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Copywrite Wenn ich dich sehe

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01.01.2010
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Wenn ich dich sehe

Ich habe in meinem Leben an vieles geglaubt. An das Christkind zum Beispiel, oder daran, dass man vom vielen Fernsehen viereckige Augen bekommt. Ich habe geglaubt, dass Freundschaften ewig halten, und eine Zeit lang ging ich in die Kirche und glaubte an Gott. Nur eines habe ich immer geleugnet: Liebe auf den ersten Blick. Und ausgerechnet die hat mich erwischt.
Sie ist ein hübsches Mädchen. Nicht von jener Beliebigkeit, die viele hübsche Mädchen teilen. Als ich sie entdeckte, lächelte sie mich an. Es war ein echtes Lächeln, eines, das die Augen umfasste. Dabei strich sie ihr Haar aus dem Gesicht, und das öffnete etwas in mir.
Seitdem
sehe ich sie. Sehe sie mit jenem inneren Auge, das für besondere Menschen bestimmt ist. Jetzt wohnt sie in meinem Herzen und weht durch meine Träume.
Sie allerdings, sie sieht mich nicht. Noch nicht. Ich muss ihr auffallen, irgendwie.
Ich muss sie überraschen.

Als Alexandra ein kleines Mädchen war – fünf, höchstens sechs Jahre alt – besuchte sie mit ihren Eltern und Mona ihre Großmutter auf dem Friedhof. Auf dem Weg kamen sie an einem Grab vorbei, auf dem ein hellblauer Plüsch-Elefant stand. Ihre Mutter begann zu weinen. Alexandra verstand das nicht, und ihr Vater nahm sie zur Seite und sagte: „Manche Dinge erzählen eine Geschichte, weil sie an einem Ort sind, an dem sie nicht sein dürften. Und diese hier ist traurig.“
Jetzt, über zwei Jahrzehnte später, flackerte dieser Satz in Alexandras Erinnerung, als sie tropfnass und mit einem Handtuch umschlungen ihr beschlagenes Spiegelschränkchen öffnete. Der Zettel klebte auf der Innenseite.
Alexandra zuckte zurück. Noch bevor sie die drei Zeilen gelesen hatte, wusste sie, dass dieser Zettel eine Geschichte erzählte, die sie lieber nicht wissen wollte.
Sie hob ihre Hand und löste ihn. Lange blickte sie auf das Geschriebene, dachte an einen Scherz und fühlte gleichzeitig einen Eindringling durch ihren Körper kriechen.
Sie musste den Text oft gelesen haben, denn als sie ihren Schrank schloss, war der Spiegel vorne klar, und Alexandra blickte in ihr eigenes, blasses Gesicht.

„Du musst zugeben, es ist ein klein wenig romantisch“, sagte Mona, während sie auf Alexandras Couch saß und ihre Nägel lackierte.
„Es ist kein bisschen romantisch. Es ist eine Unverschämtheit.“
„Ach komm. Jetzt übertreib nicht. Jemand macht dir ein Kompliment, und du –“
„Das ist kein Kompliment. Lies nochmal genau, was draufsteht.“
Mona beugte sich nach vorne. „Die Augen brennen, verblendet von Herrlichkeit. Wenn ich dich sehe.“ Sie blickte auf. „Klingt für mich wie ein Kompliment. Da findet dich jemand toll.“
„Verblendet von Herrlichkeit. Das ist kein Kompliment. Geblendet wäre eins. Möglicherweise.“
Mona schüttelte den Kopf. „Schau, das ist typisch für dich. Immer machst du an solchen Kleinigkeiten rum. Verblendet, geblendet, wo ist da der Unterschied?“
„Da ist sogar ein großer Unterschied.“
Mona fuhr fort, sich die Nägel zu lackieren. Alexandra hatte damit gerechnet, von ihrer Schwester nicht verstanden zu werden. Als Zwillinge hatten sie den Mutterleib geteilt, doch damit erschöpften sich die Gemeinsamkeiten.
„Was denkst du, wer hat das geschrieben?“, fragte Mona.
„Martin natürlich.“ Wer hätte es sonst sein können? Gestern Abend waren schließlich nur er, Mona und Malek zu Besuch gewesen. Martin musste den Zettel angeklebt haben, als er pinkeln gegangen war.
Mona blickte ihre Schwester an und wedelte mit der linken Hand, um den Nagellack zu trocknen. „Ja, denk ich auch. Er steht auf dich. Ist das nicht süß?“
„Du verstehst es nicht, oder?“
„Alexandra, jetzt mal ernsthaft. Martin schreibt dir einen – so einen Zettel, und du tust so, als –“
„Ein Haiku.“
Mona runzelte die Stirn.
„Es soll zumindest eins sein. Es sind siebzehn Silben, aufgeteilt in fünf, sieben, fünf.“
„Also gut. Siehst du, er schreibt dir sogar ein Gedicht. Und du tust so, als hätte er dir an die Titten gefasst.“
„In gewisser Weise hat er das.“
Mona zog die Augenbrauen hoch. „Du bist manchmal so komisch. Wirklich.“
Natürlich. Ihr ganzes Leben war sie komisch gewesen, weil sie still und schüchtern war und gern Zeit allein verbrachte. Was bei anderen Menschen als Introversion bezeichnet wurde, galt bei ihr als unnatürlich, weil Mona ein global player war und jeder offenbar dachte, Zwillinge müssten sich gleich verhalten.
„Er hat meine Privatsphäre verletzt.“
„Deine Privatsphäre? Er hat dein Badezimmerschränkchen geöffnet, das war alles.“
„Ja, und das gehört sich nicht. Das ist privat.“
„Was hast du da drin, deinen Dildo?“
Alexandras Gesicht wurde heiß. „Natürlich nicht.“ Es war sinnlos, mit Mona darüber zu sprechen.
Mona begann, die Nägel der rechten Hand zu lackieren. „Schau mal, er ist eben schüchtern. Wenn er den Zettel woanders hingelegt hätte, hätte ihn vielleicht jemand anderes zuerst gesehen. Er wollte, dass du ihn findest, und da ist das Schränkchen eine gute Wahl. Besser, als ihn zu deiner Unterwäsche zu legen, oder?“
Alexandra stieß ein humorloses Lachen aus. Sie musste zugeben, an diesen Punkt nicht gedacht zu haben. Hatte sie doch überreagiert? „Da wäre er kaum rangekommen.“
„Ja, schade eigentlich. Ich finde, ihr wärt ein tolles Paar. Wie findest du ihn denn?“
Alexandra zuckte mit den Schultern, was Mona nicht sehen konnte, weil sie ihre Nägel studierte. „Weiß nicht. Hab da nicht drüber nachgedacht.“
„Das ist auch nichts, worüber man nachdenken muss. Du kennst ihn doch. Findest du ihn süß oder nicht?“
„Er ist – nett“, sagte Alexandra und merkte, wie lahm es klang.
„Oh je. Sag ihm das nie direkt. Nett ist das Schlimmste, was du zu einem Mann sagen kannst. Was hast du jetzt vor?“
Alexandra nahm den Zettel, las ihn erneut. Die Augen brennen, verblendet von Herrlichkeit. Wenn ich dich sehe. Sie wollte es als Kompliment auffassen, es gelang ihr nicht. Nein, beim Lesen hatte sie eher das Gefühl, in einen Apfel zu beißen, der süß und saftig aussah und sich dann als faulig herausstellte.
„Keine Ahnung“, sagte sie.

Als sie abends im Bett lag, hatte sie einen Entschluss gefasst: Sie würde nichts tun.
Eine Stimme flüsterte, das sei ein feiger Weg, aber Alexandra war überzeugt, Martin würde auf sie zugehen, wenn es ihm ernst war.
Er hat den ersten Schritt gemacht. Jetzt bist du dran.
Nein, das war kein Schritt. Es war ein Zettel, geschrieben in Blockschrift, ohne Unterschrift. Was, wenn er nicht von Martin stammte? Alexandra drehte sich hin und her. Es kamen nur er, Mona oder Malek in Frage, und ihre Schwester und deren Freund schieden aus. Es musste Martin sein.
Inzwischen war ihre Wut verflogen. Vermutlich war Martin in Beziehungsfragen ebenso unerfahren wie sie – sie kannte ihn seit einer Weile, eine Freundin hatte er nie erwähnt – und startete jetzt einen unbeholfenen Versuch.
Martin und sie. Sie und Martin. Auch diesen Gedanken wendete sie hin und her.
„Mein Freund Martin“, sagte sie laut in die Dunkelheit. „Martin, mein Freund.“ Ihre Stimme klang einsam, das Gesagte ungewohnt.
Als ihr klar wurde, dass sie nicht einschlafen konnte, schaltete sie die Nachttischlampe an, um noch Musik zu hören. Pachelbels Kanon in D-Dur oder Bachs Air aus der Suite Nr. 3 würden sie beruhigen. Als sie ihren kabellosen Bose-Kopfhörer von der Ladestation nahm, sah sie den Zettel. Er klebte in einer der Ohrmuscheln.
Laut sog sie Luft ein. Mona, dachte sie. Warst du das?
Sie nahm den gelben Post-It, hielt ihn ins Licht.
Das Ohr, es frohlockt
beim Klang deiner Melodie.
Lauscht nicht der Vernunft.

Ihre Hand, die den Zettel hielt, begann nach einer Weile zu zittern.

Sie saßen zu dritt in einem Café. Alexandra wäre gern zuhause geblieben oder hätte sich allein mit Mona getroffen, aber Martin hatte eine SMS geschrieben. Ihr war keine Ausrede eingefallen.
Er erzählte über Indien. Anscheinend plante er eine längere Reise. „Es geht nicht nur darum, ein anderes Land kennenzulernen“, sagte er, „sondern darum, mich selbst kennenzulernen. Das wird eine ganz neue Erfahrung.“
Alexandra rührte in ihrer Latte macchiato. Sie achtete kaum auf Martins Worte, beobachtete stattdessen sein Gesicht, suchte nach einem Anzeichen, das ihn verriet. Vielleicht wartete er auf ein Zeichen ihrerseits und dachte, sie habe die Zettel noch nicht entdeckt.
„Sich einmal von den gesellschaftlichen Fesseln lösen. Von Verpflichtungen und Erwartungen, mal auf den ganzen technischen Schnickschnack verzichten. Mal in sich selbst hören. Sich selbst sehen. Darum wird es gehen.“ Er schaute Alexandra in die Augen. „Ist alles klar bei dir?“
„Ja, sicher“, sagte sie und trank einen Schluck. „Klingt gut“, log sie. In Wirklichkeit hielt sie nichts von diesem Selbstfindungs-Mist. Menschen, die sich zu Hause verloren, würden sich nicht in einem fremden Land neu entdecken. Das war esoterischer Schwachsinn. Und aufs Handy konnte man auch hier verzichten, dazu musste man keine tausende von Kilometern reisen.
„Komm doch mit“, sagte Martin. „Ich bin flexibel, was die Planung angeht.“
Alexandra murmelte etwas von viel Stress im Beruf und knapper Kohle. Sie überlegte, ob Martin und sie zusammenpassten. Sie fand seine Haare einen Tick zu lang, und seine Augen standen zu eng beieinander. Aber wer war sie, dass sie Ansprüche ans Äußere stellen durfte?
Als er auf die Toilette ging, lehnte sich Mona vor. „Was ist los mit dir?“, flüsterte sie. „Du siehst richtig scheiße aus.“
Alexandra kramte den Zettel hervor. „Den hab ich gestern Abend auf meinem Kopfhörer gefunden.“
Mona las den Zettel. „Und?“
„Auf meinem Kopfhörer. Der steht im Schlafzimmer.“
„Und?“ Als würde Mona mit einem Kind sprechen. Wie konnte sie so begriffsstutzig sein?
„Herrgott, in meinem Schlafzimmer. Wann soll Martin in mein Schlafzimmer gegangen sein?“
„Vielleicht, nachdem er auf dem Klo war?“
Das war auch Alexandra eingefallen. „Und du findest das nicht komisch? Während er pinkeln geht, schleicht er durch meine Wohnung und verteilt Zettel?“
„Hast du noch mehr gefunden?“
„Nein. Und ich hab die halbe Nacht kein Auge zugetan und alles auf den Kopf gestellt. Der spinnt doch.“
„Er ist halt ein verrückter Kerl. Vielleicht findet er das romantisch. Manche Männer ticken so.“
„Und was da steht: Lauscht nicht der Vernunft. Was soll das heißen?“
Mona überlegte. „Keine Ahnung. Frag ihn halt.“
„Sicher nicht.“
„Warum nicht? Vielleicht wartet er darauf?“
„Warum spricht er nicht einfach mit mir?“
„Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem du nicht mit ihm sprichst: Er hat Angst.“
„Ich hab keine Angst.“
„Natürlich. Immer, wenn dir ein Mann nahe kommt, kriegst du Angst und rennst weg.“
Alexandra hatte keine Lust auf eine Grundsatzdiskussion. „Ich weiß einfach nicht, was ich von ihm will. Und solange ich das nicht weiß, bring ich überhaupt nichts zur Sprache.“
„Du musst es zur Sprache bringen. Sonst denkt er, du lehnst ihn ab, und du wirst nie –“
„Er kommt“, flüsterte Alexandra und steckte den Zettel weg.
Nachdem Martin sich gesetzt hatte, kramte Mona ihr Handy hervor. „Malek hat gerade geschrieben“, sagte sie und warf ihrer Schwester ein schräges Lächeln zu. „Ich muss leider los, ihn vom Bahnhof abholen.“
Sie stand auf, und Alexandra spürte, wie ihre Knie weich wurden. Bei der Vorstellung, allein mit Martin zurückzubleiben, bekam sie kalte Hände. Ihr fiel nichts ein, um ihre Schwester aufzuhalten, sie konnte nicht einmal vorschlagen, dass sie alle gehen sollten, weil ihre Latte noch halb voll war.
Als Mona verschwunden war, stellte sich jener Moment der Stille ein, den Alexandra fürchtete. Ihr passierte das nur, wenn sie allein mit einem Mann zusammen war. Als würde das irgendwelche Schotten in ihr schließen. Am liebsten hätte sie gesagt: Können wir uns nicht einfach einvernehmlich anschweigen? Vielleicht würde das Spiel mit offenen Karten den Augenblick weniger peinlich machen.
Martin ging es offenbar ähnlich. Er rutschte hin und her und trank seine Cola. Sein Indien-Pulver schien verschossen, bis ihm einfiel: „Hey, kennst du einen Satz, in dem nur 'in' und 'der' vorkommt?“
Alexandra schüttelte den Kopf.
„Der Inder in der Inderin“, sagte Martin und gackerte.
Alexandra zwang sich zu einem Lächeln. Frag ihn, dachte sie. Frag ihn jetzt. Frag ihn und beende das Ganze.
Eine andere Stimme sagte: Du hast Zeit. Warum etwas riskieren?
Nach wenigen Minuten war ihre Latte leer, und als Martin vorschlug, zu bezahlen, nickte sie.

Ich habe so etwas noch nie erlebt, und ich war schon verliebt. Mehrere Male.
Dieses Mal ist es mehr als Verliebtsein, mehr als Liebe. Ich begehre dieses Mädchen, diese Frau wie nichts zuvor in meinem Leben. Mit jedem Herzschlag denke ich an sie, Nacht für Nacht träume ich von ihr. Nicht davon, sie zu ficken – da denke ich nicht mal dran. Sie ist keine Frau, der ich den Vortritt lasse, um ihr auf den Arsch zu starren oder an die ich beim Wichsen denke. Dafür gibt es andere, sie würde ich damit nur beschmutzen.
Ich träume davon, mit ihr am Strand zu sitzen und den Sonnenuntergang zu beobachten. Davon, mit ihr an Heiligabend zu später Stunde über den verlassenen Marktplatz zu schlendern und sie vor dem leuchtenden Weihnachtsbaum zu küssen.
Mann, ist das schnulzig. Ich erkenne mich nicht wieder. Was macht diese Frau mit mir? Ich kann nicht mal sagen, ob es wunderschön oder bis über die Maßen qualvoll ist. Meistens ist es beides.
Mit dieser Frau will ich den Rest meines Lebens verbringen. Sie ist mein Sonnenschein.
Und noch immer sieht sie mich nicht. Dabei muss sie doch merken, was Sache ist. Wie deutlich muss ich noch werden? Ob sie mich absichtlich ignoriert?
Ich glaube, das würde ich nicht aushalten. Ich würde durchdrehen.
Vielleicht muss ich einfach noch einen Schritt weiter gehen.

