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Thema des Monats Hippiekacke

Seniors
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13.02.2008
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Hippiekacke

Seit Ina menstruiert, ist alles scheiße. Die Jungs sagen, es seien ihre Brüste, aber die haben keine Ahnung. Alle möglichen Mädchen haben alle möglichen Brüste, oft sogar schönere als Ina. Aber seit Ina menstruiert, hat sie diese Haut. Die ist golden und spannt sich ganz straff um ihren Körper. Sie spannt sich natürlich auch um die Brüste, mag sein, dass die Verwechslung da herkommt, aber genauso sind es die Beine und vor allem die Arme, die so sind, dass man sie immer anfassen möchte, um ein bisschen hineinzudrücken und zu fühlen, wie warm die Haut ist und wie sie zurückspringt. Wenn Ina gerade aus dem Urlaub zurückkommt, ist es am schlimmsten.
Seit ich menstruiere, habe ich auch eine Haut. Aber die ist nicht wie Inas. Meine neue Haut hat rote Striemen auf den Hüften, und an den Beinen und am Busen ist sie durchsichtig, damit die Adern blau hindurchgucken können. Dabei konnte ich es kaum erwarten, endlich mit Ina zu menstruieren. Eines Tages hab ich sie sogar aufs Mädchenklo geschleppt, wo ich eine blutige Binde im Mülleimer gefunden hatte. „Es ist soweit!“
Da hat Ina mich ganz fest gedrückt. „Komm, wir gehen ein Eis essen, zur Feier des Tages. Du hast echt Glück gehabt, dass du beim ersten Mal ne Binde dabeihattest. Ich hab mir die ganze Hose versaut.“
Deshalb konnten wir nicht zusammen feiern, als ich wirklich meine Tage bekommen habe.
Früher haben uns die Leute oft gefragt, ob wir Schwestern oder sogar Zwillinge sind. Seit wir menstruieren, tut das keiner mehr.

Wir sitzen Arm an Arm hinten im Bus, wo man den Motor am besten spürt. Alles riecht nach Chlor und Ina bürstet ihre Haare jetzt schon seit zehn Minuten. Schräg gegenüber sitzt Jens, der auch eine Folge von Inas Haut, also ihrer Menstruation ist. Jens ist blond und hat nicht mal sein T-Shirt angezogen. Überm Hosenbund hat er ein paar Haare, die in schnellem Rhythmus aufglänzen, wenn der Bus durch eine Allee fährt.
Neben Jens sitzt Adrian und fummelt an der Gummiabdichtung der Fensterscheibe herum, bohrt seine Fingernägel hinein, riecht an ihnen und porkelt weiter.
„Nun hör doch endlich mit dem Gefrickel auf. Das macht einen ja wahnsinnig“, sage ich. Adrian guckt erschrocken hoch, und schon tut er mir leid, mit seinen roten Haaren und der Zahnspange, um die er die Lippen nie ganz schließen kann.
Jens lacht und haut Adrian auf den Hinterkopf, wie er es immer tut. „Hör auf zu Fummeln, Makowski, du Perversling!“
„Lass ihn doch mal, Jens“, sagt Ina, die immer ein Herz für die Schwachen und Geknechteten hat. Das habe ich grundsätzlich auch, aber Adrian macht es einem schwer.
So lange wir zu viert waren, ging es einigermaßen. Wir haben Schweinchen gespielt, mit Adrian in der Mitte, aber irgendwann musste Jens Ina natürlich zum Sprungturm ziehen, und ich blieb allein mit Adrian zurück. Adrian traut sich nicht zu springen und ich habe Jens’ elegante Köpper schon hundertmal gesehen.
Ich hab mir sehr viel Mühe gegeben und Adrian tausend Fragen gestellt: „Warum zum Henker lässt du dich vom Jens immer hauen?“, „Findest du, die Amis sollten da jetzt Bomben draufschmeißen?“, „Was ist dein Lieblingsbuch?“, „Was hältst du vom Seifert?“, „Was hast du am Wochenende gemacht?“, „Magst du Katzen oder Hunde lieber?“, „Kennst du gute Witze?“, „Was ist dein Lieblingsessen?“
Adrian machte: „hm“, „weiß nicht“, „hm“, „weiß nicht“, „nix“, „weiß nicht“, „nee“, „Kartoffeln“.
Da hab ich mich auf den Bauch gedreht und mein Buch aufgeschlagen.
Wenn ich Adrian jetzt so angucke mit seinem offenen Mund, seinen Blick schon wieder gierig auf das Fenstergummi gerichtet, tut er mir leid. Aber ich tue mir auch leid. Wir sitzen in derselben Patsche. Wir sind Geiseln von Inas Menstruation.
Seit Ina menstruiert, geht sie auch lieber in die Raucherecke als in den Wald. Seit der fünften Klasse sind wir in jeder Mittagspause mit Martin und Johannes, den Ötzen, in den verbotenen Schulforst gegangen, um morsche Bäume umzurempeln, Puffpilze plattzutrampeln und erbitterte Diskussionen zu führen: Blut versus Öl, Monarchie versus Kommunismus, Elberfeld versus Ronsdorf. Ina und ich waren immer auf der Idealistenseite (bzw. für Elberfeld) und die Ötze haben die Pragmaten gegeben, bis wir vor Wut brüllten und sie lachten. Wenn Ina jetzt mal mitkommt, debattieren wir über Rauchen versus Nichtrauchen und da kann ich nicht auf ihrer Seite sein. Es ist einfach zu unlogisch.
Wenn man mit den Ötzen schwimmen geht, ist man mehr unter als über Wasser und die Lungen tun weh, wenn man sich endlich auf den Beckenrand robbt. Die Ötze sind ziemlich uncool und haben seltsame Ansichten zum Sozialstaat, aber mit ihnen hätten wir bestimmt einen schöneren Tag verbracht als mit Jens und Adrian.
„Das machen wir bald wieder, ne?“, sagt Jens und legt seine Hand auf Inas goldenen Oberschenkel.
Ich habe meine Füße auf meinen Rucksack gestellt, damit meine Oberschenkel nicht auf der Sitzfläche aufliegen und dick aussehen, wie Quark mit Heidelbeeren.
„Das ist doch nur Babyspeck. Das verwächst sich“, sagt meine Mutter, wenn ich wieder heulend und zeternd in irgendeiner Umkleidekabine stehe. Aber das ist Schwachsinn, denn der Speck ist nagelneu, der kam nämlich mit der Haut. Und wenn ich das sage, sagt meine Mutter „Das ist doch nicht das Wichtigste im Leben“, als wüsste sie nicht, dass ich viel zu gut in der Schule bin, um mir auch noch Fettheit erlauben zu können.
Mein Vater ist da anders, der weiß Bescheid. Als er mich letztens zum Wochenende abgeholt hat, hat er so auf meine Oberschenkel geguckt, die ich leichtsinnigerweise nicht hochgestellt hatte, und gefragt: „Fühlst du dich so eigentlich wohl?“
„Ja“, hab ich gelogen und mir ist ganz heiß geworden dabei.
„Aber den Jungs gefällt das glaube ich nicht so, oder?“
Zur Strafe, für mich und für ihn, hab ich an dem Tag die Gänsekeule nicht gegessen, die er extra für mich von der Oma geholt hatte.
Ina schiebt Jens’ Hand von ihrem Bein und bindet ihre Haare zu einem Pferdeschwanz hoch. „Mal gucken.“
Seit einem Jahr ist sie unentschlossen zwischen Tobias und Jens. Tobias ist dunkel und grüblerisch. Jens ist blonder Turmspringer. Ich bin für Tobias, weil sein bester Freund nicht ganz so schlimm ist wie Adrian.
„Ok, dann tschö, Prinzessin“, sagt Jens und schwingt sich elegant aus dem Bus. Adrian wuselt hinterher, ohne irgendwas zu mir zu sagen. Das kann man ihm wenigstens zugute halten.
Ina und ich vibrieren eine Weile schweigend über dem Busmotor, dann flüstert sie: „Die Nicole hat’s mit dem Michael gemacht. Im Schulforst. Es hat wehgetan, hat sie gesagt.“
Seit Ina immer in der Raucherecke steht, weiß sie solche Sachen. Ich stelle mir Michael und Nicole in den Puffpilzen vor. Ob er sich auf den Rücken gelegt hat, damit sie es bequemer hat? Nein, nicht der Michael, dem ist sowas egal. Vielleicht hat es vor allem deshalb wehgetan, weil sich der riesige Michael mit seinem ganzen Gewicht auf die winzige Nicole gelegt hat, ohne sich um die Stöcke und Steine unter ihr zu scheren. Michael ist eh ein Arsch, das hätte Nicole eigentlich auch wissen können. Aber Nicole hat nicht so die Wahl. Sie hat keine Haut wie Ina und mit ihren Pferdezähnen muss sie nehmen, was sie kriegen kann. Bei Ina wird es ganz anders sein. Jens/Tobias wird ihr Rosenblätter aufs Bett streuen und Teelichte in Herzform drumherum stellen, deren Flammen sich in ihrer Goldhaut spiegeln werden. Das volle romantische Kitschprogramm eben. Am fairsten wäre es eigentlich, wenn es eine Wand gäbe, mit Löchern drin. Da können sich die Mädchen auf die eine Seite legen und die Jungs ihre Pimmel von der anderen Seite reinstecken. Da würde sich alles gerecht verteilen, nicht der Jens und der Tobias auf die Ina und der Michael auf die Nicole und der Adrian auf mich. Und im Grunde wäre es dann auch egal, weil man ja eh niemanden sehen und sprechen müsste. Das wäre praktisch.
Ina packt ihren Discman aus und reicht mir einen Ohrstöpsel. So rütteln wir noch ein paar Haltestellen weiter, bevor wir raus müssen.
„Du hast noch deine Jacke bei mir im Rucksack“, sagt Ina und wühlt eine Weile. „Jetzt weiß ich nicht, welche deine ist und welche meine.“
„Meine ist die mit dem Ketchup-Fleck vorne drauf“, sage ich, aber da hat sie es schon auseinanderklamüsert und zieht ihre Jacke über. Sie ist weiß mit hellblauem Surf vorne drauf. Wir haben die Jacken zusammen auf der Badminton-Freizeit gekauft. Inas Haut leuchtet mit dem Weiß um die Wette, aber meine Jacke sieht irgendwie grau aus. Wahrscheinlich hat meine Mutter wieder schwarze Socken mitgewaschen.
„Soll ich dir auch noch so einen Zopf wie mir machen?“, fragt Ina.
Obwohl ich es liebe, wenn sie mir die Haare kämmt, sie ganz stramm zusammenfasst und das Haargummi mit einem Schnacken drumrum wickelt, schüttele ich den Kopf.

Am nächsten Tag gehe ich zum Saturn und kaufe mir einen gelben Punkrock-Sampler, mit dem ich eine Weile üben muss, bevor ich ihn mögen kann. Ich kaufe auch rote Schnürsenkel für meine Docs, denn gegen Nazis bin ich ganz fest. Auf der Gesamtschule gibt es weder Nazis, noch Punks und auch nur wenige Ausländer. In der Klasse haben wir eine Isländerin und eine Marokkanerin, die nichts darf. Mit der Anarchie ist es komplizierter als mit dem Antifaschismus, die ist den Ötzen mit ihrem Pragmatismus schwer zu erklären.
Von nun an lasse ich mich jeden Tag von Michael und seinen Freunden als „linke Bazille“ beschimpfen, aber das ist besser als „Streber“. In der Stadt werde ich zum ersten Mal als „Zecke“ beschimpft, leider nicht von einem Nazi, sondern von einem Türken. Der hat die roten Schnürsenkel offensichtlich nicht verstanden. Wenn ich jetzt mit Ina unterwegs bin, fragt niemand mehr, ob wir Schwestern sind und die meisten glauben nicht mal, dass sie meine Freundin ist. Das liegt aber weder an Haut noch an plus oder minus Babyspeck, sondern an meinen Haaren. Die sind jetzt raspelkurz und meine Mutter hat sie mit Henna knallrot gefärbt.
Zum Punksein fehlen mir nur die Punks.

Es dauert ein paar Monate, bis ich einen finde, der beim Altstadtfest auf dem Kopfsteinpflaster hockt und Ukulele spielt. Drei Mal laufe ich um den Marktplatz und beobachte aus dem Augenwinkel, wie er mit Omis, Hunden und Kindern schäkert. Er hat einen grünen Iro, der ihm über das rechte Auge hängt, und trägt eine rot-weiße Absperrkette um den Hals. Bei meiner vierten Marktplatzrunde bleibe ich beim Zuckerstand stehen und kaufe eine Waffel. Damit trabe ich schnurstracks auf den Typen zu, obwohl mein Herz mir so in den Hals klopft, dass ich Angst habe, mich auf seine Ukulele zu übergeben, wenn ich nur den Mund öffne.
„Willst du Waffel?“, frage ich und rupfe ihm drei Herzen ab.
„Geil, Waffel“, sagt er.
„Wie heißt du?“, frage ich.
„Ich bin der Sascha. Wie kommt’s, dass ich dich hier noch nie gesehen habe?“
Ich mache „och“, „ach“, „Schule woanders“, da packt Sascha seine Ukulele in eine Plastiktüte und steht auf.
„Kommste mit zum Bahnhof? Die anderen sind auch da.“
Die anderen heißen Jan und Mira und fläzen sich in einer Kachelnische des Bahnhofgebäudes. Vor ihnen steht ein Kassettenrekorder, der eine Art von deutscher Punkmusik scheppert, die mir unbekannt ist. Jan hat Büschel algenfarbener Wolle auf dem Kopf.
Ich frage: „Wie hast du das gemacht? Hast du dir Lockenwickler in die Haare gedreht?“
Da guckt er beleidigt und Mira fällt vor Lachen fast aus der Nische. Dann sagt sie, ich soll mich hinsetzen und erzählt eine Geschichte, wie sie den Schuldirektor mit ihren schnellen Sprüchen zum Weinen gebracht hat. Ich sitze da, in meiner mit Filzstiften bemalten Jeans und bewundere ihre Schlagfertigkeit und ihren Mut ebenso wie ihre enge Leopardenhose.
Später kommt ein großes Mädchen mit Nasenring und braunem Pferdeschwanz dazu. Das ist Kati. Sie setzt sich bei Jan auf den Schoß und die beiden fangen an zu knutschen. Ich denke, wenn die Mädchen mit den langen Haaren, die auch auf der Schule jemanden finden könnten, jetzt mit den Punk-Jungs zusammen sind, bleibt für die Punk-Mädchen nicht viel übrig.
„Die beißen sich in den Kopf“, sagt Mira.
„Hippiekacke“, sagt Sascha und dann zu mir: „Komm, wir jagen dir ein paar Mercedessterne.“
Auf dem Parkplatz hinter der Provinzial finden wir ein paar Mercedesse. Selbst meine Mutter nennt sie Bonzenkarren, wenn sie unsere Ente schnibbeln. Sascha zeigt mir, wie ich das Metall auf seine Stahlkappe legen und drauftreten muss, damit ich einen Armreif und einen Stern rausbekomme.
Abends im Bett kann ich nicht schlafen, weil ich vor Glück glühe.

Ein Jahr später

Seit ich den Babyspeck ausgezogen habe, schlottern meine alten Hosen. Dafür habe ich neue Lieblingsknochen. Das sind die Schlüsselbeine. Kati ist mit nach Köln gekommen, um mich mit meinem Geburtstagsgeld ganz neu auszustatten. Danach hat sie bei mir übernachtet und meine kalten Füße zwischen ihren Beinen gewärmt. Und als sie wegen Jan geheult hat, habe ich meinen Kopf an ihren Busen gelegt, bis sie wieder atmen konnte. Mit Kati ist das Leben wunderbar.

"Wir rasseln voll laut", sagt Kati, als wir mit unserem neuen Geschmeide zum Remscheider Bahnhof hinaufklettern. Jan und Sascha sind schon da. Mira lässt uns wie immer warten.
„Sie schminkt sich wohl noch“, sagt Kati böse.
Dabei dürfte das nicht lange dauern. Miras neues Make-up besteht daraus, dass sie sich mit einem Kajal ein paar Pandaaugen und eine Joker-Fresse bis an die Ohren malt. Spätestens nach einer halben Stunde hat sie sich alles unter die Nase geschmiert und schert sich den ganzen Abend nicht mehr darum.
Ich habe mir exakte Katzenaugen gezeichnet und den grünen Lidschatten auf die Haarfarbe abgestimmt. In meiner Lederjacke habe ich alles dabei, was man für Retuschen braucht.
Der Zug, den wir uns rausgesucht haben, fährt ein und ohne uns wieder aus. Ohne Mira würde Jan nicht mitkommen. Also haben wir eine halbe Stunde für den Bahnhofsimbiss. Das reicht allerdings immer noch nicht, um meinen Wochenenddöner zu mümmeln.
„Du isst wie mit Vollprothese“, sagt Jan.
„Fick dich!“, antworte ich, es ist nämlich nur vorausschauend gedacht. Wenn ich den Wochenenddöner in den frühen Morgenstunden wieder auskotze, möchte ich nicht an unzerkautem Pressfleisch ersticken. Und wenn man außerdem nur einen Döner pro Woche darf und ansonsten bloß den täglichen Salat aus der Schulkantine, tut man eh gut daran, sich so lange wie möglich daran zu erfreuen.
Kurz bevor der nächste Zug eintrifft, kommt Mira entspannt herangeschwoft.
„Wir wären jetzt ohne dich gefahren“, sage ich.
Mira zeigt auf meinen neuen Tartan-Minirock. „Wenn ich so kurze Beine hätte wie du, würde ich sie nicht noch so betonen.“
Mira hat so kurze Beine wie ich und krumm sind sie noch dazu. Ich kenne jeden Makel an ihrem Körper: die schwarzen Haare auf den Unterarmen, die stummeligen Finger, den flachen Arsch, den schmutzigen Hals, die großen Zähne, die ihre untere Gesichtshälfte etwas nach Affenschnauze aussehen lassen und den schiebenden Gang, an dem man sie schon auf hundert Meter erkennt. Kati und ich haben eine Skizze von Mira angefertigt, auf der alles kartographiert ist.
„Mir gefällt’s so“, sage ich lahm und ärgere mich, dass ich dabei rot werde.
Mira ist schnell und treffsicher. Wenn man am Morgen eine halbe Stunde damit verbracht hat, den Pickel auf der Stirn abzudecken und noch eine Haarsträhne drüber zu zwirbeln, ist das erste, was Mira sagt, wenn man zur Tür reinkommt: „Setz dich da drüben hin! Ich will nicht in der Nähe sein, wenn das Ding hochgeht.“ Und als ich meinen Arsch noch unter weiten T-Shirts verstecken musste, sagte sie: „Beleg nicht die ganze Matratze mit deinem fetten Arsch.“
Bevor wir in den Zug steigen, werfe ich den Restdöner auf die Schienen.

Im Zug sind zwei Vierer frei, so dass auch der Armeerucksack mit dem Bier sitzen kann.
Jan hat den Kasi mitgebracht und der spielt: Komma lecker, komma lecker, komma lecker unten bei mich bei. Pack mich da an, wo es stinkt, dann kauf ich Pommes für uns zwei. Aber Pommes esse ich ja eh nicht.
„Apropos, wie läuft’s mit der Alten?“, fragt Jan.
Sascha wohnt jetzt bei einer Frau, die ein zweijähriges Kind und einen enormen Arsch hat. Er wiegt nachdenklich den Kopf. „Na ja, ist halt n bisschen, wie ne Salami durch’n Hausflur werfen.“
Ich spanne meine Beckenbodenmuskulatur an. Ich habe zwar kein Kind geboren, aber wer weiß, vielleicht bin ich trotzdem Hausflur, genetisch gesehen. Wenn man innen so vermurkst wäre, könnte man wohl nicht viel dran machen.
„Vielleicht liegt’s auch daran, dass die Salami nur ne BiFi ist“, sagt Mira.
Sascha macht einen Kussmund. „Du kannst es gerne ausprobieren.“
Mira schüttelt sich angewidert.
An der nächsten Haltestelle steigen ein paar Prolls ein, die schon auf dem Bahnsteig böse gucken. Kurz darauf rascheln sie in ihren Jogginganzügen an uns vorbei, mit Zungenschnalzen und Schlitzaugen, um ihrer Abscheu Ausdruck zu verleihen. Der letzte und kleinste in diesem Gänsemarsch zischt leise: „Zecken!“
„Wirtstiere!“, ruft Sascha zurück.
Da erschreckt sich der letzte Proll und stolpert einen Schritt nach vorn, so dass es eine Karambolage mit dem zweitletzten Proll gibt, der überrascht stehengeblieben ist. Alle drehen sich um und wurschteln sich für einen Moment im engen Gang umher. Dann dackeln sie weiter und rotzen noch einmal verächtlich aufs PVC, bevor sie im Gelenk der Bahn verschwinden.
Eine Station bevor wir raus müssen, steigen die Prolls aus. Jetzt sind sie wieder großmäulig, rufen „Zecken“ und „Missgeburten“ und boxen an die Fenster. "Wirtstiere, Nachgeburten" grölt Sascha und will ihnen seinen Arsch zeigen, wickelt sich aber nicht schnell genug aus den Gürteln.

