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Wie die Vögel nach Schweden

Kew

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26.05.2009
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Wie die Vögel nach Schweden

Der Drachen hob ab. Sofort riss der Wind an den Leinen, zerrte Fabian über den Strand Richtung Meer. Bei diesem Wetter konnte er früher springen wie ein Astronaut auf dem Mond, meterweite, herzklopfende, zeitlupenträge Hüpfer, und seine Mutter erzählte Geschichten von Kindern, die der Wind bis nach Schweden entführte. Jetzt lehnte er sich gegen den Zug der Leinen und jagte den Drachen über die verwehten Reste der Sandburgen, dass seine Spitze fast den Boden streifte.
„Heyho.“
Vom Gipfel einer Düne winkte David. Beim Abstieg schob er Sandlawinen vor sich her.
„Rate, was ich in der Scheune gefunden habe“, rief er, kaum dass er in Hörweite war. „Einen Heißluftballon.“
Als Kinder hatten sie häufig in der Scheune gespielt, wenn der Herbstregen Felder und Dünen in Ödland verwandelte. Zwischen vernagelten Kisten und rostigem Landwirtschaftsgerät errichteten sie ihr Königreich und träumten von Schätzen, die tief unterm Gerümpel verborgen lagen.
„Wir sollten ihn ausprobieren“, sagte David.
„Das ist verrückt.“
„Ja, total krass.“
„Ich meinte das nicht positiv.“
Fabian kippte den Drachen in den Sturzflug – wie ein Raubvogel schoss er in die Tiefe und der Wind krallte sich in seine Flügel. Dann riss eine Leine. Der Drachen wand sich tödlich getroffen um die eigene Achse, stürzte zwischen die verrammelten Strandkörbe und verendete im Sand. Fabian verpackte die Überreste in der Tragetasche. Anschließend kämpften sie sich, Flugsand im Auge, über die Dünen.
„Wir schauen nur mal, ob alles da ist“, sagte David. „Genügend Gasflaschen und so. Und ob die Hülle kaputt ist. Du musst ja nicht fliegen, wenn du nicht willst.“
„Du versuchst nicht, mich in letzter Minute in den Korb zu zerren?“
„Nee, ich bind dich außen fest.“
„Gut, ich informiere die Anderen.“
Unmut huschte über Davids Gesicht, der Sekundenbruchteil eines Zögerns. „Okay.“
Die ersten Dächer kamen in Sicht, reetgedeckte Ferienhäuser mit holzverschalten Fenster gegen die Herbst- und Winterstürme.

Als der Wind sich beruhigt hatte und die Oktobersonne Erinnerungen an lauwarme Sommertage weckte, fuhr Fabian mit dem Fahrrad zu David. Hinterm Stall, in dem sich jetzt Gästezimmer drängten, führte ein sandiger Trampelpfad durch ein Birkenwäldchen. Als Fabian den Schatten der Bäume verlies, warteten Phil und Johannes bereits vor der Scheune.
„Wo ist David?“, fragte Fabian.
„Holt mit unserm Ehrengast den Schlüssel.“ Phil wies hinter die Scheune, wo sich zwischen Gräsern und Brennnesseln eine Klappe in der Bretterwand verbarg, gerade groß genug, um mit der Hand den Schlüssel zu angeln, der links an einem Haken hing. Fabian kannte das Versteck von früher.
„Ehrengast?“
„Anna. David hat sie mitgebracht.“
„Warum?“
„Du musst doch wissen, warum man ein Mädchen echt überall hin mitnimmt.“ Schon im Sommer, als Fabian mit Mia ging, hatte Phil sich beschwert, dass es plötzlich Wichtigeres gab als die Freunde. Fabian kümmerte sich wenig darum, sondern küsste Mia im Strandhafer der Dünen oder im Garten des Ferienhauses. Als sie auf einem Nadelbett im Pinienwald lagen, umgeben von den Resten eines Picknicks, nahm Mia seinen Schwanz in den Mund und Fabian verkrampfte sich in zittriger Erwartung, aber sie hörte gleich wieder auf, verzog das Gesicht, versuchte die peinliche Stille mit Lachen zu überspielen. Am Ende der Ferien verschwand sie ohne Abschied.
„Was habt ihr so lange gebraucht?“, fragte Phil, als David und Anna um die Ecke bogen. „Wart echt ne Ewigkeit da hinten.“
Anna wurde rot. David zuckte mit den Schultern. „Hab den Schlüssel nicht so schnell gefunden. War ewig nicht mehr hier.“
„Klar, deswegen weißte auch von dem Ballon.“
In der Scheune roch es nach Staub und den Resten von Stroh, die man auf einem Zwischenboden unter der Decke vergessen hatte. David drückte sich an dem alten, blauen Traktor vorbei, der wie ein Kettenhund das Tor bewachte, und suchte einen Weg zwischen Kisten und Körben, zwischen rostigen Mistgabeln und einem schartigem Pflug. Vor einem Haufen olivgrün verschnürter Pakete blieb er stehen. „Tadaa. Da wären wir. Mal sehen, ob alles da ist.“
Sie fanden den Korb, den Brenner und ein dutzend Gasflaschen, die meisten davon leer, doch bei einigen waren die Ventile noch mit Plastik versiegelt. Die Ballonhülle entfalteten sie vor der Scheune.
„Wow, ist ja riesig“, sagte Phil.
Wie die Haut einer Echse schmiegte sich die Hülle an den Boden, warf Falten über jedem Erdhügel, jedem Stein. Fabian lief respektvoll an ihrem Rand entlang. Im Augenwinkel sah er Anna, die David auf die Wange küsste – so hatte sich auch Mia für den silbernen Vogelanhänger bedankt, den Fabian ihr geschenkt hatte.
„Mal schauen, ob Löcher drin sind“, sagte Phil.
Das Suchen war anstrengend, bald flimmerten Fabians Augen vor lauter Grün. Er verlor die Orientierung, wusste nicht mehr, ob er Fortschritte machte oder die immer gleichen Stellen absuchte. Er wandte seinen Kopf zum Himmel, um den Blick zu entspannen, und Neonpunkte tanzten im wässrigen Blau. Eine Stunde später saßen alle erschlagen am Feldrand, aber sie hatten keine Löcher gefunden.
„Los, lasst uns fliegen“, sagte Phil.
„Nicht heute“, erwiderte David.
„Wieso?“
„Willst du nach Schweden fliegen? Der Wind geht Richtung Meer.“