„Erzähl die Geschichte“, sagte Malek und trank einen Schluck Bier.
Martin schüttelte den Kopf.
„Na komm schon, erzähl sie. Die ist der Hammer.“
Sie saßen zu viert in der Wohnung von Mona und Malek. Es war ein Donnerstagabend, Alexandra musste am nächsten Tag nur vier Stunden arbeiten und hatte beschlossen, sich zu betrinken. Sie war beim dritten Glas Wein und damit auf einem guten Weg.
„Wie alt war ich damals?“, fragte Martin. „Achtzehn? Kann mich da überhaupt nicht richtig dran erinnern.“
Malek lachte. „Klar, aber nicht, weil du achtzehn warst, sondern weil du total dicht warst.“
„Jetzt erzähl schon“, drängte Mona. „Es bleibt auch unter uns.“
Alexandra trank einen Schluck Wein und genoss die Wärme, die er brachte.
„Pfff“, machte Malek. „Da waren mindestens zehn Leute dabei. Das ist kein Geheimnis.“
„Die waren doch alle genauso blau“, sagte Martin.
„Also, wenn du sie nicht erzählen willst, dann tu ich's halt.“ Malek stellt seine Bierflasche ab. „Wir waren bei Evelyn zum Geburtstag, und –“
Martin hob einen Finger. „Steffi.“
„Was?“
„Es war der Geburtstag von Steffi, nicht Evelyn.“
„Was jetzt? Ich denk, du kannst dich an nix erinnern.“
„Ich werd wohl noch Evelyn und Steffi unterscheiden können.“
Malek nickte langsam. „Ja, da wette ich drauf.“ Alexandra fragte sich, was das bedeuten mochte.
„Jedenfalls“, fuhr Malek fort, „war es recht spät, also früh am Morgen, und wir spielen dieses Spiel. Zwei Gruppen, jemand bekommt einen Film zugeflüstert und muss ihn pantomimisch vormachen, sodass seine Gruppe ihn errät.“ Malek begann zu kichern und fuhr mit der Hand über den Mund. „Also, irgendwer flüstert Martin was zu, und Martin, der war echt hinüber. Er steht auf, und wir sehen schon, das wird nix. Der schwankt, kriegt kaum die Augen auf, und jeder von uns denkt, gleich haut's ihn auf die Fresse oder er kotzt. Und was macht er?“
Wieder wurde Malek durch sein eigenes Lachen unterbrochen. Martin fitzelte am Etikett seiner Bierflasche herum. „Er packt seinen – seinen Zeppelin aus und pinkelt vor versammelter Mannschaft auf den Teppich.“
„Igitt“, rief Mona. „Ist nicht dein Ernst.“
Alexandra trank einen großen Schluck.
„Angeblich soll es so gewesen sein“, sagte Martin.
„Ach, angeblich. Klar war das so. Haben wir doch alle gesehen. Sei froh, dass es keiner gefilmt hat.“ Malek lachte sich halb tot; Mona wusste anscheinend nicht, ob sie lachen oder das Gesicht verziehen sollte.
„Und was soll das für ein Film gewesen sein?“, fragte Alexandra, und da verstummte Malek. Er sah sie an, als könne sie nicht bis drei zählen. „The Big Lebowski natürlich. Was denn sonst?“
Alexandra kannte den Film nicht und hatte das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen. Malek konnte sie nicht leiden, das war offensichtlich, auch wenn Mona das immer leugnete. Alexandra vermutete, er betrachtete sie als Monas hässliches Anhängsel, einen Wurmfortsatz.
Irgendwann sah sie, wie Malek Monas Hand nahm, und sie goss Wein nach. Die beiden erzählten von ihren Reisen, von vergangenen und zukünftigen. Alexandra war seit drei Jahren nicht im Urlaub gewesen, nicht, weil sie kein Geld hatte, sondern weil sie nicht alleine reisen wollte. Das war doch scheiße. Einmal hatte sie mit dem Gedanken gespielt, eine Single-Reise zu buchen, sich dann aber vor dem Druck, dort jemanden kennenlernen zu müssen, gefürchtet. Nein, da verbrachte sie ihre freien Tage lieber auf der Couch mit einem guten Buch.
Sie trank einen weiteren Schluck, dann noch einen. Ein Schleier legte sich vor ihre Augen.
Mona. Mit dreizehn hatte sie ihren ersten Verehrer, der erste unter Unzähligen. In der Schule hatten sie ihr Zettel geschrieben, später weiße Rosen zum Geburtstag geschickt. Unfassbar, dass Alexandra zur gleichen Zeit aus dem gleichen Leib gekrochen war. Sie hasste die Reaktionen, wenn Fremde erfuhren, dass sie Zwillinge waren. In der Schule hatten viele laut herausgelacht oder den Verdacht geäußert, verarscht zu werden. Heute waren die Leute höflicher, aber selbst deren Augen weiteten sich, selbst deren Mundwinkel zuckten. Alexandra sah sie jedes Mal, diese unwillkürlichen Erwiderungen, das Erstaunen, wie wenn man jemanden traf, dessen Gesicht von einer Brandnarbe entstellt war. Man konnte noch so höflich sein, man schaute einfach drauf, und wenn es nur für eine halbe Sekunde war.
Irgendwann schweifte Alexandras Blick zu Martin, und sie fragte sich, was sie so schlimm an ihm fand. Er hatte nicht Maleks Wuschelhaare oder seinen ausgeprägten Bizeps, na und? Vielleicht hatte Mona recht und sie rannte davon. Vielleicht hatte er eine Chance verdient.
Alexandra lehnte sich zurück. Sie wusste, ihre Gedanken entsprangen dem Wein, aber das war ihr egal. Für den Augenblick genoss sie das Gefühl, begehrt zu werden.

Auf dem Heimweg plante sie die nächsten Schritte. Am besten, sie würde mit Martin unter vier Augen reden. Momentan hatte sie das Gefühl, ein Gespräch führen zu können, und wenn das am Wein lag, dann scheiß drauf. Dann würde sie sich eben abends mit ihm treffen und ein oder zwei Gläser trinken. Wenn es die Zunge lockerte, warum nicht?
Als ihr Haus in Sicht kam, kramte sie nach den Schlüsseln. Sie würde –
Sie stockte, als sei sie gegen eine Wand gelaufen. Ihre Hand verharrte in der Tasche, ihr Mund stand offen. Wie aus weiter Ferne hörte sie ihr Keuchen. Sie blickte das Mietshaus hoch, bis in den vierten Stock, bis unter das Dach. Bis zu ihrer Wohnung. Dort brannte Licht.
Die Welt um sie herum wurde klar. Die wohlig-warmen, weingeschwängerten Gedanken zogen davon wie Schwaden im Wind, und Entsetzen überfiel sie, kalt wie das Licht ihrer Wohnung.
Hatte sie es angelassen?
Nein. Unmöglich. Sie ließ das Licht nie brennen. Im Gegenteil, sie kehrte dreimal zurück, um sich zu vergewissern, dass das Licht aus und alle Fenster zu waren.
Heute Abend auch?
Sie war nicht sicher.
Scheiße, sie konnte sich nicht erinnern.
Langsam zog sie den Schlüssel hervor.
Und jetzt? Sollte sie die Polizei rufen? Die würden sie doch für bescheuert halten, wenn sich herausstellte, dass nur die Leselampe brannte. Außerdem – würde ein Eindringling das Licht brennen lassen? Mitten in der Nacht?
Nein, es musste ihr Fehler sein.
Sie betrat das Haus und schlich die Treppen hoch, fröstelte und schwitzte.
Als sie vor ihrer Wohnungstür stand, suchte sie nach Spuren.
Lächerlich. Als würde ein Einbrecher seine Schuhe draußen ausziehen.
Da ist kein Einbrecher drin. Da ist überhaupt niemand drin. Da brennt bloß Licht.

Sie schloss die Tür auf und spähte in den Flur. Aus der Wohnung kam kein Ton. Minutenlang blieb sie auf der Schwelle stehen, ehe sie sich hineinwagte, gehemmt, als würde sie in einen kalten See steigen. Sie traute sich nicht, zu rufen, weil sie Angst vor dem Klang ihrer Stimme hatte.
Nach und nach schritt sie die Räume ab, machte Licht, schaute in die Schränke und unter das Bett. Die Wohnung war leer. Natürlich war sie das.
Erleichtert atmete sie aus. Immerhin war sie jetzt nüchtern.
Sie ging ins Badezimmer, um sich Wasser ins Gesicht zu spritzen.
Morgen würde sie darüber lachen. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, auf den Schreck einen Wein aufzumachen, als sie das Gelb im Spiegel entdeckte.
Sie wirbelte herum.
Der Zettel klebte auf dem Wäschekorb. Behutsam, wie in Trance, durchquerte Alexandra ihr Badezimmer und nahm den Zettel ab. Einen Moment zuckten die Buchstaben vor ihren Augen.
Die Nase, sie tanzt
zum Geruch deines Körpers.
So süß. Und so faul.

Sie setzte sich auf den Boden, lehnte sich mit dem Rücken an die Wanne. Ihre Gedanken kreisten, doch zwei Dinge waren klar: Die Nachrichten kamen nicht von Martin. Und derjenige, der sie geschrieben hatte, begehrte sie nicht.
Einen Augenblick glaubte sie, sich übergeben zu müssen, doch anstelle des Abendessens kamen nur Tränen.

„Jetzt beruhig dich“, sagte Mona und reichte ihrer Schwester ein Taschentuch.
„Vergiss es.“ Alexandra wischte Monas Hand beiseite. Sie hatte eine zweite schlaflose Nacht hinter sich. Wieder hatte sie in allen Schränken und Schubladen nachgesehen, aber nichts entdeckt. Erst in den frühen Morgenstunden schlief sie ein, und als zwei Stunden später der Wecker klingelte, stand sie nur auf, um sich krankzumelden. Sie wartete bis in den Nachmittag, ehe sie zu Mona fuhr, weil Malek dann trainierte.
„Und der war wieder im Badezimmer?“
Alexandra nickte. „Direkt auf meinem Wäschekorb.“ Mit den Handballen rieb sie ihre Augen. Sie hasste es, vor Mona zu weinen.
„Pervers.“ Mona blickte auf das Papier. Dann: „Kann es sein, dass der vor drei Tagen schon da war? Als du die anderen beiden gefunden hast?“
„Was glaubst du? Dass Martin an dem Abend drei Zettel verteilt hat?“
„Ja.“
„Der Zettel war auf meinem Wäschekorb, verdammt. Natürlich hätte ich den gesehen. Ich hab neulich nachts meine ganze Wohnung durchsucht.“
„Und wer war seitdem in deiner Wohnung?“
„Niemand. Außer mir.“
„Mann, das ist echt gruselig. Wie soll das gegangen sein?“
Alexandra zögerte zwei Sekunden. Dann sagte sie: „Es gibt eine Erklärung.“
Mona blickte auf. „Ach ja?“
„Ja. Wir waren uns einig, dass es nur Martin, Malek oder du sein können. Nun, Martin scheidet aus. Er mag ein schräger Kerl sein, so schräg ist er nicht. Bleiben Malek und du.“
Die einsetzende Stille schien Alexandras Haut zu zerschneiden. Im Inneren ihres Kopfes dröhnte ihr Herzschlag.
„Was soll das heißen?“ Mona sprach leise, als würden unsichtbare Ohren lauschen.
„Mir ist gestern was klar geworden. Die Idee, dass Martin durch meine Wohnung schleicht und Zettel verteilt, war von Anfang an Blödsinn. Es muss jemand sein, der in meine Wohnung geht, während ich weg bin. Es muss jemand sein, der einen Schlüssel hat. Und den habt nur ihr.“
Mona stand auf. „Soll das heißen, du glaubst, ich hab die Zettel geschrieben?“
„Nein. Nicht du. Aber Malek.“
Alexandra hatte sich vorgenommen, die Reaktion ihrer Schwester genau zu beobachten: Mona öffnete den Mund, schloss ihn wieder. An ihrer Schläfe pulsierte eine Ader. War sie überrascht?
„Als wir uns gestern hier getroffen haben, kam er später dazu“, sagte Alexandra. „Weil er in meiner Wohnung war und den Zettel auf den Korb geklebt hat. Dabei hat er einen Fehler gemacht. Er hat das Licht brennen lassen.“
„Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“
„Es ist die einzige logische Erklärung. Malek schreibt diese Zettel, weil er – weil er – “
„Ja? Sag schon, warum sollte mein Freund diese Zettel schreiben?“
„Weil er mir Angst machen will. Weil er mich nicht mag.“ Als Alexandra den Gedanken aussprach, klang er weniger plausibel als in ihrem Kopf.
„Ach so“, rief Mona. „Jetzt kommt die Leier wieder. Und weil er dich nicht mag, klebt er Zettel in deine Wohnung, während du weg bist. Soll ich dir mal sagen, wie das klingt? Total verblödet klingt das. Warten wir doch, bis er wieder da ist, und fragen ihn selbst.“
Alexandra wich einen Schritt zurück. „Mona, bitte. Überleg doch mal. Wer sollte es sonst sein?“
„Martin natürlich.“ Mona schleuderte ihrer Schwester die Worte ins Gesicht. „Der ist genauso bescheuert wie du. Und weil du seit zwei Tagen rumrennst wie ein aufgeschrecktes Huhn, hast du den Zettel auf dem Wäschekorb erst letzte Nacht gesehen. Das ist so dämlich, ich –“
„Zeig mir den Schlüssel.“
Mona blickte Alexandra an, als hätte sie von ihr eine Ohrfeige kassiert. „Wie bitte?“
„Zeig mir den Schlüssel. Ich will ihn sehen.“
Zwei rote Flecken tauchten auf Monas Stirn auf. Alexandra wusste, die erschienen auch bei ihr, wenn sie wütend war, und sie fragte sich, ob das jetzt der Fall war.
Mona drehte sich weg und stürzte an ihre Kommode. „Weißt du was, du kannst deinen Schlüssel wiederhaben. Ich hab keinen Bock, als Perverse verdächtigt zu werden.“ Sie riss die oberste Schublade auf und begann, darin zu wühlen. „Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du irgendwann durchdrehst, wenn du dauernd allein bist. Du bist –“
Mona stockte. Aus der Schublade holte sie ein Telefonbuch, den Abfallkalender und einen Regenschirm hervor und legte alles auf die Kommode. „Das kann doch nicht sein“, murmelte sie.
„Was? Was ist?“
„Nichts.“
„Der Schlüssel ist weg, stimmt's? Ich hab's gewusst. Glaubst du mir jetzt?“
Mona öffnete die zweite Schublade, griff hinein und hielt ihrer Schwester den Schlüssel vors Gesicht. Alexandra erkannte ihn an dem Anhänger, einem vierblättrigen Kleeblatt.
„Soviel dazu“, sagte Mona.
„Er war nicht da, wo du ihn hingelegt hast.“
„Doch, genau da war er. In der Schublade.“
Alexandra wollte sich setzen. Ein Teil von ihr hatte gehofft, ihre Schwester würde zu ihr stehen. Doch jetzt sah sie, dass Mona auf Maleks Seite stand. Ihn vielleicht sogar deckte, weil sie nicht zugeben wollte, dass jemand den Schlüssel von der einen in die andere Schublade gelegt hatte.
„Geh nach Hause, Alexandra. Geh nach Hause und leg dich ins Bett. Du wirst sonst noch paranoid. Und ich rede mit Martin. Das ist ja nicht mehr mit anzusehen, wie du –“
„Das wirst du nicht.“ Alexandra war überrascht, wie tief ihre Stimme klang. Sie war unendlich müde. „Martin hat nichts damit zu tun, und es geht ihn auch nichts an. Halt du dich da gefälligst raus.“
Mit diesen Worten rauschte sie an ihrer Schwester vorbei aus der Wohnung.
Eine Weile schritt sie ziellos durch die Stadt. Malek? Oder Martin? Oder Mona selbst, und nur Gott allein wusste, welche wahnsinnigen Gründe sie haben mochte. Wem sollte sie noch trauen?
Machte sich jemand einen Spaß? Oder wurde sie bedroht?
Sie ging in den Stadtpark, setzte sich auf eine Bank am See. Als ein Mann vorbeiging, hatte Alexandra das Gefühl, er starrte sie an.
Du wirst paranoid.
Ja, Mona hatte recht. Es war ihre Schuld, dass es so weit gekommen war, weil sie wieder einmal zu feige war.
Als es dämmerte, stand sie auf und ging nach Hause. Sie fühlte sich erleichtert, denn sie hatte eine Entscheidung getroffen, um dieses unwürdige Spiel zu beenden.

In ihrer Wohnung angekommen, nahm sie ihr Handy hervor und rief Mona an, erreichte jedoch nur die Mailbox. Obwohl sie es hasste, auf die Dinger zu sprechen, begann sie: „Hallo Mona, ich bin's. Ich bin – ich habe einen Entschluss gefasst. So kann es nicht weitergehen. Ich – ich –“ Sie stockte, suchte nach Wörtern, und genau deshalb hasste sie Mailboxen. „Ich sag das nicht auf deine Mailbox. Ruf mich an, bitte. Es ist dringend.“
Dann legte sie auf. Sie wollte, dass sich alle vier irgendwo trafen – egal wo, Hauptsache morgen, und nicht in Alexandras Wohnung. Dann würde sie die drei Zettel auf den Tisch legen und die ganze Gruppe damit konfrontieren. Sie war überzeugt, das würde den Urheber dermaßen unter Druck setzen, dass er gestehen musste und gleichzeitig vor den anderen bloßgestellt wäre.
Sie würde angreifen. Diese Einigelei musste aufhören.
Dann ging sie an die Wohnungstür, verriegelte sie und ließ den Schlüssel stecken.

Ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen. Manche Leute verwenden das als Floskel, obwohl sie genug schlafen. Sie meinen dann: Ich konnte kaum einschlafen. Oder: Ich bin früh wachgeworden.
Bei mir stimmt es. Ich bin seit drei Tagen wach. Ich habe dauernd Kopfschmerzen. Ich bin erschöpft, aber nicht müde. Wenn ich mein Gesicht im Spiegel betrachte, sehe ich, wie die Haut sich spannt. Wenn ich esse, wird mir schlecht, also lass ich es.
Letzte Nacht habe ich ihren Namen geschrieben. Ganze Seiten habe ich damit gefüllt. Ich habe ihr Gedichte geschrieben, die ich nie abschicke. Ich weiß, dass ich sie niemals bekomme. Allein die Gewissheit, dass es ein solches Mädchen gibt, macht mich wahnsinnig. Sie ist alles, was ich mir jemals gewünscht habe – und, schlimmer noch, alles was ich bin, alles was ich habe und jemals erreichen werde, verblasst, weil ich weiß, dass diese hellste Sonne niemals für mich scheinen wird.
Es gibt ein Sprichwort:
Nur derjenige, welcher das äußerste Unglück empfunden hat, ist fähig, das höchste Glück zu genießen. Ich erfahre jetzt den umgekehrten Fall.
Ich weiß, dass sie nächste Woche Geburtstag hat. Sie wird zweiundzwanzig, und ich werde ihr an diesem Tag zweiundzwanzig weiße Rosen schicken. Sozusagen meine letzte Hoffnung.
Da fällt mir noch ein Sprichwort ein:
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Genau genommen stimmt das nicht. Zuletzt stirbt man immer selbst.

Als Alexandra aufwachte, zeigte ihr Wecker kurz nach halb vier.
Sie schwitzte. Nein, das war untertrieben. Sie lief aus. Die Zunge klebte an ihrem Gaumen.
Sie schlug die feuchte Bettdecke zurück und stand auf. In der Dunkelheit tapste sie durch das Schlafzimmer und ging auf die Toilette. Sie überlegte, ihr Nachthemd in die Wäsche zu werfen, aber ein anderes würde sie genauso durchschwitzen.
Nachdem sie sich erleichtert hatte, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Aufgequollen, die Augen halb geschlossen. Sie musste schauen, dass sie noch ein wenig Schlaf bekam. Mona hatte sich nicht mehr gemeldet, hoffentlich –
„Nein. Oh nein.“
Als Alexandra den vierten Zettel entdeckte, wünschte sie sich, zu schlafen. Es gab diese Träume, die einem als solche bewusst waren; Alexandra kannte sogar ihre Namen – luzide Träume –, aber ebenso klar war ihr, dass dies kein Traum war. Es war schlimmer.
Sie löste den Zettel, der auf ihrem Nachthemd klebte, feucht vom eigenen Schweiß.
Die Finger gleiten
auf und ab, auf und ab, auf
und ganz tief hinein.

