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Gran Canaria

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19.02.2014
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Gran Canaria

Aynur zieht sich die Lippen nach und überprüft das Ergebnis im Vespaspiegel. Nur langsam gewöhnen sich die Augen an das gleißende Licht, doch die Strategie, den Sonnenbrand durch einen starken Farbreiz optisch zu mildern, scheint aufzugehen. Auch Simon zerrt seinen Kopf aus dem Helm. Auf seinen Schläfen leuchten zwei violette Streifen. Aynur versucht, sie mit einer Liebkosung zu glätten und zupft bei der Gelegenheit an seiner Frisur herum. Als er sie abzuschüttelt, legt sie ihm einen Finger auf den Mund.
„Hörst du?”
„Was?”
„Das Nichts.”
Simon hat noch das Surren des Motors im Ohr und blickt fragend in die Landschaft. Totenstille. Keine Insekten, keine Vögel, nicht einmal ein Windhauch.
„Wie auf dem Mond”, sagt Simon.
Die nächstgelegene Felswand wirft ein schwaches Echo zurück. Weit unter ihnen, hinter den zerklüfteten Hängen des Roque Tauro verliert sich im Dunst der Mittagshitze die asphaltschwarze Schlangenlinie, über die sie ihre Mietvespa zwei Stunden lang hochgequält haben. Der Straßenbelag schillert an manchen Stellen, als wäre er nass. Die Berge sind zu dieser Jahreszeit grau, fast farblos. Nur in den ausgetrockneten Rinnen klammern sich ein paar Sträucher fest, die mehr oder weniger die Farbe ihrer Umgebung angenommen haben. An einigen Stellen schimmern rote und türkisfarbene Schlieren, sie durchziehen die Schluchten wie die nervösen Linie eines Elektrokardiogramms.
„Wo die Erde rot ist, gibt es Eisen”, erklärt Simon und schnallt den Helm am Sitz fest.
„Toll. Soll ich den Korb mitnehmen?”
Er schüttelt den Kopf. „Bloß die Decke und den Sekt.”
Hinter dem schmalen Plateau, auf dem das Fahrzeug in der Hitze flirrt, führt ein Steig den Hang hoch. Simon geht voran. Sie stolpern durch Bimssteine und Schlacken, die mit sonnenverbrannten Flechten überzogen sind. Bei jedem Tritt wirbeln die Turnschuhe kleine Staubwölkchen hoch. Aynur zischt ab und zu einen Fluch aus dem unerschöpflichen Repertoire ihrer Ahnen, doch weiter vorne liegen rechts und links der Trasse mannsgroße Findlinge, in deren Schatten man es sich vielleicht gemütlich machen kann.
„Weißt du“, sagt Simon und deutet Richtung Gipfel, „dass der spanische König diese Caminos reales genau dort anlegen ließ, wo die alten Wege der Ureinwohner waren? Die Eroberer haben ihre besten Geologen und Straßenbauer hergeschickt, aber instinktiv haben die Steinzeitmenschen schon tausend Jahre vor ihnen die geeigneten Routen entdeckt.”
„Toll”, wiederholt Aynur und unterdrückt ein Gähnen sowie den aufsteigenden Ärger über seine Besserwisserei. Überall spitze Steine. Sie behält den Blick am Boden, um ihre Nikes nicht zu ruinieren.
„Wie auf einer Baustelle.”
„Ich glaube, so ähnlich sieht es am Mars aus.”
„Ich dachte, am Mond.“
Simon zieht die Kamera heraus und schießt ein Foto: ein Stein, der wie ein angefressenes, schwarzweißes Stück Emmentaler aussieht. Danach will er Aynur von der Seite fotografieren, doch sie winkt ab, ihre Wangen glühen vor Anstrengung, dabei sind sie noch keine hundert Meter gegangen.
„Was hältst du davon?”
Er zeigt auf einen glatten Kreis. Jemand, der vor ihnen hier war, hat sich die Mühe gemacht, die Stelle von allen Schlacken und Steinchen freizuräumen. Er geht in die Hocke und drückt seine Hand tief in den Sand.
„Ein UFO-Landeplatz! Der Kreis ist noch warm.”
„Hallo? Es hat fünfunddreißig Grad im Schatten. Die ganze Insel ist sozusagen warm.”
Sie reicht Simon die Sektflasche und er platziert sie exakt im Kreismittelpunkt.
„Außerdem sah die Gegend auf der Website ganz anders aus. Irgendwie … romantischer.”
„Auf der Website kann man aber keinen Sex haben.”
Aynur lächelt säuerlich. „Klar, du musst ja nicht unten liegen. In diesem Dreck.”
„Was heißt im Dreck? Wozu haben wir die Decke?”
Simon breitet sie auf dem Boden aus und zieht liebevoll an den Enden herum, bis sie makellos daliegt wie ein frisch gebügeltes Leintuch.
„Und außerdem: Abgemacht ist abgemacht.”
Er beginnt, die Alufolie von der Flasche zu zupfen, während sie die Stelle weiträumig umrundet, als könnte in dieser Einöde Gefahr drohen.
„Findest du es nicht irgendwie unheimlich hier?” Sie zeigt auf ein Felsloch in der Ferne, aus dem Dampf oder Rauch austritt. Eine weiße Säule steigt kerzengerade nach oben. „Was ist das schon wieder? Ein Vulkan?”
„Sex auf dem Vulkan!“ Simon macht seine Stimme ganz tief, als würde er einen bekannten Fernsehsprecher nachmachen. „Klingt doch nach dem perfekten Abenteuerurlaub. Ich mach jetzt mal die Flasche auf, OK?”
„Wenn du meinst. Hast du überhaupt das Kondom dabei?”
Er zieht das Briefchen aus der Tasche und legt es neben die Flasche. Während er den Korken vorsichtig knallen lässt, gleitet sie zu ihm auf die Decke und lehnt sich an seine Schulter. Abwechselnd trinken sie einen Schluck. Die warme Kohlenstäure sticht in ihren Nasen. Während er ihr den Lippenstift vom Mund küsst, nesteln seine Finger an ihrer Bluse herum. Vier Knöpfe lang lässt sie ihn gewähren, doch beim vorletzten stoppt sie seine Hand.