Fabian saß am Computer und sah Videos von Musik-Festivals, auf denen er nie gewesen war, als sich sein Skype meldete. Grobkörnig und bleich erschien Phil auf dem Bildschirm. Er trug weder Pulli, noch T-Shirt und seine Rippen stachen durch die Haut wie Kirchenbögen. Eine Schreibtischlampe warf Schlagschatten in sein Gesicht.
„Wäre es möglich, dass du dir was anziehst?“, fragte Fabian.
„Wie oft waren wir zusammen schwimmen? Man, wir waren sogar Nacktbaden.“
„Es sieht aus, als wolltest du masturbieren.“
„Alter, du sagst echt masturbieren?“
„Was stört dich daran?“
„Sag halt wichsen. So klingste wie ein Priester.“
„Kannst du dir was anziehen?“
Phil kippte aus dem Bild. Zurück blieben die unscharfen Konturen von Bett und Regal, das nachtblaue Quadrat des Fensters. Stoff raschelte und Phil kehrte auf den Bildschirm zurück, zog sich ein T-Shirt über den Kopf, darauf eine frankophile Katze mit Schnurrbart und Barett, die Mäuseköpfe auf einem Tablett servierte.
„Besser?“
„Ja. Weswegen hast du angerufen?“
„Sekunde.“
Ein Link erschien im Textfeld.
„Will ich das wirklich sehen?“, fragte Fabian. Mehr als einmal hatte Phil ihm Snuff-Videos geschickt –Selbstmörder klammerten sich an Laternenpfähle, bevor sie vom Brückengeländer sprangen, Motorräder prallten gegen Autos und LKWs, die Fahrer wirbelten durch die Luft und zerbrachen wie Streichhölzer an Bäumen und Leitplanken. Das ganze erinnerte auf grausame Weise an Slap-Stick.
„Sollteste. Ist wichtig für unsern Ballonflug.“
Fabian klickte auf den Link. Sein Browser öffnete die zittrige Aufnahme einer Handykamera. Ein Trampelpfad schmiegte sich an den Fels. Rechts fiel die Bergwand in die Tiefe und die Felder im Tal verschmolzen zu erdigem Grün. Schreie waren zu hören, tonlos unterm Rauschen des Windes. Dann füllte ein Heißluftballon das Bild, riesengroß und bunt wie ein Papagei, und kam immer noch näher und hielt schräg auf die Bergwand zu. Die Gesichter der Passagiere bestanden nur aus wenigen Pixeln und doch überkam Fabian Grauen und Übelkeit, die Gewissheit, etwas Verbotenes zu sehen – niemand sollte sowas filmen. Sanft streifte die Ballonhülle den Felsen und riss auf ganzer Länge. Der Korb prallte auf einen Gesteinsvorsprung und wurde ins Tal hinaus geschleudert. Die Passagiere fielen heraus, schwarze Körper, hilflos vor der Tiefe.
„Das ist ekelhaft“, sagte Fabian.
„Was denn? Ich will nur wissen, was uns passieren kann.“
„Bei uns gibt es keine Berge.“
„Dafür das Meer. Wir treiben raus und tschüss.“
„Dann nehmt ihr eben Rettungswesten.“
„Ertrinken ist nicht das Problem. Das Wasser ist einfach zu kalt. Wir erfrieren, lange bevor wir ertrinken.“
Die Vorstellung verursachte ein unbehagliches Ziehen in Fabians Kniekehlen – vier Jugendliche trieben im Wasser, grau gefrorene Gesichter zwischen den Wellen, nur die Rettungswesten leuchteten grell im Licht der Suchscheinwerfer.
„Eigentlich ist es Quatsch, dass ich immer von uns rede“, sagte Phil. Er öffnete einen Energydrink und trank zwei Schlucke aus der Dose. „Du weißt ja, worum es bei der Sache tatsächlich geht.“
„Worauf willst du hinaus?
„Komm schon, ist doch offensichtlich. David will Anna flachlegen. Deswegen hat er dich gefragt. Weil du eh nicht mitfliegen willst.“
„Warum hat er mich dann überhaupt gefragt?“
„Er braucht nen Fahrer. Wenn keiner mit dem Traktor nachfährt, bekommt er den Ballon nicht zurück zur Scheune.“
„Trotzdem willst du mitfliegen?“
„Scheiße ja. Sonst passiert hier eh nichts bis nächsten Sommer.“
Trotz Phils Befürchtungen erschien Anna nicht zur ersten Fahrt mit dem Ballon, vielleicht hatte sie keine Lust mit vier Jungs zu fliegen, vielleicht hatte David sie gebeten zu warten. Aufgeregt schleiften sie den Korb aufs Feld und befestigen den Brenner. Gravitätisch blähte sich die Hülle, eine gigantische, neongrelle Weintraube erhob sich vor den Schäfchenwolken, die träge nach Süd-Westen trieben.
„Seid ihr sicher, dass ihr damit fliegen wollt?“, fragte Fabian.
„Fahren“, sagte David.
„Was?“
„Ich hab nachgeschaut, es heißt Ballon fahren, nicht fliegen. Und ja, natürlich wollen wir, die ganze Arbeit muss sich schließlich lohnen. Außerdem machen wir eh nur nen Kurztrip. Wir fahren weder besonders hoch noch weit.“
David, Phil und Johannes stiegen in den Korb und kappten die Leinen. Träge stieg der Ballon empor, wurde vom Wind erfasst und trieb übers Feld davon. Die drei Freunde jubelten und winkten. Fabian stieg auf den Traktor und zitternd erwachte die Maschine zum Leben. Über Feldwege und Seitenstraßen folgte er dem Heißluftballon. Einmal fuhr er in eine Sackgasse und musste das Gespann samt Anhänger wenden, schweißtreibende Minuten, in denen die schwebende Weintraube hinter Baumwipfeln außer Sicht geriet. Als er endlich den richtigen Weg gefunden hatte, war der Ballon verschwunden. Er verrenkte sich den Hals, fand kein Grün am Himmel und mit jeder Sekunde wuchs die Panik. Als er schon nach seinem Handy fingerte, entdeckte er den Ballon auf einer Wiese, halb verdeckt von einem Bauernhaus. Phil und Johannes lehnten lachend am Korb, während David am Brenner hantierte.
„Das war so geil“, rief Phil. „So geil. Wirklich. Musste auch machen. Ist total irre.“
Er fiel Fabian um den Hals und schleifte ihn Richtung Ballon.
„Nein, wirklich nicht. Danke.“
„He Johannes, hilf mal mit“, rief Phil.
Gemeinsam packten sie Fabian an den Armen und zerrten ihn zum Korb.
„Leute, ich hab Höhenangst.“
„Wissen wir.“ Das Grinsen halbierte Phils Gesicht.
„Probier’s aus“, sagte Johannes. „So hoch fliegen wir eh nicht.“
„Fahren“, warf Phil ein.
„Und die Korbwände sind irre hoch, du kannst gar nicht rausfallen.“
David reichte ihm die Hand und Fabian kletterte in den Korb, ein Kind vor der Achterbahn, halb Angst, halb gespannte Erwartung. Aus der Nähe röhrte der Brenner wie ein Hochofen. Kaum hatte er sich zurechtgefunden, spürte Fabian das leichte Schaukeln, mit dem sich der Korb vom Boden löste. Die Wiese sank unter ihm weg. „Oh Gott.“ Die Erde entfernte sich erschreckend schnell und er schwebte im Nichts – ein Windstoß nur, ein Riss in der Hülle und sie würden als zerschmetterte Leichen in einer Baumkrone oder auf dem Dach eines Bauernhauses enden. Er klammerte sich am Korbrand fest.
„He, es ist alles in Ordnung.“ Johannes legte ihm die Hand auf die Schulter. „Bleib einfach in der Mitte des Korbes und schau nicht nach unten, sondern in die Weite. Dann fällt’s gar nicht auf, wie hoch wir sind.“
Zaghaft spähte Fabian über den Rand des Korbes. Vor ihm lag die Welt – Wiesen, auf denen Schafe weideten, Entwässerungsgräben voll fauligen Unkrauts, graubraune Felder und dazwischen die reetgedeckten Dächer der Bauernhöfe, wo die Menschen stehen blieben und in den Himmel zeigten. Rechts erstreckten sich die Dünen und dahinter das Meer, ruhige Brandung und am Horizont die Flanke eines Gastankers. Er suchte Phil und den Traktor und fand ihn auf einer Allee, deren Bäume von oben Rasierpinsel glichen.
„Ist das schön.“
„Absolut“, sagte Johannes. „Absolut. Aber ich glaube, wir sollten wieder runtergehen. Sonst kommen wir zu sehr Richtung Stadt.“
Die ersten Häuser tauchten am Horizont auf und wuchsen rasch zum Ziegelmeer. David drosselte den Brenner und sie sanken auf ein Feld herab, auf dem letzte Getreidestoppel standen. Hart schlug der Korb auf die Erde und Fabian wurde gegen die Umrandung geworfen. Aber er lachte nur. Das Adrenalin pumpte in seinen Adern.

Eigentlich war Fabians Zimmer selbst für zwei Personen zu klein, aber Johannes ließ seit dem Schlaganfall seines Vaters keinen seiner Freunde mehr zu sich nach Hause. Also lagen sie auf dem Bett und tranken Bier aus dem Vorrat von Fabians Eltern.
„Ich habe das Gefühl, unser Freundeskreis zerbricht“, sagte Fabian. „Mit den Anderen kann ich nicht darüber reden, aber wir machen immer weniger zusammen. Was ich wirklich schade finde. Schließlich haben wir früher fast jeden Tag etwas unternommen. Und jetzt ist es schon viel, wenn wir uns einmal die Woche treffen. Und selbst dann sind wir selten vollständig.“
„Ich hab einfach wenig Zeit. Wegen Jessi und Frances.“
Die beiden waren Johannes Schwestern und weil sein Vater nur noch über Schläuche atmete und weil seine Mutter manchmal weinend am Küchentisch saß, musste er sich um die beiden kümmern. Er brachte sie zur Schule und zum Sportverein, er half ihnen bei den Hausaufgaben und kochte das Abendessen. Wenn er darüber sprach, was selten genug geschah, versuchte er das Positive zu betonen – er verbrachte mehr Zeit mit seinen Geschwistern, war viel verantwortungsbewusster als früher, viel erwachsener.
„Sorry, ich meinte das nicht als Vorwurf.“
Johannes trank einen Schluck Bier. „Immerhin haben wir den Ballon. Das war einfach super. Ich meine, man fliegt … fährt … über allem. Ich hatte das Gefühl, absolut frei zu sein, als könnte ich überall hin. Das war einfach super. Wir müssen das unbedingt nochmal machen. Und diesmal nicht so kurz, sondern viel weiter.“
Sein Gesicht glänzte vor Begeisterung und die Narbe unter seinem Auge stach deutlich ab gegen die rosige Haut, ein Riss, der an Mittelalter-Epen erinnerte und heroische Schlachten. Dabei war es ein Unfall gewesen. Als Kind begeisterte sich Fabian fürs Militär und so bastelte er aus einem Eisenrohr und einem Holzklotz seine eigene Kanone. Mit dem Schießpulver aus altem Feuerwerk füllten sie den Lauf, die Mündung verschlossen sie mit Wachs. Kurz vorm ersten Versuch kamen Johannes Zweifel. „Das geht schief. Das Teil fliegt uns um die Ohren.“ Aber Fabian hielt bereits ein Streichholz an die Zündschnur. Heldenhaft hechteten sie in Deckung und zählten die Sekunden bis zum Knall. Nichts geschah. Enttäuscht hoben sie die Köpfe. Da explodierte die Kanone und ein Splitter streife Johannes Gesicht. Er stürzte zu Boden, Blut sickerte unter der Hand hervor, die er auf sein Auge drückte, und für ein paar schreckliche Sekunden dachte Fabian, sein Freund wäre tot. Auch wenn sie später über den Vorfall lachten, fühlte er sich immer noch schuldig.

Tage später fragte David, ob Fabian mit dem Ballon helfen könnte. „Du weißt doch wegen Anna. Ich würde gerne eine Fahrt mit ihr allein machen.“
Also fuhr Fabian zur Scheune und zerrte mit David den Korb aufs Feld. Während sich die Hülle blähte wie Hefeteig, saßen sie schwer atmend am Boden und warfen Steine nach einer Bierflasche, die grünlich am Wegesrand schimmert. David wirkte nervös. Er pfiff abgerissene Melodien und prüfte ständig seine Frisur mit den Fingern. Fabian versuchte ihn zu beruhigen, fand aber nicht die richtigen Worte. Als seine Bemühungen lächerlich wurden, tauchte Anna zwischen den Bäumen auf. Sie schenkte Fabian ein unsicheres Lächeln und küsste David auf den Mund – Sekunden der Zweisamkeit und Fabian beobachtete eine Krähe, die nach Würmern pickte.
Diesmal war die Fahrt mit dem Traktor beinahe Routine und auf den Feldwegen voller Schlaglöchern dachte Fabian an den Sommer, als er eine Freundin hatte und die Welt mit ihr teilte. Jetzt blieb ihm nur die Rolle des Liebesdieners, der die Fäden hinter den Kulissen führte, und er verstand Phil und sein Gefühl, ausgeschlossen zu sein vom Glück der Anderen.
Nach der Landung waren Annas Haare zerzaust, ihr Lippenstift verschmiert. Unter Fabians Blick wurde sie rot und strich sich Rock und Parka glatt. David grinste nur.