Sie ließ ihn fallen, und er landete im Waschbecken. Die Schlussfolgerung war banal.
Jemand war in ihrer Wohnung.
Ihr Körper schlotterte, weiße Lichter blitzten vor ihren Augen. Sie drehte sich zum Flur, die Dunkelheit glich einem Schlund. Sie spürte die Tränen auf ihren Wangen nicht, sah sie aber im Spiegel. Nie zuvor hatte sie solche Angst gehabt. Sie wusste, es gab kein Entrinnen, und dieses Wissen lähmte sie.
Sie schleppte sich aus dem Bad, schaltete das Licht im Flur an. Sie spürte ihn. Roch ihn.
Wer bist du?
„Hallo?“, sagte sie. Krächzte es. „Ich rufe die Polizei.“
Ihr Handy lag im Wohnzimmer, und als sie dort war und das Licht anknipste, sah sie auf dem Couchtisch – direkt neben dem Telefon – eine einzelne weiße Rose liegen.
Diese Rose löste etwas in ihr, sie spürte, wie sich ein Schrei durch ihren Körper quälte.
„Hallo, Alexandra“, sagte eine Stimme hinter ihr, und sie wirbelte herum und wollte schreien, endlich schreien, doch in diesem Moment wurde ihr ein Tuch auf den Mund gedrückt, und ihre Welt versank in einem stechenden Geruch.
Dann wurde alles schwarz.

Als sie zu sich kam, saß sie in ihrem Wohnzimmer. Die Rollläden waren heruntergelassen, durch die Ritzen sah sie graues Dämmerlicht. Ihre Hände waren auf dem Rücken verbunden, ein Tuch steckte in ihrem Mund. Gott, ihr Mund war so trocken. Sie sehnte sich nach einem Schluck Wasser.
Ihr gegenüber saß ein Mann, den sie noch nie gesehen hatte. Er mochte in ihrem Alter sein. Sein rechtes Augenlid hing herunter.
„Guten Morgen, Alexandra“, sagte er. Seine Stimme klang weich. „Ich bin Daniel.“ Als wären sie sich beim Frühstück in einer Jugendherberge über den Weg gelaufen. „Wenn du versprichst, keinen Mucks zu machen, nehm ich das Tuch ab. Du musst aber leise sein. Versprochen?“
Alexandras Augen zuckten. Auf dem Tisch vor ihr stand ein Glas Wasser, daneben lag eine Mappe. Gleich würde sie sich übergeben.
„Versprochen? Du musst nicken, um es mir zu versprechen.“
Alexandra nickte. Hauptsache, er nahm ihr dieses Ding aus dem Mund.
„Gut. Du musst wissen, ich traue dir. Da wir uns aber nicht gut kennen, habe ich eine kleine – nun, sagen wir, eine Rückversicherung mitgebracht.“ Er zückte ein Messer. „Das ist ein Kenyo. Ein japanisches Filetier-Messer. Es gleitet durch deinen Hals wie durch Gelee. Solltest du auf die dumme Idee kommen, zu schreien.“
Alexandra starrte auf die Klinge, atmete hektisch. Die Welt verschwamm, als ihre Augen sich mit Tränen füllten, und einen Moment war sie überzeugt, an dem Tuch zu ersticken.
Der Fremde stand auf und schnitt ihr die Fesseln an den Handgelenken durch, anschließend entfernte er das Tuch.
„Bitte“, begann Alexandra. Das Sprechen schmerzte in der Kehle. „Bitte. Nehmen Sie, was Sie wollen. Ich habe Bargeld. Und dann verschwinden Sie. Ich habe Sie nicht gesehen. Ich werde keine Anzeige erstatten. Bitte.“
Der Mann lächelte. Er wusste, dass er mit seinem Aussehen unter Tausenden zu erkennen war.
„Ich bin nicht hier, um etwas zu nehmen, Alexandra. Ich bin hier, um etwas zu geben.“
„Was?“, fragte Alexandra, weil sie dachte, ihn nicht richtig verstanden zu haben.
„Ich bringe einen Ausgleich.“
Er rückte seinen Stuhl neben sie, wie ein Nachhilfelehrer. Dann öffnete er die Mappe.
„Ich möchte, dass du dir das ansiehst“, sagte er.
Alexandra hätte gern einen Schluck Wasser getrunken, ihre Kehle fühlte sich rau und wund an, doch sie traute sich nicht, danach zu fragen. Stattdessen blickte sie in die Mappe.
Sie enthielt vier Zeitungsausschnitte. Vierundzwanzigjähriger Mann stirbt bei Unfall. Ein Artikel hatte ein Bild abgedruckt. Darauf war ein ausgebranntes Autowrack zu sehen, das auf einer Wiese vor einem Baum stand.
Der Fremde tippte auf die Mappe. „Mein Bruder. Er ist in seinem Auto verbrannt.“ Er sagte das in einem plaudernden Tonfall, wie: Mein Bruder. Er spielt gerne Fußball.
„Das – oh Gott, das tut mir leid.“ Alexandra blickte auf das Datum. Das war über vier Jahre her.
„Die Ärzte meinten, er hat noch gelebt, als er gegen den Baum fuhr. Das Feuer hat ihn getötet. Ich glaube nicht, dass das seine Absicht war.“
Alexandra verstand nicht. Sie schüttelte den Kopf. „Bitte – was – wer sind Sie? Was wollen Sie?“
Der Mann ignorierte sie. „In den Artikeln steht, es war ein Unfall. Eine gerade Straße, mitten in der Nacht. Gut, mein Bruder war stockbetrunken. Trotzdem. Ich meine, glauben wir das? Steigt er einfach so zum Spaß mitten in der Nacht in sein Auto und verwechselt die Landstraße zwischen Schotten und Wilster mit der Nordschleife auf dem Nürburgring? Glauben wir das? Nun, vielleicht. Glauben wir es einen Moment.“
Er schlug die nächste Seite der Mappe auf. Darin befand sich die Kopie eines handgeschriebenen Textes.
„Wir glauben es, bis wir sein Tagebuch sehen.“
Der Mann nahm die Seite, und während er vorlas, zuckte sein herabhängendes Augenlid: „Ich habe in meinem Leben an vieles geglaubt. An das Christkind, zum Beispiel, oder daran, dass man vom vielen Fernsehen viereckige Augen bekommt. Ich habe geglaubt, dass Freundschaften ewig halten, und eine Zeit lang ging ich in die Kirche und glaubte an Gott. Nur eines habe ich immer geleugnet: Liebe auf den ersten Blick. Und ausgerechnet die hat mich erwischt.
Der Mann ließ die Seite sinken.
„Er schreibt über eine Frau, in die er acht Monate verliebt war. Man könnte sagen, er war verrückt nach ihr, und in diesem Fall ist das keine Redewendung. Er hat ein paar Annäherungsversuche gestartet, und die Frau hat ihn weder abgewiesen, noch ist sie darauf eingegangen. Man könnte sagen, sie hat mit ihm gespielt, und das hat ihn krank gemacht. So krank, dass er eines Nachts dachte, der Baum wäre die bessere Alternative.“
Alexandra verstand nicht. „Bitte – was –?“
„Du kennst diese Frau. Ihr Name ist Mona Schneider.“
Alexandra schluchzte. „Wenn es um Mona geht, was wollen Sie dann von mir?“
„Ich will, dass sie dasselbe durchmacht wie ich. Ich will sehen, wie sie auf den Selbstmord der Schwester reagiert. Das interessiert mich.“
„Das ist doch – das ist doch total krank.“
„Natürlich ist es krank. Mein Bruder war krank, und sein Tod hat meine Mutter so krank gemacht, dass sie die Abgase ihres Autos eingeatmet hat. Sie hat überlebt, und jetzt liegt sie im Bett und starrt den ganzen Tag an die Decke. Das wiederum macht meinen Vater krank. Siehst du, wie es von einem zum anderen springt? Wie ein Virus. Die ganze Welt ist ein einziger kranker Scheiß. Du bist doch alt genug, um das zu wissen.“
Alexandra versuchte, vor dem Atem des Mannes zurückzuweichen. Er roch süß, als habe er im Dunkeln Gummibärchen genascht.
„Und was sollten dann die Zettel?“
Der Mann beugte sich vor. „Es waren Gedichte meines Bruders. Leicht abgeändert, aber passender. Er hatte nie den Mut, sie abzusenden. Weißt du, Alexandra, die meisten Menschen empfinden den Schmerz, der ihren Liebsten zugefügt wird, schlimmer als eigenes Leid. Die Verzweiflung eines nahen Angehörigen ist schwerer zu ertragen als die eigene. Ich musste mit ansehen, wie mein Bruder verzweifelte, und ich konnte nichts tun, bis eines Nachts die Polizei bei uns klingelte. Ich will, dass Mona dasselbe erfährt. Wie gesagt, es geht hier nicht um dich. Was ich tue, tue ich für Mona.“
Alexandra spürte eine Leere in sich. Sie hatte das Gefühl, immer weiterreden zu müssen. „Wie sind Sie hier reingekommen?“
„Es ist mein Beruf. Schlüsseldienst.“ Der Mann stand auf. „Genug geplaudert, Alexandra. Ich mache dir jetzt ein Angebot. Option eins. Du bist sicher durstig. Du trinkst dieses Glas Wasser, zusätzlich mit ein paar Tabletten. Du schläfst friedlich ein. Keine Sauerei, kein Vergleich zu einem brennenden Auto. Ich verlasse diese Wohnung, und niemand aus deiner Familie wird mich je wieder zu Gesicht kriegen. Oder du wählst Option zwei. Du weigerst dich, das Glas zu trinken. Dann schneide ich dir die Kehle durch, fahre zu Mona und mache dasselbe bei ihr. Und wenn ich schon dabei bin, statte ich deinen Eltern einen Besuch ab. Und vielleicht noch ein paar Leuten mehr, die du so kennst. Nun, was meinst du?“
Er grinste. Er grinste.
Alexandra heulte. „Bitte, lassen Sie mich. Ich bitte Sie.“
Er schüttelte langsam den Kopf. „Alexandra. Alexandra. Wenn man es genau nimmt, tu ich dir einen Gefallen. Was hast du denn vom Leben, dass du so daran hängst?“
Alexandra wünschte sich, Mona in die Arme zu nehmen. Sie bereute es, gestern mit ihr gestritten zu haben. Sie ein paar Sekunden zu umarmen, dafür würde sie alles geben.
Der Mann nahm das Glas in die freie Hand.
„Nun“, sagte er. „Die Wahl liegt bei dir. Wasser oder Messer?“
Auf dem Regal hinter dem Mann stand ein Foto, auf dem Mona und Alexandra auf dem Eiffelturm zu sehen waren. Sie hatten es vor vielen Jahren aufgenommen, in ihren ersten Ferien ohne Eltern. Ganz allein waren sie für eine Woche nach Paris gefahren. Es war die schönste Woche in Alexandras Leben. Auf der Rückseite des Fotos stand: Beste Freundinnen pour toujours.
Alexandra traf eine Wahl.

Als Mona aufwachte, war Maleks Betthälfte leer. Verschlafen blickte sie auf die Uhr. Kurz nach zehn. Und Malek war schon wieder im Fitness-Studio.
Obwohl es gestern spät geworden war, fühlte sie sich ausgeruht. Als sie gegen halb vier nach Hause gekommen waren, hätte sie beinahe von Alexandra und den Zetteln erzählt. Aber Malek würde es Martin weitererzählen, und das war sicher nicht in Alexandras Interesse.
Trotzdem – irgendwas musste sie tun. Sie wollte Alexandra helfen, auch wenn sie ihr die Szene von gestern übel nahm. Wie konnte sie allen Ernstes Malek beschuldigen? Das war absurd. Aber sie tat Mona leid. Seit Jahren wünschte sie ihrer Schwester einen Freund, irgendeinen lieben Typen, der sie anständig behandelte, wie sie es verdiente. In der Beziehung hatte Alexandra viel Pech gehabt, und jetzt kam dieser Idiot Martin mit seinen albernen Zetteln.
Mona griff nach dem Handy und sah, dass jemand auf ihre Mailbox gesprochen hatte. Sie hörte die Nachricht ab, und Alexandras Stimme erklang: „Hallo Mona, ich bin's. Ich bin – ich habe einen Entschluss gefasst. So kann es nicht weitergehen. Ich – ich – ich sag das nicht auf deine Mailbox. Ruf mich an, bitte. Es ist dringend.“
Mona legte auf. Was sollte das? Sie rief Alexandra zurück, erreichte sie nicht und legte auf. Sie stieg aus dem Bett und beschloss, erst mal zu frühstücken. Dann würde sie duschen und es nochmal bei ihrer Schwester versuchen. Sie würden das schon regeln.
Mona zog sich Sportklamotten an und verließ das Haus, um Brötchen zu holen. Als sie an ihrem Golf vorbeiging, blieb sie stehen.
Was soll das schon wieder?
Unter dem Scheibenwischer klemmte eine einzelne weiße Rose.

 
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Hey Schwups,

als die Verlosung rauskam, da hatte ich echt Mitleid mit dir, dachte, oh je ausgerechnet Schwups bekommt meine Mädchengeschichten als Vorlage. Und die Geschichte, die hatte ich irgendwie gar nicht mehr auf dem Schirm. Hätte ich an die gedacht, hätte ich nämlich viel weniger Mitleid mit Dir gehabt :D.

War auf jeden Fall spannend und gruselig und ich habe sie in einem Rutsch lesen müssen, ich wollt schon wissen, wie das jetzt ausgeht. Du hast Dich für einen klassischen Krimiaufbau entschieden und gut daran getan, denn meiner Story fehlte da ja was. Allerdings empfand ich den Typen am Ende ein bisschen wir Kasper aus der Box, aber gut, wie will man den auch schon groß früher einführen. Wüsste jetzt auch keine Möglichkeit, außer die kursiven Zwischenschübe. Vielleicht empfinde ja auch nur ich das so, da bin ich jetzt mir Dir zusammen auf weitere Kommentare gespannt, wie es den anderen erging.

Bisschen irritiert haben mich die kursiven Einschübe, weil ich die erst mal nicht so schnell mit dem Freak am Ende zusammegebracht habe. Die haben mich ja eher auf die Fährte eines verschmähten Liebhabers gebracht. Was ja irgendwie auch gut ist, falsche Fährten zu legen. Aber vielleicht gibst Du ihnen ein Datum vorweg, so dass man daraus ganz klar Tagebucheinträge erkennen kann.

„Manche Dinge erzählen eine Geschichte, weil sie an einem Ort sind, an dem sie nicht sein dürften. Und diese hier ist traurig.“

Das ist mit wenigen Worten so schön gesagt. Und so wahr.

Martin und sie. Sie und Martin. Auch diesen Gedanken wendete sie hin und her.
„Mein Freund Martin“, sagte sie laut in die Dunkelheit. „Martin, mein Freund.“ Ihre Stimme klang einsam, das Gesagte ungewohnt.

Nice!

Lächerlich. Als würde ein Einbrecher seine Schuhe draußen ausziehen.

:) - Die Stelle fand ich übrigens echt gut. Also, da ist schon wirklich Gefahr in Verzug. Da geht man nicht so einfach in die Wohnung. Ich denk, deine Geschichte macht einiges besser als meine.

Sie ging ins Badezimmer, um sich Wasser ins Gesicht zu schütten.

"schütten" will mir hier nicht so recht gefallen, weil nicht wirklich passend

„Mir ist gestern was klar geworden. Die Idee, dass Martin durch meine Wohnung schleicht und Zettel verteilt, war von Anfang an Blödsinn. Es muss jemand sein, der in meine Wohnung geht, während ich weg bin. Es muss jemand sein, der einen Schlüssel hat. Und den habt nur ihr.“
Mona stand auf. „Soll das heißen, du glaubst, ich hab die Zettel geschrieben?“
„Nein. Nicht du. Aber Malek.“

Erst missverstanden und als Mona sie endlich ernst nimmt, da kommt dann das Trennungsbeil, was dann auch gleich wieder alles kaputt macht. Sie ist da echt nicht zu beneiden. Weder wegen der Briefchen, noch deshalb, weil ihre Ängste scheinbar niemand für voll nimmt.

Mona stockte. Aus der Schublade holte sie ein Telefonbuch, den Abfallkalender und einen Regenschirm hervor und legte alles auf die Kommode. „Das kann doch nicht sein“, murmelte sie.
„Was? Was ist?“
„Nichts.“
„Der Schlüssel ist weg, stimmt's? Ich hab's gewusst. Glaubst du mir jetzt?“

Guter Moment!
Die Finger gleiten
auf und ab, auf und ab, auf
und ganz tief hinein.

Böse. Da hatte ich richtig nen Kloss im Hals.

Sie ließ ihn fallen, und er landete im Waschbecken. Ihr Körper schlotterte, weiße Lichter blitzten vor ihren Augen. Sie drehte sich zum Flur, die Dunkelheit glich einem Schlund. Die Schlussfolgerung war banal.
Der Zettel klebte auf ihrem Nachthemd.

Er kann nicht im Waschbecken und auf ihrem Nachthemd gleichzeitig sein. Zeitenfehler oder? Er hatte auf ihrem Nachthemd geklebt. Und das heißt dann, er war bei ihr am Bett und hat den draufgepappt? Das brauchte lange, eher ich das so zusammen hatte. Also, so - drei mal vor und zurücklesen - lange.
„Wir glauben es, bis wir sein Tagebuch sehen.“

Ja, hier wäre doch gut, die Verbindung zum Kursiven deutlicher zu machen. Lass ihn daraus vorlesen. Drei Zeilen reichen ja. Drei markante Zeilen, die der Leser noch im Kopf hat. Dann klappt er zu und holt zu seiner Zusammenfassung aus.

„Überlege, Alexandra. Von dir will ich gar nichts. Na gut, fast nichts.

Von dir will ich nichts, irritierte mich auch. Er will, dass sie Selbstmord macht, das ist nicht nichts.

„Alexandra. Alexandra. Wenn man es genau nimmt, tu ich dir einen Gefallen. Was hast du denn vom Leben, dass du so daran hängst?“

Sowas würde ich ihn auch nicht sagen lassen. Er will es ihr sicher nicht einfacher machen. Er will,, dass sie die Pillen schluckt und abhauen.
Alexandra traf eine Wahl.

Schon klar. Könnte man auch streichen.

Was soll das schon wieder?
Unter dem Scheibenwischer klemmte eine einzelne weiße Rose.

Oh weh!

Ja, ich finde das gut. Für mich sitzt der Spannungsbogen. Ich hätte mir ein wenig mehr von dem Psycho gewünscht, aber man kann die Szene da sicher auch nicht ewig auswälzen. Bisschen vielleicht. Aber die kursiven und ihn - das passt ja erst mal nicht zusammen, ich denke, da die Verbindung deutlicher zu machen, wäre sicher nicht verkehrt.

Gern gelesen! Auch zweimal :).
Danke für die Copy!

Beste Grüße, Fliege

 

Wow, was für eine schnelle Rückmeldung.

Ja, ich glaube ich wusste ne halbe Stunde nach der Auslosung, welche Geschichte ich kopieren würde, da war die Wahl einfach ;).