„Weißt du – da sitzt man zuhause und träumt vom Urlaub, und alles fühlt sich so gut an – so wirklich –, als hätte man es bereits erlebt. Dabei hat man immer nur die schönen Bilder vor Augen, und dann –“
„– aber es ist doch schön hier. Anders schön.”
„Ja, meinetwegen. Aber irgendwie auch … schau dir mal diese Felsen an, überall diese kleinen Löcher. Als könnte jeden Moment jemand herausgaffen.”
Simon nickt verständnisvoll. „Kennst du den Film, wo die Japaner für ihre Geschütze eine ganze Insel ausgehöhlt haben, um die Amerikaner zu überraschen?”
„Nein, aber er würde mich sicher unglaublich scharf machen.“
„Ach Schatz, entspann dich einfach.”
„Bitte?”
„Sagen wir mal so: Könnte es sein, dass du einfach gerne das Negative hervorkehrst? Wie lange hast du gestern im Restaurant über das schwule Pärchen gelästert, das den Fenstertisch bekommen hat? Eine Stunde?”
Aynur schweigt. Irgendwann greift sie zur Flasche, die er ihr wie zur Versöhnung schon eine ganze Weile hinüberreicht.
„Stimmt nicht. Höchstens vierzig Minuten.“
Als sie trinkt, fällt ein grüner Schatten über ihr Gesicht. Eine winzige Wolke schiebt sich vor die Sonne und dämpft die Temperatur ein paar Atemzüge lang. Sie streichelt seinen Arm.
„Ich will doch auch, dass wir eine schöne Zeit haben.”
„Prima. Dann lass uns jetzt damit anfangen.”
Sie wirft die Haare nach hinten wie auf einer Opernbühne und gibt die letzten beiden Knöpfe ihrer Bluse frei. Dann fährt er mit der einen Hand in ihren BH und schiebt ihr mit der anderen den Slip von den Beinen. Irgendetwas riecht nach Benzin.
„Wir wollen es. Deswegen machen wir es”, flüstert er ihr ins Ohr. „Wir wollen es. Deswegen machen wir es.”
„Warst du auch mal Fußballtrainer?“
„Weißt du, ehrlich gesagt habe ich –“
Wieder legt sie den Finger auf seinen Mund.
„Psst.“
„Er presst die Lippen zusammen und atmet gleichmäßig durch die Nase. Von früheren Gelegenheiten weiß er, dass er auf diese Art die Explosion ziemlich lange hinauszögern kann.
"Keine Sorge, ich will es. Ja, ich will es! Aber warte kurz.“ Sie schiebt seine fordernde Hand zurück auf die Decke. „Ich muss noch mal für kleine Mädchen.”
Nackt hüpft sie durch die herumliegenden Schlacken in Richtung Felsen. Zweimal zuckt ihr Oberkörper vor Schmerzen, doch statt des spitzen Gekreisches stößt sie plötzlich einen richtigen Schrei aus: „Oh mein Gott! Was – ist – das!?”
Man kann aus der Ferne nichts erkennen, aber Simon ist sofort auf den Beinen und mit drei Sprüngen bei ihr. Behutsam legt er den Arm auf ihre Schultern und hält sie fest, bis sie sich beruhigt hat. Zu ihren Füßen, zwischen Bimssteinen und Flechten, liegt ein staubiges Kondom.
„Wo man vögelt, da lass dich nieder.”
Sie bleibt in seinen Armen steif wie ein Stück Holz.
„Findest du das lustig? Was ist das hier überhaupt! Ein Outdoor-Swingerclub?“
„Genau das habe ich gemeint. Wir sind umgeben von hundert Kilometern unberührter Natur, und du konzentrierst dich auf den Müll zweier Menschen.”
„Was heißt hier zweier Menschen? Das ist doch eher sein Müll.”
Simon nickt kraftlos und dreht sie in die andere Richtung, als könnte er damit einen Themenwechsel erzwingen. Mit der Turnschuhspitze schaufelt er ein wenig Sand über den Gummi.
„Wolltest du nicht ...?“
„Ist schon gut.“ Sie sieht, wie er durch die Nase atmet und weiß, dass es genug ist. „Ich bin gleich zurück.“
Wieder hüpft sie mit abgespreizten Armen davon, wieder flucht sie über die scharfkantigen Steine. Ihr blanker Hintern zuckt in der Sonne, doch diesmal verwandelt der Anblick seinen Ärger wundersamerweise in Begehren. Als sie hinter dem Felsblock verschwindet, weiß er, dass er bereit ist. Er fühlt Erleichterung und streift sich in aller Ruhe die Kleider vom Leib. Ein Scheitern hätte sich wie ein giftiger Pilz über ihre Urlaubserinnerungen gelegt. Er faltet Hemd und Hose am Rand des Sandkreises übereinander. Das Blut pocht in seinem Penis, und doch ist sein Körper ganz ruhig. Dankbar rollt er das Kondom über die Eichel. Erst jetzt versteht er die Stille: Wo keine Pflanzen leben, gibt es keine Insekten, und ohne Insekten keine lärmenden Vögel. Gerne würde er diese Entdeckung vor dem Sex noch mit ihr teilen, doch sie lässt sich Zeit. Viel Zeit.
„Und? Wie pinkelt es sich auf dem Vulkan?”
Nur das Echo antwortet ihm, aber seine Verwunderung hält sich in Grenzen, er kennt ihre Marotten. Die Stimmung orientalischer Frauen dreht sich so schnell wie der Wind vor der Küste. Er leert die Flasche mit einem zu großen Schluck und legt sich flach auf das heiße Leintuch. Die Kohlensäure brennt in der Kehle und drückt ihm ein paar Tränen in die Augen. Irgendwann bemerkt er die langen Schatten an den Felswänden. Er sucht nach seiner Uhr, während die Erektion schmilzt wie ein Eislutscher in der Sonne. Sie wollten bei Tageslicht zurück im Hotel sein. Muss sie ihn immer verhöhnen? Nun, sie soll ihren Willen haben. Er zieht sich die Socken aus und folgt dem Zick-zack-Kurs ihrer Fußabdrücke zwischen den Schlacken. Als ihm niemand entgegenspringt, schleicht er um die Ecke des Felsblocks, aber von der anderen Seite. Er würde sie überraschen und den Spieß umdrehen. Doch alles war er sieht, ist ein exakter Kreis im Staub ohne das kleinste Steinchen darin. Die Erde ist warm und alles ist still, doch eine Handbreit über dem Kreis vibriert noch der Staub in der heißen Luft.