Dann wurde das Wetter wieder schlechter und Fabian zog mit repariertem Drachen zum Strand. Stundenlang trotzte er dem Wind, der salzigen Gischt und kehrte mit roten Wangen und tauben Fingern nach Hause zurück. Dagegen wirkte Johannes bei jedem Treffen bedrückter. Er sprach weniger und trank mehr. Immer öfter endete er über der Kloschüssel und Fabian lauschte besorgt, ob seine Eltern aufwachen würden. Manchmal weinte er auch.
„Eigentlich will ich nur noch weg“, sagte Johannes, als sie wieder auf dem Bett lagen und die Bierflaschen weniger wurden.
„Ja, ich kenne das, manchmal …“
„Nein.“ Johannes schüttelte den Kopf. „Ich meine das ernst. Ich will nur noch weg.“
Wie schlimm musste es sein? Wenn der Vater reglos im Krankenbett lag und Maschinen seine Atmung übernahmen. Wenn die Mutter mit einer Rotweinflasche am Küchentisch saß und durch die Fotoalben längst vergangener Urlaube blätterte. Die Kleinen durften jedenfalls nichts merken. Vielleicht erzählte ihnen Johannes Geschichten, in denen die Welt noch heile war, vielleicht sagte er ihnen, dass bald alles wieder wie früher seien würde.
„Du kannst nicht einfach weggehen. Was passiert mit Jessi und Francis?“
„Meine Mutter wird sich um die beiden kümmern.“
„Du weißt, dass sie das nicht kann.“
„Sie muss. Verstehst du das nicht? Ich kann nicht bleiben. Ich kann einfach nicht.“ Tränen standen in Johannes Augen und Fabian fühlte sich zurückgestoßen – er verstand seinen Freund nicht mehr, hatte keinen Zugang zu seinen Qualen.
„Wo willst du hin?“
„Schweden.“
Dann kam die Erkenntnis. „Du willst den Ballon nehmen?“
„Ja.“
„Das wird nicht funktionieren. Du wirst abstürzen, du wirst ertrinken oder erfrieren.“
„Weißt du noch die Kanone. Ich hab dir gesagt, das funktioniert nicht. Geholfen hab ich trotzdem.“
„Aber …“ Fabian wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Wie die Helden seiner Kindheit, fühlte er sich an ein Versprechen gebunden. „Okay, ich helfe dir.“
Johannes umarmte ihn. Fabian spürte den bierwarmen Atem an seinem Hals, spürte das Zittern in der Brust.
Sie trafen sich vor der Scheune, als der Sturm abgeflaut war und die Wolken ohne Eile übers Meer segelten. Johannes schwankte unterm Gewicht seines Rucksacks, obenauf leuchtete eine Rettungsweste im lauen Sonnenlicht. Zum ersten Mal seit Wochen wirkte er fröhlich. Er winkte von weitem und umarmte Fabian zur Begrüßung.
Es brauchte seine Zeit, bis Fabian die Klappe zwischen welkem Gras und kratzigem Unkraut entdeckte. Er tastete über die raue Innenwand der Scheune und zuckte zurück, als sich ein Holzstück in seinen Finger bohrte. Blut perlte unterm Fingernagel, aber er fand den Schlüssel und zog den Splitter mit den Zähnen aus dem Fleisch.
„Warum hast du gerade mich um Hilfe gebeten?“, fragte Fabian, als sie in die Scheune traten. „Und nicht einen der anderen?“
„Du weißt, wo der Schlüssel ist.“
„Das weiß David auch.“
„Weil ich dir vertrauen kann.“
Die Flugvorbereitungen erschienen Fabian diesmal unwirklich schnell und die Weintraube wuchs im Zeitraffer. Schon warf Johannes Rucksack und Rettungsweste in den Korb und schwang sich selbst hinterher.
„Mach es nicht“, sagte Fabian. „Bitte. Bleib hier.“
Aber Johannes löste die Leinen und winkte zum Abschied und sein Gesicht, das endlich wieder Vertrauen in die Zukunft zeigte, wurde immer kleiner. Als der Ballon fast außer Hörweite war, rief Fabian ihm nach: „Schreib mir, wenn du angekommen bist.“

Zwischen verlassenen Ferienhäusern fuhr er nach Hause. Beim Abendessen versuchte er fröhlich zu sein und fühlte sich dabei wie ein Verräter. Er ging früh zu Bett, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Stattdessen sah er Bilder vom Meer – eine kleine Gestalt kämpfte gegen die Wellen, spuckte Salzwasser und rief um Hilfe. Langsam erstarrten die Finger und Füße. Nach Johannes Tod fraßen Fische seine Lippen. Er erreichte Schweden mit grausigem Lächeln und fauligen Eingeweiden.
Am Morgen strahlte das Gesicht seiner Mutter Besorgnis aus. Sie erzählte vom Fischerboot, das Johannes gefunden hatte, fünfzig Meilen vor der Küste. Sie sagte, dass Johannes Glück gehabt habe, dass er mit leichter Unterkühlung im Krankenhaus behandelt wurde. Sie wunderte sich über den Heißluftballon, der bei der Rettung längst am Meeresboden lag, und wie er ihn alleine hatte fliegen können. Nach dem Mittagessen wollte sie Fabian zum Krankenhaus fahren.
Die Selbstverständlichkeit mit der seine Mutter den Besuch bestimmte, erschreckte Fabian. Vorgestern noch hätte er die Schule geschwänzt und wäre mit dem Bus zum Krankenhaus gefahren, aber jetzt … Wie sollte er ihm in die Augen sehen?
Während des Unterrichts sah Fabian aus dem Fenster. Krähen umflogen die Wipfel des Schulwaldes, Wolken zogen von links nach rechts. Letztlich war es seine Schuld – er hatte von Johannes Plänen gewusst und hätte sie verhindern müssen. Stattdessen hatte er den Schlüssel geholt und beim Start geholfen, hatte geschwiegen und niemanden um Hilfe gebeten. In der Pause sprach er flüchtig mit David, der vom Absturz wusste und gegen Abend ins Krankenhaus fahren wollte. Dann wanderte er an den Rand des Sportfeldes, wo sich die Außenseiter versteckten.
Im Krankenhaus setzte sich seine Mutter mit einem Buch ins Foyer und Fabian ging allein zu Johannes. Er klopfte an der Tür. Eine Altherren-Stimme rief ihn herein. Der Mann mit Zeitung und graumeliertem Seefahrerbart im Bett nickte großväterlich zur Begrüßung. Johannes, der mit dem Gesicht zum Fenster im Bett lag, reagierte nicht.
„Keine Sorge, der schläft nicht“, sagte der Seefahrer.
Johannes drehte sich um und bemühte ein Lächeln, als er Fabian erkannte.
„Du bist schnell mit deinem Besuch.“
„Meine Mutter hat mich hergefahren.“
„Nett von ihr.“ Er wuchtete sich aus dem Bett.
„Wir können auch hier bleiben“, sagte Fabian.
„Ich bin nur zur Kontrolle hier. Ich kann gehen wohin ich will.“
Johannes warf sich einen Bademantel über und sie liefen durch Korridore, die überfüllt waren mit Pflegern, die Patienten in ihren Betten von Untersuchung zu Untersuchung schoben, mit Familien auf dem Weg zur ihren Liebsten. In den Gesichtern konnte Fabian die Diagnose lesen – Lachen für Beinbrüche und Blinddarmoperationen, Schweigen für Krebs. Sie setzten sich in die Cafeteria und tranken Kaffee, der wie gekochte Druckerschwärze schmeckte.
„Ekelhaft“, sagte Fabian.
„Das Frühstück ist nicht besser. Staubtrockene Brötchen und die Marmelade ist viel zu süß.“
Zwei Tische weiter unterhielt sich ein Student mit seiner Freundin. Obwohl er in einem Rollstuhl saß, an dessen Armlehne ein Katheterbeutel hing, und blutige Schlieren den Urin durchzogen, lachten die beiden viel und fütterten sich gegenseitig mit bröseligem Kuchen. Fabian beneidete sie um ihre Sorglosigkeit.
„Weißt du schon, wann sie dich entlassen?“, fragte er.
„Vermutlich morgen.“
„Ah, gut.“
„Schon. Der Alte geht mir jetzt schon auf die Nerven. Ich mein, er ist nett und so. Aber er schnarcht wie sonst was.“
Das Studentenpärchen verließ die Cafeteria, sie schob seinen Rollstuhl. Noch immer scherzten sie und warfen sich schelmische Blicke zu, ihr Lachen klang hell wie Silbergeld.
„Genau wie Phil damals im Schullandheim.“
„Was meinst du?“
„Das muss du doch noch wissen. In der fünften Klasse sind wir in dieses Schullandheim im Harz gefahren. Wir vier haben uns ein Zimmer geteilt. Und Phil hat geschnarcht als wollte er Bäume fällen. In der zweiten Nacht hat es uns gereicht und wir haben ihm Cola in den Mund gekippt. Er hat eine halbe Stunde gebraucht, um sich die Lungen frei zu husten.“
„Kann schon sein.“ Kein Wiedererkennen erhellte Johannes Gesicht, die Augen blieben leer.
„Wirklich, es war so.“
Johannes sagte, er sei müde, und sie kehrten auf sein Zimmer zurück. Der alte Mann war verschwunden. Zum Abschied wollte Fabian Johannes umarmen, aber er traute sich nicht – zu elend wirkte sein Freund im Nachthemd, zu verlassen von der Welt. Und auch die Entschuldigung, die seit dem Morgen in ihm brannte, kam nicht über seine Lippen.

Ohne Heißluftballon hatte die Scheune ihren Zauber verloren. Die Kisten und Körbe und Plastikballen bargen keine Geheimnisse mehr, sondern Schrott und Plundern. Auf den Oberflächen wucherten Staubgewächse, bis eines Tages alles unter wattig-weichem Flaum versinken würde.
Phil und David saßen am Rand des Zwischenbodens und ließen die Beine baumeln, während Fabian hinter ihnen im Stroh lag. Sie schwiegen und tranken Bier und warfen die leeren Flaschen in die Tiefe, wo sie zerplatzten wie Artilleriegranaten und die Splitter prasselten gegen die Plastikplanen und Holzbretter. Fabian fühlte sich unwohl. Der Geruch des Strohs verstopfte seine Nase und die Halme stachen ihm in Nacken und Hinterkopf.
„Hat sich Johannes bei euch gemeldet?“, fragte Phil und David schüttelte den Kopf.
„Das macht mich total fertig. Ich weiß nicht, was mit ihm ist. Er geht nicht an sein Handy.“
„Auf meine Mails hat er auch nicht geantwortet.“
„Und klingeln bringt eh nichts. Das Haus sieht schon total verlassen aus, als würde da niemand mehr wohnen. Ich mein, der Garten verwildert total.“
Fabian überlegte, wie er das Gespräch beenden konnte – noch war es nicht zu spät, noch konnte die Schuldfrage vermieden werden. Aber ihm fiel nichts ein und so lag er im Stroh und wartete auf den Untergang.
„Ich versteh ihn einfach nicht“, fuhr Phil fort. „Ich mein, das mit seinem Vater kapier ich schon. Das ist total scheiße und auch das mit seiner Mutter. Da wäre ich auch total am Ende. Aber warum will er mit uns nichts mehr zu tun haben? Dafür sind Freunde doch da. Zum Helfen.“
„Ich frag mich, weshalb der Ballon“, sagte David. „Er hätte doch einfach so weglaufen können.“
Phil schwieg und die Atmosphäre kippte ins Feindselige. Doch David leerte unbekümmert sein Bier und warf die Flasche in die Tiefe.
„Warum haste ihm geholfen?“, fragte Phil.
„Hab ich nicht.“
„Lüg nicht. Nur du weißt, wo der Schlüssel ist.“
„Ich war’s nicht.“
„Scheiße, was sollte das? War doch klar, dass er’s nicht schafft. Mit dem Ballon nach Schweden. Was für ein Schwachsinn, was für ein Müll. Und du Arsch hast ihm geholfen. Fuck, hättest ihn auch gleich ertränken können.“
„Warum denn? Er lebt noch.“
Am liebsten wäre Fabian kotzen gegangen, die Galle hätte die Gedanken aus seinem Kopf gewaschen; die Welt bestünde nur aus Magenkrämpfen und dem bitterem Geschmack in seinem Mund. Doch es war an ihm die Wahrheit zu sagen, denn David schwieg und ein Grinsen zuckte in seinen Mundwinkeln, die spöttische Aufforderung, diese Farce doch endlich zu beenden. Aber Fabian konnte nicht, Phil würde ihn hassen. Also sprang er auf und hastete die Leiter hinunter. In der Eile verfehlte er eine der Sprossen, fiel, schlug hart auf den Boden. Der Schmerz lähmte ihn, er bekam keine Luft. Dann setzten seine Lungen wieder ein, holpernd und hastig, und er floh aus der Scheune. Was David ihm nachrief, verstand er nicht.