Als wir ankommen, läuft das Konzert schon und es wird viel getanzt. Kati will mich direkt ins Gewühl ziehen und Sascha quengelt, dass wir Schnaps trinken sollen, aber ich muss erstmal eine Runde drehen. Es ist wichtig, die Linie zu ziehen, wenn man noch halbwegs nüchtern ist, sonst muss man sich am nächsten Morgen schämen.
„Schöntrinken ist scheiße“, sagt Kati immer, aber das trifft die Sache nicht genau. Es gilt nur in Bezug auf die Männer. Wenn ich erstmal festgelegt habe, wer von ihnen grundsätzlich in Frage kommt, ist das Schöntrinken der nächste Programmpunkt. Meistens dauert es eine Flasche Sekt oder sechs Bier, bis es so weit ist. Ich merke es daran, dass ich auf den Toiletten in den Spiegel gucke und mich nicht mehr erkenne. Wenn da nur noch große schwarze Augen und rote Lippen sind, kann das Spiel beginnen: Man ortet einen der Infragekommenden, der noch nicht an einer anderen rumleckt, und stellt Kontakt her: man will am Kicker mitspielen, einen Schluck Bier abhaben, auf dem Schoß sitzen, beim Tanzen auf die Schultern genommen werden, wissen, ob Typen aus Bottrop/Duisburg/Wermelskirchen gut küssen. Sowas halt. Es ist zu einfach. Einmal haben Sascha und ich gewettet, ob ich den Sänger dieser Band klarmachen könnte. Er hat verloren.
Aber an einen hab ich mich bisher nicht rangetraut, das ist Chucky, der schönste Mann der Welt. Der schönste Mann der Welt ist Skinhead. Ich habe schon ein paar Mal von seinen Hosenträgern geträumt, aber noch nie mit ihm gesprochen. Mira hat mit ihm gesprochen und ich stand daneben und habe seine Koteletten bewundert, die im genau richtigen Winkel zu seinen Wangenknochen stehen. Wenn ich Chucky ansehe, ziept es in mir. Aber Chucky ist schwierig, weil er trinkt, ohne jemals betrunken zu sein, weil er nett und lustig ist, ohne dabei seine Ernsthaftigkeit zu verlieren, weil er tanzt, ohne sich auf die Fresse zu legen. Jetzt gerade steht er lotrecht an der Bar und beobachtet die Tänzer.
„Uh, da ist Chucky“, sagt Kati und hält mir einen Sambuca vor die Nase. „Trink schnell, bevor er weg ist.“
„Ich hasse Sambuca, der macht mich außen und innen klebrig.“
„Schnauze halten, schlucken!“, befiehlt Kati und ich gehorche, auch wenn es mich ordentlich schüttelt. Dann drängt sie mir noch ihr eigenes Pinnchen auf. Ich schlucke wieder und steppe einen kleinen Ekeltanz.
Kati nimmt mein Gesicht in beide Hände und drückt mir einen dicken Kuss auf den Mund. „Und jetzt ran an den Mann!“
„Aber ich bin noch nicht schön genug, ich muss noch mehr trinken“, sage ich, obwohl mir schon ziemlich schwummrig ist, aber eben nicht schwummrig genug für Chucky.
„Du bist wunderschön, Schatzi“, sagt Kati und klapst mir auf den Arsch.
Ich gehe rüber zur Bar, aber nicht direkt zu Chucky, sondern zum Barmann, von dem ich ein Bier ordere, das jetzt natürlich auch fürchterlich schmeckt. Kati macht mir böse Grimassen. Also schiebe ich mich langsam an der Bar entlang auf Chucky zu. Auf den letzten Metern kommt mir zu Gute, dass ein Tänzerknäuel gegen die Bar fegt, so dass ich in Chuckys Richtung ausweichen muss und nun direkt neben ihm stehe.
„Na“, sage ich.
„Na“, sagt er, ohne den Blick von der Bühne zu wenden.
„Keinen Bock zu tanzen?“, frage ich und mache dazu ein paar Ska-Bewegungen, für die ich mich sofort schäme.
„Doch“, sagt er.
„Aha“, sage ich ratlos.
Da wendet er sich zu mir um und stützt sich auf die Bar. „Ich hab ein neues Zungenpiercing“, sagt er „aber dem geht’s nicht so gut. Ich habe Schmerzmittel genommen und Antibiotika. Und ich habe Bier getrunken. Jetzt versuche ich einfach, nicht umzufallen.“
„Verstehe“, sage ich und bin sauer. Jetzt ist der schönste Mann der Welt einmal so betrunken, dass ich mich nicht vor ihm fürchten muss, aber dafür hat er eine entzündete Zunge. Das Leben ist ungerecht!
Er lacht. „Na ja, immerhin habe ich keine Schmerzen mehr.“
„Das ist gut“, sage ich, „dann kannst du es ja einweihen.“
Chucky schüttelt verwirrt den Kopf. „Was einweihen?“
„Das Piercing.“
„Und wie soll ich das einweihen?“
Chucky ist wirklich schwierig.
„Mit mir sollst du das einweihen“, du Trottel, „ich wollte schon immer mal wissen, wie das ist, jemanden mit Zungenpiercing zu küssen.“
Ich weiß natürlich, wie es ist, jemanden mit Piercing zu küssen. So avantgarde ist Chucky ja nun nicht.
Chucky hebt eine seiner weltschönsten Augenbrauen. „Das willst du also wissen?“
„Ja, das will ich“, sage ich und da küsst er mich endlich. Es schmeckt vor allem nach medizinischer Mundspülung.
„Und wie ist es?“, fragt er.
„Sehr gut“, sage ich. „Tut es doll weh?“
„Nicht genug, um aufzuhören.“
"Na dann ..."
Wir bleiben also an der Bar stehen und machen rum. Dabei darf ich Chucky durch die kurzen Haare fahren, mit und gegen den Strich, und meine Hände unter seine Hosenträger schieben. Das ist alles sehr sehr gut. Die ganze Zeit hat er einen Arm ganz eng um meine Taille und den anderen um meine Schultern gelegt. Manchmal streicht er meine Haare zurück und beißt mir ein bisschen in den Hals. Das ist auch sehr sehr gut. Einmal kommt Sascha an die Bar, um Schnaps zu kaufen. Er sagt „Hippiekacke“ und freut sich für mich. Alles ist perfekt.
Chucky hat Heimspiel. Wir sind in Oberhausen und er ist Oberhausener, kennt dementsprechend jeden im Laden, auch den Typen hinter der Bar. Und der sagt irgendwann: „Ihr könnt ja auch hoch gehen.“ Wahrscheinlich, damit wir den Leuten nicht beim Bierkaufen im Weg stehen.
Das ist natürlich sehr exklusiv und macht Chucky noch ein bisschen schöner, als er als schönster Mann der Welt in meinen Armen ohnehin schon ist.
Wir dürfen hinter die Bar gehen und uns durch eine niedrige Tür ducken. Dahinter ist eine steile Treppe. Ich schwanke gefährlich und Chucky muss mir helfen, damit ich mir nicht den Hals breche. Oben stößt er eine schwere Eisentür auf. Der Raum dahinter ist riesig, aber fast leer. Vorne bei der Tür sind ein paar leere Getränkekästen gestapelt und hinten, in einem Viereck, das der Mond durch eine Dachluke wirft, steht ein räudiges Sofa, mit einem Haufen Decken darauf. Als die Tür hinter uns ins Schloss fällt, hört sich die untere Etage wie unter Wasser an. Chucky nimmt meine Hand und zieht mich Richtung Mondlicht. Der Beton unter meinen Füßen fühlt sich weich an, als sei er nur die Cellophanhaut der Unterwasserwelt – wie das Meer der Augsburger Puppenkiste. Im Gehen scheuchen wir ein paar Staubmäuse vor uns her. Chucky baut uns ein Nest: Er zieht die Polster vom Sofa, klopft sie einmal aus und guckt, welche Seite schöner ist, damit die nach oben liegt. Dann breitet er noch eine Decke darüber. „Das ist alles, was ich dir bieten kann.“
„Sieht doch gemütlich aus“, sage ich und setze mich zu ihm auf das Lager, das zart nach zu oft benutztem Handtuch riecht.
Wir machen weiter rum, wie unten, aber jetzt wandern Chuckys Hände dabei überall auf meinem Körper herum. Unter mein T-Shirt und unter den BH, okay, das kenne ich, doch er zwängt sie auch unter den Bund der Strumpf- und der Unterhose, was neu ist. Mein Körper scheint sich allerdings besser auszukennen als ich und reagiert darauf sofort mit Hitze und Nässe. Ich bin ganz überrascht, dass ich so gut funktioniere.
Dann setze ich mich auf und schnüre meine Stiefel auf, was Chucky zum Anlass nimmt, ebenfalls seine Stiefel auszuziehen. Wir müssen lachen, als wir so nebeneinandersitzen und minutenlang an den Schnürsenkeln herumfummeln. Ich ziehe nur die Strumpfhose aus, aber Chucky streift sich die Hosenträger von den Schultern und zieht sein Polohemd über den Kopf. Dann knöpft er seine Hose auf.
„Was ist damit?“, fragt er und zupft an meinem Top.
„Das ist doch nicht im Weg“, sage ich, was auch für meinen Rock gilt, den man schließlich hochschieben kann.
Chucky zuckt die Schultern und legt sich auf mich. Ich fasse ihn nicht viel an, nur mal an den Schultern oder in den Haaren, aber mehr scheint auch nicht nötig zu sein, so hart wie er sich unten gegen mich drängt.
„Das ist aber im Weg“, sagt er und zieht mir die Unterhose aus. Dann sucht er zwischen seinen Sachen rum, bis er ein Kondom findet.
„Dann passiert es also jetzt“, denke ich und schließe die Augen für einen Moment. Als ich sie öffne, ist Chucky wieder über mir. Er macht irgendwas mit seinen Fingern und dann drückt und bohrt er in mich hinein. Ich halte die Luft an, aber es tut nicht weh. Ich klammere mich an seinen Schultern fest und beobachte, wie sein weißer Arsch hoch und runter geht. Ich stelle mir vor, wie wir von oben aussehen und denke die ganze Zeit: „Jetzt habe ich also Sex.“
„Willst du oben sein?“, fragt Chucky, aber ich schüttele den Kopf. Ich wüsste nicht, was ich oben machen sollte, wo er nichts zu tun hat, als mich anzusehen. Da wird er schneller. Auch das tut nicht weh, aber es tut auch sonst nicht viel, jedenfalls weniger als das, was er vorher mit seinen Fingern gemacht hat. Ich weiß nicht, ob ich Geräusche machen soll. Ich würde gerne das Schmatzen und das Klatschen mit irgendwas übertönen, aber Chucky macht auch nicht viele Geräusche, so dass ich mir affig vorkommen würde.
Während ich noch über Geräusche nachdenke, stemmt Chucky sich plötzlich hoch und umfasst meine Hüften, so dass er ganz weit weg von mir ist und wir uns nicht mehr küssen können. Er sieht mich auch nicht mehr an, sondern guckt dahin, wo er in mich hineinstößt. Das geht eine Weile so, dann kneift er die Augen zusammen und legt den Kopf in den Nacken, so dass der Mond ihm direkt ins Gesicht scheint. Sein Gesicht sieht ganz nackt aus in diesem Moment. Dann lässt er sich schlaff auf mich sinken.
Er liegt auf meiner Brust und atmet viel. Als ich seinen Rücken anfasse, ist der ganz nass. Ich bin erleichtert, dass ich offenbar nicht unter Hausflur-Syndrom leide.
Chucky greift nach unten und zieht sich aus mir heraus. Er macht einen Knoten in das Kondom und wirft es in eine Ecke, bevor ich genauer sehen kann, was außen dranklebt und drinnen rumschwimmt.
Dann legt er sich neben mich, seine Nase ganz nah an meiner. Jetzt riecht es wieder nach medizinischer Mundspülung. Ich sehe nasse Augen und fahle Mondhaut. Ich kann sein nacktes Gesicht nicht vergessen.
Chucky betrachtet mich, fährt mit den Fingerspitzen die Kontur meines Kiefers nach und lächelt. „Eigentlich heiße ich Philipp.“
„Chucky gefällt mir besser.“
Ich setze mich auf und wühle in dem Kleiderhaufen nach meiner Unterhose. Dann steige ich in meine Stiefel. Die Strumpfhose stopfe ich zusammengerollt in meine Jacke.
„Ich glaub, wir sollten mal wieder runter. Ich hab keinen Bock, dass die anderen ohne mich abhauen.“
„Du kannst auch mit zu mir kommen. Ich hab sturmfrei“, sagt Chucky. „Oder ich komm mit zu dir. Dann musst du nicht alleine fahren.“
„Das würde meine Mutter nicht erlauben“, lüge ich.
Chucky rafft seine Sachen zusammen.
Als ich die Treppe wieder hinunterklettere, fühle ich Chucky zwischen meinen Beinen und in meinem Nacken.
Wenn ich das am Montag in der großen Pause Ina erzähle, wird sie mich küssen und alle Details wissen wollen. „Das müssen wir feiern, mit einer Flasche Sekt", wird sie sagen und Chuckys Art voll süß finden.
„Soll ich uns Bier holen?“, fragt Chucky und lässt die Hosenträger auf die Schultern schnacken.
Ich nicke, ohne ihn anzusehen.
„Ja, ich geh raus, die anderen suchen.“

Die anderen stehen um eine Tonne, in der ein Lagerfeuer brennt. Sie grinsen, als sie mich mit nackten Beinen heranstapfen sehen.
Mira pfeift sogar ein bisschen. „Das hat ja lange gedauert. Hat wohl keinen hochgekriegt.“
„Doch, alles einwandfrei“, sage ich und schlage ein, als Sascha seine Hand zum High-Five hebt.
Kati testet, wie lange sie ihre Hand über eine Flamme halten kann. „Glückwunsch. Aber du darfst jetzt nicht immer in Oberhausen abhängen. Das erlaube ich nicht.“
„Warum sollte ich in Oberhausen abhängen?“
Kati zieht ihre Hand mit einem Zischen zurück und schüttelt sie kühl.
„Na, Chucky ist doch niedlich. Und guck, er bringt dir Bier. Was will man mehr.“
Chucky kommt tatsächlich mit zwei Flaschen um die Ecke.
„Das wäre doch nicht nötig gewesen“, sagt Sascha und schnappt ihm eine davon weg.
Chucky lacht und prostet ihm mit der verbleibenden Flasche zu. Neben Sascha und Jan sieht er ziemlich kurz aus und irgendwie glatt. Er reicht mir seine Flasche, doch als ich einen Schluck nehme, steigt er mir direkt wieder den Hals hoch. Ich reiche das Bier an Kati weiter. Chucky legt mir von hinten die Arme um die Taille und hinterlässt einen sehr feuchten Fleck an meinem Nacken.
„Meine Zunge tut übrigens sauweh“, flüstert er.
„Dann solltest du sie jetzt wahrscheinlich schonen“, sage ich und schüttele ihn ab. Da geht er mit Sascha neues Bier holen, verteilt es in der Runde und steht etwas verloren umher, den Blick stier ins Feuer gerichtet.
Jetzt wo wir so viel zu trinken haben, kommt auch der Krombacher zu uns rübergelatscht, um sich seinen Anteil abzuholen. Der Krombacher hat einen falbfarbenen Filziro und Zähne, die aussehen, als seien sie mit Schmelzkäse bestrichen. Das wäre an sich nicht so schlimm, wenn er einem nicht immer so auf die Pelle rücken und fragen würde, ob man mitkommen will in sein besetztes Haus in Asseln. Er erzählt einen Schwank aus seiner Jugend: Hausräumung mit Molotowcocktails. Mira kontert mit einer ihrer Angebereien, eine wilde Geschichte von einer Nazikeilerei. Sie erzählt wie immer packend und ich bin auch ganz fasziniert, bis sie mich so anguckt, als warte sie auf etwas. Da wird mir klar, dass ich bei den Ereignissen, die sie da besingt, selbst anwesend war, und sie nun bestätigen soll. Der Tag, an dem man uns aus einer Nazikneipe ein halbes Schnitzel hinterherwarf und wir flitzen gingen, ist nun der Tag, an dem wir uns mit zehn schrankgroßen Faschos eine blutige Straßenschlacht lieferten.
Jan nickt eifrig und dichtet noch ein paar Miraheldentaten hinzu.
Kati hat natürlich keinen Bock auf die Mirashow feat. Jan und so beginnen wir unser eigenes Gespräch darüber, wie Männer aussähen und gehen müssten, wenn sie so dicke Eier wie Rattenmännchen hätten.
Mittlerweile ist aber wieder der Krombacher dran und der kann es nicht leiden, wenn man seinen Geschichten aus der Zeit, als man sich den Iro noch mit Pflanzendünger färbte und mit Zuckerwasser stellte, nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenkt.
„Habt ihr eigentlich schon mal Hunger gehabt?“, brüllt er uns plötzlich an.
„Ich habe seit einem Jahr Hunger, Krombacher“, sage ich.
Da schimpft er „Euch geht’s doch allen zu gut“, und zieht von dannen.
Mira macht keinen Spruch und auch sonst sagt keiner was. Nur Chucky sieht mich an und hebt eine Augenbraue. Er sieht aus, als würde er gleich Händchen halten wollen.
"Wenn wir die letzte Bahn noch erwischen wollen, müssten wir jetzt mal lositzen", sagt Mira und ich bin erleichtert. So viel hilft es allerdings auch wieder nicht, denn Chucky will unbedingt noch mit zum Bahnhof kommen. Also stürme ich mit Kati vorneweg – wir wollen den Zug ja nicht verpassen – und Chucky muss sich auf dem Weg mit Mira unterhalten. Soll sie ihn doch mit ihrer Heldendichtung beeindrucken. Mir ist das egal.
Als wir die Unterführung zum Bahnhof erreichen, wird mir schwindelig vor Anstrengung und so kotze ich meinen gutzerkauten Wochenenddöner auf die Fliesen. Meine Kotze glitzert im Halogenlicht und verläuft langsam bergab.
„Du hast ein Hakenkreuz gekotzt“, sagt Sascha und zeichnet die Form in der Luft nach.
„Sorry, muss sowas wie ein Atavismus sein.“
Dann diskutiere ich mit Sascha, was meine Kotze über die politische Ausrichtung meiner Großeltern aussagt. Er zeichnet ein Kreuzungsschema an die Wand der Unterführung und schreibt nach meinen Angaben Gertrud, Heinrich, Ilse und Ludwig in die erste Reihe.
„Das kannst du aber nicht aus einem einzigen Phänotyp ableiten. Du weißt ja nicht mal, ob das dominant oder intermediär läuft. Es könnte ja auch Polygenie sein“, sage ich und lehne mich zur Sicherheit an die Wand.
„Du bist echt bescheuert“, sagt Chucky, „aber ich find dich süß, also ruf mich an.“ Damit steckt er mir einen Zettel in die Brusttasche und verschwindet in der Dunkelheit. Alle machen Winkewinke und ich rufe ihm hinterher: „Was bist du eigentlich für ein Skinhead? Du bist ein verdammter Hippie! Lass dir mal die Haare wachsen!“

 

So, 2. Versuch. Habe Tag und Nacht geackert und eigentlich von jedem Komentator der vorherigen Geschichte was umgesetzt. Sogar ein kleines "räudig" hab ich drin ;) Also danke nochmal dafür. Dann hat die Geschichte auch noch so Sachen gemacht, die mit mir gar nicht abgesprochen waren und jetzt ist sie elendig lang. Ich hoffe sie funktioniert besser als die letzte. Wenn nicht, kann ich es halt einfach nicht besser.

 
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Hi,

Ina und ich waren immer auf der Idealistenseite (bzw. für Elberfeld)
Ich mag den Humor einfach. Ich hab das schon bei Faulfrettchen und „Zuckerbrot und Peitsche“ gemerkt, ich kann mich da wegschmeißen. Das ist ja auch so ein Grammatik-Witz: vorhin schon, es werden erst 6 Sachen aufgezählt, und dann kommen die Antworten am Stück (und man merkt: Die Fragen waren eigentlich egal). Und hier ja auch, da werden 3 völlig verschiedene Themen grammatikalisch gleichwertig behandelt, und die Antwort „löst“ das dann in einer Pointe auf. Die Idealisten … oder Eberfeld.