Ok bin schonmal froh dass sie dir gefallen hat, auf das Feedback vom Original-Autor ist man ja immer besonders gespannt. In diesem Sinne freu ich mich auf die ausführliche Rückmeldung, bis morgen ... und dir auch eine gute Nacht :)

Grüsse,
Schwups

 
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Hallo Schwups,
zunächst einmal habe ich mich sehr gefreut zu sehen, dass du eine neue Geschichte eingestellt hast. Seit Abrakadabra ist ja schon eine Ewigkeit vergangen. Also ja, schön.
Dann wollte ich hier bei dem Text etwas anders kommentieren als sonst, und beim Lesen direkt Textarbeit machen. Das habe ich dann auch bis ungefähr 2/3 gemacht, kommt gleich noch, und dann hat mich die Geschichte gepackt, und ich habe einfach nur noch gelesen. Du siehst, 2/3, die Geschichte hat auf jeden Fall Zeit gebraucht, um mich hineinzuziehen, sie entwickelt sich sehr langsam, aber ich sehe schon, dass die Konzeption von dir so gewollt ist.
Gut, ich lese so Spannungszeugs eigentlich nie, also habe ich wenige Vergleichsmöglichkeiten, aber für mich hat die Geschichte zunächst funktioniert. Im Nachhinein musste ich doch ein wenig stutzen. Aber der Reihe nach.
Du legst da zunächst diese falsche Fährte auf Martin, aber man weiß natürlich sofort, dass er es nicht sein kann. Ich habe mich dann die ganze Zeit gefragt, wie man es aus der Figurenkonstellation heraus lösen könnte, damit die Wendung überraschend kommt, und man fragt sich natürlich auch welche Wendung sie überhaupt nimmt, ja, du führst dann einen Dritten ein, jemanden der zuvor nicht auftaucht, dann kannst du natürlich auch die Geschichte in jede erdenkliche Richtung drehen. Diese Einschübe, direkt am Anfang schon, und dann während des Textes noch ein Paar, die bringen da natürlich eine zusätzliche Schwingung rein, sie reichern die Geschichte um eine weitere Ebene an, man behält sie im Hinterkopf und fragt sich, wie du sie später in das Gesamtgeschehen einbetten willst. Auch wie sich der Ton dieser Gedichte jedes Mal leicht verändert, wie die Rezeption mit jedem Mal anders wird, die falschen Verdächtigungen, also ich finde es schon gelungen, wie du die Stränge legst.
Aber irgendwo war ich auch enttäuscht. Du baust da eine Figurenkonstellation auf, und man erwartet, dass innerhalb von ihr irgendwas aufbricht, aber du täuschst den Leser eigentlich damit, und nimmst eine Auflösung quasi aus dem off. Klar, da sind diese kursiven Einschübe, ohne sie wäre es natürlich komplett aus dem heiteren Himmel, aber dann so mit dem Bruder, und Selbstmord, das wirkte für mich, wenn ich jetzt darüber reflektiere, leicht konstruiert. So beim Lesen direkt aber, ja, es hat für mich funktioniert, ich habe, wie gesagt, vor allem das letzte Drittel mit viel Spannung gelesen, das kannst du einfach sehr gut, und natürlich, indem du Alexandra vorher schon so plastisch gemacht hast, und man auch Sympathie für sie empfindet, fieberte ich mit, sie tat mir leid. Und es passt auch eigentlich so gut zu ihrer Figur, dass sie, obwohl sie nichts getan hat, sich für Mona verantworten muss, die ja eigentlich auch nichts Schlimmes getan hat.
Das ist auf jeden Fall eine sehr literarische Auflösung. Diese kranke Rache, dass da dieses Stalking sich so steigert und in einem Mord mündet, aber man fragt sich natürlich auch, wieso musste er eigentlich die Schwester stalken, wieso musste sie zuerst an diesem Druck leiden. Daniel nimmt ja damit nun überhaupt keine Rache an Mona, erst mit der Tötung von Alexandra, erreicht er sein Ziel, und zahlt es Mona sozusagen heim. Das vorher, das checkt Mona doch erstmal überhaupt nicht, dass es am Ende sie treffen soll. Ja, hier wird mir die Motivation für den Aufbau der Tat von Daniel nicht so richtig klar. Das ist halt vor allem dafür da, um den Leser in die Irre zu führen.
Ansonsten, ja, das Verhältnis der Geschwister ist gut gezeichnet, die Jungs, Martin und Malik sind ein wenig blass, es ist da auch diese Szene mit der Auf-den-Teppich-Pissen-Geschichte, die konnte ich nicht so richtig einordnen, aber es ist schon so, dass in dem Text einiges an Gedanken drin steckt. Sie hat schon Komplexität, von der Entwicklung her und vom Aufbau, das hat man als Leser gerne.
Auf jeden Fall bin ich ein wenig unschlüssig, wie ich zu der Geschichte stehe. Ich habe sie schon gerne gelesen, das schon, aber so auf das Ende hin, die Auflösung, da hatte ich meine Probleme. So, jetzt der versprochene Textkram.

Nicht von jener Beliebigkeit, die viele hübsche Mädchen teilen und die einen bloß auf der triebmäßigen
das Wort gefällt mir nicht besonders, Es ist mir einen Tick zu analytisch, zu erklärend. Mir persönlich wäre eine indirekte Umschreibung lieber.
Als ich sie entdeckte, lächelte sie mich an. Oder sagen wir, sie lächelte, als sie in meine Richtung blickte
das hier ist schön eingefangen
Dabei strich sie ihr Haar aus dem Gesicht, und das öffnete etwas in mir
etwas in einem Öffnen, das gefällt mir auch als Empfindung.
Ich muss sie überraschen.
Ansonsten funktioniert das natürlich mit dem Cliffhänger direkt am Anfang. Die Leseempfindung läuft jetzt unter dem Vorzeichen der zu erwartenden Überraschung. Aber jetzt nach dem Lesen des Ganzen sehe ich da keine Überraschung.
Eltern und Mona das Grab ihrer Großmutter. Auf dem Weg über den Friedhof kamen sie an einem Grab
Die Wortdopplung ist unschön
auf dem ein einzelner hellblauer Plüsch-Elefant stand
muss es betont werden, dass es ein einzelner war? Ich habe da jetzt auch nicht mehrere erwartet.
„Manche Dinge erzählen eine Geschichte, weil sie an einem Ort sind, an dem sie nicht sein dürften. Und diese hier ist traurig.
Hier würde ich den letzten Satz streichen. Der Leser kann selbst die Klammern aufmachen.
flackerte dieser Satz in Alexandras Unterbewusstsein
Ich finde, Unterbewusstsein ist kein schönes Wort. Es ist zum einen umgangssprachlich, zum anderen wieder so ein Analysewort. Etwas indirekteres wäre mir da lieber.
Noch bevor sie die drei Zeilen gelesen hatte, wusste sie, dass dieser Zettel eine Geschichte erzählte, die sie lieber nicht wissen wollte.
Ich mag es, wenn Dinge wieder aufgegriffen werden. Das hält den Text gut zusammen.
gleichzeitig einen Eindringling durch ihren Körper kriechen
Hier musste ich kurz nachdenken, aber doch, das mit dem Eindringling finde ich gut.
„Schau, das ist typisch für dich. Immer machst du an solchen Kleinigkeiten rum. Verblendet, geblendet, wo ist da der Unterschied?“
„Da ist sogar ein großer Unterschied.
Ich finde das eine gelungene Charakterisierung. Auch mit dem blassen Gesicht, man bekommt relativ schnell ein Bild.
Mona fuhr fort, sich die Nägel zu lackieren. Alexandra hatte damit gerechnet, von ihrer Schwester nicht verstanden zu werden. Als Zwillinge hatten sie den Mutterleib geteilt, doch damit erschöpften sich die Gemeinsamkeiten.
„Was denkst du, wer hat das geschrieben?“, fragte Mona.
„Martin natürlich.“ Wer hätte es sonst sein können? Gestern Abend waren schließlich nur er, Mona und Malek zu Besuch gewesen. Martin musste den Zettel angeklebt haben, als er pinkeln gegangen war.
Ja ja, das PQP. Ganz schön viel davon hier. Auch im Übrigen Text scheinst du damit nicht zu geizen.
Es ist ein Haiku. Oder soll eins sein. Ein japanisches Gedicht, das immer aus siebzehn Silben besteht, aufgeteilt in fünf, sieben, fünf.
Weiß Mona wirklich nicht, was ein Haiku ist?
kabellosen Bose-Kopfhörer
das mit dem kabellosen Bose- ist hier echt nicht nötig. Manche Dinge brauchen nicht präzisiert zu werden. Ist doch wurscht, von welcher Marke diese Kopfhörer sind, oder? Und dass sie kabellos sind ja wohl noch wurschter.
Ihre Hand, die den Zettel hielt, begann nach einer Weile zu zittern.
Jo, also jetzt wird das ein wenig unheimlich. Da ist Schwups in seinem Element.
Er erzählte über Indien. Anscheinend plante er eine längere Reise. „Es geht nicht nur darum, ein anderes Land kennenzulernen“, sagte er, „sondern darum, mich selbst kennenzulernen. Das wird eine ganz neue Erfahrung.
Ja ja, das sagen die Leute immer, bevor sie nach Indien gehen. Ashram wird alles erleuchten.
das ihn als Urheber der Nachrichten
das ist zu umständlich, Urheber der Nachrichten. Kann man direkt auslassen, denke ich. Das ihn verriet reicht.
„Sich einmal von den gesellschaftlichen Fesseln lösen. Von Verpflichtungen und Erwartungen, mal auf den ganzen technischen Schnickschnack verzichten. Mal in sich selbst hören. Sich selbst sehen. Darum wird es gehen.“
Ja, das ist so ne Klischee-Motivation. Schon fast eine Parodie. Scheint auch bei der Alexandra nicht so geil anzukommen.
packte hektisch den Zettel zurück
zurück wohin?
Können wir uns nicht einfach einvernehmlich anschweigen?
Das finde ich gut. Du hast auf jeden Fall bis hierhin ein recht plastisches Bild von Alexandra gezeichnet. Ich frage mich auch, ob du den vollen Namen nimmst, und nicht die herkömmliche Abkürzung, Alex, ob das auch etwas steifes, unlockeres vermitteln soll.
Er rutschte auf seinem Platz hin und her und nuckelte
das habe ich mal in einem Komm von fiz gelesen, und sehe das ganz ähnlich, die Zeit des Nuckelns ist vorbei.
Der Inder in der Inderin“, sagte Martin und gackerte.
Ja ja, der Martin scheint ja ein richtig Lustiger zu sein.
Ich träume davon, mit ihr am Strand zu sitzen und den Sonnenuntergang zu beobachten. Davon, mit ihr an Heiligabend zu später Stunde über den verlassenen Marktplatz zu schlendern und sie vor dem leuchtenden Weihnachtsbaum zu küssen.
Mann, ist das schnulzig
genau
Sie ist mein Sonnenschein
heieiei
Aber insgesamt zu den Einschüben, da habe ich schon oben was gesagt, aber trotzdem: die finde ich gut. Du baust Spannung auf, und man fragt sich natürlich die ganze Zeit, wer das jetzt spricht. Interessant auch wegen dem Perspektivewechsel. Solche Brüche finde ich immer gut, auch wenn man da sich leicht vergreifen kann. Aber hier funktioniert es.
Mona schwankte zwischen Belustigung
das ist so ein steifes Wort.
Alexandra vermutete, er betrachtete sie als Monas hässliches Anhängsel, einen Wurmfortsatz, weil sie viel Zeit miteinander verbrachten.
der letzte Halbsatz ist übererklärend. Würd ich streichen.
Irgendwann sah sie, wie Malek Monas Hand nahm, und sie goss Wein nach.
Das ist irgendwie holprig. Wer goss Wein nach?
Ausdrücke des Erstaunens
sag doch einfach „das Erstaunen“
wie wenn man jemanden traf, dessen Gesicht von einer Brandnarbe entstellt war.
das finde ich zu dick. Ein wenig übertrieben so als Reaktion. Alexandra ist doch kein Monster.
Sie wusste, ihre Gedanken entsprangen
entsprangen hört sich für mich gestelzt an
kein Gespräch führen zu können
ein
Nein. Unmöglich. Sie ließ das Licht nie brennen. Im Gegenteil, sie kehrte dreimal zurück, um sich zu vergewissern, dass das Licht aus und alle Fenster zu waren.
Ja, das sieht Alexandra ähnlich.
nach schritt sie die Räume ab, machte Licht
war das Licht nicht schon an?
Liebe Grüße
randundband

 
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Hey Schwuppes,

mir ging es ganz ähnlich wie randundband. Spannung kam auf, als Alexandra das Licht in ihrer Wohnung brennen sieht und wird dann auch bis zum Ende konstant und gekonnt hochgehalten. Die Auflösung, ja, die ist halt so ne klassische Psychothriller-Auflösung, so ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, aber das ist ja schon genreüblich und man muss sich da halt einfach drauf einlassen. Auch mir wäre es nen Tacken lieber gewesen, wenn sich das alles organisch aus der Gruppenstruktur entwickelt hätte, statt so von außen einzubrechen. Da spielt mir persönlich immer zu viel Zufall und Beliebigkeit rein. Ich mags gern ein bisschen geschlossener. Bei solchen Auflösungen ist es ja auch immer so, dass der Leser dann nur hilflos die Schultern zucken kann und sagen muss, jo, das hätte ich jetzt echt nicht voraussehen und lösen können/müssen. Aber das macht die ganze Suche nach Hinweisen im ersten Teil des Textes so ein bisschen müßig. Das ist ja bei Krimis auch so. Am coolsten ist es, wenn der Mörder jemand war, der die ganze Zeit präsent war, den man mal im Verdacht hatte, dann wieder nicht. Und erst am Schluss wird ein Schuh draus und man haut sich an den Kopf und denkt "Ah, wie konnte ich nur so blind sein" und liest alles noch mal von vorne. Wenn der Mörder dann aber ein Junkie auf Entzug ist, der im ganzen Text nicht vorkam, der mit allen Lebensumständen des Opfers, die nach und nach aufgedeckt werden null zu tun hat, und dem das Opfer bei der Beschaffungskriminalität nur zufällig im Weg stand, ist das oft ein bisschen unbefriedigend. Ich glaub ein übergroßes Maß an Zufall ist immer leicht unbedfriedigend in literarischen Texten, weil man sich als Leser dann so völlig der Willkür des Autors ausgeliefert fühlt. Und man fühlt sich natürlich auch ein bisschen verarscht, wenn man wo sucht, wo gar nichts zum Finden versteckt war. Na ja. Ist jetzt wieder ausgeartet, dieser Exkurs.
Was ich aber cool an Deinem Ende finde, ist diese bittere Ironie. Die arme Alexandra wird nicht einmal um ihrer selbst willen umgebracht, etwa von einem Verrückten, der sich rasend in sie verliebt hat, sondern steht noch im Tode im Schatten der schöneren Zwillingsschwester. Das ist verdammt böse und bitter. Das gefällt mir. Überhaupt gefällt mir die Figurenkonstellation, die Du da aufbaust, besonders dieses Thema der Schwesternrivalität. Ich find aber insgesamt könntest Du da noch ein bisschen mehr Biss und Spannung in dieses Viereck hineinbringen und das Thema der ungleichen Schwestern noch spitzer machen. Das würde auch dem Anfang ein bisschen mehr Zug geben, der so schon ein bisschen dahinplätschert. Also ich denk da so in die Richtung, dass Alexandra sich am Anfang vielleicht wirklich freut, mal Briefe und Aufmerksamkeut zu bekommen. Und Mona glaubt vielleicht nicht so dran, weil, wer soll sich für das blasse Ding interessieren, vielleicht schreibt sie die Briefe in ihrer Einsamkeit selbst. Und dann kippt das um, Alexandra kriegt Schiss, beschuldigt Marek. Worauf Mona dann so: Marek? Der hat doch mich. Was sollte der von dir schon wollen. Also die könnten sich da richtig fiese Dinge an den Kopf werfen, die so gut treffen würden, wie nur Schwestern zielen können. Das würde insgesamt mehr Dynamik da reinbringen. Oder man könnte sich das Verhältnis Marek und Alexandra vorknüpfen. Die äußert zwar mal die Vermutung, er könne sie nicht leiden, aber zeig doch einfach mal ein paar komisch-mehrdeutige Szenen zwischen den beiden, wo man als Leser auch rätseln muss, ob Marek sie jetzt hasst, oder liebt, oder beides. Also ich würd die Figuren und deren Interaktion echt noch nen Zacken raufdrehen, um den ersten Teil zu beleben.

Sprachlich hat es mir wie immer gut gefallen. Nur der erste Absatz war ein bisschen schräg. Schon klar, dass das extra geschwollene Sprache sein soll, aber mir war es zum Teil ein bisschen schief.

Ich habe in meinem Leben an vieles geglaubt. An das Christkind zum Beispiel, oder daran, dass man vom vielen Fernsehen viereckige Augen bekommt. Ich habe geglaubt, dass Freundschaften ewig halten, und eine Zeit lang ging ich in die Kirche und glaubte an Gott. Nur eines habe ich immer geleugnet: Liebe auf den ersten Blick. Und ausgerechnet die ist mir passiert.
Man bekommt doch eher von "zu viel Fernsehen" eckige Augen als vom vielen.
Und "passieren" ist mir viel zu schwach für Liebe auf den ersten Blick. Da fänd ich selbst "begegnet" stimmiger, aber was Stärkeres wäre natürlich noch schöner.

Es war ein echtes Lächeln, eines, das die Augen umfasste.
Ich weiß, was Du meinst, die Augen lächeln halt mit, aber "umfassen" find ich trotzdem komisch formuliert.

Also, spannende Kopie, wo man die Figuren noch etwas mehr kitzeln könnte, zumal das Original sehr vom Witz der Hauptfigur lebt. Also es soll natürlich nicht unbedingt Witz sein, aber eben mehr Schmackes in den Leuten da.

lg,
fiz

 

Hallo Fliege, randundband und fiz

Da mir gleich die Augen zufallen und ich morgen wieder früh raus muss, nur kurz: Vielen Dank für euer ausführliches und konstruktives Feedback. Eure Kritik verstehe ich, sie kommt auch nicht ganz unerwartet. Ich glaube, in der Form, wie die Geschichte jetzt ist, kann sie nicht das leisten, was ihr erwartet. Ich hab mir da echt lange den Kopf drüber zerbrochen, aber bin zu keiner richtig befriedigenden Lösung gekommen.

Na ja, ich geh da noch ausführlich drauf ein, wie auf alle eure Anmerkungen, zunächst einmal habe ich die einfachen Dinge herausgepickt und viele von euren Vorschlägen direkt in den Text übernommen.