Seine Tage wurden einsam. Zwar sprach er in den Schulpausen mit David und Anna, flüchtige Gespräche über Noten und Lehrer, einen Ausflug der beiden in die Stadt, aber die meiste Zeit saß er schweigend im Unterricht und nach dem Mittagessen ging er allein zum Strand. Er wanderte die Brandungslinie entlang, bis er keinen Spaziergängern mehr begegnete und keinen Hunden. Dann suchte er Schutz zwischen den Dünen und beobachtete die wenigen Möwen bei ihren Flügen übers Meer.
Wenn er auf dem Heimweg an Johannes Haus vorbei kam, blieb er stehen und hielt Wache vorm verwilderten Garten, wo der Rasen unter Laub und abgebrochenen Ästen verschwand und Unkraut auf den Beeten faulte. Im Elternschlafzimmer glommen die Kontrolllampen der medizinischen Geräte und Fabian überkam die Vorstellung, dass dort Johannes lag statt seinem Vater, mit Schläuchen in Bauch und Nase, das Gesicht wächsern wie bei Schneewittchen. Fabian wollte ihn wecken, doch er klingelte nie.
Bei den wenigen Begegnungen mit Phil, versuchte Fabian ihm auszuweichen.
„Biste jetzt wie David, oder was?“, rief Phil ihm nach, als er aus dem Supermarkt floh.
Er blieb stehen und Phil schloss auf.
„Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich bald abhaue. Ich kann bei meinem Vater in Hamburg wohnen.“
„Cool.“
„Ja, total. Endlich mal was anderes als dieses Kaff.“ Phils Begeisterung klang wenig überzeugend.
„Wann findet der Umzug statt?“
„Nächste Woche.“
„Braucht ihr noch Hilfe?“
„Danke, wir schaffen das schon.“
Sie verabschiedeten sich freundschaftlich, aber mit der Gewissheit, sich nie wiederzusehen.
Weil seine Mutter immer häufiger fragte, warum er die Abende zu Hause verbrachte und nicht mit seinen Freunden, ging Fabian ins Wirtshaus. Unter fettig gelben Lampen tranken und lachten die Männer des Dorfes. Seit dem Ende der Saison hielt sich niemand mehr ans Rauchverbot und Zigarettenqualm füllte den Schankraum wie Nebel. Fabian setzte sich an einen der Tische. Ein gemeinschaftliches Nicken zur Begrüßung und er war Teil der Runde. Der Wirt brachte ihm Bier und Erdnüsse. Als er betrunken nach Hause taumelte, war Fabian ein Anderer. Die Zeiten von Drachenfliegen und Heißluftballons waren vorbei.

 

Diese Geschichte wurde von einem Autor geschrieben, der hier im Forum angemeldet ist, es für diese Geschichte aber bevorzugt hat, eine Maske zu tragen.
Der Text kann, wie jeder andere Text im Forum, kommentiert werden, nach zehn Tagen wird die Identität des Autors enthüllt.

Als Kritiker kann man bis dahin Vermutungen über die Identität des Autors anstellen. Damit man anderen mit einem schlüssigen Rateversuch nicht den Spaß raubt, sind Spekulationen und Vermutungen bitte in Spoiler-Tags zu setzen.
Beispiel:

[spoiler]Ich vermute, dass der Autor der Geschichte Rumpelstilzchen ist. Der schreibt doch auch immer von güldenem Haar und benutzt so viele Ausrufezeichen![/Spoiler]

Die eckigen Klammern setzt ihr mit der Tastenkombination Alt-gr+8 bzw. Alt-gr+9.
Da dies jedoch kein Ratespiel ist, sind Beiträge ohne Textarbeit, also reine „Vermutungen“, nicht erwünscht.

Viel Spaß beim Raten und Kommentieren!


Die Runde endet am: 9.03.

 

Oh je ... so viele Tage ohne eine Rückmeldung, das ist hart. Ich mach mal den Anfang :)

Fang ich mal mit dem Guten an. Der Text ist sehr sauber geschrieben und man kann ihm gut folgen und der berieselt einen schön, zieht so dahin, auf eine sehr langsame und betueliche Art. Ich mag das ja eigentlich gern. Aber, und jetzt kommt die Kritik, die sich wahrscheinlich viele anhören müssen, die es mit vielen Personen in einer Geschichte aufnehmen, die Figurenzeichnung ist für mich hier zu einfach. Die vier Jungs sind in meinem Kopf alle irgendwie eins und ich würde es nicht mal merken, wenn da ein Name vertauscht wäre. Hinter jeder Dialogzeile könnte auch ein anderer Name stehen. Da hat man sich auch schon viel vorgenommen, wenn man die Geschichte von Vieren erzählen will und nicht nur von einem. Und es sind dann auch so wenige Infos, die man bekommt. Der eine hat eine Freundin, der andere hatte eine im Sommer, der dritte hat einen pflegebedürftigen Vater und eine Mutter, die die Situation überfordert und der Vierte?, weiß ich schon gar nicht mehr.
Das Thema ist natürlich eigentlich ein Schönes. So der letzte Sommer (hier Herbst) der Clique bevor alles auseinanderbricht und andere Wege sich öffnen, die einen wegführen. Die Vögel verlassen das Nest irgendwie. Den Titel fand ich gut, der trifft das Thema schön.
Aber die Geschichte, ich weiß auch nicht, da lässt wer Drachen steigen, dann finden sie einen Ballon, dann fahren sie damit und dann beschließt der eine einfach von zu Hause abzuhauen und nach Schweden überzusetzen. Und erst da!, habe ich dann endlich mal was in der Hand, erst ab dem Punkt hab ich das Gefühl, jetzt geht es los. Wobei ich mich schon frage, wieso er jetzt unbedingt nach Schweden will und nicht irgendwo anders hin, was er da machen will, warum er da unbedingt mit dem Ballon hin muss? Ich versteh die Motivation nicht, es auf diese riskante Art und Weise zu tun. Ich versteh die Absicht des Autors, es ihn tun zu lassen, weil der Erzähler dann in den Konflikt gerät, ich hätte ihn aufhalten müssen, aber es kommt mir eben als ein sehr konstruierter Konflikt vor, irgendwie so aufgesetzt. Und wenn das der Hauptkonflikt sein soll, dann kommt er echt spät, zu spät.
Die ganze erste Hälfte gibt mir nicht viel. Das ist so heile Welt irgendwie, und ich erfahre auch nicht wirklich was über die Jungs, außer, einer hat jetzt eine Freundin. Und dann geht das auch immer so fix; nee, ist gefährlich mit dem Ballon, okay, wir fahren jetzt Ballon. Nein, ich hab Höhenangst, okay ich steig ein. Das ist ja schon eine Menge Text, aber er beschäftigt sich halt mit so Nebensachen, wie er sich mit dem Traktor verfährt, wie sie nach Löchern im Ballon suchen, wie sie Drachen steigen lassen ... und die wirklichen Konflikte, die werden eben mal kurz angepickt und dann ist auch schon wieder vorbei.

So, war jetzt sicher nicht so die Erlösung nach dem langen Warten, tut mir leid. Ich denke der Stoff ist gut, aber sind eben auch viele Leerstellen im Text. Meine Meinung.

Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Maske,

mir erging es mit deinem Text ähnlich wie Fliege. Sauber geschrieben ist er und da sind auch tolle Aspekte drin. Aber was richtig Rundes kommt da nicht bei raus.
Also der Anfang, den fand ich stark und ich hab mich schon gefreut, wie das Thema mit dem Ballon wohl weitergeführt wird. Anfangs hätte das ja in alle möglichen Richtungen laufen können. EIn Heißluftballon in der Scheune, das hat sowas Träumerisches, hätt auch leicht surreal weitergehen können. Ist ja auch sehr stark aufgeladen will ich meinen, symbolisch.
Fand es ein bisschen enttäuschend wie da dann so schnell die Luft rausgelassen wurde. Dafür kamen so viele andere Dinge dazu. Alles geeint durch das große Thema Abschied, aber die Fäden sind da irgendwie zu lose und nicht dicht genug. Das Personal zum Beispiel, das ist mir ein bisschen zu unübersichtlich. Wie Fliege schreibt, die sind alle irgendwie gleich, also blass und ich hab da jetzt von niemandem ein Bild vor Augen. Dann noch dazu: der verunfallte Vater, die abwesende Mutter, Abschied der Freundesklicke, die erste Freundin, das Erwachsen-Werden ... Das ist alles zu propper. Auch das Bild zum Ende. Für mich wirkte das wie angeklebt. Ab in die Kneipe, die Kindheit wird weggekippt, geboren ist der Mann. Hm, unbefriedigend für mich.
Ich denke, es wäre hier ratsamer gewesen, sparsamer mit deinen Ideen umzugehen. Konzentriere dich auf zwei dieser Aspekte und dafür intensiver. Dann kommt hier mehr Klarheit rein und der Fokus ist gesetzt.
Eine Überarbeitung würde ich dem Text sehr wünschen, denn da schlummert Potenzial drin.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maske,

das ist echt blöd, dass der Text hier relativ unbeachtet geblieben ist. Das hat er auch wirklich nicht verdient. Ich finde auch, dass er mehr als nur sauber geschrieben ist. Da steckt sehr viel Wärme und Liebe zum Detail in den Beschreibungen. Und ich fand die zum aller-allergrößten Teil echt gelungen (paar Ausnahmen folgen noch - manchmal wird auch ein Vergleich zu viel draufgehäuft) Besonders gut hat mir der Anfang mit dem Drachensteigenlassen gefallen. Da wollte ich sofort meinen Drachen aus der Garage kramen.