Ich find das wahnsinnig komisch innerhalb dieser Geschichte. Die Geschichte hatte mich ein Stück vorher schon, wenn sie da zu viert sind – Ina geht mit Jens weg – und sie stellt Adrian diese 6 Fragen, nuschelt dann „Ich hatte Jens' Körper schon 100 mal gesehen“, davor noch „Wir sind beide Geißeln von Inas Menstruation“ und dann dreht sie sich einfach auf den Bauch und liest - nach diesen Fragen. Ab da hatte mich der Text, wenn ich mir vorstell, da ist dieses Mädchen, das den Jungen da mit Fragen bombardiert und total neuierig ist, und dann schlagartig das Interesse verliert, und sich komplett abwendet: Großartig, da hat mich der Text.

Seit einem Jahr ist sie unentschlossen zwischen Tobias und Jens. Tobias ist dunkel und grüblerisch. Jens ist blonder Turmspringer. Ich bin für Tobias, weil sein bester Freund nicht ganz so schlimm ist wie Adrian.
Ja, das ist so eine Stand-Up-Nummer, dass schöne Frauen weniger attraktive Frauen um sich haben, damit sie selbst noch heller strahlen. Wenn man das einmal im Kopf hat, sagt man dann immer wenn zwei Mädchen zusammenstehen, auf die das passt, Ach! Und die x-mal wenn das nicht passt, nimmt man nicht wahr.

Am fairsten wäre es eigentlich, wenn es eine Wand gäbe, mit Löchern drin. Da können sich die Mädchen auf die eine Seite legen und die Jungs ihre Pimmel von der anderen Seite reinstecken. Da würde sich alles gerecht verteilen, nicht der Jens und der Tobias auf die Ina und der Michael auf die Nicole und der Adrian auf mich. Und im Grunde wäre es dann auch egal, weil man ja eh niemanden sehen und sprechen müsste. Das wäre praktisch.
Alter, soviel zur PG12-Freigabe.

Auf der Gesamtschule gibt es weder Nazis, noch Punks und auch nur wenige Ausländer. In der Klasse haben wir eine Isländerin und eine Marokkanerin, die nichts darf. Mit der Anarchie ist es komplizierter als mit dem Antifaschismus, die ist den Ötzen mit ihrem Pragmatismus schwer zu erklären.
Ich finde das bemerkenswert, wie pointiert du schreiben kannst, ohne dass es auf die Pointe hin konstruiert wirkt, du nimmst die Pointen mit und du setzt Höhepunkt, aber ohne so ein ermüdendes „Jetzt kommt die Pointe – so diesen Tusch-Effekt, den komische Text oft haben, Satz, Satz, Lacher, Satz, Satz, Lacher.
Und ich finde, es liegt daran, dass so „kleine“ Sachen im Text sind. Die ist links und die Ötzen sind wohl eher „rechts“, aber mit denen kann sie sich unterhalten, das macht Spaß, weil sie ein Thema haben. Das macht ja oft sexuellen Reiz aus, wenn zwei sich super-ähnlich sind, worüber will man sich da streiten oder wenn man eine „ähnliche“ Basis hat, aber nur schwach ausgeprägt, da hat man keine Themen. Aber eine Linke und ein Rechter- die haben Themen. Das ist absolut logisch. Wahrscheinlich hat man die aufregensten Affären und Gespräche mit Menschen, die dasselbe Zeug kennen und wissen, wie man selbst, die aber eine ganz andere Meinung dazu haben.

Ich denke, wenn die Mädchen mit den langen Haaren, die auch auf der Schule jemanden finden könnten, jetzt mit den Punk-Jungs zusammen sind, bleibt für die Punk-Mädchen nicht viel übrig.
Ich mag das gern, den Ton. Ich find das ist auch schon eine Ernsthaftigkeit dann, die ich gut finde. Ich hab das Gefühl: Das hier ist wichtig für das Mädchen. Das hier ist was Einschneidendes. Der Vorgängertext war: So ist ein Mittwoch bei uns. Das hier ist ganz anders. Hier hast du eine Entwicklung drin, die Geschichte bewegt sich auf etwas zu, nicht nur auf das Ende eines Abends, sondern auf was hin.

Wenn ich den Wochenenddöner in den frühen Morgenstunden wieder auskotze, möchte ich nicht an unzerkautem Pressfleisch ersticken.
Boah. Das ist wie so ein nichtlustig-Lemming-Kartoon: Neurotische Punks.

Und als ich noch den Babyspeck hatte und versuchte, meinen Arsch unter weiten T-Shirts zu verstecken, sagte sie: „Beleg nicht die ganze Matratze mit deinem fetten Arsch.“
Hm, mach doch im Präsens und dann vielleicht als Nachsatz: Aber das bringt einen dann vielleicht auch dazu, nur einen halben Döner zu essen.

Chucky betrachtet mich, fährt mit den Fingerspitzen die Kontur meines Kiefers nach und lächelt. „Eigentlich heiße ich Philipp.“
„Chucky gefällt mir besser.“
Ja, der ganze Absatz ist so – das ist wie ein Kater-Absatz. Eigentlich vom Moment, als sie auf das Fest gehen. Wenn es anfängt mit „Mut antrinken, schön trinken“ - dieses freudlose an der Freude. Das ist aus „Ich glühe vor Glück“ geworden.
Und eigentlich macht der Junge ja alles richtig, und jetzt hat das Mädchen noch 60 Jahre vor sich und wird 60.000 mal an das erste Mal denken und es mit Sambucca und medizinischem Spülmittel in Verbindung bringen.
Ich find das todtraurig. Ich könnt gar nicht genau den Finger drauflegen, wieso, weil Chucky ja auch nett ist, aber das findet alles in so dummen Parametern statt.
Und das Tragische hier ist dann am Ende, dass er wirklich die Hand nach ihr ausstreckt und vielleicht „ahnt“: Oh je.
Das ist ein Absatz, der sagt: Wenn man Masken trägt, sollte man auch wissen, wo die Maske aufhört und man selbst anfängt.

Oder er könnte einfach bei mir und meiner Mutter wohnen. Wenn ich ihr erstmal erklärt habe, dass er kein Neonazi ist, wird sie ihn auch lieben.
Das ist ein wunderbarer Satz, den du da aus der Geschichte rausholst noch.

Ist schwer zu bewerten aus dem langweiligen Grund, dass ich die Hälfte schon kannte und die Hälfte, die ich schon kannte, dann geistig bisschen vorgespult hab, und das ist natürlich ein ganz anderes Leseempfinden. Ich mag die neuen Teile sehr gerne. Ich find den Anfang so lebensfroh und bunt. Die Welt scheint da so weit zu sein, trotz oder wegen ihrer Traurigkeit. Diese Möglichkeiten, die sie am Anfang der Geschichte hat, sich ein neues Leben zu suchen. Die Mutter macht ihr mal die Haare kurz und bisschen Henna rein und sie gibt einem Punk eine neue Waffel aus – und dann hat sie ein neues Leben. Das ist doch fantastisch. Die Passage mit Kati in London – das ist alles aufregend. Und dann find ich die Szene mit Chucky beeindruckend, ich hatte selten so ein schlechtes Gefühl im Mund, als ich was gelesen hab. Die Unsicherheit der Figur ist da gut eingefangen, mehr als gut. Sie kann nur Sex haben, wenn sie die Stimme in ihrem Kopf ausknipst. Das geht mit Alkohol. Nur fühlt sie nichts mehr. Das als „Idee“ - wär ausreichend für den Text, finde ich. (Um das zu verstärken, müsste vor Chucky der erfolglose Versuch nüchtern mit Sascha Sex zu haben, kommen - das ist als die Stelle mit Chucky beginnt schon gegeben: Ich kann nur mit Männern rummachen, wenn ich blau bin; wir sehen nicht, wie sie auf die Idee gekommen ist, das wäre das Scharnier zwischen 1 und 2, und eigentlich ein wichtiger Punkt).

So zerfällt der Text in 3 Teile. Der erste ist der Aufbruch, dass man jemand anders sein kann. Der zweite Teil ist dann vielleicht wirklich die Schlußfolgerung davon, dass man eben nicht jemand anders sein kann. Und der dritte klebt dann bisschen dran. :)
Das ist bisschen Frankensteinmäßig, Operation am offenen Herzen bei dem Text. Ich fänd's schwer für den Text jetzt einen roten Faden zu formulieren, der den dritten Teil noch unterkriegt. Und das Scharnierstück zwischen eins und zwei fehlt.
Mal ganz plakativ: Der Text formuliert im ersten Teil ein Problem: Während um Ina die Männer schwärmen, kriegt sie maximal die zweite Wahl und die will sie nicht. Und im zweiten Teil kriegt sie dann einen Mann – sogar einen der ersten Wahl – aber die angedeutete Idee, der Haken, ist das Clevere: Kann sie das nicht genießen, weil sie jemand anders „geworden“ ist, um das zu kriegen? Oder war das Ziel von Anfang an Quatsch? Gut, man könnte jetzt sagen: Im „dritten“ Teil wird das aufgegriffen, dass da eine intime Beziehung durchschimmert, aber wenn das der „rote Faden“ des Textes ist, dann ist der schon arg verschachtelt.

Bei so Geschichten, die mit einer Vielzahl von Figuren jonglieren, wäre wahrscheinlich die Lehrbuchmeinung zu versuchen, die anderen Figuren in einer Position anzuordnen, dass auch die die Haupthandlung spiegeln. Das wäre dann eine klare Struktur, die hier sehr schwierig ist und wahrscheinlich auch gar nicht gewünscht.
Ich hab neulich was gesehen … Dan Harmon's Story Circle. Der trifft auf deine Geschichte zu.

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Eigentlich ist der Story-Circle vorbei, wenn die Erzählerin wieder mit Ina zusammen ist. Du hängst daran noch das dritte Kapitel an, wenn man so will. Und da finde ich die Anknüpfungspunkte nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst.

Ich bin mir sicher, wenn ich dich halbwegs richtig einschätz, wird dich der Story-Circle grade nerven, aber davon ab: Ich finde du hast tolle Szenen in der Geschichten. Das erste Drittel ist wahnsinnig komisch ich, beim zweiten hab ich mich selten so mies gefühlt (also im „Das macht was mit mir-“Sinn) und das dritte kannte ich halt schon genau so.

Wenn es nach mir gegangen wäre, hättest du die letzte Geschichte schon unmöglich löschen dürfen, weil die zwar Fehler hatte, aber dadurch auch Charme. Hier die Geschichte find ich schwer zu „bewerten“ durch den „Ich kenn die Hälfte schon“-Faktor, aber ich find die Leistung hier wirklich bemerkenswert, ich denke du schreibst auf einem verdammt hohen Niveau.
Ich bin auf jeden Fall dein Fan. Ich les das echt gerne. Und ich finde – auch wenn das jetzt unangebracht ist – die Geschichten, bei denen ich das Gefühle habe, es ist „persönlich“: Die finde ich viel besser, als wenn du ins Abstrakte gehst.

Gruß
Quinn

 
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Hallo Quinn,

da bin ich sehr erleichtert, dass das für Dich größtenteils funktioniert. Das ist natürlich auch echt blöd für die Geschichte, dass die nicht so nen richtig frischen Start hat mit dem Vorläufertext. Andererseits hätte es diese Geschichte ohne den Vorläufertext und Eure Kritiken nicht gegeben. Wahrscheinlich musste ich echt gezwungen werden, mir da die Hände ein wenig schmutziger zu machen, eben nicht alles zu ironisieren wie Du meintest. Solche Themen wendet man halt lieber mit der Grillzange.

Alter, soviel zur PG12-Freigabe.
Ist erst ab 13. Ich hab mich einfach gezwungen, mich nicht zu zensieren, auch mit dem Rückholbändchen, das ist so unromantisch.

Und ich finde, es liegt daran, dass so „kleine“ Sachen im Text sind. Die ist links und die Ötzen sind wohl eher „rechts“, aber mit denen kann sie sich unterhalten, das macht Spaß, weil sie ein Thema haben. Das macht ja oft sexuellen Reiz aus,
Ja, so sind die Lager verteilt und es war mir halt auch wichtig zu zeigen, dass die neue Protagonistin schon leidenschaftliche Ideale hat. Nur mit den Ötzen ist es halt noch nicht so sexuell, da geht es eben um Politik und Puffpilze, während Ina da schon in die Erwachsenenwelt entfleucht.

Ich mag das gern, den Ton. Ich find das ist auch schon eine Ernsthaftigkeit dann, die ich gut finde. Ich hab das Gefühl: Das hier ist wichtig für das Mädchen. Das hier ist was Einschneidendes. Der Vorgängertext war: So ist ein Mittwoch bei uns. Das hier ist ganz anders. Hier hast du eine Entwicklung drin, die Geschichte bewegt sich auf etwas zu, nicht nur auf das Ende eines Abends, sondern auf was hin.
Ich hatte da eigentlich eine ziemlich klare Entwicklungslinie im Kopf. Im Grunde einen Entwicklungsroman im Zeitraffer. Und ich hab da unheimlich viel reingestopft an Themen. Die hängen für mich alle zusammen, aber es ist schon sehr voll.

Ich find das todtraurig. Ich könnt gar nicht genau den Finger drauflegen, wieso, weil Chucky ja auch nett ist, aber das findet alles in so dummen Parametern statt.
Und das Tragische hier ist dann am Ende, dass er wirklich die Hand nach ihr ausstreckt und vielleicht „ahnt“: Oh je.
Das ist ein Absatz, der sagt: Wenn man Masken trägt, sollte man auch wissen, wo die Maske aufhört und man selbst anfängt.
Das freut mich total, dass Du Dich beim Lesen so schlecht gefühlt hast. Denn so sollte es sein. Es kippt da einfach was im Laufe dieser Nacht. Und Chucky musste nett sein. Wenn er ein Arsch gewesen wäre, hätte das ja nichts mit ihr zu tun gehabt. So geht es darum, was mit ihr los ist, dass das selbst mit dem nettesten vorstellbaren Typen so kippt, dass sie ihn nicht an sich ranlassen kann. Ich mein, sie hätte ja auch einfach sagen können "nee, so weit heute noch nicht, massier mir lieber die Füße" und er hätte das wahrscheinlich getan.
Ich will jetzt auch nicht in der ersten Antwort direkt ausbreiten, was ich mir dazu gedacht habe, was da falsch läuft, aber "Masken" ist ein tolles Stichwort. Am Anfang ist es ja so, dass sie sich mit der Punkaufmachung aus der Unsichtbarkeit neben Ina katapultiert, zeigt "ich bin anders", sich da ein Stück emanzipiert. Aber irgendwo unterwegs wird das halt auch zu einer Maske hinter der sie sich versteckt. Also auf das Thema hat mich Novak mit ihrer Frage gebracht "warum Punk?"

Im „dritten“ Teil wird das aufgegriffen, dass da eine intime Beziehung durchschimmert, aber wenn das der „rote Faden“ des Textes ist, dann ist der schon arg verschachtelt.
Also ich hatte da wie gesagt ne bestimmte Entwicklung im Kopf, die ich darstellen wollte, auch im dritten Teil. Klar kann man sagen, Entwicklung gibt es bis zum Ende des 2. Teils auch, aber das endet ja mit einem Problem. Es reicht mir ja oft, einfach ein Dilemma zu zeigen, aber hier wollte ich mal was auserzählen. Es ist mir da auch was total Doofes passiert (wahrscheinlich hab ich mich zu sehr in die Protagonistin hineinversetzt), aber Chucky, der Skinhead auf dem weißen Pferd, als der da das Nest gebaut hat, war es um mich geschehen. Und dann noch die Hosenträger! rrrrrrraw! Dabei ist der doch erst 17 :sealed: Na ja, ich wollte ihn nicht gehen lassen und wollte, dass die Protagonistin auch erkennt, dass der gut für sie ist. Da konnte ich mich einfach nicht gegen wehren und habe es also geschehen lassen. Alle, die das kitschig finden, sollten nach Teil 2 aufhören zu lesen.
Und ich hab schon auch viel geändert im 3. Teil. Äußerlich ist der ganz ähnlich, aber innerlich quasi entgegengesetzt. Also die Wirkung von Chuckys Enthüllung ist ja ganz anders als bei Marcel, nicht so herzlos. Das wollte ich auch irgendwie wieder gutmachen, nach Andreas Kommentar. Und die Szene mit dem Krombacher ist jetzt anders.

Aber gut, vielleicht gibt es ja noch den ein oder anderen Neuleser, oder einen Altleser mit Demenz.

Hat mich jedenfalls total gefreut, Dein Kommentar!

Danke,

fiz

P.S.: Den Sex mit Sascha kann ich nicht vorziehen, denn nüchtern würde sie mit ihrem besten Freund nicht schlafen. Und sie fürchtet sich auch zu sehr vorm Sex, um das nüchtern zu versuchen. Das muss nicht einmal wirklich schief gegangen sein, damit sie sich sich nachher immer betrinken muss. Sie hat ja schon im Bus komische Einstellugen zu Sex, ohne irgendwelche Erahrungen.

 
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Hallo feirefiz,

ich will so viel nicht dazu sagen, hab nicht so die Zeit, aber ich habs auch gerne gelesen. Es war ganz komisch: zwischendurch hab ich voll an Kubus denken müssen. Also wenn er das geschrieben hätte … das hätte ich glatt geglaubt. Gerade wenn ich so an den Anfang von "Gift" denke oder so. Ich stelle das jetzt nur fest, will gar nichts damit sagen.
Meien Lieblingsteil ist glaub der Anfang, den Beginn find ich richtig gut, mit der Haut und so, und dann das mit Chucky, also die ganze Szene mit Chucky und dem Sex und alles, da war ich voll drin, das fand ich auch richtig gut und spannend geschrieben, hatte auch irgendwie ein komisches Gefühl beim Lesen. Da nimmst du dir dann auch Zeit für die ganze Szene, bzw. das ist eine Szene, bei den anderen Stellen ist es ja so ein Schwimmen von Poesie zum Witz, zur kluger Beobachtung, dann bisschen Porno, auf einmal wünscht sie sich einen Glory Hole! :) und zurück zum schlauen, eleganten Detail … natürlich ist das nicht schlacht oder vielleicht sogar steil, ich stell mir aber trotzdem die Frage, inwieweit ein solcher Stil und und solche Sprachfähigkeiten im Rahmen eines Rahmens wirken könnten?
So die Aufmerksamkeit wird hier halt auf jeden schönen Satz gelenkt, auf jedes schöne Bild, auf jeden schönen Gedanken, auf jede schöne Szene, so für sich halt. Und das ist alles auch sehr gut toll. Und beim "klassischen" Erzählen, da hält man den Leser ein bisschen hin oder man führt ihn extra in die falsche Richtung, oder man schiebt extra etwas vor, oder man deutet etwas an … also ich glaube, man kämpft da wirklich um die Aufmerksameit des Lesers. Bzw, man tut es ungern, aber man ist sich zumindest dessen bewusst. Da sagt man: hier kommt eine neue Figur, pass jetzt auf! Weil diese Figur ist wichtig! Diese Figur wirst du hassen lernen! Diese Figur wirst du lieben! Da daaa! Und bei dir kommen und gehen Figuren am laufenden Band. Wenn ich mitten im Text bin, weiß ich bestimmt nicht, ob das der letzte Absatz sein wird, in der Mira drin vorkommt oder Kati, oder wer von denen jetzt wichtiger war und ob das überahaupt eine Rolle spielt? Cucky war wichtig. Und dann hat sie mit ihm Sex und … paar Monate verstreichen und wenn er nie wieder vorkommt würde es mich auch nicht wunden.
Das ist wie eine Vorlesung, wo der Dozent dann plötzlich sagt, okay … das hier ist wichtig für die Prüfung … Und plötzlich alle hören zu. Oder: das ist aber ganz wichtig … wenn du später mal xyz machen willst, und nicht weiß, dass Wittgenstein xzz gemacht hat, dann kannst du gleich packen gehen! Das war nämlcih so!:
Und dann hören echt alle zu.
Und ein anderer betet es halt runter und sagt: selbstverständlcih ist alles wichtig und prüfungsrelevant …
Jetzt kannst du sagen: Wer Wittgenstein wirklich liebt scheißt auf Prüfungsrelevanz!
Okay. Mir fällt das halt auf.
Vielleicht hängt das auch ein bisschen mit der Entstehung des Textes zusammen. Kann sein, das ich da auch ein bisschen empfindlich bin. Ich denke, solang Texte noch von der Länge her überschaubar sind, ist das auch völlig okay, dann ist das auch irgendwie egal, aber ab einer bestimmten Länge … wenn sich das Ganze ohne eindeutige Richtung zieht, und dann so schnelle Wechsel auch … man muss nicht alles auf Effekt bürsten, man muss nicht viel ändern, der Stil ist toll, aber wenn der Text etwas wenige Figuren hätte, und du die dann etwas krasser unter die Lupe nehmen würdest, so wie bei Chucky eine Zeitlang, also wenn das Ganze einfach ein Tick einheitlicher wär, und du nicht drei Mal alle Figuren austauschen und fünf mal das Setting wechseln würdest ... dann hätte es mir glaub besser gefallen. Wer weiß, vielleicht geht es nur mir so. So ist das natürlich auch ein sehr guter Text, keine Frage. Der Anfang gefällt mir insegesamt besser … also ich kann sehen, wie sie Ina verlässt und so, das hat schon Richtung, das finde ich alles sehr gut auch. Ich find man merkt, du hast dir auch richtig Mühe gegeben, und da sind auch mutige Szenen drin.
Es ist schon ein bisschen stilisiert und allles, aber durchaus aus der Sicht einer Jugendlichen, zumindest wär mir da nichts aufgefallen, wo es es mich rausgerissen hätte. Also mit der Erzählsicht an sich hatte ich keine Probleme.