Ich wünsche euch ein schönes WE, ich bin unterwegs, seht es mir also bitte nach wenn ich erst Sonntagabend oder spätestens dann Montag ausführlich antworten kann.

Bis dahin, viele Grüsse.

 
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So, bin wieder zurück.

Also, um gleich vorneweg mit dem Hauptkritikpunkt von euch zu beginnen:

Fliege schrieb:
Allerdings empfand ich den Typen am Ende ein bisschen wir Kasper aus der Box,

randundband schrieb:
Aber irgendwo war ich auch enttäuscht. Du baust da eine Figurenkonstellation auf, und man erwartet, dass innerhalb von ihr irgendwas aufbricht, aber du täuschst den Leser eigentlich damit, und nimmst eine Auflösung quasi aus dem off.

feirefiz schrieb:
Auch mir wäre es nen Tacken lieber gewesen, wenn sich das alles organisch aus der Gruppenstruktur entwickelt hätte, statt so von außen einzubrechen. Da spielt mir persönlich immer zu viel Zufall und Beliebigkeit rein. Ich mags gern ein bisschen geschlossener. Bei solchen Auflösungen ist es ja auch immer so, dass der Leser dann nur hilflos die Schultern zucken kann und sagen muss, jo, das hätte ich jetzt echt nicht voraussehen und lösen können/müssen.

Ich verstehe diese Kommentare, wie gesagt, habe auch schon mit dieser Kritik gerechnet. Ich habe mir schon etwas überlegt, was die Motive des Mannes angeht, also es war nicht so – auch wenn es beim Lesen der Geschichte so rüberkommt – dass ich am Ende eine Auflösung gebraucht habe, und deshalb schnell einen Unbekannten aus dem Nichts in die Geschichte gezaubert habe.

Für mich war von vornherein klar, dass der Unbekannte ein Fremder ist. Das sollte auch so ein wenig der Tenor der Geschichte ein – ein Fremder, der in Alexandras Leben einbricht, vor allem in ihre eigenen vier Wände, und der eben immer bedrohlicher wird, bis sie ihm eines Nachts in ihrem Wohnzimmer begegnet. Als die Geschichte dann Mitte letzter Woche fertig war, hab ich aber auch gemerkt, dass es beim Lesen anders rüberkommt – die Frage war dann, wie sehen die Alternativen aus?

Man könnte den Mann früher einführen und die kursiven Einschübe aus seiner Sicht schreiben, vielleicht an der Stelle auch deutlicher auf seine Motive eingehen. Die kommen tatsächlich zu kurz, aber es ist auch schwierig, das sinnvoll unterzubringen. Ich wollte am Ende auch nicht in die Klischee-Lösung verfallen (auch wenn ich das jetzt zum Teil getan habe), dass der Bösewicht seine Motive erklärt, bevor er das Opfer zur Strecke bringt. Das ist immer zum Zuschauer / Leser gesprochen. Aber dann müsste ich tatsächlich in seine Perspektive wechseln, und mit der Lösung kann ich mich (noch?) nicht anfreunden.

Oder ich wähle doch die Variante, dass es Martin, Malek oder Mona sind, die diese Zettel schreiben, oder mehrere von ihnen. Aber da fällt mir kein plausibler Grund ein, bzw. ich müsste auch vieles umschreiben, um einen solchen Grund zu konstruieren.
randunband, du schreibst, die Auflösung sei sehr literarisch. Ich finde das eigentlich nicht. Ich finde eben, eine organische Lösung, wie du so schön formuliert hast, wäre viel literarischer. Meine Auflösung ist zufälliger, beliebiger, aber ich finde sie auch realistischer. In einem literarischen Text oder einem Film würde ich als Leser / Zuschauer sicher auch die Lösung erwarten, dass es jemand aus der Gruppe ist. Gibt ja unzählige Beispiele, von „Zehn kleine Negerlein“ über die ganzen Ableger der „Scream“-Welle, wo dieses Muster eingehalten wird. Der Täter kommt aus der Gruppe, und der Witz ist, ob der Leser / Zuschauer ihm auf die Schliche kommt. Aber ich finde, das sind meist konstruierte Lösungen, eben weil man dieser Erwartung gerecht werden muss. In der Wirklichkeit sieht es meist anders aus. Klar, Stalker kommen oft aus dem Umfeld des Opfers, aber ich sehe Daniel in dieser Geschichte nicht als typischen Stalker.
Und fiz, du schreibst:

Aber das macht die ganze Suche nach Hinweisen im ersten Teil des Textes so ein bisschen müßig.

Ja, das ist sicher müßig, weil es praktisch keine Hinweise gibt (vielleicht mal abgesehen von dem Gag mit dem Schlüssel, ok, das hätte vielleicht nicht sein müssen, aber das kommt ja auch erst ziemlich am Ende). Sonst ist das doch alles nur Spekulation. Also ich hab die Geschichte nie in diesem whodunit-Licht gesehen, wo der Leser ständig auf falsche Fährten gelockt wird, und Hinweisen nachgehen muss, wer denn nun der große Unbekannte ist. Natürlich wollte ich über die Frage, könnte der Unbekannte aus der Gruppe kommen, Spannung erzeugen, aber nicht in dem Sinne, dass der Leser da miträtselt – auch wenn er es dann natürlich tut, aufgrund der Erwartungshaltung.

Für mich war die Hauptfrage einfach, ist das eine realistische Lösung? Kann es sich so abspielen, könnte jemand, dessen Bruder auf diese Art ums Leben gekommen ist, so reagieren? Es ist sicher ein Extremfall, aber ich finde, das könnte er. Damit war die Lösung für mich dann auch ok, aber dieses Kriterium alleine reicht nicht.

Ich finde den Kritikpunkt von euch gerechtfertigt, weiß aber noch nicht, wie ich aus diesem Dilemma rauskommen soll. Vielleicht wirklich, indem ich die Perspektive des Täters einnehme. Dann fliegen die Tagebucheinträge raus. Das käme dann auch Flieges Original nahe, die diesen Ansatz gewählt hat. Mal sehen. Ich werde da sicher noch was dran machen.

So, jetzt ins Detail.

*****

Hallo Fliege

Bisschen irritiert haben mich die kursiven Einschübe, weil ich die erst mal nicht so schnell mit dem Freak am Ende zusammegebracht habe. Die haben mich ja eher auf die Fährte eines verschmähten Liebhabers gebracht.

Ja, das wäre die klassiche Lösung gewesen. Der Stalker, der seine Verzweiflung ins Tagebuch schreibt und gleichzeitig der Frau nachrennt. Ich dachte, damit rechnen die Leser, also brauche ich da eine andere Variante.

Aber vielleicht gibst Du ihnen ein Datum vorweg, so dass man daraus ganz klar Tagebucheinträge erkennen kann.

Dann müsste ich dem Rest aber auch ein Datum geben, oder? Das über ein Datum zu lösen finde ich nicht sehr elegant. Ich denke schon, dass es aus dem Zusammenhang und dem Ende klar wird, was Sache ist – ich meine, Daniel sagt es ja auch direkt heraus, wie es zu verstehen ist (die zum Leser gesprochene Auflösung, die ich eigentlich gerne vermeiden würde, aber dann versteht man es glaube ich wirklich nicht mehr).

Lass ihn daraus vorlesen. Drei Zeilen reichen ja. Drei markante Zeilen, die der Leser noch im Kopf hat.

Fand ich ne sehr gute Idee und hab ich auch direkt eingebaut. Überhaupt habe ich deine Anmerkungen übernommen, da waren gute Hinweise dabei. Bis auf diese zwei Punkte:

Sowas würde ich ihn auch nicht sagen lassen. Er will es ihr sicher nicht einfacher machen. Er will,, dass sie die Pillen schluckt und abhauen.*

Das will er zwar schon, aber er plaudert natürlich auch. Er ist nicht in Eile oder so.

Schon klar. Könnte man auch streichen.

Ja, aber ich finde, der Absatz wirkt dann unabgeschlossen.

Für mich sitzt der Spannungsbogen. Ich hätte mir ein wenig mehr von dem Psycho gewünscht, aber man kann die Szene da sicher auch nicht ewig auswälzen.

Ich muss mir das nochmal gut überlegen. Ich würde sicher einige Probleme der Geschichte damit lösen. Mal schauen.

Ich danke dir für deinen Kommentar, das Lob & die guten Anmerkungen. Bin froh, dass ich deinen Geschmack zum großen Teil getroffen habe.

*****

Hallo randundband

Seit Abrakadabra ist ja schon eine Ewigkeit vergangen.

Ja ich hab überhaupt viel zu wenig eingestellt hier im letzten Jahr. Will ich aber wieder ändern.

Du siehst, 2/3, die Geschichte hat auf jeden Fall Zeit gebraucht, um mich hineinzuziehen, sie entwickelt sich sehr langsam, aber ich sehe schon, dass die Konzeption von dir so gewollt ist.

fiz erwähnt auch was in der Richtung. Ich denke, ich kann das Tempo auch nicht durchgehend hochhalten in dem doch wieder relativ langen Text. Es muss da auch ruhigere Szenen geben, gerade im ersten Drittel, sonst verpufft der Rest irgendwie. Also das war schon Absicht.

Du legst da zunächst diese falsche Fährte auf Martin, aber man weiß natürlich sofort, dass er es nicht sein kann.

Vielleicht wäre das doch das beste Ende gewesen. Am Ende ist es doch der Martin. Bräuchte ich nur noch ein glaubhaftes Motiv :)

Klar, da sind diese kursiven Einschübe, ohne sie wäre es natürlich komplett aus dem heiteren Himmel, aber dann so mit dem Bruder, und Selbstmord, das wirkte für mich, wenn ich jetzt darüber reflektiere, leicht konstruiert.

Ja, vermutlich aufgrund der Form der Geschichte. Wenn ich nach jedem Alexandra-Absatz einen Daniel-Absatz gebracht hätte, und sein Motiv von vornherein aufbereitet hätte, dann wäre es vermutlich nicht so konstruiert rübergekommen. Aber ich will den Schwerpunkt hier auf Alexandra haben, und auf Mona, das ist auch der Grund, warum die Jungs fast unsichtbar sind in der Geschichte. Wie gesagt, ich kann mir schon vorstellen, dass es in der Realität so abläuft, aber man erwartet in solchen Texten (zu Recht) etwas anderes. Ich sehe das jetzt, aber so halbwegs klar ist mir das auch erst geworden, als der Text fertig war. Ich hab da viel drüber nachgedacht, über Struktur und Perspektive und so, und wann erfährt der Leser was, aber wenn man dann mal alles geschrieben hat, wirkt es eben doch nochmal anders als wie wenn man es nur im Kopf hat.

ich habe, wie gesagt, vor allem das letzte Drittel mit viel Spannung gelesen, das kannst du einfach sehr gut, und natürlich, indem du Alexandra vorher schon so plastisch gemacht hast, und man auch Sympathie für sie empfindet, fieberte ich mit, sie tat mir leid

Finde ich schön, dass du das erwähnst, weil es zeigt, dass zumindest der Teil aufgegangen ist. Aus dem Grunde wollte ich auch möglichst viel Fokus auf Alexandra setzen, genau damit der Leser einen Bezug zu ihr bekommt und der Teil am Ende dann auch seine Wirkung entfalten kann.

Das vorher, das checkt Mona doch erstmal überhaupt nicht, dass es am Ende sie treffen soll.

Da hast du recht. Aber das kann Daniel ja erstmal nicht wissen, dh. das ist kein Grund für ihn, den Plan nicht durchzuführen.

Ja, hier wird mir die Motivation für den Aufbau der Tat von Daniel nicht so richtig klar.

Ich hab mir halt vorgestellt, wie er seinen Bruder hat leiden sehen, auch mit dem Abnehmen und dass er sich immer mehr verschließt und so. Ich finde das eine üble Vorstellung, zu sehen, wie ein Angehöriger so sprichwörtlich vor die Hunde geht und man ihm nicht helfen kann. Ich finde das sogar schlimmer, als wenn es einem selbst passiert, weil ich finde, man hat dann noch eher die Kontrolle über die Situation, die Zügel in der Hand. Ja, diese Hilflosigkeit, das ist das schlimme an der Situation. Daniel wollte Mona etwas in der Art zufügen, indem er die Schwester zunächst psychisch attackiert, indem er sie unterschwellig bedroht. Ich denke, indem ich Daniels Perspektive einnehme, könnte ich auch das glaubhafter darstellen.

es ist da auch diese Szene mit der Auf-den-Teppich-Pissen-Geschichte, die konnte ich nicht so richtig einordnen,

Weil wir ja hier im copywrite sind, ist das ein kleiner Verweis auf das Original. Da wird erwähnt, dass Martin auf den Teppich gekotzt hat. Ich hab das dann in diese kleine Anekdote mit dem Teppich eingebaut, einfach, um auch mal ein Licht auf die Gruppe zu werfen. Die Szene sollte einfach auf amüsante Art unterhalten, ohne dass da jetzt eine grössere Bedeutung für die Geschichte drinsteckt.

So, jetzt der versprochene Textkram.

Ich halte mich mal an die Stellen, die ich nicht übernommen habe.

Aber jetzt nach dem Lesen des Ganzen sehe ich da keine Überraschung.

Nein, geht ja auch nicht. Die Überraschung bezieht sich auf das, was Daniels Bruder für Mona geplant hat. Was da draus geworden ist, erfährt der Leser gar nicht.

Die Wortdopplung ist unschön

Ja, das fiel mir auch auf. Aber gibt es ein gutes Synonym zu „Grab“? Ich hatte übrigens kurzzeitig die Formulierung „die Großmutter auf dem Friedhof besuchen“ anstelle „zu Großmutters Grab“, aber ich fand das nicht so toll. Da hab ich lieber die Wortdopplung in Kauf genommen, aber nachdem du da jetzt auch drübergestolpert bist, hab ich es wieder angepasst.

Hier würde ich den letzten Satz streichen. Der Leser kann selbst die Klammern aufmachen.

Mir gefällt es mit dem letzten Satz besser, er passt auch eher, wenn man bedenkt, dass er mit seiner kleinen Tochter redet.

Ja ja, das PQP. Ganz schön viel davon hier. Auch im Übrigen Text scheinst du damit nicht zu geizen.

Hey, und ich dachte, mir werden die Stellen vorgeworfen, wo ich es nicht verwendet habe, obwohl man es eigentlich müsste :) Ja ich find es auch meist nicht schön, und wenn ich es schon verwende, versuche ich wenigstens irgendwie regelmäßig zwischen „hatte“ und „waren“ zu wechseln.

das mit dem kabellosen Bose- ist hier echt nicht nötig. Manche Dinge brauchen nicht präzisiert zu werden.*

Du hast im Prinzip schon recht. Ich habs momentan noch drin. Ich lese ständig Geschichten, in denen solche Dinge erwähnt werden, zumindest habe ich den Eindruck (und ich meine jetzt nicht bei den Wortkriegern). Aber ich weiß, dass das eher nicht so gut ankommt. Später hab ich mal auch noch den Golf drin.

Jo, also jetzt wird das ein wenig unheimlich. Da ist Schwups in seinem Element.

:)

zurück wohin?

Na dahin, wo sie ihn kurz zuvor hervorgekramt hat. Martin kommt ja zurück.

Du hast auf jeden Fall bis hierhin ein recht plastisches Bild von Alexandra gezeichnet. Ich frage mich auch, ob du den vollen Namen nimmst, und nicht die herkömmliche Abkürzung, Alex, ob das auch etwas steifes, unlockeres vermitteln soll.

Nein, eigentlich nicht. Ich finde Alexandra klingt viel schöner als Alex.

das habe ich mal in einem Komm von fiz gelesen, und sehe das ganz ähnlich, die Zeit des Nuckelns ist vorbei.

Ja, da habt ihr schon recht :D

Solche Brüche finde ich immer gut, auch wenn man da sich leicht vergreifen kann. Aber hier funktioniert es.

Das ist gut wenn es funktioniert. Grundsätzlich gehen da die Meinungen auch sehr auseinander. Ich betrachte sie (mittlerweile) eher als Notlösungen und finde es eleganter, wenn man ohne auskommt. Auch wenn das natürlich immer wieder individuell betrachtet werden muss, aber so grundlegend gesehen finde ich es schöner, bei einer Person zu bleiben.

das finde ich zu dick. Ein wenig übertrieben so als Reaktion. Alexandra ist doch kein Monster.

Aber einen (echten oder eingebildeten) Makel hat sie schon. Zudem wird an der Stelle eher die Reaktion der anderen verglichen, nicht das Aussehen der Personen selbst.


Nein, es muss wirklich „kein“ heißen an der Stelle. Hier der Abschnitt:

Momentan hatte sie nicht das Gefühl, kein Gespräch führen zu können, und wenn das am Wein lag, dann scheiß drauf.

Ich weiß schon, doppelte Verneinungen, das sollte man vermeiden. Ich wollte hier nochmal betonen, dass sie dieses Problem eben jetzt nicht mehr hat, weil der Wein ihre Zunge gelockert hat, aber es stimmt schon, ich streiche die doppelte Verneinung.

war das Licht nicht schon an?

Nicht in allen Räumen. Dann wäre es doch zu offensichtlich, dass da jemand da war, es sollen ja Restzweifel bleiben.

Also randundband, vielen Dank für deinen ausführlichen und offenen Kommentar, die vielen Anmerkungen (auch wenn ich jetzt auf viele geantwortet habe, die meisten habe ich übernommen), und überhaupt fürs Lesen und deine Zeit. Hat mich gefreut.

*****

Hallo fiz

Bei dir mache ich beim nächsten Mal weiter …

Grüße,
Schwups

 

Hallo fiz

Zum ersten Teil deines Kommentars hab ich ja schon was geschrieben.

Bei solchen Auflösungen ist es ja auch immer so, dass der Leser dann nur hilflos die Schultern zucken kann und sagen muss, jo, das hätte ich jetzt echt nicht voraussehen und lösen können/müssen.

Ich hab das wie gesagt gar nicht unter dem Aspekt gesehen, dass man als Leser auf die Lösung kommen muss. Da kann man natürlich nicht drauf kommen. Aber es macht auch einen Unterschied, ob ich mich mit dem fertigen Bild an den Text setze oder ein Leser ihn beginnt zu lesen, der nicht weiß, was ihn erwartet.

Am coolsten ist es, wenn der Mörder jemand war, der die ganze Zeit präsent war, den man mal im Verdacht hatte, dann wieder nicht. Und erst am Schluss wird ein Schuh draus und man haut sich an den Kopf und denkt "Ah, wie konnte ich nur so blind sein" und liest alles noch mal von vorne.

Ja das ist sicher die Musterlösung. Aber natürlich auch extrem schwierig.