 

Hallo baronsamedi,

es tut mir wirklich leid, aber das einzige, was deine Geschichte hinterlässt, ist nichts als Befremdung. Hauptverantwortung dafür trägt wohl die Vermischung zweier vollkommen verschiedener Welten, deren Aussage mir leider verborgen bleibt. Denn normalerweise wird der Einsatz nicht auf den ersten Blick in den Kontext passender Elemente dafür verwendet, eine schon in der normalen Erzählung angesprochene Thematik auf einer anderen Ebene zu kommunizieren. Das sehe ich bei dieser Geschichte leider nicht, vielleicht bin ich auch einfach zu engstirnig. Leider fehlt der Geschichte auch eine wirkliche Atmosphäre, was möglicherweise an den zeitweise ungeschickt gewählten Formulierungen liegt:

Sie durchziehen die nackten Schluchten – nicht waagrecht, sondern gebrochen wie die Linien eines Elektrokardiogramms.
Ein ungeschickter Vergleich, da er sich nur auf optische Aspekte bezieht und damit eben konnotativ oder bildlich keine Stimmung kreiert.

grauschwarze Bimssteine und Schlacken
Von Schlacke gibt es keinen Plural, es ist ein Stoff, wie Wasser.

sagt Bernhard und breitete sie auf dem Boden aus.
Immer den Tempus beibehalten!