MfG,

JuJu

 

Hey feirefiz,

sehr schön! Ich mein, das ist schon sehr typischer feiretext, und ich mag ja gern, wenn sich deine Worte da räckeln und sträckeln und die Sätze so feinsinnig strahlen und dieser fiese, hinterhältige Humor hinter all dem, doch ich mag das gern. Das ist komisch. Bei Dir strahlt sogar Menstruationsblut und Dönerkotze - ich denk da nur, mein Gott, sie liebt ihre Figuren wirklich, dass nicht mal das was abstoßendes hat :).

Ich geh mal chronologisch durch den Text, ich habe da nämlich noch so Fragen, auf die ich mir auch nach einem zweiten Lesedurchgang keinen rechten Reim machen kann.

Seit ich menstruiere, habe ich auch eine Haut. Aber die ist nicht wie Inas.

Hehe!

Du hast echt Glück gehabt, dass du beim ersten Mal ne Binde dabeihattest. Ich hab mir die ganze Hose versaut.“
Deshalb konnten wir nicht zusammen feiern, als ich wirklich meine Tage bekommen habe.
Früher haben uns die Leute oft gefragt, ob wir Schwestern oder sogar Zwillinge sind. Seit wir menstruieren, tut das keiner mehr.

Das auch. Schöner Einstieg.

Adrian traut sich nicht zu spingen und ich habe Jens’ elegante Köpper schon hundertmal gesehen.

„Was hast du am Wochenende gemacht?“, „Magst du Katzen oder Hunde lieber?“, „Kennst du gute Witze?“, „Was ist Dein Lieblingsessen?“

klein, oder?

Adrian machte: „hm“, „weiß nicht“, „hm“, „weiß nicht“, „nix“, „weiß nicht“, „nee“, „Kartoffeln“.

Das ist eine ausgesprochen feine Personenbeschreibung. Ich mein, der Typ lässt einem ja kaum ne Wahl, als sich von ihm abzuwenden.

Aber ich tue mir auch leid. Wir sitzen in derselben Patsche. Wir sind Geiseln von Inas Menstruation.

Irgendwann dachte ich ja, ist ja nun mal gut mit Inas Menstruation - aber irgendwie ist die auch so verdammt witzig.

„Das ist doch nur Babyspeck. Das verwächst sich wieder“, sagt meine Mutter, wenn ich wieder heulend und zeternd in irgendeiner Umkleidekabine stehe.

Ich finds hier nicht stilistisch schön.

Mein Vater ist da anders, der weiß Bescheid. Als er mich letztens zum Wochenende abgeholt hat, hat er so auf meine Oberschenkel geguckt, die ich leichtsinnigerweise nicht hochgestellt hatte, und gefragt: „Fühlst du dich so eigentlich wohl?“

Das sind so Stellen, wo es mir einfach nur die Mundwinkel nach oben zieht.

Vielleicht hat es vor allem deshalb wehgetan, weil sich der riesige Michael mit seinem ganzen Gewicht auf die winzige Nicole gelegt hat, ohne sich um die Stöcke und Steine unter ihr zu scheren. Michael ist eh ein Arsch, das hätte Nicole eigentlich auch wissen können. Aber Nicole hat nicht so die Wahl. Sie hat keine Haut wie Ina und mit ihren Pferdezähnen muss sie nehmen, was sie kriegen kann. Am fairsten wäre es eigentlich, wenn es eine Wand gäbe, mit Löchern drin. Da können sich die Mädchen auf die eine Seite legen und die Jungs ihre Pimmel von der anderen Seite reinstecken ...

Sowohl Michael und Nicole, als auch die Wand - auch so Highlights für mich.

Von nun an lasse xx mich jeden Tag von Michael und seinen Freunden als „linke Bazille“ beschimpfen,

fehlt ein "ich"

Wenn ich jetzt mit Ina unterwegs bin, fragt niemand mehr, ob wir Schwestern sind und die meisten glauben nicht mal, dass sie meine Freundin ist.

Oha - da nabelt sie sich von ihrer besten Freundin ab. Großer Schritt, kommt schnell und konsequent daher. Ich dachte immer, man nabelt sich von zuhause ab, aber sie macht das gleich mit ihrem ganzen sozialem Umfeld - da hatte ich schon mal ne Menge Respekt vor ihr. Also, ihre Motivation und so, dass findet sich schon im Text und ich denke auch nicht, dass man da mehr erklären und vorbereiten muss, war nur so - oha - halt.

Bei meiner vierten Marktplatzrunde bleibe ich beim Zuckerstand stehen und kaufe eine Waffel.

wegen"bei" und "beim" bevorzuge ich:
Bei der vierten Marktplatzrunde bleibe ich am Zuckerstand stehen und kaufe eine Waffel.

Abends im Bett kann ich nicht schlafen, weil ich vor Glück glühe.

Ich habe mich auch sehr für sie gefreut und gleich mitgeglüht. Echt!

Also den 14- Lebensabschnitt, da war echt noch diese Leichtigkeit drin, das Spiel zwischen ich will Frau sein und bin doch noch Kind, weil stucken viel mehr Spaß macht, als Männerkörper angucken. Und dann auch der Schritt - hey - jetzt wird aber Zeit mit Kinderkacke aufzuhören, jetzt werde ich Punk und auf grau neben Ina mit der Haut zu sein, habe ich auch keinen Bock. Das fand ich schon schön ins literarische übersetzt, keine Ahnung, wie da 14jährige drüberlesen, aber ich fand das sehr treffend.


In jedem Fall liefert eine Scheibe Brot mindestens zwanzig Minuten Unterhaltung.

Das Spiel kenne ich auch gut. Will nicht wissen, wie viele Stunden meines Lebens ich mit englisch/irischem Toastbrot verbracht habe.

Wir machen viel Lärm, als mit unseren neuen Gürteln, Ketten und Ohrringen zum Bahnhof hinaufklettern. Jan und Sascha sind schon da, auch der Reul.
Mira lässt uns wie immer warten.

So, hier hatte ich das erste Mal ein Ortungsproblem. Sind die jetzt immer noch in London? Weil die warten ja auf den Bus eigentlich ...

Der Zug, den wir uns rausgesucht haben, fährt ein und ohne uns wieder aus. Ohne Mira würde Jan nicht mitkommen. Also haben wir eine halbe Stunde für den Bahnhofsimbiss. Das reicht allerdings immer noch nicht, um meinen Wochenenddöner zu mümmeln.

Und hier komme ich zu der Erkenntnis - nö - weil der Bus ja bald fährt und auf den scheint hier niemand mehr zu warten. Und dann kam ein Satz, der inzwischen schon wieder weg ist - gut so - der mich nämlich doch wieder auf London brachte. Die U-Bahnmäuse. Dann wäre ich jetzt vielleicht nicht mehr so verwirrt, aber ich würde mir schon wünschen, das Orts- und Zeitwechsel hier etwas deutlicher - für so Leute wie mich, eine echte Hilfe.

Ich spanne meine Beckenbodenmuskeln an. Ich habe zwar kein Kind geboren, aber wer weiß, vielleicht bin ich trotzdem Hausflur, genetisch gesehen. Wenn man innen so vermurkst wäre, könnte man wohl nicht viel dran machen.

lol

Ja, die Zugszene mit den Prolls bringt mir irgendwie nicht viel. Da kommen wieder ein paar Figuren ins Spiel, die aber weiter nicht wichtig sind (wer braucht einen Reul?), und für deine Prot. lese ich da auch nicht viel raus. Sie leckt halt irgendwem die Zähne sauber. Nun gut.

Sowas halt. Es ist zu einfach. Einmal haben Sascha und ich gewettet, ob ich den Sänger dieser Band klarmachen könnte. Er hat verloren.

Mmmh? Aber sie ist zu diesem Zeitpunkt schon noch Jungfrau? Was heißt dann klarmachen? Bisschen Knutschen? Frag das nur, weil ich sie ab hier nicht mehr für unschuldig halte und dann hat sie auf einmal ihren ersten Sex ...

Aber an einen hab ich mich bisher nicht rangetraut, das ist Chucky, der schönste Mann der Welt. Der schönste Mann der Welt ist Skinhead und ich habe schon ein paar Mal von seinen Hosenträgern geträumt, aber ich habe noch nie mit ihm gesprochen.

Ach ja ... schön!

„Ich hab ein neues Zungenpiercing“, sagt er „aber dem geht’s nicht so gut. Ich habe Schmerzmittel genommen und Antibiotika. Und ich habe Bier getrunken. Jetzt versuche ich einfach, nicht umzufallen.“
„Verstehe“, sage ich und bin sauer. Jetzt ist der schönste Mann der Welt einmal so betrunken, dass ich mich nicht vor ihm fürchten muss, aber dafür hat er eine entzündete Zunge. Das Leben ist ungerecht!

Die Ärmste! Ich fühle mit ihr.

Wir dürfen hinter der Bar hergehen und uns durch eine niedrige Tür ducken.

hinter der Bar hergehen - verstehe ich nicht, wie das geht

Sex mit Chucky finde ich toll! Dieses warten auf das große Gefühl - da muss doch was kommen, aber da kommt nix - da war ich ganz bei ihr. Ich fand das auch ganz lieb von dem Chucky, wie er sich danach um sie bemüht und alles so richtig macht, ich weiß aber nicht, warum sie da so auf Abstand macht. Ist er ihr zuviel? Ist es uncool vor den anderen? Hat Chuckys weißer Mondarsch den Zauber vom schönsten Mann der Welt gebrochen?
Und ich halte sie eigentlich nicht für so cool - das erste Mal und dann: geh spielen, Kleiner! - so will sie mir nicht vorkommen.

„Ich will ihn nicht. Er war mir auf einmal so fies. Ich bin plötzlich ganz ekelhaft nüchtern geworden“, sage ich.

Reicht mir nicht, weil verstehe ich auch nicht.

Als ich Chucky ein paar Monate später wiedersehe, hat er ein Reene mit albernen Ohrpuscheln am Arm.

ein Reene - was? Ist das männlich oder weiblich?

„Ist mir egal“, sage ich, aber ich bin trotzdem froh, dass er Mira nicht anfasst.

Jaja, die Frauen :).

Teil "15" finde ich auch sehr gelungen. Da schwimmt sie halt so mit und sucht sich und findet sich doch nicht, aber irgendwie muss ja mal und dann wieder einen Schritt zurück, naja, besser nicht zu viel Chucky, nur nicht festlegen und vor allem noch nicht erkennen, was gut ist für einen ist. Was gut für einen ist, wissen viel zu oft die Eltern und das ist meistens aus der eigenen Sicht nie gut.

Später sitze ich auf seinem Schoß und mache mit ihm und Sascha rum. Nochmal später finde ich mich allein mit Sascha im kleinen Zimmer wieder. Ich liege nackt auf ihm und nichts funktioniert: zu schlapp, zu trocken, zu betrunken. Da fällt uns ein, dass wir ja jetzt gar kein Publikum mehr haben.

Ich hatte vorher nicht das Gefühl, dass sie das wegen des Publikums getan haben. Die haben sich für mich etwas verspielt halt, als sie den "Sex erst in der Ehe Typen" verwirren wollten. Also, der Satz hat für mich in Fassung eins gepasst, hier nicht mehr. Ich fände es auch lustiger, wenn die da so wieder zu sich kommen und fragen, was machen wir hier eigentlich für einen Scheiß?

Und spätestens hier frage ich mich, welche Rolle Sascha eigentlich für sie spielt. Kati ist klar, Chucky ist klar, Sascha ist mir unklar. Der ist zwar sehr dominat vorhanden, aber in welcher Beziehung zu ihr - weiß nicht. Du schreibst dann später in deiner Antwort zu Quinn:

P.S.: Den Sex mit Sascha kann ich nicht vorziehen, denn nüchtern würde sie mit ihrem besten Freund nicht schlafen.

Ich hätte Sascha schon auch gern als ihren besten Freund irgendwie wahrgenommen. Der ist eben da, wie so viele andere auch, nur eben ein bisschen öfter.

Es gibt einen zeremonieller Biertausch zwischen Mira und dem Abschaum.

Ich hab ein Foto gemacht. Und dieser andere Bulle steht daneben und wird immer pissiger. Und dann fragt Sascha ‚Was müsste ich tun, um von ihnen festgenommen zu werden?‘ Und sie sagt nur, ‚Komm, das reicht jetzt.‘

Auch groß, oder?

Und am Ende wird sie halt so ein bisschen erwachsen, das finde ich irgendwie schön. Auch den Satz mit der Mutter - sie wird ihn mögen, wenn ich ihr erst mal klar gemacht habe ... sehr fein.
Allerdings kommt Chucky da in so ein Mitleidsdings von ihr, ich würde mir vorher schon mal einen heimlichen Blick und einen verbotenen Gedanken wünschen - vielleicht hätte ich doch ... - so ist es für mich ein bisschen, ach der Chucky, na warum eigentlich nicht, und wo er jetzt auch noch so verletzlich ist und das mögen wir Frauen ja, da springen ja sofort die Instinkte an - ja, aus der Schublade hätte ich ihn persönlich gern raus. Fehlen ja nur zwei, drei Halbsätze vorweg.

Das wars. Sehr schön. Hast Dir wirklich viel Zeit und Zeilen genommen. Ist immer noch voll mit Themen, aber ich habe jetzt zumindest das Gefühl, einen roten Faden zu haben der sich mit der Prot. durch das Geschehen zieht. Das hatte ich vorher nicht, da hatte ich so viele lose Enden.

Habe ich sehr gerne gelesen!
Lieben Gruß, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JuJu,

Es war ganz komisch: zwischendurch hab ich voll an Kubus denken müssen. Also wenn er das geschrieben hätte … das hätte ich glatt geglaubt. Gerade wenn ich so an den Anfang von "Gift" denke oder so. Ich stelle das jetzt nur fest, will gar nichts damit sagen.
Das ist schonmal kein schlechter Einstieg, weil ich "Gift" total super finde. Es ist allerdings auch eine untypische Kurzgeschichte, die den Protagonisten sehr lange begleitet und so ne langfristige Entwicklung zeigt.

inwieweit ein solcher Stil und und solche Sprachfähigkeiten im Rahmen eines Rahmens wirken könnten
Hmm, ich find den Stil eigentlich gar nicht so krass hier, also im Vergleich zu anderem Zeug, was ich so geschrieben hat sind da ja zum Beispiel recht wenig poetische Beschreibungen drin - nur einmal mit dem Augsburger-Puppenkistenmeer und dem Mondlicht, um diese schräge Atmosphäre einzufangen. Also kann natürlich sein, dass der Stil auffälliger wird, wenn man eh grad so ein bisschen orientierungslos in der Geschichte ist.

Wenn ich mitten im Text bin, weiß ich bestimmt nicht, ob das der letzte Absatz sein wird, in der Mira drin vorkommt oder Kati, oder wer von denen jetzt wichtiger war und ob das überahaupt eine Rolle spielt? Cucky war wichtig. Und dann hat sie mit ihm Sex und … paar Monate verstreichen und wenn er nie wieder vorkommt würde es mich auch nicht wunden.
Ich versteh, was Du meinst, und ich hab auch erwartet, dass das kommt, weil der Text zweifellos sehr voll ist. Und bei allem, was da außen passiert, geht es eigentlich um die Handlung innerhalb der Protagonistin, die dazu noch ne ziemlich verschrobene Psychologie hat. Das ist ein anstrengender Text, weil das ein ganzes Figurennetz und son Psychogeflecht ist, wo alles auf ganz komische Weise zusammenhängt. Als ich einer Freundin erzählt hab, worum es in diesem Text alles gehen soll, meinte sie, ich soll doch lieber einen Roman schreiben. Und von der Anlage ist es auch eher Roman. Da gibt es überhaupt keine Einheit von Ort, Zeit, Personal - nur die Protagonistin, die sich da an ihren Themen (Körper, Männer, Sex, Freundschaft) abarbeitet und sich irgendwie entwickelt. Und ja, Du hast es sicher schon kommen sehen, für mich ist alles prüfungsrelevant. Und mit so Hinweisschildern hab ich es einfach nicht so. Auch wenn ich an meine liebsten Texte denke, als Jugendtext jetzt mal "Novemberkatzen", da treibt man auch so mit einem leicht gestörten Mädchen durch ihr Leben und irgendwann ist das Buch vorbei, aber es bleibt ganz viel Gefühl und beklemmende Szenen hängen, ohne dass man das einfach interpretieren könnte. Oder bei Jos letzten Text, da war ich auch glücklich, einfach mitzutreiben. Wenn ich was gerne lese, vom Stil und den Figuren her, frag ich mich unterwegs meist nicht so viel, wo es nun hinwill. Wie gesagt, ich hab da schon nen roten Faden drin, aber ich kann nachvollziehen, wenn den nicht jeder sieht. Vielleicht fällt mir ja noch ein Kompromiss dazu ein.
Aber ich hab mir auch gedacht, egal, ich mach diese Figur jetzt so komplex, wie das für mich sein muss, egal wie lang das wird und egal, wie viele Personen und Themen es dazu braucht. Wie gesagt, es ist eigentlich keine richtige Kurzgeschichte und bestimmt ein Scheiß-Internettext. Aber die meisten Texte hier sind ja anders, auch meine. Da hat man ein paar Szenen und 3,5 Figuren. Ich hab das Challenge-Thema auch deshalb ausgesucht, weil ich das spannend fand, mal was anderes, mehrfiguriges zu versuchen. Ich bin ja sonst selbst immer ganz vorne mit dabei, nach der Streichung unnützer und blasser Figuren zu krähen. Hab mich aber bemüht, dass hier jede Figur ein Gesicht und eine Funktion kriegt.

Also ich fand das cool, als Jo bei "Zuckerbrot und Peitsche" gesagt hat, dass sie Wimmelbildtexte mag. Ich mag die auch. Ist allerdings ne berechtigte Frage, ob man Wimmelbildtexte auch über 13 Seiten aushält. Das kann ich natürlich selbst nicht sagen. Also nehm ich Deinen Leseeindruck da schon ernst. Ich glaub auch nicht, dass der Text sich hier voll zum Renner entwickeln wird, eben weil er so lang ist und so voll und unhandlich.

Es ist schon ein bisschen stilisiert und allles, aber durchaus aus der Sicht einer Jugendlichen, zumindest wär mir da nichts aufgefallen, wo es es mich rausgerissen hätte. Also mit der Erzählsicht an sich hatte ich keine Probleme.
Das freut mich. War ja im ersten Text wohl anders bei den meisten.

Danke für Deinen Kommentar.

Hallo Fliege,

freut mich sehr, dass es Dir so gut gefallen hat, wobei Du auch hinterhältigen Humor gefunden hast, wo ich ihn gar nicht bewusst reingesteckt hab. Aber ich mach mal der Reihe nach.

Irgendwann dachte ich ja, ist ja nun mal gut mit Inas Menstruation - aber irgendwie ist die auch so verdammt witzig.
Ja, da dachte ich mir auch, wie oft kannst Du noch Men-stru-a-tion schreiben, ohne dass vor allem männliche Leser schreiend weglaufen. Aber diese Faszination damit, die einem heute so fremd ist, war für mich halt typisch für dieses Alter.

Das sind so Stellen, wo es mir einfach nur die Mundwinkel nach oben zieht.
Nach oben? :susp: Fliege, Du Stein, das ist doch nicht witzig, wenn ihr Vater ihr sagt, so wie du aussiehst, wirst Du keinen abbekommen. Das ist Drama! Und Trauma!

So, hier hatte ich das erste Mal ein Ortungsproblem. Sind die jetzt immer noch in London? Weil die warten ja auf den Bus eigentlich ...
Ja, Scheiße, das war doof von mir. Wird geklärt.