Ich glaub ein übergroßes Maß an Zufall ist immer leicht unbedfriedigend in literarischen Texten, weil man sich als Leser dann so völlig der Willkür des Autors ausgeliefert fühlt.

Hm, ja. Ich hab da noch gar nicht so intensiv drüber nachgedacht, wie es sich mit Zufällen in literarischen Texten verhält. Am anderen Ende wird es dann auch schnell konstruiert. „Das Versprechen“ von Dürrenmatt fällt mir ein, wo ein Zufall eine zentrale Rolle spielt. Aber in meinem Text jetzt würde ich gar nicht von Zufall reden. Dass ein Fremder der Täter ist, macht es in meinen Augen nicht mehr oder weniger zufällig, als wenn es jemand aus der Gruppe gewesen wäre. Es ist halt die Art, wie die Geschichte erzählt wird, eben dass der Täter bis zum Ende nicht auftaucht – wenn ich es aufgezogen hätte wie Fliege und den Täter früher in den Fokus gerückt hätte, wäre das Geschehen deshalb ja nicht weniger zufällig als jetzt.

Was ich aber cool an Deinem Ende finde, ist diese bittere Ironie. Die arme Alexandra wird nicht einmal um ihrer selbst willen umgebracht, etwa von einem Verrückten, der sich rasend in sie verliebt hat, sondern steht noch im Tode im Schatten der schöneren Zwillingsschwester. Das ist verdammt böse und bitter. Das gefällt mir.

Das ist schön, und das ist auch etwas, dass mir auch erst beim Schreiben so richtig aufgefallen ist. Ich hatte das nicht von vornherein so geplant und die Figuren dann so beschrieben, dass es darauf hinausläuft. Aber das ist gut beobachtet.

Überhaupt gefällt mir die Figurenkonstellation, die Du da aufbaust, besonders dieses Thema der Schwesternrivalität.

Darauf habe ich viel Wert gelegt diesmal. Deshalb rücken auch die anderen Figuren in den Hintergrund. Ich finde es schön, dass sie trotz ihrer Unterschiede eigentlich ganz gut zusammenpassen.

Ich find aber insgesamt könntest Du da noch ein bisschen mehr Biss und Spannung in dieses Viereck hineinbringen und das Thema der ungleichen Schwestern noch spitzer machen. Das würde auch dem Anfang ein bisschen mehr Zug geben, der so schon ein bisschen dahinplätschert. Also ich denk da so in die Richtung, dass Alexandra sich am Anfang vielleicht wirklich freut, mal Briefe und Aufmerksamkeut zu bekommen. Und Mona glaubt vielleicht nicht so dran, weil, wer soll sich für das blasse Ding interessieren, vielleicht schreibt sie die Briefe in ihrer Einsamkeit selbst.

Genau das war eine Variante, die mir auch durch den Kopf gegangen ist. Aber das hat nie so richtig gepasst. Mona kommt mir dabei zu gemein vor, sie hat ja eigentlich nichts gegen ihre Schwester. Und Alexandra – ein Mensch, der sich so zurückzieht, würde der sich wirklich freuen, wenn ein Unbekannter auf diese Art und Weise Zettel hinterlässt? Das passt besser zu Flieges Version, wo es ja zu Beginn dezenter zugeht, da steckt erstmal nur eine Rose am Auto. Da passt es besser, sich zu freuen – aber wenn die Zettel an doch ziemlich privaten Stellen angebracht sind, finde ich Beunruhigung das authentischere Gefühl im Vergleich zu Freude.

Nichtsdestotrotz – als sie abends bei Mona sitzt und ein bisschen Wein intus hat, stellt sich das Gefühl ja auch ein. Natürlich freut man sich auch irgendwo, wenn sich jemanden für einen interessiert, man fühlt sich geschmeichelt – unabhängig von den Umständen.

Also die könnten sich da richtig fiese Dinge an den Kopf werfen, die so gut treffen würden, wie nur Schwestern zielen können.

Das könnte anstrengend werden für mich :). Ja ist sicher eine Variante, aber die Figurenkonstellation wäre dann schon eine andere.

Also ich würd die Figuren und deren Interaktion echt noch nen Zacken raufdrehen, um den ersten Teil zu beleben.

Ich hatte ursprünglich mal eine ganz andere Variante in Betracht gezogen, in der man das ganz gut umsetzen könnte. Vielleicht mach ich mal ein copywrite zu meinem eigenen Text … :)

Man bekommt doch eher von "zu viel Fernsehen" eckige Augen als vom vielen.
Ich denke man kann beides sagen (auch wenn „vom vielen Fernsehen“ evtl. Dialekt ist, bin jetzt zu faul das zu recherchieren) und finde „vom vielen Fernsehen“ klingt an der Stelle flüssiger.

Ich weiß, was Du meinst, die Augen lächeln halt mit, aber "umfassen" find ich trotzdem komisch formuliert.

Bin da noch am Überlegen, noch ist mir nichts Besseres eingefallen. Aber ich gebe dir recht, ist nicht optimal.

Also, spannende Kopie, wo man die Figuren noch etwas mehr kitzeln könnte, zumal das Original sehr vom Witz der Hauptfigur lebt. Also es soll natürlich nicht unbedingt Witz sein, aber eben mehr Schmackes in den Leuten da.

Vielen Dank fiz für deinen Kommentar. Es war interessant für mich zu erfahren wie du den Text gelesen hast, so wie einen Krimi, wo man als Leser grübelt und nach Hinweisen sucht. Und natürlich hab ich mich über das Lob für die Sprache gefreut.

Bis zum nächsten Mal,
Grüße Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Schwups,

endlich komm ich mal dazu, deine Story zu kommentieren. Ich schreib mal so beim Lesen mit, dann hast du einen direkten Einblick in meine Lesergedanken. Hab keine Vorkommentare gelesen, also frischer Leseeindruck.

Ich habe in meinem Leben an vieles geglaubt. An das Christkind zum Beispiel, oder daran, dass man vom vielen Fernsehen viereckige Augen bekommt.
:D Ja, das hab ich auch mal geglaubt ...

Dabei strich sie ihr Haar aus dem Gesicht, und das öffnete etwas in mir.
Guter Satz.

Jetzt wohnt sie in meinem Herzen und weht durch meine Träume.
Okay, der Satz hier ist schon sehr süß!

Als Alexandra ein kleines Mädchen war – fünf, höchstens sechs Jahre alt – besuchte sie mit ihren Eltern und Mona ihre Großmutter auf dem Friedhof.
Ah okay, jetzt wechselt die Erzählperspektive. Ich bin gespannt.

Sie hob ihre Hand und löste ihn.
Da hab ich irgendwie kurz gestockt, und gedacht: Hä? Wen? Klar, den Zettel. Trotzdem kam ich da nicht gleich drauf. Vllt war ich auch einfach zu lange in der Sonne.

Sie musste den Text oft gelesen haben, denn als sie ihren Schrank schloss, war der Spiegel vorne klar
Okay, so ein Satz schafft halt schon so eine Erzählinstanz, die nicht allwissend ist; ich kann gerade nicht abschätzen, ob das gut für den Text sein wird, oder nicht.

Als Zwillinge hatten sie den Mutterleib geteilt, doch damit erschöpften sich die Gemeinsamkeiten.
Cooler Satz!

Wer hätte es sonst sein können? Gestern Abend waren schließlich nur er, Mona und Malek zu Besuch gewesen.
Ah okay, ich meine zu spüren, dass du den Leser hier auf eine falsche Fährte führen willst :D

Und du tust so, als hätte er dir an die Titten gefasst.“
„In gewisser Weise hat er das.“
cooler Dialog

Ich ganzes Leben war sie komisch gewesen, weil sie still und schüchtern war und gern Zeit allein verbrachte.
da stimmt was nicht

„Oh je. Sag ihm das nie direkt. Nett ist das Schlimmste, was du zu einem Mann sagen kannst.
Das stimmt.

Nein, beim Lesen hatte sie eher das Gefühl, in einen Apfel zu beißen, der süß und saftig aussah und sich dann als faulig herausstellte.
Guter Vergleich!

Sie achtete kaum auf Martins Worte, beobachtete stattdessen sein Gesicht, suchte nach einem Anzeichen, das ihn verriet. Vielleicht wartete er auf ein Zeichen ihrerseits und dachte, sie habe die Zettel noch nicht entdeckt.
Ich finde, bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte hast du schon einen tollen inneren Konflikt aufgebaut. Der wird die Leser bei der Stange halten.

„Hast du noch mehr gefunden?“
„Nein. Und ich hab die halbe Nacht kein Auge zugetan und alles auf den Kopf gestellt. Der spinnt doch.“
„Er ist halt ein verrückter Kerl. Vielleicht findet er das romantisch. Manche Männer ticken so.“
„Und was da steht: Lauscht nicht der Vernunft. Was soll das heißen?“
Ich finde, deine zwei Protagonistinnen haben mittlerweile so eine eigene Stimme, dass man wirklich getrost weglassen kann, wer was sagt. Das passt schon.

„Hey, kennst du einen Satz, in dem nur 'in' und 'der' vorkommt?“
Alexandra schüttelte den Kopf.
„Der Inder in der Inderin“, sagte Martin und gackerte.
Oh Mann.

Ich träume davon, mit ihr am Strand zu sitzen und den Sonnenuntergang zu beobachten.
Jaa ... schon bisschen Klischee

Mann, ist das schnulzig.
Okay. Dein Prot denkt genauso wie ich.

The Big Lebowski natürlich. Was denn sonst?“
Alexandra kannte den Film nicht
Ohje!

Malek konnte sie nicht leiden, das war offensichtlich, auch wenn Mona das immer leugnete. Alexandra vermutete, er betrachtete sie als Monas hässliches Anhängsel, einen Wurmfortsatz.
Find ich gut

n der Schule hatten sie ihr Zettel geschrieben, später weiße Rosen zum Geburtstag geschickt. Unfassbar, dass Alexandra zur gleichen Zeit aus dem gleichen Leib gekrochen war. Sie hasste die Reaktionen, wenn Fremde erfuhren, dass sie Zwillinge waren.
Ja, also, was ich mich an dieser Stelle fragte: Wieso hängen die beiden Schwestern eigentlich immer zusammen herum? Ich meine, da wird im Text öfters mal erwähnt, dass die Schwestern eigentlich nichts groß gemeinsam haben, außer, dass sie eben Schwestern sind; was hält die beiden eigentlich zusammen? Wieso verbringen die ihre Abende so in intimer Atmosphere zu viert? Das fragte ich mich da. Ich finde das schon gut, dieser innere Konflikt, diese gegensätzlichen Zwillingsschwestern, aber irgendwie haben die doch beide überhaupt keinen Grund, miteinander rumzuhängen, v.a. an so Freitagabenden oder so.

Sie stockte, als sei sie gegen eine Wand gelaufen.
Das ist gut.

Wie durch einen Filter hörte sie ihr Keuchen.
Das finde ich nicht so gut. Wie durch einen Filter? Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Wie unter Wasser, oder wie mit Watte in den Ohren, sowas fände ich besser

„Zeig mir den Schlüssel.“
Mona blickte Alexandra an, als hätte sie von ihr eine Ohrfeige kassiert. „Wie bitte?“
„Zeig mir den Schlüssel. Ich will ihn sehen.“
Also ich finde jetzt hat die Geschichte echt richtig hart an Fahrt aufgenommen. Das ist plötzlich echt sehr spannend. Davor war es interessant und der innere Konflikt war gut dargestellt und hat auch zum Weiterlesen animiert, aber jetzt ist das plötzlich richtig spannend.

„Der Schlüssel ist weg, stimmt's? Ich hab's gewusst. Glaubst du mir jetzt?“
Mona öffnete die zweite Schublade, griff hinein und hielt ihrer Schwester den Schlüssel vors Gesicht. Alexandra erkannte ihn an dem Anhänger, einem vierblättrigen Kleeblatt.
„Soviel dazu“, sagte Mona.
„Er war nicht da, wo du ihn hingelegt hast.“
„Doch, genau da war er. In der Schublade.“
Also dieses: War es Malek? Oder nicht? Würde es die Schwester zugeben, wenn der Schlüssel nicht da gewesen wäre? Das ist schon spannend gemacht, echt.

Sie war überzeugt, das würde den Urheber dermaßen unter Druck setzen, dass er gestehen musste und gleichzeitig vor den anderen bloßgestellt wäre.
Wirklich? Nee. Das ist nicht glaubhaft. Wenn es Mona ist, dann ist sie nicht unter Druck, dann hat sie sich schon eine Ausrede zurechtgelegt. Wenn es Malek ist, dann würde er doch nicht einfach mal so zugeben: Ach ja! Ich war das! Ich stalke übrigens deine Schwester! Martin, ja, der würde es vllt zugeben. Ich fände sowas wie: Sie war überzeugt, das würde den Urheber dermaßen unter Druck setzen, dass er sich unnatürlich verhalten würde, und dann würde ihn Alexandra erkennen. besser. Also jetzt nicht genau den Satz, aber vom Sinn her.

Da fällt mir noch ein Sprichwort ein: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Genau genommen stimmt das nicht. Zuletzt stirbt man immer selbst.
Das ist gut. Ich finde, die Bessenheit des Stalkers ist gut dargestellt.

Die Finger gleiten
auf und ab, auf und ab, auf
und ganz tief hinein.
krass.

Sein rechtes Augenlid hing herunter, wie bei Karl Dall.
:D

Man könnte sagen, sie hat mit ihm gespielt, und das hat ihn krank gemacht. So krank, dass er eines Nachts dachte, der Baum wäre die bessere Alternative.“
Alexandra verstand nicht. „Bitte – was –?“
„Du kennst diese Frau. Ihr Name ist Mona Schneider.“
Mann. Ich kenne Flieges Original nicht, aber das ist eine verrückte Wendung. Echt, das ist ziemlich gut gemacht und echt spannend und unvorhersehbar, aber trotzdem total schlüssig.

Der Mann beugte sich vor. „Es waren Gedichte meines Bruders. Leicht abgeändert, aber passender. Er hatte nie den Mut, sie abzusenden. Weißt du, Alexandra, die meisten Menschen empfinden den Schmerz, der ihren Liebsten zugefügt wird, schlimmer als eigenes Leid. Die Verzweiflung eines nahen Angehörigen ist schwerer zu ertragen als die eigene. Ich musste mit ansehen, wie mein Bruder verzweifelte, und ich konnte nichts tun, bis eines Nachts die Polizei bei uns klingelte. Ich will, dass Mona dasselbe erfährt. Wie gesagt, es geht hier nicht um dich. Was ich tue, tue ich für Mona.“
Also theoretisch könntest du bissle was kürzen von dem Monolog, da stehen Sachen drin, die weiß man als Leser schon oder die hat der Prot schon gesagt ... wie gesagt, nur als Denkanstoß, wenn du das so magst, fände ich's auch nicht groß schlimm

Alexandra spürte eine Leere in sich. Sie hatte das Gefühl, immer weiterreden zu müssen.
Das mit dem Weiterreden find ich gut. Weil sie Angst hat, dass er sie umbringt, oder weil sie hofft, jemand kommt vorbei und rettet sie

Auf dem Regal hinter dem Mann stand ein Foto, auf dem Mona und Alexandra auf dem Eiffelturm zu sehen waren. Sie hatten es vor vielen Jahren aufgenommen, in ihren ersten Ferien ohne Eltern.
Solche Details geben halt viel her, finde ich

Mona griff nach dem Handy und sah, dass jemand auf ihre Mailbox gesprochen hatte. Sie hörte die Nachricht ab, und Alexandras Stimme erklang: „Hallo Mona, ich bin's. Ich bin – ich habe einen Entschluss gefasst. So kann es nicht weitergehen. Ich – ich – ich sag das nicht auf deine Mailbox. Ruf mich an, bitte. Es ist dringend.“
Mona legte auf. Was sollte das?
Boa, also ich find das saugut gemacht, wie die verschiedenen Sachen sich jetzt zusammenfügen. Das mit den Pillen wird ja tatsächlich wie ein klassischer Suizid aussehen - echt, das fand ich gut.

Ja, Schwups, hat mir echt sehr gut gefallen. Schreiben kannst du, und ich finde, dieses falsche-Fährte-legen und das: Wer hat die Zettel aufgehängt? oder zum Schluss der Mann, der der Bruder von einem ist, der sicher wegen Mona umgebracht hat ... das war schon verdammt gut gemacht. Auch am Anfang, diese Einschübe von einem Besessenen, die hätten eigentlich auf alle (männlichen) Figuren zutreffen können. Ich war mir am Anfang sicher, dass es Marek ist, das mit den Zetteln, weil Martin, das wäre zu einfach gewesen. Dass das dann so ausgegangen ist - das war unvorhersehbar und originell, ich dachte kurz darüber nach, ob das nicht zu sehr aus der Trickkiste gegriffen ist, einfach kurz vor Schluss noch eine neue Figur "einzuführen", die dann den Höhepunkt ausmacht - aber für mich hat das geklappt. Die ersten 2/3 waren angenehm zu lesen, und man fragte sich immer: Wer war's?, aber im letzten Drittel ... da ging's dann richtig los. Da war dann auch richtig Spannung da. Ich wüsste auch nicht, wie du diese krasse Spannung auf den Rest des Textes überspannen könntest, ich glaube, das musst du aber auch gar nicht, da baut sich langsam was auf, und dann kommt der Höhepunkt, das ist schon okay so, wie es ist. Das mit den Schwestern, was ich dir vorhin geschrieben habe, da könntest du theoretisch noch mal ran. Also mir wurde einfach nicht ganz schlüssig, wieso sie so viel Zeit miteinander verbringen, obwohl sie ja so unterschiedlich sind. Ich meine, das ist halt auch die Zeit in der Freizeit, so Freitagabende, wo sie zu viert miteinander rumsitzen und Wein trinken, das macht man ja wirklich bloß mit Freunden. Wenn sie sich jetzt sonntags bei ihren Eltern treffen würden, und sich da gut verstehen würde, dann würde ich das glauben, das ginge so unter 'Geschwisterfreundschaft', aber so ist mir nicht ganz klar geworden, was die beiden so aneinander bindet (außer evtl. dass Alexandra sonst keine Freunde hat, und Mona ihr leid tut, aber das ist nur Spekulation, ich hab das so nicht aus dem Text entnommen).

Hat Spaß gemacht, Schwups.
Grüße

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zigga

Okay, so ein Satz schafft halt schon so eine Erzählinstanz, die nicht allwissend ist; ich kann gerade nicht abschätzen, ob das gut für den Text sein wird, oder nicht.*

Eine Idee war, die ganze Geschichte aus Sicht eines allwissenden Erzählers zu schreiben mit einer gewissen Distanz zu den Figuren. Aber irgendwie trau ich mich das nicht so recht. Na ja vielleicht ein anderes Mal.