Fabian kippte den Drachen in den Sturzflug – wie ein Raubvogel schoss er in die Tiefe und der Wind krallte sich in seine Flügel. Dann riss eine Leine. Der Drachen wand sich tödlich getroffen um die eigene Achse, stürzte zwischen die verrammelten Strandkörbe und verendete zuckend und zitternd im Sand.
Das fand ich zum Beispiel echt schön. Noch schöner wär's ohne das Zittern.

„Gut, ich informiere die Anderen.“
Das klingt aber recht förmlich. Vielleicht eher "Ich sag den anderen Bescheid." Ich hatte übrigens echt Schwierigkeiten, die altersmäßig zu verorten. Weil Fabian am Anfang so nostalgisch an die Kindheit zurückdenkt, hatte ich ihn erst für einen ziemlich erwachsenen Mann gehalten, so ab 30. Aber dann kamen diese unerfahren-pubertären Spielchen mit Mia und ich musste neu denken.

Als sie auf einem Nadelbett im Pinienwald lagen, umgeben von den Resten eines Picknicks, nahm Mia seinen Penis in den Mund und Fabian verkrampfte sich in zittriger Erwartung
Da verkrampft sich auch das Vokabular in zittriger Erwartung. Der "Penis" ist steif

David drückte sich an dem alten, blauen Traktor vorbei, der wie ein Kettenhund das Tor bewachte
schönes Bild :)

Fabian ging an ihrem Rand entlang, vorsichtig und respektvoll wie bei den Überresten eines Monsters.
"bei" find ich ne komische Präposition hier. Und der Vergleich selbst ist mir auch etwas weit hergeholt. Man muss ja auch nicht in jedem Satz irgendwas Dolles bringen.

Das Suchen war anstrengend, bald flimmerten Fabians Augen vor lauter Grün. Er verlor die Orientierung, wusste nicht mehr, ob er Fortschritte machte oder die immer gleichen Stellen absuchte. Er wandte seinen Kopf zum Himmel, um den Blick zu entspannen, und Neonpunkte tanzten im wässrigen Blau. Eine Stunde später saßen alle erschlagen am Feldrand, aber sie hatten keine Löcher gefunden.
Das hat mir auch gut gefallen. Das beschreibt einfach so gut, wie sich das anfühlt, wenn man so angestrengt gucken muss.

Er trug weder Pulli, noch T-Shirt und seine Rippen stachen durch die Haut wie Kirchenbögen.
Joar, aber über Kirchenbögen spannt sich ja nix. Ich denk da eher so an Fiberglasstäbe unter einer Zelthaut. Hm, werd ich mal irgendwo einbauen, das Bild ;)

„Wäre es möglich, dass du dir was anziehst?“, fragte Fabian.
Manchmal reden die echt steif, die Jungs. Ich würd eher sagen "Könntest du dir vielleicht mal was anziehen?" oder "Zieh dich mal an, ey." Aber gut, der Fabian sagt ja auch "masturbieren"

Man, wir waren sogar Nacktbaden
Mann

zog sich ein T-Shirt über den Kopf, darauf eine frankophile Katze mit Schnurrbart und Barett, die Mäuseköpfe auf einem Tablett servierte.
Dieses Detail führt aber irgendwie ins Nichts, zumindest nicht zu Phil

das ganze erinnerte auf grausame Weise an Slap-Stick
Ist ein eigener Satz

„Dennoch willst du mitfliegen?“
Dem Fabian haben sie echt den Mund ein paarmal zu viel mit Seife ausgespült. "Trotzdem" heißt das im normalen Leben

Aufgeregt wie vorm ersten Jahrmarktsbesuch schleiften sie den Korb aufs Feld und befestigen den Brenner.
Das scheint mir auch eher wie ein Vergleich um des Vergleichs Willen. Auch mal ein paar Sätze nackt lassen

Er verrenkte sich den Hals und fand doch kein Grün am Himmel und mit jeder Sekunde wuchs die Panik.
Zu viel "und"

ein Kind vor der Achterbahn, halb Ängstlichkeit, halb gespannte Erwartung
Das normale Substantiv wär "Angst"

„Oh, Gott.“
Normalerweise Kein Komma. Es sei denn, dass soll besonders ungewöhnlich betont werden.

in einer Baumkrone oder dem Dach eines Bauernhauses enden
das Bauernhausdach kann nicht vom "in" mitleben, braucht ne eigene Präposition

Entwässerungsgräben voll fauligen Unkrauts
bisschen umständlich mit dem Genitiv

Aber er lachte nur, das Adrenalin pumpte in seinen Adern.
2 Sätze

„Ich hab einfach wenig Zeit. Wegen Jessi und Francis.“
Die beiden waren Johannes Schwestern
Jessi und Francis wären ein Bruder und eine Schwester. Jessi und Frances sind zwei Schwestern.
Diesen ganzen Infoblock zu Johannes' Situation find ich übrigens ziemlich blockig. Das könnte man echt feiner einführen und dann auch bisschen mehr ausbauen. Auch diese Narnbengeschichte, na ja, die spiegelt so ein bisschen das Kommende Unglück und Fabians Schuld, aber sonst bringt die mir nicht viel.

Während sich die Hülle blähte wie Hefeteig
Der Vergleich überfordert mich, weil es eben zu viele Unterschiede zwischen der Blähart von Hefeteigen und Ballons gibt

Als seine Bemühungen schon lächerlich wurden
"schon" weg

„Warum hast du gerade mich um Hilfe gebeten?“, fragte Fabian, als sie in die strohduftende Scheune traten.
Wie gesagt, manchmal musst Du auch aufpassen, den Text mit Details nicht zu überladen. Behalt die stärksten, schmeiß die schwächeren raus. Das macht nichts, wenn ein Satz da mal ganz blank steht.

„Das weiß David auch.“
„Weil ich dir vertrauen kann.“
Das wird mir aber leider nicht einsichtig, warum grade Fabian der vertrauenswürdigste ist. Vor allem verstehe ich nicht, was Fabian dazu bewegt, Johannes zu helfen, obwohl er weiß wie bescheuert das Unternehmen da ist. Wenn man mehr über seine eigenen Hinterghründe wüsste, wenn er sich deshalb vielleicht am besten von allen mit Johannes identifizieren könnte. Irgendwas halt, was mir diese Behauptung nachvollziehbar machen könnte.

Nach Johannes Tod fraßen Fische seine Lippen. Er erreichte Schweden mit grausigem Lächeln und fauligen Eingeweiden.
gut fies!

Am Morgen strahlte das Gesicht seiner Mutter die gleiche Besorgnis aus, wie beim Tod des Familienhamsters vor sechs Jahren.
find ich auch etwas bemüht. Und unangemessen witzelnd

Sie setzten sich in die Cafeteria und tranken Kaffee, der wie gekochte Druckerschwärze schmeckte.
Wer kann sich was unter dem Geschmack von gekochter Druckerschwärze vorstellen? Ist mir auch drüber

Fabian beneidete sie, um ihre Sorglosigkeit.
Soll das extra so ein Nachsatz sein? Sonst wärs nämlich ein Komma zu viel.

Noch immer scherzten sie und warfen sich schelmische Blicke zu, ihr Lachen klang hell wie Silbergeld.
Silbergeld ist mir auch zu viel

Zum helfen.
Helfen

Als er betrunken nach Hause taumelte, war Fabian ein Anderer. Die Zeiten von Drachenfliegen und Heißluftballons waren vorbei.
Das ist nen Tacken pathetisch. Aber okay, kann man auch so lassen.

Also, am Ende des zweiten Lesedurchgangs. Ich mochte den Stil der Geschichte wirklich gerne, mit der kleinen Einschränkung, dass es manchmal etwas zu überladen wurde. Das ist auch ein schönes, klassisches Thema: Ende der Kindheit, Ende von Jugendfreundschafen. Das ist wie Kings "Stand by me", was ein tolles Buch ist, das von den Figuren lebt. Auch hier sind die Figuren der Kern, aber ich muss mich da leider den anderen anschließen, die Figuren sind mir zu schwach, um diese Geschichte zu tragen. Beim ersten Lesen wusste ich am Ende ehrlich gesagt auch nicht mehr, wer wer war. Nach dem zweiten Lesen weiß ich das zwar, aber die sind mir alle zu blass. Fabian ist zwar Perspektivträger, aber man erfährt ziemlich wenig von ihm, außer dass er gern Drachen steigen lässt, sich wie jeder Junge in dem Alter ne Freundin wünscht, ein bisschen ängstlich ist und sich manchmal gestelzt ausdrückt. Vor allem kann ich nicht nachvollziehen, warum er Johannes da hilft. Das müsste doch einer der Hauptpunkte der Geschichte sein, wo man alles an Psychologie auspacken kann, was geht. Da bräuchte man anständige Primär- und hässliche, geheime Sekundärmotivationen, die sich aus Fabians eigener Lebenssituation erklären.
Bei Johannes ist es schade, dass sein ganzes Elend als Infoblock abgehandelt wird, ohne das szenisch zu entwickeln.
Phil ist die allerüberflüssigste Figur. Phil guckt gerne snuff-FilmePUNKT Beim zweiten Lesen dachte ich erst, Phil wär der, der nacher nach Schweden fliegen will. Da hätte ich es noch ganz interessant gefunden, dass er vorher solche Horrorstreifen guckt und da quasi Selbstmord begehen will, weil es ihm zuhause so dreckig geht. "Phil guckt gerne snuff-FilmePUNKT" find ich aber nicht so spannend. Deshalb wär mein ganz pragmatischer Vorschlag, Phil und Johannes zur Figur Philipp-Johannes zu vereinen.
David ist der coolste von allen und hat eine Freundin. Er ist so ein bisschen der Anführer anscheinend. Aber ich find auch den blass. Der könnte doch auch mal fieser und herrischer sein.
Also kurzum: Ich finde ALLE Figuren in diesem Figurenstück brauchen mehr Kontur. Und dann brauchen sie untereinander mehr Dynamik. Wie ist die Beziehung zwischen David und Fabian? Wie ist die Beziehung zwischen Fabian und Philipp-Johannes? Wie ist die Beziehung zwischen Philipp-Johannes und David? Wie funktioniert die Gruppe? Das braucht alles mehr Schmiss, mehr Ecken und Kanten.