Das zum Beispiel fand ich gar nicht witzig. Das ist scheiße, wenn man Körperkomplexe hat, sich mühsam runterhungert und sich dann plötzlich auch noch um innere Defizienz sorgen muss, die man gar nicht beeinflussen kann. Also klar bin ich selber ein bisschen schuld, weil ich das so vordergründig witzig verpacke, aber ich meinte es so Lachen-im-Hals-steckenbleiben.

Ja, die Zugszene mit den Prolls bringt mir irgendwie nicht viel. Da kommen wieder ein paar Figuren ins Spiel, die aber weiter nicht wichtig sind (wer braucht einen Reul?), und für deine Prot. lese ich da auch nicht viel raus. Sie leckt halt irgendwem die Zähne sauber. Nun gut.
Da hattest Du noch die ältere Version, das ist jetzt zusammengestrichen, weil ich Marcel weghaben wollte, der sollte Chucky nicht die Show stehlen. Aber der Reul, hm, diese Beziehung zwischen Kati und dem Reul zeigt für mich, wie in dieser Gruppe mit Sex und Beziehung umgegangen wird, auf so ne abgewichste Art halt.

ein Reene - was? Ist das männlich oder weiblich?
das sind die Skinhead-Mädels. Google mal, dann weißt Du auch, was ich mit albernen Ohrpuscheln meine.

Mmmh? Aber sie ist zu diesem Zeitpunkt schon noch Jungfrau? Was heißt dann klarmachen? Bisschen Knutschen?
jo, nur Knutschen. Sonst wüsste sie ja, ob sie Hausflur ist.

hinter der Bar hergehen - verstehe ich nicht, wie das geht
also da ist die Bar und hinter der Bar der Barmann und hinter dem Barmann die Tür. Und normal darf man nicht in den Hinterderbarbereich.

Sex mit Chucky finde ich toll! Dieses warten auf das große Gefühl - da muss doch was kommen, aber da kommt nix - da war ich ganz bei ihr. Ich fand das auch ganz lieb von dem Chucky, wie er sich danach um sie bemüht und alles so richtig macht, ich weiß aber nicht, warum sie da so auf Abstand macht. Ist er ihr zuviel? Ist es uncool vor den anderen? Hat Chuckys weißer Mondarsch den Zauber vom schönsten Mann der Welt gebrochen?
Und ich halte sie eigentlich nicht für so cool - das erste Mal und dann: geh spielen, Kleiner! - so will sie mir nicht vorkommen.
Ja, das ist das große Rätsel. Das versteht sie selber ja nicht ganz und deshalb kann sie es Ina nicht so recht erklären. Die ist natürlich überhaupt nicht cool, sondern tut so, weil sie Schiß hat. Da hat sie es praktisch, dass Gefühle da eh Hippiekacke sind in ihrer Gang. Ich glaub, wenn man immer denkt "keiner will mich, keiner sieht mich", es sei denn, man ist völlig breit, kann man sich nicht so gut auf Intimität einlassen, selbst wenn da plötzlich einer ist, der einen will und sieht. Das ist einfach eingeprägt. Und sie hat sich mit dieser gespielten Coolness ja auch völlig überfordert, dass sie sich nicht mal traut zu sagen "he langsam, ich kenn mich nicht so aus", dass sie überhaupt nicht dabeisein kann vor lauter Angst was falsch zu machen oder falsch zu sein. Klar hat sie da after-sex-Kater, oder eher after-sex-Katze - die sind ja immer so fies hinterher.

Ich hatte vorher nicht das Gefühl, dass sie das wegen des Publikums getan haben. Die haben sich für mich etwas verspielt halt, als sie den "Sex erst in der Ehe Typen" verwirren wollten. Also, der Satz hat für mich in Fassung eins gepasst, hier nicht mehr. Ich fände es auch lustiger, wenn die da so wieder zu sich kommen und fragen, was machen wir hier eigentlich für einen Scheiß?
Naja, die liefern dem Jesus-Freak ja ne Show irgendwie. Muss mal gucken, wie ich das deutlicher machen kann. Aber auch die Stelle soll eigentlich nicht lustig sein, weil das was zwischen denen komisch macht.

Ich hätte Sascha schon auch gern als ihren besten Freund irgendwie wahrgenommen. Der ist eben da, wie so viele andere auch, nur eben ein bisschen öfter.
Mal gucken, was ich da tun kann.

Allerdings kommt Chucky da in so ein Mitleidsdings von ihr, ich würde mir vorher schon mal einen heimlichen Blick und einen verbotenen Gedanken wünschen - vielleicht hätte ich doch ... - so ist es für mich ein bisschen, ach der Chucky, na warum eigentlich nicht, und wo er jetzt auch noch so verletzlich ist und das mögen wir Frauen ja, da springen ja sofort die Instinkte an - ja, aus der Schublade hätte ich ihn persönlich gern raus. Fehlen ja nur zwei, drei Halbsätze vorweg.
Nichts leichter als das. :D Mehr Chucky-Sexgedanken denke ich mir gerne aus. Ich hatte ursprünglich schon noch gedacht, dass Chucky etwas heldenhaft Rebellisches sagt, also dass er sich für seine Freiheit halt verprügeln lässt und dass sie das dann heiß macht. Vielleicht ist diese Mischung aus Verletzlichkeit und Rebellion das, was es hier braucht. Wobei "Wunden lecken" ja auch nicht nur brav ist.
edit: Ich könnte ein Zitat aus meiner Lieblingsteenagerserie "my mad fat diary" variieren: "I'd shag him until there was nothing left. Just a pair of braces and a damp patch."

Also ja, hab mich sehr über Deinen Kommentar gefreut, vor allem über den roten Faden. Die Verbesserungsvorschläge werden umgehend eingearbeitet. Die Stellen, die unverständlich waren, das ist natürlich doof. Ich kann das natürlich alles hier erklären, weil da schon ein Plan hinter steckt, aber das ist ja nicht der Sinn der Sache. Mal gucken, wo ich da was deutlicher machen kann. Also bei Chucky will ich eigentlich nicht deutlicher werden, an anderen Stellen schon eher.

Also vielen Dank für den Kommentar!

lg,
fiz

 

Dat da hazze aba doch extra wegen mich jetan, wa’?

Wir sind in Oberhausen und er ist Oberhausener, kennt dementsprechend jeden im Laden, auch den Typen hinter der Bar.

Is it me for a moment?, wie nicht nur die Who besorgt fragen. Aber nee, die Zeit des Kanak(en)deutsch (literarisch begründet mit Feridun Zaimoglu) ist schon selbst Historie, wiewohl ich mich zu dieser Zeit – Anfang der 1990-er Jahre - siehe
Blut versus Öl
durchaus in den Musikzelten (MCR und schräg gegenüber Blue Moon) einiges reinzog (mehrmals Mink DeVille, bei allen andern reichte einmal) – aber garantiert nicht mit Skins – und die Antwort auf die Frage
„Magst du Katzen oder Hunde lieber?“
kennze doch!

Aber sonst – alles schon gesagt? – Die jüngern sind näher dran, und während des Golfkriegs des senior Bushrangers wars eigen Töchterlein schon teenaged, also werde ich mich bescheiden in das, was wohl großzügig übersehen wird …

Ja, da bin ich dann nochmals,

liebe® Vaire-fils,

ganz ohne Konjunktief, dafür mit freiwilliger, also bewusst eingesetzter Situationskomik

Seit ich menstruiere, habe ich auch eine Haut,
oder
... Der schönste Mann der Welt ist Skinhead und ich habe schon ein paar Mal von seinen Hosenträgern geträumt, …
bis hin zur Gemeinschaft mit Humboldt (dem Willi), Gauß und Kehlmann (die netterweise erhalten blieb
In der Londoner Jugendherberge haben Kati und ich eine Skizze von Mira angefertigt, auf der alles kartographiert ist.

Bleibt’n bissken Flüchtigkeit (bei der Länge der Geschichte an sich ja schon eher unwahrscheinlich)

„Nun hör doch endlich mit dem Gefrickel auf. Das mach[t] einen ja wahnsinnig“, sage ich.

ok // sowas // erstmal // nochmal //avantgarde
o. k. oder okay, so was, erst mal (oder: erstmals, noch mal, oder nochmals, Avantgarde (oder doch frz.?)

Warum tu ich das? Allen Teenagern zu liebe, alss gewesener Ausbilder im kaufm. Bereich weiß ich, dass Flüchtigkeit mancher Bewerbung Scheitern bedeutet …

Das ist alles sehr sehr gut.
Hypersuperdiagoneknackssspezial!, sag ich sogar, und nich' nur „sehr, sehr“ gut! bis dann doch (wie schon vordem)
„Das ist verboten“, sagt der jüngere Bulle. „Ich fordere ie auf, das Gelände unverzüglich zu verlassen.“
Die Behörde kennt doch noch Höfe, ist hövesch und hovelich, dass man doch’s Anredepronomen heraushört (sonst würden die Hattinger Beamte „euch“ oder gar „ihr Pappnasen“ gesagt haben)! Wie auch’n paar Zeilen später:
„Ich fordere sie noch einmal auf, das Gelände sofort zu verlassen. Sonst werden wir sie wegen Hausfriedensbruchs festnehmen.“

Übrigens trug ich auch seinerzeit mit Botschaften versehene Kleidung. Auf der Parka stand der Franz Villon (Werd ich am Galgen hochgezogen, / weiß ich, wie schwer mein Arsch gewogen) einträchtig neben Brecht, der auch mal den ganzen Rücken zugesprochen bekam:

Es war einmal ein Mann / Der fing das Trinken an
Mit achtzehn Jahren, und - / Daran ging er zugrund.
Er starb mit achtzig Jahr / Woran, ist sonnenklar. //
Es war einmal ein Kind / Das starb viel zu geschwind
Mit einem Jahre, und - / Daran ging es zugrund.
Nie trank es: das ist klar / Und starb mit einem Jahr. //
Daraus erkennt ihr wohl, / Wir harmlos Alkohol ...​

Ich wiederhol mich geerne:
sehr sehr gern gelesen vom

vridel

 

Hallo vridel,

schön, dass Du nochmal vorbeiguckst und dass es Dir offenbar besser gefällt als vorher.

Dat da hazze aba doch extra wegen mich jetan, wa’?
Doch. Natürlich :D

Mit dem Blut vs Öl und der Frage, ob die Amis da jetzt Bomben draufschmeißen sollten, hab ich mir gedacht, da bin ich ganz geschickt, das ist immer wieder aktuell.

Avantgarde (oder doch frz.?)
das hab ich einfach mal frech als Adjektiv benutzt, statt des hässlich verdeutschten "avantgardistisch". Ich hoffe, damit scheitert meine Bewerbung jetzt nicht.

Die Behörde kennt doch noch Höfe, ist hövesch und hovelich, dass man doch’s Anredepronomen heraushört (sonst würden die Hattinger Beamte „euch“ oder gar „ihr Pappnasen“ gesagt haben)! Wie auch’n paar Zeilen später:
Da bin ich mir immer unsicher. Denn wenn die Beamten sprechen, hört man ja nicht, ob sie groß oder klein "ihr" sagen. Ist das nicht eher ne Höflichkeit, die nur im formellen Anschreiben wirkt? Ich weiß es wirklich nicht.

Übrigens trug ich auch seinerzeit mit Botschaften versehene Kleidung. Auf der Parka stand der Franz Villon (Werd ich am Galgen hochgezogen, / weiß ich, wie schwer mein Arsch gewogen) einträchtig neben Brecht, der auch mal den ganzen Rücken zugesprochen bekam
Das ist schön. Identität über Kleidung find ich immer spannend. Das sollte man auch nicht als Oberflächlichkeit abtun.

Danke für Deinen Kommentar!

lg,
fiz

 

Da bin ich mir immer unsicher. Denn wenn die Beamten sprechen, hört man ja nicht, ob sie groß oder klein "ihr" sagen. Ist das nicht eher ne Höflichkeit, die nur im formellen Anschreiben wirkt? Ich weiß es wirklich nicht.

Hi fiz,

das gerade einer solche Vorschläge macht, der "eigentlich" geltendes Recht bricht, indem er immer wieder mal ganze Absätze klein schreibt, ist ja schon ganz schön stur. Aber wer könnte schon behaupten, er könnte Gedanken bzw. das gesprochene Wort lesen, ob es denn auch korrekt gestaltet würde ... was jetzt nicht heißt, dass man das mit Lautschrift (so weit sie sich hier verwenden lässt) beheben sollte. Das erlaubt sich auch nur Dein bleicher Halbbruder, der wie immer durchs Tal reitet ... gelegentlich.

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo feirefiz,

also wenn ich so auf die Ausmaße deiner Story und z. B. auch der von JuJu schaue, habe ich das Gefühl, dass die Jungend sich einfach nicht in in kurze Geschichten zwängen lassen will - irgendwie auch symbolisch. Insofern entwickelst du deinen Text eher episodenmäßig, mit einer Clique im Zentrum, wie das Thema ja auch vorschreibt - deren Charaktere nach meinem Empfinden nur teilweise zur Eigenständigkeit gelangen - was ich passend finde, weil das im richtigen Leben auch so ist.

Deine Erzählerin ist häufig analytisch/fast philosophisch (z. B. der ganze Einstieg), stellenweise auch sehr analytisch, und ich hab mich häufiger mal gefragt, ob Vergleichbares damals in meinem Kopf ablief, als ich in diesem aufregendem Abschnitt der Selbstfindung war. Und deine Geschichte hat es irgendwie nicht geschafft, dass ich deiner Stimme einfach nur willig durch die Handlung gefolgt bin, sondern ich hab halt immer wieder gestockt und so ein Misstrauen gegenüber der Glaubwürdigkeit deiner Prota entwickelt, nach dem Motto: "Denkt, redet und handelt man in dieser und jener von dir beschriebenen Situation wirklich so cool, analytisch und unterhaltsam witzig, oder ist das einfach auch immer mal wieder dem Anspruch geschuldet, etwas mehr sein zu wollen, als nur eine Jugendgeschichte?"

Anders ausgedrückt: Ich hatte so meine Probleme mit dieser Erzählstimme, die schon sehr tolle, kluge und witzige Dinge sagt, denkt und schildert - ab und zu zu Lasten der Glaubwürdigkeit, wie ich finde, aber dadurch mit erhöhtem Unterhaltungswert. Das trifft z. B. genau die Probleme, die ich sehe, wenn ich eine Jugendgeschichte schriebe: dass man schon etwas Tolles schriebe, es aber nicht immer wie die Sicht eines Jugendlichen wirken würde, sondern halt doch immer das Streben des Schriftstellers deutlich wird, kluge Formulierungen und unterhaltsame Gedanken finden zu wollen. Dass es doch immer eher auch die treffsicheren Formulierungen sind, die mir als Leser die nötigen Erkenntnisse bescheren und nicht nur das schlichte Geschehen und das Verhalten der Figuren in den jeweiligen Situationen. Dieser Spagat ist auch in deinem Text zu spüren. Deine Erzählerin ist mir stellenweise zu präsent und dominant

In einer wirklich schwierigen Szene allerdings, als sie es mit Chucky treibt, da passt aber wieder alles, da wird deine Story besonders dicht und glaubwürdig. Ich finde die anderen Ereignisse an sich auch durchweg glaubwürdig, aber sie bekommen durch deine Stimme halt etwas zu viel Farbe (ich hoffe, du verstehst, was ich meine).

Alles in allem ist mir das auch zu viel an Text, da könnte man auch gut drei bis vier Kurzgeschichten draus machen. So hangelt man sich so ein bisschen von Ereignis zu Ereignis und versucht diese ganzen Teile noch als Geschichte zu verstehen und zusammenzuhalten.

Ich finde, du hast teilweise tolle Beschreibungen und Vergleiche zu bieten, da habe ich auch manchmal voller Ehrfurcht und Bewunderung inne gehalten, um sie sacken zu lasssen, und deine Dialoge sind knackig und authentisch.

Als Figur ist dir Chucky besonderes gut gelungen, der hatte wohl deine volle Sympathie, das merkt man. Und den Oscar für die beste Nebenrolle bekommt von mir der Krombacher. Das ist (und ich verwende das Wort wirklich sparsam, glaub mir das!) eine echt geniale Figurenzeichnung, mit wenigen Pinselstrichen sehe ich da eine ganze Vita vor mir, einen echten und lebenden Typen. Großartig. Das ist eines von vielen kurzen Highlights in einer nach meinem Empfinden zu langen Geschichte.

Rick

 

He Feirefiz,

für mich ist das echt ein richtig wuchtiger Stoff.
Habe die Geschichte schon vor ein Paar Tagen gelesen, kam aber nicht zu einem Kommentar und reiche das jetzt mal aus dem Kopf nach, weil mir die Geschichte noch immer im Kopf rumtrullert.
Du hattest mich schon mit den ersten Sätzen. Das ist schon stark, wie du da gleich diesen neidischen Fokus setzt und damit dann das Ausbrechen aus dem eigentlichen Wunsch, so zu sein wie die Freundin, legitimierst. Entweder man gehört zu dem dazu, was einen (vermeintlich) glücklich macht, oder man lebt so als Beiwerk drum herum - oder man schießt in die ganz andere Richtung, um sich abzunabeln, auf anderem Wege Aufmerksamkeit abzubekommen.
Das ist natürlich irgendwo recht klassisch, dass es dann Punk sein muss, aber das ist jetzt keine Kritik, sondern eben ... äußerst symbolisch.
Das greift das Teenage-Dilemma ganz gut auf.
Ich hatte die ganze Zeit über Angst um deine Prota, dachte immer, dass muss doch alles ein schlimmes Ende nehmen, irgendwas traumatisches da jetzt reinbrettern.
Wenn ich die Geschichte geschrieben hätte, wär das auch passiert, deswegen bewundere ich es immer, wenn andere Autoren ohne diesen Crash auskommen, es trotzdem spannend halten, die Bedrohung spürbar im Hintergrund. Vielleicht lese ich das jetzt auch nur so raus, vermutlich, weil mich die Prota sehr stark an jemanden erinnert. Da hat das alles nicht ein ganz so glimpfliches Ende genommen. So eine "Szene" kann ja auch ganz anders aussehen/ ausarten.
Da habe ich am Ende wirklich erleichtert aufgeatmet, als ich da sogar eine Form des Happy-Ends aufschnappen durfte. Übrigens auch ein genialer Zug, wie du das so anstreichst, ohne es auszupinseln.
Könnte noch eine Weile weiterschwafeln, denn die Geschichte hat da wirklich was zum Anklingen gebracht in mir, aber das würde immer weiter weg vom Text führen.
Dabei gibt es auf Text-Ebene auch so viel schönes zu sagen. Zum Beispiel, dass es ein Genuss ist, diese schöne Sprache aufzunehmen, diese treffsicheren Bilder.
Will nur mal den Absatz nehmen, weil mir der haften blieb:

„Wir gehen sofort, wenn ihr Sascha rausrückt“, antwortet Mira. Da beugt sich der Bulle runter und rupft sie am Arm. Aber rund um das Buchsbaumbeet verläuft ein niedriges Metallgitter und in dem krallt Mira sich jetzt fest. Sie ist schon mutig. Der Bulle versucht ihre Finger aus den Maschen zu fädeln und ein anderer packt ihre Füße, so dass sie einen Moment lang schräg in der Luft hängt. Der Abschaum fängt an „keine Gewalt, keine Gewalt“ zu skandieren. Dann geht Mira mit einem Ruck ab und wird zappelnd und tretend in die Wache getragen.
also das ist schon ... wow. Hier spüt man wirklich die Macht der Verben. Im Prinzip so simpel, aber das ist ja das Meiste, was wirklich gut ist. Ohne lästige Wie-Vergleiche oder sonstigem Schnulli. Echt stark.

Einige Male sollte da noch ein Sie groß, habe aber nicht mitgetippt. Musste noch mal rübersehen.

Zur Frage, ob das jetzt noch juegendtaublich ist. Das sollen andere entscheiden, aber teilweise geht es ja recht vulgär zu.