Ah okay, ich meine zu spüren, dass du den Leser hier auf eine falsche Fährte führen willst :D

Ja … die falsche Fährte. Ich frage mich immer noch, ob der Text besser wird, wenn ich da von Beginn an mit offenen Karten spiele und es deutlich wird, dass die kursiven Einschübe auf einen „Fremden“ hindeuten.

Ich finde, bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte hast du schon einen tollen inneren Konflikt aufgebaut. Der wird die Leser bei der Stange halten.

Das freut mich natürlich. Ebenso wie deine vielen lobenden Worte zu einzelnen Textstellen.

Ich finde, deine zwei Protagonistinnen haben mittlerweile so eine eigene Stimme, dass man wirklich getrost weglassen kann, wer was sagt. Das passt schon.

Ich lasse das auch gern weg. Das ganze „sagte, sagte, sagte“ stört irgendwann. Nach einer gewissen Anzahl von Sprecherwechseln kann man es aber ruhig wieder schreiben, finde ich. Zumindest hab ich es als Leser gern, wenn dann doch mal wieder dasteht, wer was sagt, sonst kommt man da schonmal durcheinander.

Jaa ... schon bisschen Klischee

Ja, ziemlich sogar. Aber wenn da jetzt stünde, er wünscht sich, sie würden nachts am Strand sitzen und sie würde sich Dope aus dem BH ziehen … das würde irgendwie nicht so recht passen, finde ich :)

Ja, also, was ich mich an dieser Stelle fragte: Wieso hängen die beiden Schwestern eigentlich immer zusammen herum? Ich meine, da wird im Text öfters mal erwähnt, dass die Schwestern eigentlich nichts groß gemeinsam haben, außer, dass sie eben Schwestern sind; was hält die beiden eigentlich zusammen?*

Ja, sie sind unterschiedlich, aber es sind keine Rivalinnen, die sich bekämpfen oder aus dem Weg gehen – oder die übermäßig oft aneinandergeraten. Trotz aller Unterschiede halten sie als Schwestern zusammen, ich finde das kein abwegiges Szenario. Es sollte auch so ein bisschen zeigen, dass Alexandra außer ihrer Schwester nicht viele soziale Kontakte hat – Malek ist der Freund der Schwester, und im Text wird zumindest angedeutet, dass Martin über Malek in die Clique gestoßen ist.

Ich glaube, wenn Alexandra und Mona keine Schwestern wären, wären sie sich nie über den Weg gelaufen, und wenn, wären sie nie Freundinnen geworden. Aber innerhalb der Familie ist das nochmal was anderes, wenn man zusammen aufgewachsen ist, und gerade sie als Zwillinge, das schweißt dann trotz Unterschiede schon zusammen. Und dann kann man auch die Abende zusammen verbringen – zumal es auch nicht immer der Fall ist. In der letzten Nacht ist Alexandra bspw. nicht dabei, wenn Mona mit Malek unterwegs ist.

Das finde ich nicht so gut. Wie durch einen Filter? Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Wie unter Wasser, oder wie mit Watte in den Ohren, sowas fände ich besser

Du hast recht, ist angepasst.

Also ich finde jetzt hat die Geschichte echt richtig hart an Fahrt aufgenommen. Das ist plötzlich echt sehr spannend. Davor war es interessant und der innere Konflikt war gut dargestellt und hat auch zum Weiterlesen animiert, aber jetzt ist das plötzlich richtig spannend.*

Ja es war schon Idee, ein wenig ruhiger zu beginnen und später das Tempo anzuziehen.

Wirklich? Nee. Das ist nicht glaubhaft. Wenn es Mona ist, dann ist sie nicht unter Druck, dann hat sie sich schon eine Ausrede zurechtgelegt. Wenn es Malek ist, dann würde er doch nicht einfach mal so zugeben: Ach ja! Ich war das! Ich stalke übrigens deine Schwester! Martin, ja, der würde es vllt zugeben. Ich fände sowas wie:*Sie war überzeugt, das würde den Urheber dermaßen unter Druck setzen, dass er sich unnatürlich verhalten würde, und dann würde ihn Alexandra erkennen.*besser. Also jetzt nicht genau den Satz, aber vom Sinn her.

Hm, ja. Alexandra ist nicht so abgebrüht, sie denkt natürlich aus ihrer Perspektive. Sie selbst würde einem solchen Druck – vor drei Leuten „überführt“ zu werden – niemals standhalten, und oft tendieren wir dazu, unsere eigenen Verhaltensweisen auf andere Menschen zu übertragen. Ich hab sie mir als sehr ehrliche Haut vorgestellt, als jemand, dem man jede Lüge sofort ansieht. Klar, das macht sie auch naiv. Aber ich schau mir das nochmal an, vielleicht ändere ich da noch was.

Mann. Ich kenne Flieges Original nicht, aber das ist eine verrückte Wendung. Echt, das ist ziemlich gut gemacht und echt spannend und unvorhersehbar, aber trotzdem total schlüssig.

Ja auch das freut mich sehr. Bislang ist das Ende nicht so gut angekommen.

Also theoretisch könntest du bissle was kürzen von dem Monolog, da stehen Sachen drin, die weiß man als Leser schon oder die hat der Prot schon gesagt ... wie gesagt, nur als Denkanstoß, wenn du das so magst, fände ich's auch nicht groß schlimm

Ist eine gute Frage – eigentlich mag ich es nicht sehr. Auch da muss ich nochmal drüber. Die Frage ist halt, wie transportiert man diese Infos zum Leser, wenn man die Perspektive des Täters nicht einnehmen möchte und er nur diese eine Szene hat, um etwas zu erklären?

Boa, also ich find das saugut gemacht, wie die verschiedenen Sachen sich jetzt zusammenfügen. Das mit den Pillen wird ja tatsächlich wie ein klassischer Suizid aussehen - echt, das fand ich gut.*

Find ich schön dass du das bemerkst. Genau, der Anruf auf die Mailbox sollte so nochmal eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Ich war mir am Anfang sicher, dass es Marek ist, das mit den Zetteln, weil Martin, das wäre zu einfach gewesen.

Deshalb hätte es Martin sein müssen … weil jeder denkt, das sei zu offensichtlich :). Also, wenn es überhaupt jemand aus dieser Clique gewesen wäre – Martin wäre auch der mit dem naheliegendsten Motiv gewesen.

Dass das dann so ausgegangen ist - das war unvorhersehbar und originell, ich dachte kurz darüber nach, ob das nicht zu sehr aus der Trickkiste gegriffen ist, einfach kurz vor Schluss noch eine neue Figur "einzuführen", die dann den Höhepunkt ausmacht - aber für mich hat das geklappt.

Bin froh über die Rückmeldung. Ich denke, wenn ich die kursiven Einschübe deutlicher mache – vielleicht sogar durch die Stimme des späteren Täters ersetze – sieht es auch weniger aus wie aus der Trickkiste gezaubert. Vielleicht probiere ich das mal.

Ich wüsste auch nicht, wie du diese krasse Spannung auf den Rest des Textes überspannen könntest, ich glaube, das musst du aber auch gar nicht, da baut sich langsam was auf, und dann kommt der Höhepunkt, das ist schon okay so, wie es ist.

Ich finde, die Spannung kommt besser rüber, wenn sie sich vom Rest des Textes abhebt. Am Anfang sollen ja auch die beiden Schwestern und die Situation eingeführt werden, da kann es dann ruhig ein wenig langsamer zugehen.

Wenn sie sich jetzt sonntags bei ihren Eltern treffen würden, und sich da gut verstehen würde, dann würde ich das glauben, das ginge so unter 'Geschwisterfreundschaft', aber so ist mir nicht ganz klar geworden, was die beiden so aneinander bindet (außer evtl. dass Alexandra sonst keine Freunde hat, und Mona ihr leid tut, aber das ist nur Spekulation, ich hab das so nicht aus dem Text entnommen).

Also das hast du schon richtig erkannt, dass Alexandra sonst keine Freunde hat – oder sagen wir, zumindest keine engeren sozialen Kontakte. Sie tut Mona auch ein Stück weit leid – aber das ist nicht Monas Motivation, mit ihrer Schwester Zeit zu verbringen. Mitleid wäre da kein gutes Motiv. Es ist schon diese Geschwisterfreundschaft, wie du sagst. Sie haben viel gemeinsam erlebt, und wie gesagt, das schweißt dann schon zusammen. Das jetzt explizit hinzuschreiben, ist sicher keine gute Lösung. Ich könnte mir vorstellen, vielleicht noch mehr von ihren gemeinsamen Erinnerungen in den Text zu verweben – so ähnlich wie zum Schluss der Paris-Urlaub, um deutlicher zu machen, dass die beiden schon immer zusammengehalten haben. Schon allein dass Alexandra Mona sofort von den Zetteln erzählt - und da auch die Meinung ihrer Schwester sucht, auch wenn sie von ihrer eigenen abweicht - zeigt ja, dass es ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen den beiden gibt.

Vielen Dank, zigga, für deinen ausführlichen Kommentar, dein Lob und deine Hinweise. Hat mich echt gefreut, vor allem auch, dass viele Dinge bei dir als Leser so angekommen sind, wie ich sie beabsichtigt hatte. Sowas ist natürlich immer schön.

Viele Grüße,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schwups,
deine Geschichte hatte ich mir von den Copys bis ganz zuletzt aufgehoben. Nicht nur, weil sie als letzte gepostet wurde, sondern weil sie auch so ganz anders ist. Ein kleiner Psychothriller.
Mein Gesamteindruck? Verflucht spannend. Ich hab am Anfang ein bisschen Zeit gebraucht, um reinzukommen, das lag aber weniger an einer Länge an sich, sondern daran, dass man so rumgedacht hat, aha, das ist jetzt Flieges Geschichte von damals. Man lenkt sich dann selbst so ein bisschen ab. Ich bin auch über zwei drei Stellen gestolpert, die ich etwas zu lang fand. Aber das war schnell erledigt, als dann die Handlung vor mir lag und ich Alexandras Angst und Ensetzen verfolgen musste. Das schnürt sich ja immer mehr zu und keine Sau nimmt sie ernst. Und dann hast du das Eintreten in die Wohnung mit dem Licht sehr sehr aufregend gemacht.
Im Unterschied zu den anderen fand ich es überhaupt nicht schlimm, dass da eine bisher unbekannte Person auftauchte. Wenn man die Rückschau nimmt, passt das ganz genau zusammen. Man läuft dir halt ein bisschen in die Falle, weil man die kursiven Einschübe zuerst einem Bekannten zuschustert, also dem Martin oder dem Malek und nicht einem unbekannten Toten, dessen Bruder nun durch die Zettelfolge Rache übt. Also das hast du dir alles schön perfid und übel zusammengebaut. Aber ich persönlich bin auf so Fallen scharf, wenn sie ihre interne Logik haben, ich will die ja gerade als Spannungsleserin. Ich selbst neige oft dazu, das nur aus der Konstellation selbst entstehen zu lassen, aber ich merke zur Zeit auch gerade, dass das ein bisschen fesseln kann.
Gut fand ich auch die sprachliche Doppelbödigkeit der Tagebucheinträge, man kann die auch als Verrücktheit lsen, als Stalkertum, wenn man das will.


Ich habe in meinem Leben an vieles geglaubt. An das Christkind zum Beispiel, oder daran, dass man vom vielen Fernsehen viereckige Augen bekommt. Ich habe geglaubt, dass Freundschaften ewig halten, und eine Zeit lang ging ich in die Kirche und glaubte an Gott. Nur eines habe ich immer geleugnet: Liebe auf den ersten Blick. Und ausgerechnet die hat mich erwischt.
Schön, dieser Gegensatz aus Glauben und Leugnen. Gefällt mir als Einleitung. Hätte aber den fetten Satz abgekürzt.
So: und eine Zeit lang glaubte ich sogar an Gott. Ich finde halt, das spitzt den Gegensatz schöner zu.

Dann in der Mädchenbeschreibung sind ein paar Stellen drin, die mir zu stark relativieren. Das haute mich ein bisschen raus.
Ich mach mal dieSätze fett, die man aus meiner Sicht einfach weglassen könnte.

Sie ist ein hübsches Mädchen. Nicht von jener Beliebigkeit, die viele hübsche Mädchen teilen.
Ich weiß zwar, was du sagen willst, aber jenseits von Geschmacksdingen wirkt es zu schwammig auf mich. Durch deine Beschreibung danach, dass sie etwas in ihm öffnet, erfährt man ihre Besonderheit doch viel stärker.

Als ich sie entdeckte, lächelte sie mich an. Oder sagen wir, sie lächelte, als sie in meine Richtung blickte. Es war ein echtes Lächeln, eines, das die Augen umfasste. Dabei strich sie ihr Haar aus dem Gesicht, und das öffnete etwas in mir.
Auch dieser fette Satz, ich glaube du wolltest einfach ausdrücken, dass sie ihn noch gar nicht wahrgenommen at. Das finde ich ein bisschen übervorsichtig, du brauchst das gar nicht, denn dass er sie erst dazu bringen will, ihn wirklich zu sehen, das schreibst du ja danach. Das kommt viel besser, als wenn du es so umredest.

Alexandra verstand das nicht, und ihr Vater nahm sie zur Seite und sagte: „Manche Dinge erzählen eine Geschichte, weil sie an einem Ort sind, an dem sie nicht sein dürften. Und diese hier ist traurig.“
Schön

Jetzt, über zwei Jahrzehnte später, flackerte dieser Satz in Alexandras Erinnerung, als sie tropfnass und mit einem Handtuch umschlungen ihr beschlagenes Spiegelschränkchen öffnete. Der Zettel klebte auf der Innenseite.
Findest du das für Alexandras Charakterisierung wichtig, dass sie das Handtuch trägt? Kann man ja so machen, denn das ist sicherlich eine andere Frau, die sich in praller nasser Weiblichkeit vor einem Spiegel präsentiert. Aber ich würde das beschlagene vom Spiegelschränkchen killen. Ist mir zu viel schl in den Sätzen. :)
Also klingt vielleicht nach einer Kleinigkeit, aber das waren halt die Stellen, wo ich sprachlich ein bisschen gezögert habe.
Und dass sie den Zettel so lange liest, dass der Wasserdampf am Spiegel trocknet, also das Beschlagene, das kannst du ja in der Stelle hinten einbauen. Denn prinzipiell finde ich es schön, nicht einfach zu schreiben, dass sie es lange liest, sondern das über das Trocknen des Spiegels laufen zu lassen.

Was mir an den Zetteln gefiel, die sie da nach und nach findet, das ist, dass die tatsächlich fieser werden. Das sind am Anfang ganz kleine Verschiebungen weg von dem Normalen, wie bei dem ersten Zettel das Spiel mit verblendet/geblendet. Und dann der letzte Zettel, der ja tatsächlich einen Angriff beschreibt.

Als Anregung wollte ich noch sagen, dass ich es geil gefunden hätte, wenn du neben Martin und Malek, die sie ja beide nacheinander in Verdacht hat, du den Leser auf die Fährte lenkst, dass Mona ein übles Spiel mit ihr treibt. Vielleicht könnte der Leser ja auf die Idee kommen, dass global player Mona in Wahrheit doch ein wenig neidisch auf Alexandra ist? So in die Richtung?

Aber das ist nur Spielerei, die der Spannung deiner Geschichte keinen Abbruch tut. Man spinnt einfach ein bisschen weiter, wie alles auch noch zusammenhängen und zusammengebaut sein könnte. Hat also nichts mit einer Kritik an deiner Geschichte zu tun, sondern mit durch die Geschichte in Gang gesetzte Phantasie. :)

„Und was soll das für ein Film gewesen sein?“, fragte Alexandra, und da verstummte Malek. Er sah sie an, als könne sie nicht bis drei zählen. „The Big Lebowski natürlich. Was denn sonst?“
Malek ist ja echt ein Sympathling. Und auch, wie du mit dieser kleinen Impression, wie Malek den armen Martin vorführt, die Szene danach vorbereitest, dass sie, die Schüchterne, die immer in dem Schatten der Schwester stand, sich dem schüchternen Martin zuwendet, der auch nicht gerade der Superbowlgewinner ist.

In der Schule hatten sie ihr Zettel geschrieben, später weiße Rosen zum Geburtstag geschickt. Unfassbar, dass Alexandra zur gleichen Zeit aus dem gleichen Leib gekrochen war. Sie hasste die Reaktionen, wenn Fremde erfuhren, dass sie Zwillinge waren. In der Schule hatten viele laut herausgelacht oder den Verdacht geäußert, verarscht zu werden. Heute waren die Leute höflicher, aber selbst deren Augen weiteten sich, selbst deren Mundwinkel zuckten. Alexandra sah sie jedes Mal, diese unwillkürlichen Erwiderungen, das Erstaunen, wie wenn man jemanden traf, dessen Gesicht von einer Brandnarbe entstellt war. Man konnte noch so höflich sein, man schaute einfach drauf, und wenn es nur für eine halbe Sekunde war.
Schön beschrieben.

Irgendwann schweifte Alexandras Blick zu Martin, und sie fragte sich, was sie so schlimm an ihm fand. Er hatte nicht Maleks Wuschelhaare oder seinen ausgeprägten Bizeps, na und? Vielleicht hatte Mona recht und sie rannte davon. Vielleicht hatte er eine Chance verdient.
Alexandra lehnte sich zurück. Sie wusste, ihre Gedanken entsprangen dem Wein, aber das war ihr egal. Für den Augenblick genoss sie das Gefühl, begehrt zu werden.

Das fand ich gut, wie du das hier machst, du sorgst für so eine kurze Entspannung. Man weiß zwar genau das kann nicht sein, denn der Text ist ja noch länger, aber trotzdem da gibt es eine kleine Scheinlösung, dass sie sich mit dem Martin zusammen und so - und dann knallts rein, aber richtig. Ich glaub, diese Lichtszene und ihr Reingehen in die Wohnung, von der man genau weiß, da ist entweder noch einer drin oder es war grad einer drin, das haut noch viel stärker ins Kontor, als hätte sich die Spannung kontinuierlich in einer normalen Kurve gesteigert. Da merkt man genau, dass du halt Grusel und Spannungskram schreibst, du gönnst dem Leser eine Atempause und wenn man grad seine Lesemuskeln etwas gelockert hat dann wummst du einem eine rein. Also echt Kompliment, das war mir vorher noch nicht so bei dir aufgefallen. Ich kenn das aus Filmen.

Und dann der Fortgang. Das ist echt schön spannend. Da will man wirklich wissen, wie es jetzt weitergeht.