Hört sich jetzt fies an. Aber ich hab den Text trotzdem gern gelesen, einfach weil er so hübsch geschrieben ist.

Wer hat das geschrieben? Hm, schon ein recht erfahrener Autor. Und einer der Details mag und gut kann. Es sind so ein paar Elemente drin, die Lollek mag: Meer, Möwen und zwei Trampelpfade. Aber der zeichnet die Figuren sonst schärfer. Höchstens dass ihm vier auf einmal etwas zu viel geworden sind. Könnte Schwups ...? Nee. Also ich hab echt keine Ahnung, wer das geschrieben hat. Zum Glück ist's nicht mehr lang bis zur Enthüllung.

lg,
fiz

 
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Hallo,

ich finde das gut geschrieben, die Bilder sind originell und frisch, die Sprache hat ihren eigenen Rhythmus und das liest sich so, als ob das einer mit viel Erfahrung geschrieben hat. Dennoch wurde ich irgendwie nicht ganz warm mit der Story.
Das liegt einerseits daran, dass mir da lange Zeit einfach zu wenig passiert ist, zu wenig Konflikt präsent war, wo ich mir dachte: Da muss ich weiterlesen! Gerade am Anfang, also ich weiß nicht, diese lange Szene, wo er einfach einen Drachen fliegen lässt, kann schon sein, dass dieser ruhige Erzähler gut Stimmung erzeugt, aber irgendwie hatte ich die ganze Zeit darauf gewartet, dass jetzt mal was passiert. Dann wird zum ersten Mal vom Heißluftballon gesprochen, und ab da war für mich eigentlich auch klar, wohin die Geschichte läuft, dass sie irgendwann mal damit fliegen und dass etwas passiert, jemand stürzt ab - bis das dann passiert ist, kamen dann für mich (zu) viele Szenen, und irgendwie war mir das nach einiger Zeit einfach zu langatmig. Da sind so Szenen, wie bspw. die Skype-Szene, mit Musikvideos und Energy-Drinks und so, das war nicht weiterführend für mich, ich wollte, dass endlich was passiert. Also wäre das mein Text, würde ich ihn entschlacken.
Das mit den vielen Figuren wurde schon angesprochen, mir ging das auch so, dass das einfach ein paar zu viele waren - v.a. weil ich keinen so richtig scharf vor Augen hatte. Klar, kann man versuchen, durch Dialog und Handlung den Figuren Konturen zu geben, aber ich finde das irgendwie nicht schön, ich meine, dein Erzähler schaut den Figuren ja auch bei ihrer Handlung zu, der sieht die ja, und wenn ich wüsst, der hat ne dicke Brille, der hat ne große Nase, dann ist schon viel geholfen; so bleiben die mir bisschen blass vor Augen, da wird ja fast geleugnet, dass die irgendein Aussehen haben; das einzige Mal, dass einer der Freunde beschrieben wird, ist glaube ich bei der Skype-Szene, dass Johannes sehr dünn ist. Mhm. Fabian, Mia, Phil, David, Anna, Johannes, Johannes Eltern, Jessi, Francis; es sind halt sehr viele und von niemandem hatte ich ein Gesicht vor Augen, die Jungs verschwammen alle miteinander, sodass sie alle irgendwie total gleich vor meinem inneren Auge aussahen.
Also was ich dann interessant fand, war Johannes, dessen Vater einen Schlaganfall hatte, und der eigentlich nur abhauen will, und dann auch mit dem Ballon wegfährt. Das fand ich echt gut, da hat der Text dann plötzlich Gas gegeben. Irgendwie würde ich die Story darum aufbauen, um diesen Freund, der total überfordert ist durch seine familiäre Situation, und abhauen will. Das Nebengeplänkel und Skypen und Anna und das Drachenfliegen und so, ich weiß nicht ... klar, man kann dem Text nicht absprechen, dass das schon eine dichte Stimmung erzeugt und so ein gewisses Feeling, aber ich war davon einfach nicht angetan, ich finde, es hat zu lange gedauert, bis der Hauptkonflikt mal da war, obwohl ich mir die ganze Zeit schon dachte, dass das eine missglückte Ballonfahrt sein wird.
Ansonsten, wie gesagt, das ist schön geschrieben und auch eine nette Idee, aber für mich persönlich war's leider insgesamt ein bisschen zu langatmig erzählt.

Noch paar Sachen:

„Alter, du sagst echt masturbieren?“
„Was stört dich daran?“
„Sag halt wichsen. So klingste wie ein Priester.“
„Kannst du dir was anziehen?“
den Dialog fand ich richtig witzig!

Ich finde deine Dialoge meistens sehr natürlich, aber manchmal klingt der Hauptprot für mich irgendwie unauthentisch, weil er sich bisschen steif ausdrückt, z.B. hier:

„Er braucht nen Fahrer. Wenn keiner mit dem Traktor nachfährt, bekommt er den Ballon nicht zurück zur Scheune.“
„Dennoch willst du mitfliegen?“
Dennoch ist so ein Wort, was m.M.n. beim Sprechen, v.a. von Kids, nicht vorkommt ... Eher sowas wie trotzdem klänge natürlich

„Ich habe das Gefühl, unser Freundeskreis zerbricht“, sagte Fabian. „Mit den Anderen kann ich nicht darüber reden, aber wir machen immer weniger zusammen. Was ich wirklich schade finde. Schließlich haben wir früher fast jeden Tag etwas unternommen. Und jetzt ist es schon viel, wenn wir uns einmal die Woche treffen. Und selbst dann sind wir selten vollständig.“
schließlich und vollständig, das klingt irgendwie so unnatürlich, so redet doch keiner in dem Alter, oder? Also bei mir jedenfalls nicht

Das Studentenpärchen verließ die Cafeteria, sie schob seinen Rollstuhl. Noch immer scherzten sie und warfen sich schelmische Blicke zu, ihr Lachen klang hell wie Silbergeld.
„Genau wie Phil damals im Schullandheim.“
Das hab ich irgendwie nicht verstanden, das mit dem Schullandheim?


Gruß

 

Hallo Maskierte(r),

ich kann meinen Vorkommentatoren umfänglich beipflichten in ihrer Kritik und auch ihrem Lob. Hatte im Prinzip von Anfang an keinen richtigen Durchblick im Figurendschungel, und dann auch immer weniger davon im Verlauf der Lektüre. Habe die Geschichte bald nur noch gelesen als Maskenball (wie treffend!), bei dem einer der Jungen aus der Clique mit den anderen jeweils interagiert. Fahrt nahm die Geschichte für mich erst auf, als Johannes den Entschluss fasste, mit dem Ballon nach Schweden auszu...fahren und ich finde, der Text könnte damit gut beginnen. Damit hätte sich für mich auch erklärt, warum er (hier liegt wohl eine Verwechselung vor, doch feirefiz liegt richtig, hab die Stelle eben noch mal gelesen) Fabian Snuff-Filme schickt. Für ihn, so nach dem Motto, sollte das Schicksal würfeln, schafft er es, ist das gut, schafft er es nicht, auch.

feirefiz schrieb:
Als sie auf einem Nadelbett im Pinienwald lagen, umgeben von den Resten eines Picknicks, nahm Mia seinen Penis in den Mund und Fabian verkrampfte sich in zittriger Erwartung
Da verkrampft sich auch das Vokabular in zittriger Erwartung. Der "Penis" ist steif
Äh, ja?! :D Scherz beiseite, ich finde auch, dass »Schwanz« hier stilistisch besser passt. Aber grundsätzlich frage ich mich, warum diese Erinnerung so ausgeführt werden muss, die hat doch mit der Geschichte nichts zu tun.

Eine Stelle, die mir sehr gut gefallen hat, war:

Als seine Bemühungen schon lächerlich wurden, tauchte Anna zwischen den Bäumen auf. Sie schenkte Fabian ein unsicheres Lächeln und küsste David auf den Mund – Sekunden der Zweisamkeit und Fabian beobachtete eine Krähe, die nach Würmern pickte.
Da hast du sein Gefühl, fehl am Platze zu sein, sehr gut eingefangen. Ab hier war es für mich möglich, mich mit dem Fabian zu identifizieren, während Johannes für mich bis zum Ende blass blieb.

Mir wird auch nicht so recht klar, warum Fabian Johannes hilft, seinen realitätsfernen Entschluss in die Tat umzusetzen. Das er sich so leicht überzeugen lässt mit dem Ding mit der Kanone. Übrigens, dieser Absatz finde ich, steht etwas unbeholfen in der Geschichte rum, dass du nun Bezug darauf nimmst, macht ihn nicht besser. Das passt für mich schon nicht mehr ganz in die Schublade »jugendlicher Leichtsinn« und insgeheim stellt sich mir die Frage, ob der Autor oder die Autorin selbst schon eine Ballonfahrt gemacht hat. Ich nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein Unternehmen so einfach ist, hier Platz für jugendlichen Leichtsinn solchen Kalibers. Du könntest wenigstens erzählen, wie Fabian anstelle Johannes versucht Erkundigungen einzuholen, ob es dann prinzipiell möglich wäre, diese 150 Kilometer oder so mit dem Ballon übers Meer zurückzulegen. Das hängt vermutlich sehr von der Größe eines Ballons ab (Volumen und Gasvorrat), ich weiß nicht, ob so einer überhaupt in einer Scheune verstaut sein und von ein paar in der Ballonfahrt unerfahrenen Oberstuflern gehändelt werden kann.
Aber: Der gefühlsbetonte Erzählstil tröstete mich über diesen Glaubwürdigkeitsmangel hinweg und am Ende finde ich nur, dass Erzählstil und Inhalt besser zusammenpassen könnten. Arbeite die Figuren und ihre Beziehungen zueinander deutlich aus und streiche dafür ein paar nebensächliche Szenen.

„Ertrinken ist nicht das Problem. Das Wasser ist einfach zu kalt. Wir erfrieren lange, bevor wir ertrinken.“
  • Komma fehlgesetzt >> erfrieren, lange bevor

Viele Grüße
-- floritiv

Bei keiner Maskenballgeschichte bin ich mir so sicher gewesen wie hier: sim. Okay, ich kenne bessere Geschichten von ihm, aber der Maskenball ist ja gerade dazu da, sich auszuprobieren, mal etwas neues zu versuchen. Ob er es wirklich ist, werde ich heute Abend ja erfahren. Es würde mich in der Tat überraschen, wenn nicht, aber dann irre ich mich eben, mit dem Irrtum hab ich schließlich Erfahrung wie kein anderer, das kann ich im Schlaf. :D

 

Okay, da schon die Steinigung droht, will ich mich mal outen. Der Text ist von mir und es war schon lustig, auf wen so getippt wurde, auch wenn die Geschichte selbst nur teilweise funktioniert hat. :)

Eine ausführliche Rückmeldung gibt es dann morgen.
Frohen Gruß,
Kew

 

Wow. Kew, da wär ich nicht drauf gekommen.