Sehr gern gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rick,

Du hast bestimmt Recht, dass die Geschichte zu lang ist. Zumindest gehe ich davon aus, dass Du damit einer schweigenden Mehrheit nicht-kommentierender Forenmitglieder aus dem Herzen sprichst. Das Problem ist halt echt, dass die Geschichte so episodenartig ist und keine äußere Einheit hat. In meinem Kopf ging es halt um diesen inneren Weg der Protagonistin vom glory hole über den vermurksten Sex mit Chucky und Sascha bis hin zum Erforsch- und Ausziehwunsch - mit Punk als Emanzipation und Maske zugleich. Und dafür war mir das Drumrum halt wichtig, die Beziehungen zu Freundinnen und zur Clique und zum eigenen Körper - um zu erklären, wo diese Schwierigkeiten herkommen, in welchem Umfeld die sich ausprägen. Das überfordert eine Kurzgeschichte wahrscheinlich, zumindest hab ich keine bessere Lösung gefunden. Ich hätt's natürlich wie JuJu machen können: einfach in drei Teile zerhacken und Serie drüberschreiben :P
Nee, also ich werd wohl in Zukunft keine Geschichten nach dem Muster mehr schreiben. Hier wollte ich die Problematik aber einmal wirklich so ausführlich ausfalten, wie ich sie verstehe. Das einzige, was ich jetzt rauskürzen könnte, weil es für die Thematik nicht zentral ist, sind die Prolls im Zug. Die fand ich einfach nur witzig. Und solche Zusammenstöße sind halt auch typisch im Punk-Alltag. Aber das könnte weg. Eine andere Möglichkeit wäre, nach Quinns Vorschlag den dritten Teil abzuschneiden, also einfach einen kürzeren Entwicklungsabschnitt zu zeigen und das Problem eher zu etablieren als zu lösen. Dann wär allerdings der Sex-Irrtum mit Sascha raus, der mir wichtig ist, und der Krombacher und da ist mir die Konfrontation zwischen unterschiedlichen Arten von Hunger total wichtig (sonst wohl niemanden, aber für mich ist das eine ganz zentrale Stelle).
Will sagen, ich seh das Problem, aber für mich keine befriedigende Lösung.

Das zweite Problem, was Du ansprichst ist die sehr clevere, analytische Erzählerin. Ich denke, im Vergleich zum Vorgängertext ist die schon viel näher am Geschehen und auch deutlich verletzlich, aber ich wollte sie als analytische Figur haben, das zuviel Denken ist ja eins ihrer Probleme, macht sie auch ein Stück zur Außenseiterin. Sie empfindet das ja selbst als einen Makel, der genau so schlimm wie dicke Oberschenkel ist - also Intelligenz ist in dem Alter nicht unbedingt sexy, gerade bei Mädchen. Deshalb muss sie sich ja so betrinken, um den Kopf mal abzustellen und locker zu werden und selbst dann kann sie nicht aufhören, über Genetik nachzudenken. Ein Fluch! Mag sein, dass sie kein typischer Teenager ist, aber ich war auch kein typischer Teenager. Ich hab auch nicht so sehr das Gefühl, meine erwachsene Autorenweisheit auf einen Teenager zu projizieren - ich glaub ich bin in vielerlei Hinsicht weniger politisch, nachdenklich, hypersensibel und reflektiert als ich das mit 15-16 war. Klar hätte ich nicht jeden Gedanken in meinem Kopf so pointiert formuliert, wie er hier steht, aber das ist doch bei erwachsenen Protagonisten genauso, also ich mein, ich denke und betrachte auch heute nicht alles in geschliffenen Metaphern und witzigen Einzeilern. Das hat für mich weniger mit dem Alter der Protagonisten als mit einem allgemeinen Maß literarisch-sprachlicher Stilisierung zu tun. Deshalb scheut man sich vielleicht auch, dumme Erzähler zu entwerfen, weil man da ein Glaubwürdigkeitsproblem kriegt, oder sich sprachlich total einschränken muss. Aber Teenager können ja sehr schlau und wortgewandt sein. Ich hab damals zum Beispiel viel mehr Fremdwörter benutzt, als ich das heute tue, aus so einer adoleszenten Arroganz heraus, die wiederum die Unsicherheit verstecken soll. Ich hab ja noch Romane herumfliegen, die ich in dem Alter geschrieben habe, die sind voller Hypotaxe (grammatikalisch korrekt aber mit lausiger Kommasetzung) und Fremdwörter und total überheblich und gespielt cool. In dem Alter hätte ich hundertprozentig geschrieben, dass das Mädchen Miras "Eloquenz" bewundert. Hab ich jetzt aber extra nicht geschrieben, damit keiner kommt und sagt "so reden Teenager nicht". So erzeugt man dann "Authentizität" :hmm:
Ach, ich weiß auch nicht, was ich da machen soll. Hab halt versucht, mich vor allem inhaltlich ins Teenagertum reinzudenken, mit dieser Menstruationsfaszination, der Unsicherheit und der Wut auf Ungerechtigkeiten und so. Jemand, der einfach ein ganz anderer Teenager mit anderen Problemen und Gedanken als die Protagonistin hier war, kann sich da vielleicht wirklich nicht so gut reindenken, was letztendlich natürlich mein Fehler ist, das nicht nachvollziehbar genug zu machen.

Ja, hmm, ist auch für mich ein schwieriger Text. Aber er liegt mir am Herzen. Da stecken viele Themen drin, die mir wichtig sind. Aber ich kann das auch alles nachvollziehen, was Du sagst und ich denke darüber nach, ob man das cleverer lösen könnte.

Danke für Deinen Kommentar,
fiz

 

Hallo weltenläufer (guck mal, was ich jetzt für hübsche Umlaute auf meinem neuen Laptop habe :)),

Du hast Deinen Kommentar wohl etwa zeitgleich wie ich meine Antwort an Rick geschrieben. Umso mehr hab ich mich gefreut, den zu entdecken.

für mich ist das echt ein richtig wuchtiger Stoff. Habe die Geschichte schon vor ein Paar Tagen gelesen, kam aber nicht zu einem Kommentar und reiche das jetzt mal aus dem Kopf nach, weil mir die Geschichte noch immer im Kopf rumtrullert.
Was Besseres kann man sich als Autor nicht wünschen. Für mich ist das auch ein wuchtiger Stoff und ich freu mich total, dass Dich offenbar nicht nur einzelne Passagen, sondern die Geschichte als Ganzes überzeugen konnte.

Entweder man gehört zu dem dazu, was einen (vermeintlich) glücklich macht, oder man lebt so als Beiwerk drum herum - oder man schießt in die ganz andere Richtung, um sich abzunabeln, auf anderem Wege Aufmerksamkeit abzubekommen.
Das ist natürlich irgendwo recht klassisch, dass es dann Punk sein muss, aber das ist jetzt keine Kritik, sondern eben ... äußerst symbolisch.
Genau so hatte ich das gedacht. Mit Ina kann sie auf dem Feld klassischer Schönheit eh nicht konkurrieren, also nimmt sie sich mit dem Punk da völlig raus. Sie versucht es zumindest, was dann nicht so ganz klappt.
Ich hab schon überlegt, ob man das auch weniger klassisch, an einer anderen Jugendbewegung demonstrieren könnte. Solche Manga-Kids zum Beispiel, das sind glaub ich auch oft Außenseiter, die sich dann eine neue peer-group und eine alternative Identität suchen. Aber uh, damit kenn ich mich halt nicht so aus. Und bei Punk geht es glaub ich noch mehr um die Distanzierung von klassischer Schönheit, die die Protagonistin hier sucht und um so eine Maske von Härte und Abgewichstheit, die ihr hilft, ihre Unsicherheit zu verstecken und sich mit Angstthemen wie Intimität nicht auseinandersetzen zu müssen. Theoretisch jedenfalls. Das ist der Hintergrund, den ich für diese sexuelle Entwicklung brauche. Wenn die jetzt Emo wär und sich ständig in ihren Gefühlen, ihrer Grübelei und in ihrer Verletzlichkeit suhlen würde, statt davor wegzulaufen, wäre das eine komplett andere Geschichte und ein anderes Mädchen.

Ich hatte die ganze Zeit über Angst um deine Prota, dachte immer, dass muss doch alles ein schlimmes Ende nehmen, irgendwas traumatisches da jetzt reinbrettern.
Wenn ich die Geschichte geschrieben hätte, wär das auch passiert, deswegen bewundere ich es immer, wenn andere Autoren ohne diesen Crash auskommen, es trotzdem spannend halten, die Bedrohung spürbar im Hintergrund. Vielleicht lese ich das jetzt auch nur so raus, vermutlich, weil mich die Prota sehr stark an jemanden erinnert. Da hat das alles nicht ein ganz so glimpfliches Ende genommen. So eine "Szene" kann ja auch ganz anders aussehen/ ausarten.
Du hast Recht. Sowas kann auch deutlich gefährlicher werden, wenn man krampfhaft versucht, sich mit Alkohol etc. die Angst und das Denken auszuschalten. Das hat auch was Selbstzerstörerisches, was sehr nach hinten losgehen kann, wenn man etwas Pech hat. Dann bleibt man auf irgendwelchen Drogen hängen oder gerät im Vollrausch an einen, der vielleicht nicht so lieb wie Chucky ist. Ich kenn auch solche Leute, ganz verletzliche und kluge, die sich einfach zu taub machen wollten und daran kaputt gegangen sind. Aber irgendwie ist mir das hier nie in den Sinn gekommen, so ne richtige Absturzgeschichte zu schreiben, auch wenn das vielleicht publikumswirksamer wäre. Ich find da ist schon viel Bitteres in der Geschichte, man kann sich auch ohne schlimme Eltern oder fürchterliche Erfahrungen als Teenager ganz gut selbst quälen, aber so komplett schwarz male ich eigentlich nie. Das angedeutete happy-end war allerdings auch für mich ein Risiko, also etwas, was ich bei einer Geschichte und Figuren, die mir weniger nahe wären, eher nicht gemacht hätte. Aber wer weiß, vielleicht wäscht Chucky die Jacke mitsamt Zettel, oder er liest ihn und denkt "Was für ne irre Alte. Da lass ich besser die Finger von." Aber darauf kommt es auch weniger an, als dass sich bei ihr was getan hat.

Zur Frage, ob das jetzt noch juegendtaublich ist. Das sollen andere entscheiden, aber teilweise geht es ja recht vulgär zu.
Ich hab auch immer wieder mal Zweifel, aber dann denk ich, die haben doch alle schon viel wildere Sachen in Pornos gesehen und hier das ist ja eigentlich eher das Gegenteil von Porno, weil es um Menschen und die Probleme mit Sex geht. Also ich mein, das Doktor Sommer Team schreibt doch auch ganz explizit über alles, nur eben nicht mit ner pornösen Botschaft. Aber ist schon schwierig.

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Hat mich echt gefreut, dass Dich der Text so mitnehmen konnte.

lg,
fiz

 

Hallo fiz,

ich muss gleich vorneweg etwas gestehen: Ich als Süddeutsche konnte nicht mit allen Begriffen etwas anfangen, z.B. Elberfeld und Ronsdorf. Sind das nun einfach "nur" zwei Städte oder verbinden die zwei Orte traditionell Kalamitäten?
Auch bei dem Begriff Ötzen wusste ich nicht, wie ich den einordnen soll. Ist das nun jugendlicher Slang oder kommt der Typ aus Ötzen?
Wir haben Schweinchen gespielt, mit Adrian in der Mitte, da war ich auch erst etwas desorientiert, ich dachte da zuletzt an ein Kartenspiel, meine Überlegung ging eher in die Richtung wie Kanaken klopfen. Gut, aus dem Kontext habe es dann auch ich begriffen.

Nach diesen ersten Abschnitten habe ich mich gefragt, ob ich mit meinen 47 nun wirklich einiges nicht mehr verstehe, weil ich vom Alter zu weit weg bin oder weil ich in Süddeutschland wohne ;)

Meiner Leseposition zu schulden ist dann auch wohl eine der wichtigsten Aussagen, dass die Mutter der Protagonistin die Haare hennarot färbt, als diese sie raspelkurz geschnitten hat. In dieser Information ist die ganze Haltung der Mutter für mich geklärt. Dadurch lese ich alle Erlebnisse viel beruhigter.
Wenn die Prota auch Mist baut, so kann sie doch heimkommen. Also im Gegensatz zu Chucky, der ja massive Probleme in seinem Elternhaus hat.

Die Länge des Textes wurde schon mehrfach von den anderen in ihren Kommentaren aufgegriffen. Ich habe mir überlegt, ob z.B. der Londontrip aufbläht oder einen Mehrwert hat. Schön daran ist die gewonnene Erkenntnis, dass jede Stadt nur so gut wie die Aktivitäten ist, die man in ihr macht. Ohne Kohle sitzt es sich ziemlich gleich auf den Mauern herum, egal ob London oder Remscheid.
In dem Abschnitt ist die Chronologie der Abläufe auch recht durcheinander, aber es stört überhaupt nicht.

Ich weiß nicht, was mich veranlasst hat, in den Abschnitten 14-15-16 eine Handlung zu sehen, die im 16-er Teil eskalieren muss oder zumindest die Situationen von Jahr zu Jahr extremer, heftiger und illegaler werden. Das hat sich sehr in Grenzen gehalten.
Die Sexszenen passen meiner Ansicht nach gut, da ist auch für mich auch alles jugendfrei.
Das ist doch elendes Schicksal, wenn die Protagonistin ewig auf ihre Tage warten muss, ihrer Freundin noch was vorflunkert und dann, wenn sie den Sascha mal hat, am bluten ist.

Wobei sie, um jetzt mal am Text zu bleiben, nicht das Rückholbändchen vergessen hat, das sollte man vielleicht etwas umformulieren.

Fazit von mir: Sehr gerne gelesen; das ist unterhaltsam geschrieben, mit viel Witz und guten Formulierungen. Also handwerklich Bestnote. Jedoch ist es mir einfach auch zuviel verschiedener Stoff, der jeweils schon als einzelne KG funktionieren kann. Wenn es dir aber Spaß gemacht hat, wieso nicht, du musst dir halt von dem einen oder anderen die Länge vorhalten lassen.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Bernadette,

Ich als Süddeutsche konnte nicht mit allen Begriffen etwas anfangen, z.B. Elberfeld und Ronsdorf. Sind das nun einfach "nur" zwei Städte oder verbinden die zwei Orte traditionell Kalamitäten?
Auch bei dem Begriff Ötzen wusste ich nicht, wie ich den einordnen soll. Ist das nun jugendlicher Slang oder kommt der Typ aus Ötzen?
Wir haben Schweinchen gespielt, mit Adrian in der Mitte, da war ich auch erst etwas desorientiert, ich dachte da zuletzt an ein Kartenspiel, meine Überlegung ging eher in die Richtung wie Kanaken klopfen. Gut, aus dem Kontext habe es dann auch ich begriffen.
Ja, nee, ich glaub nicht, dass man Elberfeld und Ronsdorf kennen muss, um die Geschichte zu verstehen. Sind beides Stadtteile von Wuppertal. Das ist ja immer etwas zwiespältig, wenn man so ein bisschen Regionales reinbringt, auch bestimmte Ausdrücke und so. Einerseits finde ich, das macht es lebendiger, andererseits kann der ein oder andere dann eben nichts Konkretes damit verbinden. Aber hier, wie gesagt ist es eigentlich unwichtig, ob die sich um Wuppertaler Stadtteile oder böhmische Dörfer streiten, kommt ja nur drauf an, dass sie sich über die Vorzüge unterschiedlicher Orte zanken. Also wenn ich jetzt einen süddeutschen Text läse und die stritten sich über Untermoching vs Obermoching, muss ich die ja auch nicht unbedingt kennen. Ich les im Moment auch grad "My Mad Fat Diary", das in den 80ern in England spielt. Da gibt es natürlich oft Zeitgeschichtliches und Lokales, Namen, Gerichte oder Orte, womit ich nichts verbinden kann. Aber dann les ich da einfach drüber und oft kann man den Bezug trotzdem rekonstruieren: "Amy Ditton ist die einzige Dicke, die bei der Starlight Show auftreten darf." Da denke ich mir, jo, sagt mir beides nichts, aber Ditton wird wohl ne fette Sängerin und die Starlight Show ne Art Hitparade sein. So geht mir das total oft, bei den Sachen, die ich lese, dass ich nicht jede Realitätsreferenz verstehe, deshalb stör ich mich da nicht so groß dran. In dieser Geschichte war ja auch ein bisschen das Problem,. dass es ne recht spezifische Jugend zeigt und nicht jeder Leser weiß vielleicht, was Iro, Spikes, Pogo, Ska, Oi, rote Schnürsenkel, Eisenpimmel, Flugis etc. sind und ein eher vor sich selbst herdenkender statt zu einem Publikum sprechender Ich-Erzähler erklärt sowas natürlich auch nicht groß, aber man kann es doch meist grob aus dem Kontext erschließen.
Das mit dem Schweinchen spielen, ja, wenn man das nicht kennt, ist das vielleicht irritierend. Bei Schweinchen steht man im Kreis und wirft sich den Ball gegenseitig zu und einer ist das Schweinchen in der Mitte, das versuchen
ihn zu schnappen. Wenn das gelingt, ist derjenige, der den Ball zuletzt berührt hat, Schweinchen.
Bei "Ötzen" muss ich allerdings zugeben, dass das ein fieser Insider ist, den ich mir einfach nicht verkneifen konnte, obwohl der lokal eher in Deiner als in meiner Richtung verortet ist. Wir haben in der Schule so ein paar Typen, die so ein bisschen uncool und waldschratig drauf waren "Ötze" genannt, nach dem Eismann Ötzi. Halt son bisschen, als würde man sie Neandertaler nennen. Das ist für mich auch so ein Kennzeichen von Gruppen, dass man eine eigene Sprache entwickelt.
Also diese Ausführungen sind jetzt viel größer gewachsen, als Deine Anmerkung wahrscheinlich gemeint war. Du hast mich nur dazu gebracht, mal über das Thema Lokal-, Zeit- und Szenenkolorik allgemein nachzudenken. Ich seh da auch ne Problematik drin, dass man sich da eventuell einige Leser ausschließt, wenn man so spezifisch schreibt. Gerade Texte mit viel Zeitbezug altern ja auch total schnell. Andererseits fände ich es auch seltsam, bzw. recht künstlich, wenn man extra so ganz orts- und zeitenthoben schreiben würde - ich finde das auch gerade spannend wenn man Texte in einem ganz bestimmten Umfeld verorten kann. Aber es ist auf jeden Fall was, wo man auf die Balance achten muss. Ich hab das ja auch schon öfter gehört, beim Faulfrettchen oder bei Zuckerbrot und Peitsche, dass da viele Details drin sind, die man als Ausländern oder auch nur als ostdeutscher Leser so nicht kennt.
Also das ist bestimmt ein Thema, dass man gut mal in einem eigenen Diskussionsthread besprechen könnte. Tut mir leid, dass ich Deinen Kommentar jetzt so missbraucht habe, um so vor mich hinzudenken :D

Meiner Leseposition zu schulden ist dann auch wohl eine der wichtigsten Aussagen, dass die Mutter der Protagonistin die Haare hennarot färbt, als diese sie raspelkurz geschnitten hat. In dieser Information ist die ganze Haltung der Mutter für mich geklärt. Dadurch lese ich alle Erlebnisse viel beruhigter.
Wenn die Prota auch Mist baut, so kann sie doch heimkommen. Also im Gegensatz zu Chucky, der ja massive Probleme in seinem Elternhaus hat.
Ja, so ist das. Dieser Kontrast wird ja auch am Schluss nochmal ganz deutlich, als die Mutter mit den Polizisten schimpft. Vielleicht liegt es auch an diesem Rückhalt, dass die prekäre Situation, die weltenläufer beschrieben hat, eben nicht in einer riesen Katastrophe endet. Klar sind gute Eltern nicht alles, um einigermaßen gut durchs Leben zu kommen (Chucky scheint ja auch trotz Arschlochvater ganz gut gelungen), aber eben doch ne ganz solide Basis.

Die Länge des Textes wurde schon mehrfach von den anderen in ihren Kommentaren aufgegriffen. Ich habe mir überlegt, ob z.B. der Londontrip aufbläht oder einen Mehrwert hat. Schön daran ist die gewonnene Erkenntnis, dass jede Stadt nur so gut wie die Aktivitäten ist, die man in ihr macht. Ohne Kohle sitzt es sich ziemlich gleich auf den Mauern herum, egal ob London oder Remscheid.
In dem Abschnitt ist die Chronologie der Abläufe auch recht durcheinander, aber es stört überhaupt nicht.
Ja, hm. Also hungrig und arm am Trafalgar Square sitzen und sich von Touristen fotografieren lassen ist schon anders, als am Remscheider Bahnhof abzuhängen. Für mich war der Abschnitt wichtig, weil es da um ne Freundschaft geht, die nicht durch Konkurrenz belastet ist und um Freiheit und Abenteuer ohne Alkohol. Da ist sie eigentlich ganz bei sich selbst. Aber andererseits schimmert da eben auch schon das Thema mit der Essstörung durch, das ich wohl noch nen Tacken expliziter machen muss, damit es ernst genommen wird.