„Weißt du, dass der spanische König die Caminos reales genau dort angelegt hat, wo die Ureinwohner ihre alten Wege hatten? Die Eroberer haben ihre besten Geologen und Straßenbauer hergeschickt, aber die Steinzeitmenschen haben tausend Jahre vor ihnen instinktiv die besten Routen entdeckt.“
Was haben solche Informationen in dem Text zu suchen? Bieten sie etwa Exposition oder sind sie in ihrer Aussage auf die Geschichte übertragbar?

Vielleicht fehlt, zusammengefasst, deinem Stil noch die Ästhetik, die eine so (zumindest kurzweilig) sinnliche und in der Natur angesiedelte Szene benötigt. Mein Tipp wäre also, dich vielleicht mehr mit Lyrik zu befassen, um nötige Übung im Umgang mit Stimmung, Bildern und Metaphern zu bekommen.

Das Ende der Geschichte hat mich insofern kurz ein winziges Bisschen gereizt, weil sie gerade so absurd war. Mehr als eine verwunderte Belustigung hat sie mir aber weder entlockt noch an Überlegungen in den Kopf gesetzt.

Nombreux

 
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Nombreux schrieb:
Von Schlacke gibt es keinen Plural, es ist ein Stoff, wie Wasser.

Dem möchte ich widersprechen. Sowohl im Hüttenwesen als auch in der Geologie kann durchaus von einer Mehrzahl bzw. von verschiedenen Schlacken die Rede sein.

offshore

 

"„Weißt du, dass der spanische König die Caminos reales genau dort angelegt hat, wo die Ureinwohner ihre alten Wege hatten? Die Eroberer haben ihre besten Geologen und Straßenbauer hergeschickt, aber die Steinzeitmenschen haben tausend Jahre vor ihnen instinktiv die besten Routen entdeckt.“

Was haben solche Informationen in dem Text zu suchen? Bieten sie etwa Exposition oder sind sie in ihrer Aussage auf die Geschichte übertragbar?"

Sie sollen zeigen, dass Bernhard ein Besserwisser ist, wie ja auch vorher die Stelle mit dem Eisen. Also die Figur konkretisieren.

 

Hallo baronsamedi,

Sie sollen zeigen, dass Bernhard ein Besserwisser ist, wie ja auch vorher die Stelle mit dem Eisen. Also die Figur konkretisieren.

Na gut, aber wenn eine Eigenschaft für den Charakter in der Geschichte absolut keine Bewandtnis hat, warum etabliere ich sie dann? Genauso gut hättest du in einigen Sätzen erwähnen können, dass Bernhard ein totaler Fußballfan oder drogenabhängig ist.

Nombreux

 

Hallo baronsamedi!

Nur eine kurze Frage hierzu: „Klar, du musst ja nicht unten liegen. In diesem Dreck“
=> Warum muss sie denn unten liegen? (Übrigens, da fehlt ein Punkt am Satzende.)

Grüße
Chris

 
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Hallo Chris,

danke für dein Interesse. Die Antwort ist einfach. Sie gehören einer Sekte an, die alle anderen Positionen verbietet.

 

Hallo baronsamedi!

"Die Antwort ist einfach. Sie gehören einer Sekte an, die alle anderen Positionen verbietet."
=> Prima, hast du das schon in den Text eingebaut? (Ich hab's auf die Schnelle nicht gefunden.) Über diese Sekte würde ich wahnsinnig gerne mehr erfahren.

Grüße
Chris

 
Zuletzt bearbeitet:

Auch diese Geschichte, die in der Erstversion wenig Anklang gefunden hat, habe ich noch einmal komplett neu geschrieben. Ich möchte sie der geneigten Leserschaft noch einmal vorlegen. Falls sich weiterhin niemand für sie erwärmen kann, lasse ich es gut sein, versprochen.

baronsamedi

 

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