Das muss ich erstmal sacken lassen. Bei deinen anderen Texten dachte ich immer, deine Sprache ist nicht meins, aber du wagst dich immer an so ehrgeizige Themen. Hier hatte ich mit der Sprache wenig bis keine Probleme (nur an den Stellen in der wörtlichen Rede, die fiz auch aufgezählt hat), aber ich bin beim Lesen einfach nicht über die ersten paar Szenen rausgekommen, (weder der Drachen noch der Ballon haben mich gejuckt), weil es mir zu lange gedauert hat, bis es interessant wurde. Ich fand den Einstieg langatmig und hab da kein Thema gesehen, das mich gereizt hat, da mochte ich nicht weiterlesen.
Jetzt, wo dein Name dabeisteht, hab ich das doch noch getan. Und, ja, es stimmt schon, der Text ist handwerklich eigentlich eine sehr runde Sache.
Eigentlich. Denn der Einstieg hat mich massiv abgeschreckt.

Mit der Anzahl der Figuren hatte ich auch Probleme, da schließ ich mich den Vorpostern an.

Vielleicht hätte die Sache mehr Zug, wenn Johannes samt Hintergrundgeschichte viel früher eingeführt würde? So ... ich weiß nicht. Ich fand den Text lange ziemlich unentschlossen, um was sich das eigentlich drehen wollte.

Zwei Tische weiter unterhielt sich ein Student mit seiner Freundin. Obwohl er in einem Rollstuhl saß, an dessen Armlehne ein Katheterbeutel hing, und blutige Schlieren den Urin durchzogen, lachten die beiden viel und fütterten sich gegenseitig mit bröseligem Kuchen.
Die beiden hier, sind zwar nur Nebennebenfiguren, aber die fand ich wirklich rührend. :)
Die Textstelle nehm ich auch noch ne Weile mit im Kopf, denke ich. Die ganze Krankenhausszene.

PS: Kannst du Ballonfahren? Kam mir spanisch vor, dass jeder Dahergelaufene offensichtlich mit diesem Ballon umgehen kann ....

 
Zuletzt bearbeitet:

So, will ich mal anfangen:

@Fliege:

Fang ich mal mit dem Guten an. Der Text ist sehr sauber geschrieben und man kann ihm gut folgen und der berieselt einen schön, zieht so dahin, auf eine sehr langsame und betueliche Art. Ich mag das ja eigentlich gern.
Das ist schön. Freut, dass die Sprache anscheinend ganz gut funktioniert.

Aber, und jetzt kommt die Kritik, die sich wahrscheinlich viele anhören müssen, die es mit vielen Personen in einer Geschichte aufnehmen, die Figurenzeichnung ist für mich hier zu einfach. Die vier Jungs sind in meinem Kopf alle irgendwie eins und ich würde es nicht mal merken, wenn da ein Name vertauscht wäre. Hinter jeder Dialogzeile könnte auch ein anderer Name stehen. Da hat man sich auch schon viel vorgenommen, wenn man die Geschichte von Vieren erzählen will und nicht nur von einem. Und es sind dann auch so wenige Infos, die man bekommt. Der eine hat eine Freundin, der andere hatte eine im Sommer, der dritte hat einen pflegebedürftigen Vater und eine Mutter, die die Situation überfordert und der Vierte?, weiß ich schon gar nicht mehr.
Gut, da habe ich mich wohl übernommen. Irgendwie finde ich das schwer einzuschätzen, wie viel Info da der Leser braucht, damit eine Figur entsteht. Hauptsächlich wird es aber wohl daran liegen, dass ich mir zu wenig Gedanken gemacht habe. Ich weiß nicht wirklich mehr über die Figuren als du jetzt und das ist wohl etwas drüftig. :) Sprich, Memo an mich, mehr Mühe geben mit den Figuren und der Charakterzeichnung. Aber wenigstens bin ich mit dem Problem nicht allein. :D

Das Thema ist natürlich eigentlich ein Schönes. So der letzte Sommer (hier Herbst) der Clique bevor alles auseinanderbricht und andere Wege sich öffnen, die einen wegführen. Die Vögel verlassen das Nest irgendwie. Den Titel fand ich gut, der trifft das Thema schön.
Ach, da bin ich doch Experte drin - ich suche mir die guten Themen raus, um dann bei der Umsetzung drannvorbei zu schrabben. Danke für das Titellob.

Aber die Geschichte, ich weiß auch nicht, da lässt wer Drachen steigen, dann finden sie einen Ballon, dann fahren sie damit und dann beschließt der eine einfach von zu Hause abzuhauen und nach Schweden überzusetzen. Und erst da!, habe ich dann endlich mal was in der Hand, erst ab dem Punkt hab ich das Gefühl, jetzt geht es los. Wobei ich mich schon frage, wieso er jetzt unbedingt nach Schweden will und nicht irgendwo anders hin, was er da machen will, warum er da unbedingt mit dem Ballon hin muss? Ich versteh die Motivation nicht, es auf diese riskante Art und Weise zu tun. Ich versteh die Absicht des Autors, es ihn tun zu lassen, weil der Erzähler dann in den Konflikt gerät, ich hätte ihn aufhalten müssen, aber es kommt mir eben als ein sehr konstruierter Konflikt vor, irgendwie so aufgesetzt. Und wenn das der Hauptkonflikt sein soll, dann kommt er echt spät, zu spät.
Okay. Das hast du mir so ähnlich ja auch schon zu meiner letzten Geschichte geschrieben. Muss wohl mehr auf die Figurenmotivation achten (passt dann ja auch zu mehr Charakterzeichnung). Und besser mit der Erzählökonomie aufpassen. Dabei hab ich versuch deinen Rat in die Richtung anzuwenden. Allerdings nur auf der Mirkoebene - hab in den Szenen versucht, die Sachen halbwegs begrenzt zu halten udn nicht ganz so abzuschweifen - jetzt heißt es die Umsetzung auf der Makroebene angehen. Danke jedenfalls für den Hinweis.

Die ganze erste Hälfte gibt mir nicht viel. Das ist so heile Welt irgendwie, und ich erfahre auch nicht wirklich was über die Jungs, außer, einer hat jetzt eine Freundin. Und dann geht das auch immer so fix; nee, ist gefährlich mit dem Ballon, okay, wir fahren jetzt Ballon. Nein, ich hab Höhenangst, okay ich steig ein. Das ist ja schon eine Menge Text, aber er beschäftigt sich halt mit so Nebensachen, wie er sich mit dem Traktor verfährt, wie sie nach Löchern im Ballon suchen, wie sie Drachen steigen lassen ... und die wirklichen Konflikte, die werden eben mal kurz angepickt und dann ist auch schon wieder vorbei.
Ja, da fehlt mir der Blick, was wichtig ist und was nicht oder ich beschäftige mich zu wenig mit der Fragestellung. Kommt jedenfalls mit auf meine Agenda.

Danke dir für den Kommentar.

@weltläufer

mir erging es mit deinem Text ähnlich wie Fliege. Sauber geschrieben ist er und da sind auch tolle Aspekte drin. Aber was richtig Rundes kommt da nicht bei raus.
Also der Anfang, den fand ich stark und ich hab mich schon gefreut, wie das Thema mit dem Ballon wohl weitergeführt wird. Anfangs hätte das ja in alle möglichen Richtungen laufen können. EIn Heißluftballon in der Scheune, das hat sowas Träumerisches, hätt auch leicht surreal weitergehen können. Ist ja auch sehr stark aufgeladen will ich meinen, symbolisch.
Das ist auch schonmal was. :) Das motiviert fürs weiter machen. Und ja, Heißluftballons haben wirklich was. Letztlich ist daraus auch die Geschichte entstanden: Wie baue ich einen Konflikt um einen Heißluftballon.

Fand es ein bisschen enttäuschend wie da dann so schnell die Luft rausgelassen wurde. Dafür kamen so viele andere Dinge dazu. Alles geeint durch das große Thema Abschied, aber die Fäden sind da irgendwie zu lose und nicht dicht genug. Das Personal zum Beispiel, das ist mir ein bisschen zu unübersichtlich. Wie Fliege schreibt, die sind alle irgendwie gleich, also blass und ich hab da jetzt von niemandem ein Bild vor Augen. Dann noch dazu: der verunfallte Vater, die abwesende Mutter, Abschied der Freundesklicke, die erste Freundin, das Erwachsen-Werden ... Das ist alles zu propper. Auch das Bild zum Ende. Für mich wirkte das wie angeklebt. Ab in die Kneipe, die Kindheit wird weggekippt, geboren ist der Mann. Hm, unbefriedigend für mich.
Ja, das war die Hoffnung, dass die verschiedenen Aspekte durch das gemeinsame Thema zusammengehalten werden. Hat wohl nicht so funktioniert, war auch ziemlich ambitioniert. Aber es gab Stellen für dich, weswegen über den Rest enttäuscht warst und das ist auch schonmal was. :)

Ich denke, es wäre hier ratsamer gewesen, sparsamer mit deinen Ideen umzugehen. Konzentriere dich auf zwei dieser Aspekte und dafür intensiver. Dann kommt hier mehr Klarheit rein und der Fokus ist gesetzt.
Eine Überarbeitung würde ich dem Text sehr wünschen, denn da schlummert Potenzial drin.
Ja, ist sicher sinnvoll. Werd ich versuchen mir zu merken. Mit dem Überarbeiten dieses Textes muss ich erstmal schauen, wann und wie das klappt. Erstmal geht das Copywrite vor und dann muss ich schauen, ob mir ein neuer Ansatz einfällt, mit dem ich die alten Probleme angehen kann. Dauert jedenfalls noch ne Weile, bis es soweit ist.