Ich weiß nicht, was mich veranlasst hat, in den Abschnitten 14-15-16 eine Handlung zu sehen, die im 16-er Teil eskalieren muss oder zumindest die Situationen von Jahr zu Jahr extremer, heftiger und illegaler werden. Das hat sich sehr in Grenzen gehalten.
Nee, ne Eskalation ist das tatsächlich nicht. Die Befreiungsaktion am Ende ist ja auch eigentlich mehr so ein Spiel. Ich denk mir den Text mehr wie eine Kurve. Die fängt unten an, wo sie ganz unzufrieden mit ihrer Situation als Inas Schatten ist, dann geht es aufwärts, weil sie sich mit Punk ein neues Leben sucht, dann wieder abwärts, weil sie sich dem Schönheitsdruck, ihrer Unsicherheit und ihrer Angst vor Intimität eben doch nicht ganz entziehen und das mit Alkohol auch nicht lösen kann, Sex mit Sascha ist dann ziemlich weit unten und Annäherung an Chucky ein Schritt in die richtige Richtung.
Vielleicht liegt es auch daran, dass der Text nicht so richtig funktioniert, weil eine linearere Struktur, wie zum Beispiel zur Eskalation hin den Leser besser beim Text halten würde. Wobei, diese Struktur: Konflikt - früher Höhepunkt, der dann als Scheinlösung entlarvt wird und noch tiefer in die Krise führt - Lösung, ja gar nicht mal so unklassisch ist. Aber wahrscheinlich funktioniert sowas dann besser bei Texten, die insgesamt etwas überschaubarer bleiben, wo man nicht über jede Einzelstation in zwanzig Richtungen nachdenken muss.

Das ist doch elendes Schicksal, wenn die Protagonistin ewig auf ihre Tage warten muss, ihrer Freundin noch was vorflunkert und dann, wenn sie den Sascha mal hat, am bluten ist.
Ich würd sagen, die haben noch Glück, dass das dazwischen kommt. Ich muss wohl noch etwas deutlicher machen, dass da unter normalen Umständen kein sexuelles Verhältnis zwischen den beiden wäre.

Die Sexszenen passen meiner Ansicht nach gut, da ist auch für mich auch alles jugendfrei.
Das ist gut. Ich war mir manchmal echt unsicher. Aber jetzt neben Jimmys Text ist das alles ja eh Kinderkacke :D

Wobei sie, um jetzt mal am Text zu bleiben, nicht das Rückholbändchen vergessen hat, das sollte man vielleicht etwas umformulieren.
werde ich tun

Fazit von mir: Sehr gerne gelesen; das ist unterhaltsam geschrieben, mit viel Witz und guten Formulierungen. Also handwerklich Bestnote. Jedoch ist es mir einfach auch zuviel verschiedener Stoff, der jeweils schon als einzelne KG funktionieren kann. Wenn es dir aber Spaß gemacht hat, wieso nicht, du musst dir halt von dem einen oder anderen die Länge vorhalten lassen.
Mja, also ich grübele da schon drüber nach, weil es mir natürlich lieber wäre, wenn alle Leser Stil und Inhalt gut finden würden. Aber andererseits ist es in meinem Kopf halt doch irgendwie ein Thema, ein komplexes zwar, aber eins wo alles miteinander zusammenhängt. Da komm ich noch nicht von weg. Aber vielleicht ist es auch okay so, einen Text auch mal fehlerhaft zu lassen, wenn man ihn aus irgendwelchen Seelengründen für sich selbst genau so schreiben muss. Hier ist das auch nicht wie mit dem Vorgängertext, dem ich seine Fehler nicht verzeihen konnte und den ich deshalb sofort zerrupfen musste. Vielleicht muss ich den hier noch ein bisschen liegenlassen, bis ich so viel Distanz dazu hab, dass ich ganz objektiv wegkürzen kann, was nur für mich wichtig ist. Aber auch wenn ich die Lösung jetzt noch nicht hab, bringen mich Kommentare wie Deiner echt ans Denken. Also vielen Dank dafür und sorry fürs Zuschwallen.

lg,
fiz

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi fiz!

Ja, es hängt schon alles zusammen, aber es ist wirklich das Gefühl bei mir da, dass es hier oft um Dinge geht, die dir persönlich sehr wichtig sind, die du unbedingt in Worte fassen wolltest, die aber noch nicht genug bearbeitet worden sind, um eine knackige Geschichte abzugeben.
Ich glaube, da vernebelt dir die Betroffenheit bisschen die Sicht auf den Plot. Ich meine, du müsstest klarer herausarbeiten, wie eins zum anderen führt, was der erste Teil mit dem zweiten zu tun hat, oder besser: Warum der zweite Teil ohne den ersten ganz anders verlaufen wäre und der dritte ohne den zweiten.

So wirkt das auf mich wie eine dieser Fernsehserien, wo bei jeder Folge zwar die gleiche Protagonistin spielt, aber jedes Mal ein neues Thema behandelt wird, wo man die ersten zwanzig Folgen nicht unbedingt gesehen zu haben braucht, um Folge 21 zu verstehen.

Ich finde den ersten Teil, den neuen Teil mit Ina, absolut spitze, wirklich ganz große Klasse. Alles, was du da schreibst ist ganz nah dran und man ist super in den Situationen drin. Dann kommt für mich ein Bruch, als sie plötzlich Punk wird. Klar, ich verstehe schon die Gründe, aber ich hätte diesen Prozess, dieses Abkapseln von Ina viel interessanter gefunden, das hättest du beleuchten können und so, wie es jetzt ist, passt das für mich nicht so gut von der Ausgewogenheit. Sie lässt sich die Haare von ina nicht mehr zum Zopf binden, kauft sich einen Punk Sampler und bumms ist sie Punk. Der Prozess wäre für mich als Plot schon genug für eine ganze Geschichte gewesen. Wieso wird ein junges Mädchen plötzlich Punk. Mir das von jemandem, der so gut schreiben kann wie du, erklären zu lassen. Darauf hätte ich Bock gehabt. Das wäre für mich Stoff für eine gute Geschichte gewesen. Also bis zu dem Punkt, wo sie glücklich ist, weil sie von den anderen Punks akzeptiert wird

Dass da überall in deinem Text haufenweise Sätze drinstecken, die mich neidisch machen, ist hiermit auch gesagt.


Dann kommt kurz London. Mmh, da hab ich das Gefühl, das bringt der Geschichte überhaupt null.

Die Geschichte mit Chucky, ist wieder guter Stoff für eine eigene Geschichte. Das erste Mal Sex. Aufregung, leichte Enttäuschung, alles ausgezeichnet beschrieben und mit ein bisschen Schliff eine vollkommen eigene runde Geschichte, die vom ersten Mal mal aus einer interessanten Perspektive von einer interessanten Persönlichkeit erzählt wird. ich finde, du verschenkst hier echt zwei Geschichten, weil sie in diesem Rahmen nicht genügend Zug haben, aber mit ein bisschen Aufarbeitung, wie gesagt, hättest du gleich drei Geschichten, die alle das Potenzial hätten, mir zu gefallen.

Ich muss aber sagen, der letzte Teil ist für mich der Schwächste und ich mag die Prot. als sie findet, dass ihre Beine aussehen wir Quark mit Heildelbeeren einfach viel leiber als später, wenn sie da philosophiert. Ich weiß auch nicht, wie viel Zeit dazwischen vergangen ist, jedenfalls fühlt sich das nicht an, als ob es die gleiche Person wäre. Klar, sie hat sich durch ihre Abnabelung verändert und so. aber hat sie dann auf einmal auch schon studiert, oder warum ist die plötzlich so altklug?
vergleich mal die Sätze:

Seit Ina menstruiert, ist alles scheiße. Die Jungs sagen, es seien ihre Brüste, aber die haben keine Ahnung. Alle möglichen Mädchen haben alle möglichen Brüste, oft sogar schönere als Ina
und dann:
Das kannst du aber nicht aus einem einzigen Phänotyp ableiten. Du weißt ja nicht mal, ob das dominant oder intermediär läuft. Es könnte ja auch Polygenie sein“, sage ich und lehne mich zur Sicherheit an die Wand.

weißt, wie ich mein ;-)


Wie gesagt: Drei Geschichten, alle vorzüglich geschrieben, keine Frage, aber eben als Ganzes nicht perfekt abgeschmeckt. Das ist so, wie wenn man sich beim Kochen zu viel vornimmt, weil Besuch kommt und dann macht man drei super leckere Sachen, die aber einfach nicht so gut zusammenpassen und weil man schon Trüffelöl im Salat hat, ist man mit dem Garam Masala im Eintopf irgendwie geschmacksnervlich schon überfordert und wenns dazu noch irgendwie ...Birnen mit Ziegenkäse überbacken gibt.. keine Ahnung, dann hat man was verschenkt, galube ich.

Lollek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Lollek,

Ich glaube, da vernebelt dir die Betroffenheit bisschen die Sicht auf den Plot. Ich meine, du müsstest klarer herausarbeiten, wie eins zum anderen führt, was der erste Teil mit dem zweiten zu tun hat, oder besser: Warum der zweite Teil ohne den ersten ganz anders verlaufen wäre und der dritte ohne den zweiten.
"Betroffenheit" das klingt ja irgendwie pfui, als hätte ich hier irgendwelche unverdauten persönlichen Traumata ausgebreitet. Ist nicht so, ihr könnt da ganz unbedarft drin rumpflücken bitte. Das ist schon ein Text, den ich komponiert hab, wo ich Ereignisse und Figuren gezielt gestaltet und erfunden habe, um eine ganz bestimmte Entwicklung zu zeigen, auch wenn mir die Themen persönlich wichtig sind. Mit dem klaren Herausarbeiten hab ich es ja allgemein nicht so und ich bin mir sicher, dass ich mich da an der ein oder anderen Stelle mit dieser Implizitheit auch in Teufels Küche bringe. Ich schreib das halt, wie ich es selbst gerne lesen würde. Und Du weißt ja, wie ich mich immer ärger, wenn Du in Deinen Texten was vorsagst, was ich lieber selbst entdeckt hätte. Aber gut möglich, dass ich das insgesamt übertreiben und Du da auch niemals auf meinen Rat hören solltest. Also wenn ich merk, dass irgendwas ganz anders verstanden wird, als ich es meinte, dann frickel ich daran auch nochmal rum, Verhältnis zu Sascha ist immer noch ne Baustelle zum Beispiel. Aber so ganz allgemein hab ich eigentlich nicht vor, zu "erklären" wie es da von A nach B geht, weil ich auch finde, dass es da bei einer komplexen Figur mehrere Erklärungsansätze geben kann, nicht nur meinen. Und ich fand das halt reizvoll, mal nur so Schlaglichter zu setzen. Eine Figur immer im Abstand eines Jahres zu zeigen, dass man sehen kann, was sich da verändert hat, was mitgeschleift wird. Ist ja auch nicht so, als sei ihr Seelenleben ne völlige Leerstelle, man erfährt ja sehr viel von ihr, nur muss der Leser sich das viele Material selbst zu einer Erklärung zusammenpuzzlen - wie man das auch tun muss, wenn man im echten Leben ner Person begegnet, für die einem keiner ein Handbuch mitliefert. Ist in dem Sinne sicherlich ein Experiment, das nicht völlig geglückt ist, aber gut, kann passieren.

Dann kommt für mich ein Bruch, als sie plötzlich Punk wird. Klar, ich verstehe schon die Gründe, aber ich hätte diesen Prozess, dieses Abkapseln von Ina viel interessanter gefunden, das hättest du beleuchten können und so, wie es jetzt ist, passt das für mich nicht so gut von der Ausgewogenheit. Sie lässt sich die Haare von ina nicht mehr zum Zopf binden, kauft sich einen Punk Sampler und bumms ist sie Punk. Der Prozess wäre für mich als Plot schon genug für eine ganze Geschichte gewesen. Wieso wird ein junges Mädchen plötzlich Punk. Mir das von jemandem, der so gut schreiben kann wie du, erklären zu lassen. Darauf hätte ich Bock gehabt. Das wäre für mich Stoff für eine gute Geschichte gewesen. Also bis zu dem Punkt, wo sie glücklich ist, weil sie von den anderen Punks akzeptiert wird
Hm, also für mich ist das fertig erzählt und fertig erklärt. Ich wüsste nicht, was ich dem noch hinzufügen sollte außer Füllwatte, die dann ja auch nicht mehr zur Erklärung beiträgt.

ich finde, du verschenkst hier echt zwei Geschichten, weil sie in diesem Rahmen nicht genügend Zug haben, aber mit ein bisschen Aufarbeitung, wie gesagt, hättest du gleich drei Geschichten, die alle das Potenzial hätten, mir zu gefallen.
Ach, na ja, hätte man machen können, hätte meiner mickrigen Geschichtenliste auch sicherlich gut getan und wäre alles einzeln sicherlich auch besser angekommen, da bin ich ganz sicher. Aber na ja, jetzt isses zu spät. Merk ich mir fürs nächste Mal, falls nochmal was kommt. Ich hatte halt mal was zu sagen, was Größeres, das ist bei mir eh selten und ich hab versucht, es in eine Kurzgeschichte zu quetschen, wo es wohl nicht hingehört. Bin sicherlich zu ambitioniert und idealistisch da rangegangen. Aber gut, ich bin ein großzügiger Mensch und verschenke auch gerne mal was :D
Aber ich hab auch was gekürzt, gerade während Du schriebst. Der Reul ist raus! Und wer weiß, was sich sonst noch tut.

Ich muss aber sagen, der letzte Teil ist für mich der Schwächste und ich mag die Prot. als sie findet, dass ihre Beine aussehen wir Quark mit Heildelbeeren einfach viel leiber als später, wenn sie da philosophiert. Ich weiß auch nicht, wie viel Zeit dazwischen vergangen ist, jedenfalls fühlt sich das nicht an, als ob es die gleiche Person wäre. Klar, sie hat sich durch ihre Abnabelung verändert und so. aber hat sie dann auf einmal auch schon studiert, oder warum ist die plötzlich so altklug?
vergleich mal die Sätze [...] weißt, wie ich mein ;-)
Weiß ich, seh ich aber anders. Die einzige Stelle, an der sie philosophiert, ist eigentlich die, wo sie im ersten Teil über die Ungerechtigkeit der Männerverteilung nachdenkt. Danach kommen doch gar keine Überlegungen zur Weltordnung mehr oder zu sonst irgendwas. Vor allem in Teil 3, den Du ja am wenigsten mochtest, sagt und denkt sie eigentlich gar nichts Kluges oder Nachdenkliches mehr, es sei denn ich hab was übersehen.
Was den Bruch in der Figurenzeichnung angeht: Von Anfang an hab ich mir ziemliche Mühe gegeben zu zeigen, dass sie ein kluges Kind mit guten Noten ist, das Rauchen einfach unlogisch findet und lieber mit den uncoolen Strebern unterschiedliche Staatsformen und aktuelle Weltpolitik diskutiert, als Jens beim Turmspringen zuzusehen. Sie hat aber natürlich schon gemerkt, dass ein Übermaß an Hirn in dem Alter nicht unbedingt als sexy oder cool angesehen wird.
Und dann ist sie halt besoffen und hat auch kein Interesse mehr daran, Chucky zu beeindrucken, vielleicht will sie ihn unterbewusst sogar verjagen, und ist einfach mal sie selbst, ein Mädchen, das Genetik einfach sauspannend findet und mit nem Kumpel absurde geek-Witze daraus spinnt. Oh Graus! Nur dass Chucky die plötzliche Enthüllung ihres Hirns offenbar nicht so abstoßend findet, wie sie das gedacht hätte.
Was ihr rätselhaftes Spezialwissen angeht: Ich hab's nochmal nachgeguckt, weil Du mich echt verunsichert hast, ob ich da was durcheinanderbringe, aber das entspricht tatsächlich dem, was man in Klasse 8 so in Biologie lernt. In NRW wohlgemerkt, nicht in Bayern! Ist also nicht altklug sondern altersgemäß klug. Aber vielleicht wirkt es altklug, weil man als Erwachsener die Mendelschen Regeln eben nicht mehr so parat hat, genau wie den Ablauf von Hitlers Machtergreifung oder schriftliches Teilen. Ich musste das ja auch noch mal nachlesen für den Text ;)
Kann auch sein, dass das Dir hier krasser aufgestoßen ist, weil es direkte Rede mit Fachworten ist, aber geek war sie wirklich von Anfang an.

Also Du hast bestimmt Recht, was Du zur Überladenheit des Textes sagst. Das Ziel, bzw. Teil des Experiments war irgendwie auch, eine Figur zu schaffen, die annähernd so komplex ist wie ein durchschnittlich komplizierter Realmensch, da gibt es ja auch tausend Einflüsse, Bezugspersonen, Geschichten und Baustellen, deren Fäden dann in einem Phänotyp zusammenlaufen. Es nervt mich zum Beispiel immer, wenn Geschichten über Essgestörte so tun, als seien die hauptberuflich essgestört, oder der Dicke in der Soap, der auch nur dick ist und vielleicht noch lustig. Aber vielleicht war das mein Denkfehler, dass man sowas in einer Kurzgeschichte einfach nicht bringen kann, weil der Leser dann Augenflimmern kriegt und sich Fokus auf einen Aspekt wünscht. Nen Versuch war es mir trotzdem wert.
Den zweiten Punkt, diese geekiness der Heldin nehm ich ihr halt einfach nicht übel. War eben eins meiner vielen Themen, diese Frage, wie man so als problematisch viel denkendes und interessiertes Mädchen durchs Leben kommt. Wenn der Kopf einen tendenziell zum Außenseiter macht und man immer das Gefühl hat, man muss den ausschalten oder irgendwo verstecken, um sich zu entspannen und allgemein besser anzukommen. Aber gut, vielleicht hätte ich auch das lieber in eine vierte Geschichte verpacken sollen, damit es besser zur Geltung kommt. Bin mal gespannt, ob ich in den nächsten Jahren noch irgendwas aus mir rauswringen kann, wenn ich hier alle möglichen Themen in einen Monstertext verballer :D Aber vielleicht ist es ja auch gut so, jetzt ist es erstmal raus und ich kann mir das in anderem Rahmen noch mal einzeln und ganz in Ruhe vorknöpfen und zu mundgerechte Cocktailhäppchen verwursten.

Vielen Dank für Deinen Kommentar Lollek!

lg,
fiz

P.S:

Das ist so, wie wenn man sich beim Kochen zu viel vornimmt, weil Besuch kommt und dann macht man drei super leckere Sachen, die aber einfach nicht so gut zusammenpassen und weil man schon Trüffelöl im Salat hat, ist man mit dem Garam Masala im Eintopf irgendwie geschmacksnervlich schon überfordert und wenns dazu noch irgendwie ...Birnen mit Ziegenkäse überbacken gibt.. keine Ahnung, dann hat man was verschenkt, galube ich.
Nee, find ich voll geil sowas! Bin voll der Tapas-Typ. Je mehr unterschiedlich desto besser. :D

 

Hallo fiz,
gar nicht so einfach, alle Jugendgeschichten zu kommentieren, was ich mir vorgenommen hatte. Jimmys und dots sind noch unkommentiert und die beiden anderen Geschichten muss ich sogar noch lesen.
Aber zuallererst, das hatte ich mir schon seit langem geschworen, wollte ich dir noch eine Rückmeldung zu der überarbeiteten Fassung geben.
Als ich sie das erste Mal las, ist ja jetzt auch schon wieder was her, dachte ich ähnlich wie andere. Der Übergang von dem normalen Mädchen zum Punk ging mir zu schnell und der Teil mit Chucky schien mir nicht verbunden genug mit dem Rest. Ansonsten hab ich mich total amüsiert. Das ist sehr unterhaltsam geschrieben und mit einem sehr guten Blick für kleine Fiesitäten. Eins ums andre Mal, das ging mir beim Faulfrettchen schon so, bist du ein bisschen für mich wie eine etwas frechere Christine Nöstlinger. Keine Ahnung, ob das für dich ein Kompliment ist, gemeint ist es jedenfalls so, Nöstlinger-Jugendbücher hab ich noch gelesen, da war ich schon weise und abgeklärt. Die hat nämlich auch so einen ganz bestimmten Blick, kann pointiert erzählen und hat so einen hintergründigen Witz, mit dem sie auf die Charaktere und auf die Ereignisse schaut und ist dabei z. T. richtig frech. Das kannst du auch, manchmal vielleicht sogar noch frischer und frecher.
Naja, aber es erschien mir halt unverbunden. Ich dachte dann, ich war ja durch das Lesen und Kommentieren und Nachdenken auch ziemlich mit der Geschichte verknüpft, wenn man das so sagen kann, dass ich jetzt ein Vorurteil habe. Vielleicht verstehst du, was ich meine, es entsteht so eine gewisse Erwartungshaltung, wie das jetzt laufen müsste, wenn jemand seine Geschichte wegen der Kommentare verändert (wenn es nicht gerade Kleinigkeiten sind). Und dann enttäuscht man sich selbst, wenn der Autor das ganz anders macht.
Ich war mir also unsicher und ließ das einfach mal eine Zeit liegen, hatte sowieso viel zu tun.
Und Samstag mit viel Ruhe und Regen und Abstand habe ich sie nochmal gelesen und jetzt ging mir das nicht mehr so. Ich kapiere es nicht, warum das so ist, aber ich konnte den Werdegang des Mädchens über die drei Jahre gut mitverfolgen und fand das spannend, wie das mit den Leuten aus der Clique so weitergeht. Und ich fand es auch kein Problem, dass das über einen langen Zeitraum geht und eher Ausschnitte aus dem Leben des Mädchens bringt, schlaglichtartig wäre. Ich kann es nachvollziehen, dass man das so empfindet, und trotzdem geht es mir nicht so.
Ich hab manchmal schon gedacht, dass ich zu unkritisch bin, dass ich wohl von einem etwas anderen Standpunkt aus schaue als viele hier, weniger als Autorin lese, weniger analytisch lese, wie das die meisten hier machen, sondern als unbedarfte Leserin, die sich überraschen lassen will und dann voller Begeisterung der Geschichte nachjiepert wie ein Hund, dem man einen Knochen hinhält. Aber ich denke, das ist ok so.

