ganz korrekt, sogar anwende und machst mich noch auf viele weitere Fehlerchen aufmerksam. Sogar glücklich gemacht hast du mich, mit diesem Satz hier:

Egal, was jetzt kommt, die Geschichte ist gut und ebenso gut zu lesen, wenn...

Tja, und ich verschwinde dann einfach ein halbes Jahr in der Versenkung, ohne mich bei dir für deine Mühe und dein Lob zu bedanken. Nun bin ich vorerst mit doppelter Power zurück (hehe) und ich hoffe, ich darf das mit einiger Verspätung nachholen. Vielen Dank, lieber Friedel, für deinen Kommentar.
Die Änderungen werde ich mir zu Herzen nehmen und demnächst vornehmen.

Grüße,
rehla

 

Hallo Maria,

Siehst, ich bin nett, ich bin nicht aggro, also hast du doch etwas richtig gemacht.

Puh, da bin ich ja ganz schön erleichtert. Mein Herz war heute kurz beim Aussetzen, als ich deinen Namen unter meiner Geschichte las.

Du bringst hier aber etwas auf den Punkt, das teilweise schon von Anfang an an dieser Geschichte kritisiert wurde und das ich auch immer besser verstehe, je mehr Zeit inzwischen vergeht: Die Distanz. Du kennst die Erstversion der Geschichte nicht, die war ja noch viel distanzierter und ich habe dann versucht, das Beste daraus zu machen, was mir aber nur mäßig gelungen ist. Irgendwie liegt mir der Text am Herzen, aber ich schaffe es nach der ersten kompletten Umstrukturierung einfach nicht, noch einmal alles zu überarbeiten, um die Distanz zum Leser zu verringern.

Dunkles Haar und ein lautes, männliches Lachen, als er sich über das Gesagte seines Gegenübers amüsierte, waren das Erste, das ihr auffiel.

Hier stimmt doch was nicht, oder? Das Erste, kommt mir irgendwie falsch vor. Oder ich checks einfach nicht.


Ich habe leider manchmal Verschachtelungen drinnen, die nur schwer zu entwirren sind. Ich finde aber, dass ich mich dahingehend bei meinem zweiten Text schon etwas verbessert habe.

Generell ist zu sagen, dass ich diesen Text im Hinblick auf Rechtschreibfehler, Satzstellung, ausgeschriebene Zahlen etc. noch nicht korrigiert habe, das kommt aber noch.

die pure Verzweiflung wider

Wieder.


Das schreibt man tatsächlich so: widerspiegeln.

Vielen Dank für deinen Kommentar, maria.

Grüße,
rehla

 

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