Auch dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Geht bald weiter. (Werd vermutlich einfach hier reineditieren. Also nicht wundern, falls in den Aktivitäten nichts angezeigt wird. Ich vergessse hier keinen Kommentar. :))

Gruß,
Kew

Fortsetzung:

@feirefiz

Ich finde auch, dass er mehr als nur sauber geschrieben ist. Da steckt sehr viel Wärme und Liebe zum Detail in den Beschreibungen. Und ich fand die zum aller-allergrößten Teil echt gelungen (paar Ausnahmen folgen noch - manchmal wird auch ein Vergleich zu viel draufgehäuft) Besonders gut hat mir der Anfang mit dem Drachensteigenlassen gefallen. Da wollte ich sofort meinen Drachen aus der Garage kramen.
Oh, das freut mich. :) Ich verwende wohl immer etwas viel Mühe darauf und vernachlässige darfür andere Dinge, aber wenigstens lohnt sich die Mühe. Das mit dem "mal Pause machen im Stil" und nicht immer noch einen Vergleich, das werd ich weiterhin versuchen - früher war das schlimmer. :P.

Das fand ich zum Beispiel echt schön. Noch schöner wär's ohne das Zittern.
Dem Vorschlag werde ich mich mal nicht entziehen.

Das klingt aber recht förmlich. Vielleicht eher "Ich sag den anderen Bescheid." Ich hatte übrigens echt Schwierigkeiten, die altersmäßig zu verorten. Weil Fabian am Anfang so nostalgisch an die Kindheit zurückdenkt, hatte ich ihn erst für einen ziemlich erwachsenen Mann gehalten, so ab 30. Aber dann kamen diese unerfahren-pubertären Spielchen mit Mia und ich musste neu denken.
Tjo. Das mit dem Alter ist natürlich ein Problem. Passt ja zu den blassen Figuren. Muss ich mehr drauf achten. Die Sprache von Fabian war eigentlich gedacht, ihn zu charakteriesieren. Der etwas stümperhafte versuch, meine Figuren mal unterschiedlich klingen zu lassen. Hat nicht so funktioniert. Aber ich werd die Stellen erstmal so lassen.

Wie gesagt, manchmal musst Du auch aufpassen, den Text mit Details nicht zu überladen. Behalt die stärksten, schmeiß die schwächeren raus. Das macht nichts, wenn ein Satz da mal ganz blank steht.
Ja. Da bin ich immer etwas Trigger-Freudig. :D


Ich mochte den Stil der Geschichte wirklich gerne, mit der kleinen Einschränkung, dass es manchmal etwas zu überladen wurde.
:)

Beim ersten Lesen wusste ich am Ende ehrlich gesagt auch nicht mehr, wer wer war. Nach dem zweiten Lesen weiß ich das zwar, aber die sind mir alle zu blass. Fabian ist zwar Perspektivträger, aber man erfährt ziemlich wenig von ihm, außer dass er gern Drachen steigen lässt, sich wie jeder Junge in dem Alter ne Freundin wünscht, ein bisschen ängstlich ist und sich manchmal gestelzt ausdrückt. Vor allem kann ich nicht nachvollziehen, warum er Johannes da hilft. Das müsste doch einer der Hauptpunkte der Geschichte sein, wo man alles an Psychologie auspacken kann, was geht. Da bräuchte man anständige Primär- und hässliche, geheime Sekundärmotivationen, die sich aus Fabians eigener Lebenssituation erklären.
Jap, seh ich ein. Da werd ich in Zukunft versuchen drauf zu achten. Mehr Figurenzeichnung mehr Beziehungspsychologie.

Phil ist die allerüberflüssigste Figur.
Tja, hätte ich das mal selbst gesehen. Hast auf jedenfall recht. Werd den killen, wenn ich die Geschichte nochmal angehe. Ansonsten nehm ich mit: Mehr als einmal drüber nachdenken, ob man alle Figuren braucht.

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

@zigga

ich finde das gut geschrieben, die Bilder sind originell und frisch, die Sprache hat ihren eigenen Rhythmus und das liest sich so, als ob das einer mit viel Erfahrung geschrieben hat.
Versuche ich mal das beizubehalten.

Das liegt einerseits daran, dass mir da lange Zeit einfach zu wenig passiert ist, zu wenig Konflikt präsent war, wo ich mir dachte: Da muss ich weiterlesen! Gerade am Anfang, also ich weiß nicht, diese lange Szene, wo er einfach einen Drachen fliegen lässt, kann schon sein, dass dieser ruhige Erzähler gut Stimmung erzeugt, aber irgendwie hatte ich die ganze Zeit darauf gewartet, dass jetzt mal was passiert. Dann wird zum ersten Mal vom Heißluftballon gesprochen, und ab da war für mich eigentlich auch klar, wohin die Geschichte läuft, dass sie irgendwann mal damit fliegen und dass etwas passiert, jemand stürzt ab - bis das dann passiert ist, kamen dann für mich (zu) viele Szenen, und irgendwie war mir das nach einiger Zeit einfach zu langatmig. Da sind so Szenen, wie bspw. die Skype-Szene, mit Musikvideos und Energy-Drinks und so, das war nicht weiterführend für mich, ich wollte, dass endlich was passiert. Also wäre das mein Text, würde ich ihn entschlacken.
Ja, jetzt seh ich das auch. Da passiert zu lange nichts. Ich wollte da eigentlich die Figuren einführen, aber selbst, wenn das besser funktioniert hätte, wäre der eigentliche Kontakt zu spät aufgetreten. Für eine Kurzgeschichte gilt wohl wirklich, der Konflikt muss in die erste Szene und nicht nur grob das Thema mit dem Heißluftballon.

Das mit den vielen Figuren wurde schon angesprochen, mir ging das auch so, dass das einfach ein paar zu viele waren - v.a. weil ich keinen so richtig scharf vor Augen hatte. Klar, kann man versuchen, durch Dialog und Handlung den Figuren Konturen zu geben, aber ich finde das irgendwie nicht schön, ich meine, dein Erzähler schaut den Figuren ja auch bei ihrer Handlung zu, der sieht die ja, und wenn ich wüsst, der hat ne dicke Brille, der hat ne große Nase, dann ist schon viel geholfen; so bleiben die mir bisschen blass vor Augen, da wird ja fast geleugnet, dass die irgendein Aussehen haben; das einzige Mal, dass einer der Freunde beschrieben wird, ist glaube ich bei der Skype-Szene, dass Johannes sehr dünn ist. Mhm. Fabian, Mia, Phil, David, Anna, Johannes, Johannes Eltern, Jessi, Francis; es sind halt sehr viele und von niemandem hatte ich ein Gesicht vor Augen, die Jungs verschwammen alle miteinander, sodass sie alle irgendwie total gleich vor meinem inneren Auge aussahen.
Stimmt, mit visuellen Details war ich ziemlich geizig. Ich hab irgendwo mal aufgeschnappt, dass man sparsam sein soll mit dem Aussehen der Figuren. Hab ich mir wohl zu sehr zu Herzen genommen.

Also was ich dann interessant fand, war Johannes, dessen Vater einen Schlaganfall hatte, und der eigentlich nur abhauen will, und dann auch mit dem Ballon wegfährt. Das fand ich echt gut, da hat der Text dann plötzlich Gas gegeben. Irgendwie würde ich die Story darum aufbauen, um diesen Freund, der total überfordert ist durch seine familiäre Situation, und abhauen will. Das Nebengeplänkel und Skypen und Anna und das Drachenfliegen und so, ich weiß nicht ... klar, man kann dem Text nicht absprechen, dass das schon eine dichte Stimmung erzeugt und so ein gewisses Feeling, aber ich war davon einfach nicht angetan, ich finde, es hat zu lange gedauert, bis der Hauptkonflikt mal da war, obwohl ich mir die ganze Zeit schon dachte, dass das eine missglückte Ballonfahrt sein wird.
Wenn ich den Text nochmal überarbeite, fliegt das wohl alles raus und ich konzentriere mich nur auf Johannes und Fabian. Mal sehen, ob ich da noch nen Zugang finde. Ansonsten merkt ich mir das für andere Geschichten.

Das hab ich irgendwie nicht verstanden, das mit dem Schullandheim?
Das war gedacht als "Erinnern an die gemeinsame Vergangenheit" und JOahnens kann sich tatsächlich nicht erinnern => die Vergangenheit verschwindet. Hat wohl nicht so funktioniert.

Danke fürs Kommentieren.

@floritiv

Habe die Geschichte bald nur noch gelesen als Maskenball (wie treffend!), bei dem einer der Jungen aus der Clique mit den anderen jeweils interagiert.
Das war natürlich der Meta-Witz der ganzen Geschichte.
Das hat jetzt wirklich jeder angemerkt, daran ist es wohl gescheitert. Sollte mir da nen Marker an den Bildschirm kleben.

Das passt für mich schon nicht mehr ganz in die Schublade »jugendlicher Leichtsinn« und insgeheim stellt sich mir die Frage, ob der Autor oder die Autorin selbst schon eine Ballonfahrt gemacht hat. Ich nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein Unternehmen so einfach ist, hier Platz für jugendlichen Leichtsinn solchen Kalibers. Du könntest wenigstens erzählen, wie Fabian anstelle Johannes versucht Erkundigungen einzuholen, ob es dann prinzipiell möglich wäre, diese 150 Kilometer oder so mit dem Ballon übers Meer zurückzulegen. Das hängt vermutlich sehr von der Größe eines Ballons ab (Volumen und Gasvorrat), ich weiß nicht, ob so einer überhaupt in einer Scheune verstaut sein und von ein paar in der Ballonfahrt unerfahrenen Oberstuflern gehändelt werden kann.
Tja, da hast du mich erwischt. Hab ich mich nicht wirklich mit beschäftigt. Fiel für mich unter künstlerisce Freiheit. Fürs nächste Mal. Etwas mehr recherche.
Wo ich dir natürlich auch Recht gebe, die Motivation von Fabian muss an dem Punkt wohl noch deutlicher ausgearbeitet werden.

Achja entschuldige, dass ich dein Raten enttäuschen musste.

Danke dir jedenfalls.

@möchtegern

Und, ja, es stimmt schon, der Text ist handwerklich eigentlich eine sehr runde Sache.
Eigentlich. Denn der Einstieg hat mich massiv abgeschreckt.
Das fasst die Kritiken ganz gut zusammen. Handwerklich/sprachlich ganz gut, aber ... Immerhin. Jetzt kann ich mich dem aber zu wenden. Und hoffe mal, dass ich die SPrache fürs nächste Mal mitnehmen kann.

Vielleicht hätte die Sache mehr Zug, wenn Johannes samt Hintergrundgeschichte viel früher eingeführt würde? So ... ich weiß nicht. Ich fand den Text lange ziemlich unentschlossen, um was sich das eigentlich drehen wollte.
Ja, absolut. Da müssen einige Sache früher kommen, als es jetzt der Fall ist.

Danke dir fürs Lesen und kommentieren.


Und nochmal an alle: Dank und Gruß,
Kew

 

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