Ganz besonders angetan haben es mir zwei Szenen, die erste ist der Beginn, wenn sie sich aufmacht, sich zu häuten und eine ganz andere zu werden. Das fand ich hübsch geschrieben, wie sie gegen die glänzende Haut ihrer Freundin nicht anstinken kann und dann sich selbst unter der Maske eines Punks versteckt. Und nicht nur hübsch, das klingt so ein bisschen nach nett. Nein, das ist alles mehr als hübsch, auch ein bisschen fies, weil die Nöte, denen sie sich da ausgesetzt sieht, das sind ja für sie und die meisten Mädchen keine Kleinigkeiten, tut schon ziemlich weh, wenn man das Gefühl hat, bei den Jungs nicht so anzukommen. Das mit der Haut fand ich eine tolle Idee, ich denk nämlich auch immer, dass es so junge Frauen gbt, die sind von einer Haut umgeben, die richtig strahlt. In einem alten Bild hätten die immer so einen Heiligenschein um den ganzen Körper, weil sie so aus sich heraus strahlen. Das hast du total gut eingefangen. Auch was das für sie heißt, die hässlichere Begleiterin der Hübschen zu sein. Ich mein, eigentlich ist das ja ein Klischee, aber du hast das so charmant gemacht, dass ich das nicht so empfand, ich fand, du trafst da was, man muss erst richtig dolle analytisch zurücktreten, um bemerken zu können, dass das ja ein Klischee ist. Beweist für mich wieder mal, dass man richtig altbekannte Phänomene aufs Korn nehmen darf, Klischees also, der Leser darf es nur nicht merken. :D Oder anders ausgedrückt ist es vielleicht so, dass der Leser dieses altbekannte Phänomen als das ganz persönliche Erleben dieser einen speziellen Person wahrnehmen kann.
Ich konnte auch der Londonszene was abgewinnen, weil ich da merken konnte, dass sie mit der Freundin Kati eine gekriegt hat, mit der sie mehr auf Augenhöhe sein kann, die akzeptieren sich, die beiden, und haben ein echt schönes Verhältnis. Das ist warm und tröstlich und kuschelig. Ich kenn das auch noch aus meiner eigenen Jugend, dass es da die richtige beste Freundin geben musste, und das ging ganz lang so. Man kriegt da halt, außer, dass sie sich von den Normalos abheben will, auch ein bisschen mit, was an den Punks ihr gefällt. Denn die Kati und die Clique, das gibt ihr ja auch eine gewisse Wärme und die Möglichkeit, sich von den Schönen und Erfolgreichen, den Turmspringern und Schönlingen und Schönlinginnen abzuheben, denn sie hat ja schon das Problem, dass sie nicht nur ein bisschen pummelig ist, sondern auch noch verdammt schlau. Das ist eine echt scheißige Mischung für eine kleine Lady in dem Alter. Da stehen die Typen nicht so besonders drauf.
Ach, vielleicht liegt es einfach daran, dass mir das Mädel gut gefällt, ich mag die, weil sie frech ist und schon eine gewisse Reflexion ihrer Situation hat. Aber das find ich nicht schlimm, das kommt ja auch in der Wirklichkeit so vor, gibt doch Mädels, die sind schon mit 12 ziemlich ironisch, während die anderen in dem Alter Ironie für bare Münze nehmen. Und gleichzeitig mag man als Leser die auch ein bisschen beschützen, auch wenn so auf abgeklärte Ische macht. Dafür spricht die ganze Sexszene mit dem Chucky. Eigentlich hat sie sich ja schon in ihn verguckt. Und dann macht sie sich die ganze Situation, die so schön für sie hätte werden können, selbst kaputt, weil sie Liebe und Sex so scheinerwachsen abgeklärt sehen will. Da geht’s bei ihr gar nicht primär um Sex, sondern darum, dass sie sich cool und erwachsen gebärdet und auf Konventionen scheißend. Und dabei sich die Situation und die Kerle im Gegenteil schön machen muss, damit sie es durchsteht.
Hart, aber schön beobachtet und sehr echt fand ich dann die eigentliche Sexszene, das steht sie so neben sich, beobachtet alles, alles wird ein bisschen schmutzig und hässlich. Man weiß nicht genau, warum sie so reagiert, da gibt es keine supergenauen Hinweise in deiner Geschichte, dass man es als Leser nur auf eine Weise sehen können kann. Für mich ist es so, dass das ein weiterer Schritt zu ihrem echten Erwachsenwerden ist. Sie redet ja am Anfang über Sex, und wie Männer und Frauen sich so zusammentun, noch sehr selbstbezogen (ohne, dass ich das jetzt negativ meine) sie vergleicht ihre Wirkung auf Jungen mit der anderer Mädchen, Sex und körperliche Liebe ist was Methodisches, so ein Pimmelpuzzle in einer Wand, damit man es hinter sich hat. Dieses wunderliche Bild, das ist ja schon sehr verräterisch. Und weil Sex was für sie ist, das hat eher mit Arbeit zu tun, deshalb findet sie den Chucky dann auch so scheiße und gemein. Und dass sie dann endlich ihn bei seinem Vornamen nennen kann, dazu gehören auch zwei Sachen, dass er sie bescheuert im lobenden Sinne findet, und wenn sie sich noch so anstrengt, die Kluge raushängen zu lassen, als sie auf den Boden kotzt. Für mich war das kein Philosophieren, sondern da ist sie wieder ironisch und ja, irgendwie testet sie den Cucky da auch für mich. Und mit seiner Reaktion hat er ihr schon einen klenen Splitter ins Herz gesetzt. Und das zweite ist dann, als sie ja auch schon ein bisschen wieder älter ist, als sie den Bluterguss sieht.

Ja, ich kann das Rätsel, warum mir das jetzt gar nicht mehr so unverbunden vorkommt, nicht lösen. Ich finde es sehr, sehr schön. Sehr, sehr trefflich gesehen und geschrieben.
Bis die Tage
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

Ich dachte dann, ich war ja durch das Lesen und Kommentieren und Nachdenken auch ziemlich mit der Geschichte verknüpft, wenn man das so sagen kann, dass ich jetzt ein Vorurteil habe. Vielleicht verstehst du, was ich meine, es entsteht so eine gewisse Erwartungshaltung, wie das jetzt laufen müsste, wenn jemand seine Geschichte wegen der Kommentare verändert (wenn es nicht gerade Kleinigkeiten sind). Und dann enttäuscht man sich selbst, wenn der Autor das ganz anders macht.
Das ist ne total doofe Situation für die Geschichte und alle Beteiligten irgendwie. Quinn hat dazu ja auch schon was gesagt. Nach den Kommentaren zu der ersten Geschiche war es mir ein inneres Bedürfnis, die Protagonisten da zu rehabilitieren. Zu zeigen, dass die zwar viel rumposen, das aber aus bestimmten Gründen so tun. Aber in meiner typischen Ungeduld war ich auch einfach zu schnell. Im Nachhinein denk ich, ich hätte die Ursprungsgeschichte so stehen lassen sollen, wie sie war. Das hätte nämlich auch den unschätzbaren Vorteil gehabt, dass ich wirklich eine neue Geschichte hätte schreiben können und nicht die alte in die neue hätte stopfen müssen. Denn so ganz wegschmeißen ist ja immer hart. Im Moment denk ich so, hmmm, vielleicht muss Teil 3 doch abgeschnitten werden, weil es für eine Geschichte einfach zu viel ist, auch wenn es natürlich zusammenhängt. Aber wie ich bei Lollek schon sagte, es kommt mir fast zu spät für solche riesigen Änderungen vor. Weil die meisten, die diese zweite Geschichte lesen wollten, das bestimmt schon getan haben und damit klebt Teil 3 dann im Kopf noch dran, auch wenn er nicht mehr wirklich dranklebt. Ich mein, wie viele Versionen kann man seinen Lesern zumuten, auch in einem Arbeitsforum? Wer sollte diese Drittversion noch genießen können?

Was ähnliches denke ich zum Mehrfachlesen.

Und Samstag mit viel Ruhe und Regen und Abstand habe ich sie nochmal gelesen und jetzt ging mir das nicht mehr so. Ich kapiere es nicht, warum das so ist, aber ich konnte den Werdegang des Mädchens über die drei Jahre gut mitverfolgen und fand das spannend, wie das mit den Leuten aus der Clique so weitergeht. Und ich fand es auch kein Problem, dass das über einen langen Zeitraum geht und eher Ausschnitte aus dem Leben des Mädchens bringt, schlaglichtartig wäre. Ich kann es nachvollziehen, dass man das so empfindet, und trotzdem geht es mir nicht so.
Ich bin total dankbar, dass Du der Geschichte diese Zeit geschenkt hast und es freut mich irre, dass es beim zweiten Lesen für Dich dann doch zusammenpasste. Ich glaube halt auch, dass man da Zusammenhänge finden kann, aber die Frage ist trotzdem, was man dem Leser so abverlangen darf, ohne voll arrogant zu werden. Zumal der Text halt lang ist. Da kann ich auch verstehen, wenn das zu anstrengend ist, da in tausend Puzzleteilen rumzusuchen und dass das Einzelne da an Wert verliert. Ist eben der entscheidende Unterschied zwischen einem kleinen und einem großen Wimmelbild. Das ist einfach nicht gut, wenn man nach dem ersten Lesen nur verwirrt ist. Ideal wäre es, wenn man nach dem ersten Lesen schon einen Plan von der Geschichte hätte, an dem man Spaß hat und an dem man rumdenken kann und nach dem zweiten Lesen entfalten sich dann noch alle möglichen Zusatzdetails, die das ganze tiefer, runder, wasweißich machen. So hätte ich mir das gewünscht. Aber diese Balance hat der Text im Moment ganz offensichtlich noch nicht. Grrrrrr!

Soviel zur Ausgangslage.

Das ist sehr unterhaltsam geschrieben und mit einem sehr guten Blick für kleine Fiesitäten. Eins ums andre Mal, das ging mir beim Faulfrettchen schon so, bist du ein bisschen für mich wie eine etwas frechere Christine Nöstlinger. Keine Ahnung, ob das für dich ein Kompliment ist, gemeint ist es jedenfalls so, Nöstlinger-Jugendbücher hab ich noch gelesen, da war ich schon weise und abgeklärt. Die hat nämlich auch so einen ganz bestimmten Blick, kann pointiert erzählen und hat so einen hintergründigen Witz, mit dem sie auf die Charaktere und auf die Ereignisse schaut und ist dabei z. T. richtig frech. Das kannst du auch, manchmal vielleicht sogar noch frischer und frecher.
Nehm ich auf jeden Fall als Kompliment. Ich mag Christine Nöstlinger und hab früher auch viel von ihr gelesen. Muss mal gucken, ob ich nochmal was von ihr in die Finger krieg, um mir einen frischen Leseeindruck zu verschaffen. Ja und das Fiese, ohne kann ich immer noch nicht. Ist wohl im Grunde auch die Angst vor Hippiekacke :)

Das hast du total gut eingefangen. Auch was das für sie heißt, die hässlichere Begleiterin der Hübschen zu sein. Ich mein, eigentlich ist das ja ein Klischee, aber du hast das so charmant gemacht, dass ich das nicht so empfand, ich fand, du trafst da was, man muss erst richtig dolle analytisch zurücktreten, um bemerken zu können, dass das ja ein Klischee ist. Beweist für mich wieder mal, dass man richtig altbekannte Phänomene aufs Korn nehmen darf, Klischees also, der Leser darf es nur nicht merken. Oder anders ausgedrückt ist es vielleicht so, dass der Leser dieses altbekannte Phänomen als das ganz persönliche Erleben dieser einen speziellen Person wahrnehmen kann.
Das freut mich, dass Dir das gefiel, denn das habe ich ja quasi auf Deine Frage hingeschrieben. Warum Punk? Und mit Klischees ist es ja auch oft einfach so, dass es Klischees sind, weil es einfach oft vorkommt in der Realität und dann muss man auch drüber schreiben dürfen. Man muss es halt nur überzeugend individualisieren und beleben. Und gerade bei diesem speziellen Klischee ist es ja oft so, dass die hässlichere Freundin immer so Statistin bleibt. Die wird meist aus männlicher Sicht registriert, aber man guckt sich die nicht wirklich an und es bleibt dunkel, wie die Welt aus ihrer Sicht aussieht. Dass sie vielleicht doch mehr ist als nur die hässlichere Freundin, Dreingabe und Witzfigur, wird selten gezeigt.

Ich konnte auch der Londonszene was abgewinnen, weil ich da merken konnte, dass sie mit der Freundin Kati eine gekriegt hat, mit der sie mehr auf Augenhöhe sein kann, die akzeptieren sich, die beiden, und haben ein echt schönes Verhältnis. Das ist warm und tröstlich und kuschelig. Ich kenn das auch noch aus meiner eigenen Jugend, dass es da die richtige beste Freundin geben musste, und das ging ganz lang so.
Mir ist die auch wichtig, weil das mal was Konkurrenzloses ist. Und es ist auch ne Situation in der die Erzählerin mal ganz entspannt auch körperliche Intimität erfährt. Ist ja für viele Mädchen weniger anstrengend, mit der Freundin zu kuscheln als mit dem fremden Geschlecht. Das ist ja auch so ne leise homoerotische Dimension, die auch bei Ina schon da ist. Die Erzählerin kann diese Anziehungskraft der Haut ja selbst nachvollziehen, das ist nichts, was sie nur als Wirkung auf die Jungs beobachtet. Ursprünglich hatte ich auch noch so nen Satz drin, dass sie weiß, wie das ist mit Zungenpiercing zu küssen, weil Kati eins hat. Aber dann dachte ich: Leg jetzt nicht noch so ne Lesben-Fährte. Da wird der Leser vollends wirr. Jaja, man mag es kaum glauben, aber selbst dieser vollgestopfte Text hätte noch vollgestopfter sein können. ;)

Man kriegt da halt, außer, dass sie sich von den Normalos abheben will, auch ein bisschen mit, was an den Punks ihr gefällt. Denn die Kati und die Clique, das gibt ihr ja auch eine gewisse Wärme und die Möglichkeit, sich von den Schönen und Erfolgreichen, den Turmspringern und Schönlingen und Schönlinginnen abzuheben, denn sie hat ja schon das Problem, dass sie nicht nur ein bisschen pummelig ist, sondern auch noch verdammt schlau. Das ist eine echt scheißige Mischung für eine kleine Lady in dem Alter. Da stehen die Typen nicht so besonders drauf.
Ja, also wenn schon Außenseiter dann eben richtig und selbstbestimmt. Das ist so etwas die Logik dahinter. Und das erklärt auch dieses plötzliche Punktum. Sie entscheidet sich da ganz allein und wie es ihre Art ist sehr rational dafür und zieht das dann durch. Das ist ja was ganz anderes als in der Ursprungsgeschichte, wo anklang, dass sie halt Punk ist, weil sie irgendwann von Kati mitgeschleppt wurde. Das wär dann eher son Mitläufertum. Hier ist das neue Gruppengefühl der Bonus der auf die Ina-Emanzipation obendrauf kommt. Und Wärme, ja, da gibt es auch ne gewisse Wärme in der Gruppe und so eine Frau wie Mira als Boss zieht sie natürlich auch an. Aber es ist natürlich auch diese Art, Gefühle als Hippiekacke abzutun, die diesem leicht verstörten Mädchen gelegen kommt. Daneben gibt es dann aber natürlich auch ne gewisse Härte und es gelingt ihr letztlich auch nicht richtig, sich dem Schönheitsdruck so zu entziehen, wie sie sich das gedacht hatte.

Ach, vielleicht liegt es einfach daran, dass mir das Mädel gut gefällt, ich mag die, weil sie frech ist und schon eine gewisse Reflexion ihrer Situation hat. Aber das find ich nicht schlimm, das kommt ja auch in der Wirklichkeit so vor, gibt doch Mädels, die sind schon mit 12 ziemlich ironisch, während die anderen in dem Alter Ironie für bare Münze nehmen. Und gleichzeitig mag man als Leser die auch ein bisschen beschützen, auch wenn so auf abgeklärte Ische macht. Dafür spricht die ganze Sexszene mit dem Chucky. Eigentlich hat sie sich ja schon in ihn verguckt. Und dann macht sie sich die ganze Situation, die so schön für sie hätte werden können, selbst kaputt, weil sie Liebe und Sex so scheinerwachsen abgeklärt sehen will. Da geht’s bei ihr gar nicht primär um Sex, sondern darum, dass sie sich cool und erwachsen gebärdet und auf Konventionen scheißend.
Also freut mich erstmal, dass Du das Mädchen mochtest, auch wenn sie nicht so durchschnittlich daherkommt. Und was Du sagst, trifft ja genau ein Problem. Auch wenn man als Teenager vom Kopf relativ weit entwickelt ist, fehlt es oft noch so an Erfahrung und Souveränität, auch was man mit diesem hässlichen Begriff "emotionale Intelligenz" bezeichnet. Da kann man ne 1+ in Bio haben und trotzdem keine Ahnung haben, wie man einen Schwanz anfassen soll. Und wenn man seine Gefühle so angestrengt ignoriert, tut man sich halt manchmal auch richtig weh damit. Wenn sie sich statt so nem pseudo-coolen Hauruck ein bisschen Romantik, Weichheit und Hippiekacke erlaubt hätte, hätte sie mit Chucky wahrscheinlich ziemlich viel Spaß haben können. Hach, tragisch! :D

Und dass sie dann endlich ihn bei seinem Vornamen nennen kann, dazu gehören auch zwei Sachen, dass er sie bescheuert im lobenden Sinne findet, und wenn sie sich noch so anstrengt, die Kluge raushängen zu lassen, als sie auf den Boden kotzt. Für mich war das kein Philosophieren, sondern da ist sie wieder ironisch und ja, irgendwie testet sie den Cucky da auch für mich. Und mit seiner Reaktion hat er ihr schon einen klenen Splitter ins Herz gesetzt. Und das zweite ist dann, als sie ja auch schon ein bisschen wieder älter ist, als sie den Bluterguss sieht.
Das ist halt auch son bisschen sicheres Terrain für sie. Wenn sie sich da so ins Rationale flüchtet, um sich nicht mit so nem verunsichernden Gefühlsscheiß auseinandersetzen zu müssen. Und wenn man davon ausgeht, dass Intelligenz ein abtörnender Makel ist, kann man die natürlich auch nutzen, um sich jemanden, der einem emotional zu nahe kommt, auf Armeslänge wegzuhalten. Ich glaub nicht, dass es ein bewusster Test ist, aber es wird natürlich trotzdem zu einem, den Chucky besteht, weil er sich davon nicht einschüchtern lässt, sie im weitesten Sinne als den verkorksten geek akzeptiert, der sie ist.

Hm, je mehr ich darüber rede, desto mehr denke ich, dass die ersten beiden Teile schon das meiste sagen, was gesagt werden muss. :hmm: Der Rest war dann vielleicht doch mehr meiner Liebe für Chucky und der Unwilligkeit wegzuschmeißen geschuldet.
Aber grrr!, jetzt hab ich wieder so viel gelabert. Das ist eine Krankheit! Der Leser soll das ja unvoreingenommen lesen. Das steht hier alles nur für Novak!

Vielen Dank, liebe Novak! Dein Kommentar hat mich gefreut und trotzdem dazu gebracht, den Text noch einmal kritisch zu überdenken.

lg,
fiz

update: Ich hab das jetzt abgeschnitten und es fühlt sich gut! an. Danke nochmal an alle Meckerer (Quinn, JuJu, Rick, Lollek). Manchmal braucht so ne Trennung halt etwas Zeit und wenn dann noch jemand wie Novak kommt, der gar nicht meckert, kann man das letzte bisschen Trotz dann auch ganz bequem ablegen :D

 

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