Ihr Handy lag im Wohnzimmer, und als sie dort war und das Licht anknipste, sah sie auf dem Couchtisch – direkt neben dem Telefon – eine einzelne weiße Rose liegen.
Diese Rose löste etwas in ihr, sie spürte, wie sich ein Schrei durch ihren Körper quälte.
Hier habe ich eine Sekunde gezuckt. Meinst du damit, dass sie sich an Monas Lieblingsblume erinnert? Denn dasTagebuch, das der Fremde geschreiben hat, das kennt sie nicht.

Sein rechtes Augenlid hing herunter, wie bei Karl Dall.
Also wenn ich mir einen ganz ganz fiesen Mörder vorstelle und shreib dann, er würde aussehen wie Karl Dall, dann kann ich auch gleich schreiben Schneewittchen und die sieben Zwerge sind Massenmörder. Also ich versteh gar nicht warum keiner vor mir das schreibt. Du kannst doch nicht Karl Dall nehmen. Da machst du ja das Dämonische alles Fiese und Widerwärtige kaputt.
Merkst dus, wie ich mich aufrege? :) Also bitte kill Karl Dall.

Der Fremde tippte auf die Mappe. „Mein Bruder. Er ist in seinem Auto verbrannt.“ Er sagte das in einem plaudernden Tonfall, wie: Mein Bruder. Er spielt gerne Fußball.
Puuhhh, das ist eklig. Ich glaub, diese Plaudermörder, die sind echt die schlimmsten.

Der Mann nahm die Seite, und während er vorlas, zuckte sein herabhängendes Augenlid: „Ich habe in meinem Leben an vieles geglaubt. An das Christkind, zum Beispiel, oder daran, dass man vom vielen Fernsehen viereckige Augen bekommt. Ich habe geglaubt, dass Freundschaften ewig halten, und eine Zeit lang ging ich in die Kirche und glaubte an Gott. Nur eines habe ich immer geleugnet: Liebe auf den ersten Blick. Und ausgerechnet die hat mich erwischt.
Gemein, wie du hier wieder den Bogen zum Anfang knüpfst.

Der Mann beugte sich vor. „Es waren Gedichte meines Bruders. Leicht abgeändert, aber passender. Er hatte nie den Mut, sie abzusenden. Weißt du, Alexandra, die meisten Menschen empfinden den Schmerz, der ihren Liebsten zugefügt wird, schlimmer als eigenes Leid. Die Verzweiflung eines nahen Angehörigen ist schwerer zu ertragen als die eigene. Ich musste mit ansehen, wie mein Bruder verzweifelte, und ich konnte nichts tun, bis eines Nachts die Polizei bei uns klingelte. Ich will, dass Mona dasselbe erfährt. Wie gesagt, es geht hier nicht um dich. Was ich tue, tue ich für Mona.“
Hier finde ich es klar, dass man das Verhältnis zwischen Mona und Alexandra auch nicht zuuuu schlimm sein lassen darf, denn sonst würde das ja nicht funktionieren, dass Mona unter dem Verlust der Schwester so leidet, wie es der Mörderintendiert. Diese meine Idee von vorher, dass der Leser so ein bisschen glauben könnte, Mona selbst wäre die Zettelschreiberin, dürfte also auch nicht zu ausgeweitet werden. Sonst wirds unlogisch. Merk ich hier gerade. Aber wenn ich das so lese, da war mein erster Eindruck, der Mona geht das gar nicht so nahe, wenn die Alexandra fehlen würde. Von daher sehe ich es jetzt so, dass man das Symbiotische in der Beziehung der beiden Frauen herausstellen könnte/sollt. Der Mörder wird die beiden ja kräftig beobachtet haben und sich seine Gedanken gemacht haben, ob denn die Art der Rache überhaupt funktioniert. Verstehst du überhaupt was ich meine? Ich glaub, ich quatsch mich hier gerade um den Verstand.

Auf dem Regal hinter dem Mann stand ein Foto, auf dem Mona und Alexandra auf dem Eiffelturm zu sehen waren. Sie hatten es vor vielen Jahren aufgenommen, in ihren ersten Ferien ohne Eltern. Ganz allein waren sie für eine Woche nach Paris gefahren. Es war die schönste Woche in Alexandras Leben. Auf der Rückseite des Fotos stand: Beste Freundinnen pour toujours.
Alexandra traf eine Wahl.
Den letzten Satz würde ich streichen. Man weiß ja, dass A. ihre Schwester schützen wird, nachdem du den Lesern das Foto gezeigt hast. Ich finde, den Absatz mit dem Foto zu beenden, einfach krasser, schöner, intensiver.

Gut fand ich auch, wie du ausgerechnet in dem Moment, wo Mona ein bisschen weniger egozentrisch über ihre Schwester nachdenkt, und ihr helfen will, dass ausgerechnet da es schon zu spät ist. Und nur der Leser weiß es. Echt gemein.

Also - hat mir mal wieder sehr gut gefallen. Spannend und gemein. Ganz so, wie es sein muss.
Alles Liebe von Novak

 

Liebe Novak

Mein Gesamteindruck? Verflucht spannend. Ich hab am Anfang ein bisschen Zeit gebraucht, um reinzukommen, das lag aber weniger an einer Länge an sich, sondern daran, dass man so rumgedacht hat, aha, das ist jetzt Flieges Geschichte von damals.

Die Geschichte ist ja am Anfang auch eher ruhig. Die Szene im Cafe, die Szene bei Mona und Malek – da passiert nicht viel, die Szenen sollen einfach unterhaltsam sein und die Figuren vorstellen, hauptsächlich natürlich Alexandra und Mona.

Und dann hast du das Eintreten in die Wohnung mit dem Licht sehr sehr aufregend gemacht.*

Ja das ist eigentlich der Moment, an dem die Handlung „kippt“. Ab da ist klar, dass es um eine Bedrohung geht, denn offenbar verschafft sich jemand Zutritt zu der Wohnung, wenn Alexandra nicht daheim ist. Das ist schon eine andere Nummer als „nur“ Zettel in die Gegend zu kleben. Aber ab da bekommt es ja Alexandra dann auch mit der Angst zu tun.

Im Unterschied zu den anderen fand ich es überhaupt nicht schlimm, dass da eine bisher unbekannte Person auftauchte. Wenn man die Rückschau nimmt, passt das ganz genau zusammen.

Freut mich dass es bei dir geklappt hat. Ja, die Meinungen gehen da auseinander, und ich kann das verstehen. Vielleicht kommt es ein wenig darauf an, in welchem Kontext man die Geschichte liest. Wenn man es als eine Art Krimi zum Mitraten liest und auf Hinweise und Spuren achtet, geht man davon aus, es muss eine Person sein, die man als Leser schon kennt. So funktionieren Krimis nunmal – aber als solchen wollte ich die Geschichte ja gar nicht verstanden haben. Insofern, ja, es passt, die Geschichte mit dem Tagebuch – aber ich sehe, dass ich da einiges vom Leser verlange, auch was eigentlich der Hintergrund ist (es ist nicht der Verschmähte, sondern dessen Bruder, und er attackiert nicht das Objekt der Begierde, sondern deren Schwester) – das ist ein weiter Weg, aber wenn ich dann das Feedback einer Leserin bekomme, dass es funktioniert hat, freut es mich umso mehr.

Gut fand ich auch die sprachliche Doppelbödigkeit der Tagebucheinträge, man kann die auch als Verrücktheit lsen, als Stalkertum, wenn man das will.*

Kann man durchaus so sehen. Ich selbst würde es nicht als Stalkertum bezeichnen – beim Schreiben habe ich an einen etwas naiven, jungen und sehr verliebten Kerl gedacht, nicht unbedingt einen Stalker. Aber ja, auch zu so einem würden die Einträge passen, und manchmal ist dazwischen auch nur ein ganz schmaler Grat.

Zu deinen Anmerkungen, was die Sätze angeht: es sind Nuancen, teilweise nur ganz kleine Unterschiede. Also beim ersten:

Ich habe geglaubt, dass Freundschaften ewig halten,*und eine Zeit lang ging ich in die Kirche und glaubte an Gott.

Mir gefällt der Rhythmus an dem Satz. Du schlägst eine kürzere Variante vor, an der mich das „sogar“ etwas stört. Wenn man es weglässt, hat man kurz hintereinander zweimal „glauben“, was mir auch nicht so gut gefällt. Aber wie gesagt, das sind Nuancen.

Bei der Beliebigkeit bin ich noch am Überlegen – du hast natürlich recht, es ist schwammig. Auf der anderen Seite ist das eine Stelle aus einem Tagebuch – da präzisiert man nicht unbedingt und feilt an den Formulierungen.

Was das Lächeln angeht, das stimmt – das braucht es nicht. Fliegt raus.

Findest du das für Alexandras Charakterisierung wichtig, dass sie das Handtuch trägt?

Ehrlich gesagt wollte ich sie mit diesem Satz gar nicht charakterisieren. Aber es ist auch nicht so ungewöhnlich, dass man ein Handtuch um sich schlägt, wenn man aus der Dusche kommt, oder? Wenn ich es weglasse, steht da nur: sie steht tropfnass vor dem Spiegelschränkchen. Dann könnte sie auch aus dem Regen gekommen sein – könnte sie vermutlich auch mit Handtuch, aber irgendwie gibt das für mich ein klareres Bild, dass sie aus der Dusche kommt.

Du schlägst vor, das „beschlagen“ rauszunehmen, hast aber genau richtig erkannt, dass das nur aus dem einen Grund dasteht, damit man als Leser einen Eindruck davon bekommt, wie lange Alexandra auf den Zettel blickt. Du schreibst:

also das Beschlagene, das kannst du ja in der Stelle hinten einbauen.

Ich verstehe nicht ganz, wie du das meinst – ich soll das beschlagen dann erwähnen, wenn das Schränkchen nicht mehr beschlagen ist?

Was mir an den Zetteln gefiel, die sie da nach und nach findet, das ist, dass die tatsächlich fieser werden.*

Schön :). Da hab ich mir echt einen abgebrochen, passende Worte zu finden. Aber genau so sollte es ankommen, es wird immer bedrohlicher. Ich hatte auch noch einen Vers zu „schmecken“ (dann wären die fünf Sinne komplett gewesen), aber der ist letzten Endes der Kürzung zum Opfer gefallen.

Als Anregung wollte ich noch sagen, dass ich es geil gefunden hätte, wenn du neben Martin und Malek, die sie ja beide nacheinander in Verdacht hat, du den Leser auf die Fährte lenkst, dass Mona ein übles Spiel mit ihr treibt.*

Das stimmt, mir würde das auch gefallen. Ich hab das in einem Satz beiläufig erwähnt, kurz nach dem Streit von Alexandra und Mona, aber ausgearbeitet ist das nicht. Die Gefahr ist halt dann, wenn ich da noch Fährten einbaue, dass sich die Leser noch mehr ägern, wenn am Ende Mr. Unbekannt in der Wohnung steht. Eigentlich ist das eine coole Idee mit Mona, aber dann müsste ich glaub auch wirklich einen aus der Runde als Täter nehmen.

Aber das ist nur Spielerei, die der Spannung deiner Geschichte keinen Abbruch tut. Man spinnt einfach ein bisschen weiter, wie alles auch noch zusammenhängen und zusammengebaut sein könnte.

Nein find ich gut wenn du dir da Gedanken machst. Es ist auch eine Ausgangssituation, die sich in viele Richtungen entwickeln kann. Ich hab ja immer noch eine ganz spezielle Idee der Auflösung, die mir auch vor der Geschichte schon im Kopf rumspuckte – wie gesagt, vielleicht mach ich mal ein eigenes Copywrite und komme dann damit daher, da würden mich die Reaktionen auch interessieren :)

Das fand ich gut, wie du das hier machst, du sorgst für so eine kurze Entspannung.

Genau, Entspannung ist das eine – auf der anderen Seite glaube ich, dass es auch eine natürliche Reaktion von Alexandra ist, wenn man ihren Charakter bedenkt. Ein Teil von ihr fürchtet sich zwar, ein anderer Teil fühlt sich aber auch geschmeichelt.

das haut noch viel stärker ins Kontor, als hätte sich die Spannung kontinuierlich in einer normalen Kurve gesteigert.

Ich sehe das genauso. Die spannende Szene sticht einfach deutlicher heraus, wenn die Geschichte zuvor ruhiger war.

Hier habe ich eine Sekunde gezuckt. Meinst du damit, dass sie sich an Monas Lieblingsblume erinnert? Denn dasTagebuch, das der Fremde geschreiben hat, das kennt sie nicht.*

Nein, das wollte ich damit nicht sagen, aber es ist unglücklich formuliert. Ich wollte damit sagen, dass sie wie in Trance durch ihre Wohnung geht, unfähig, wegzurennen oder zu schreien. Sie weiß ja zu diesem Zeitpunkt, dass jemand da ist. Erst die Rose – die da ja nicht hingehört – reißt sie aus dieser Trance, aber das hätte jeder fremde Gegenstand getan, es ging nicht um die Rose an sich.

Ok, zu Karl Dall: Ich nehm ihn raus. Ich hoffe, es wird auch so klar, was gemeint ist.

Da machst du ja das Dämonische alles Fiese und Widerwärtige kaputt.*

Du schreibst paar Sätze später, die Plaudermörder (wo du immer diese Begriffe hernimmst ;)) seien die schlimmsten – ich finde, das trifft auch auf die zu, die harmlos aussehen. Vielleicht schaust du Game of Thrones (und wenn nicht, solltest du das tun :)), da gibt es eine Figur, ein Sadist allerschlimmster Sorte, und in der Serie wird er gespielt von jemandem, der ziemlich harmlos ausieht, so ein Typ Traum aller Schwiegermütter – und das macht die Figur irgendwie noch viel schlimmer.

Gemein, wie du hier wieder den Bogen zum Anfang knüpfst.*

Das geht auf Flieges Konto :) Sie wollte, dass aus dem Tagebuch zitiert wird. Fand ich aber eine ziemlich gute Idee.

Hier finde ich es klar, dass man das Verhältnis zwischen Mona und Alexandra auch nicht zuuuu schlimm sein lassen darf, denn sonst würde das ja nicht funktionieren, dass Mona unter dem Verlust der Schwester so leidet, wie es der Mörderintendiert.

Das stimmt. Sie haben ja auch ein sehr gutes Verhältnis und stehen sich nahe, auch wenn es eine gewisse Rivalität gibt – die der Leser aber auch nur aus Alexandras Sicht erfährt. Aber es stimmt, wenn diese Rivalität ausgebaut wird und die Schwestern ein schlechteres Verhältnis haben – wenn Mona gar eine Hauptverdächtige wäre – würde der Plan des Mörders nicht mehr so gut funktionieren. Obwohl man natürlich auch argumentieren kann, dass er vom eigentlichen Verhältnis der Schwestern nicht unbedingt viel wissen muss. Du schreibst, er wird sie beobachtet haben – ja, vermutlich schon, aber wie viel bekommt man da mit? Aber ich sehe es auch so, wenn das Verhältnis zwischen Alexandra und Mona ein anderes wird, muss auch der Rest der Geschichte anders sein.

Den letzten Satz würde ich streichen. Man weiß ja, dass A. ihre Schwester schützen wird, nachdem du den Lesern das Foto gezeigt hast. Ich finde, den Absatz mit dem Foto zu beenden, einfach krasser, schöner, intensiver.*

Ich finde das erstaunlich, du bist schon die zweite, die das vorschlägt. Ich sehe es genau anders, ich finde, der Absatz braucht zum Ende diesen Satz. Sonst endet es mit dem Satz auf dem Foto – fragt man sich da nicht, und jetzt? Wirkt das dann nicht unvollständig? Der Satz rundet das ganze in meinen Augen ab.

Also - hat mir mal wieder sehr gut gefallen. Spannend und gemein. Ganz so, wie es sein muss.*

Und ich habe mich wieder sehr über deinen Kommentar gefreut, dein Lob, deine Anmerkungen, und deine Gedanken zum Text. Wirklich, tolles Feedback, vielen lieben Dank, Novak.

Viele Grüße
Schwups

 

He schwups,

Mir hat deine Geschichte so halb und halb gefallen. Überwiegend ist es spannend geschrieben, aber da sind mir noch zu viele Dinge, die unnötig aufbauschen und auch gelegentlich etwas sperrig formulierte Sachen drin.
Für meinen Geschmack hätte man hier noch weiter ausdünnen müssen. An manchen Stellen waren mir zum Bsp die Dialoge mit der Schwester einfach zu lang, die liefen ja eh nach dem gleichen Schema ab. Da wäre eine Straffung in meinen Augen sinnvoll. Ich mein, viel passieren tut ja eh nicht, du versuchst halt die Spannung hochzukitzeln. Mir ist das ein bisschen zu viel des Hinhaltens. Vielleicht fehlt mir aber auch ein Fünkchen „Verständnis“ für das Verhalten deiner Alexandra. Einn klares Bild hatte ich von ihr nicht vor Augen. Mona hast du da schon deutlich präsenter hinbekommen.
Mit dem Ende überraschst du mich. Das gibt dem Ganzen dann eine neue Wendung. Für einen Moment habe ich mich gefragt, ob ich das so gut finde, denn man hatte ja keine Chance als aufmerksamer Leser da hinter zu kommen. Also die Figur des Schlossers ist ja wirklich gänzlich neu. In einem Film hätte man die vll kurz mal im Hintergrund einblenden können, als „Passant“ oder so. In einer Geschichte ist es schwieriger, kann es womöglich rückwirkend eingestreut werden. Wenn man möchte. Ist natürlich auch so legitim. Ich glaub, ich finds einfach besser, wenn ich als Leser die Chance habe, die Lösung zu erraten.
Am Ende: Ich fand die Wahl schon krass und habe mich dabei erwischt, zu überlegen, welche Entscheidung ich wohl getroffen hätte.
In der Geschichte ziehst du dich ja gekonnt zurück. Was nun die Blume am Auto bedeuten mag, ja, das könnte in beide Richtungen funktionieren.

Eigentlich wollte ich mir gar keine Notizen beim Schreiben machen, so habe ich nur ein paar Brocken rausgepickt, die mich rausgekickt haben beim Lesen. Hier also meine Gedanken zu einigen Formulierungen:

„„Er kommt“, flüsterte Alexandra und packte hektisch den Zettel zurück.„
Das finde ich zum Beispiel recht sperrig. Du hast hier das Flüstern, das zeigt doch schon die Situation an, da braucht es das hektisch nicht und in meinem Leseempfinden ist „packen“ einfach das falsche Verb.
„Er kommt“, flüsterte Alexandra und steckte den Zettel weg.
Das ist doch vollkommen ausreichend so.


„Sie stockte, als sei sie gegen eine Wand gelaufen. Ihre Hand verharrte in der Tasche, ihr Mund stand offen. Wie aus weiter Ferne hörte sie ihr Keuchen.“
Für mich ein Overload.
1. Stocken, 2. gegen die Wand, 3. verharren, 4, offen stehender Mund, 5. weite Ferne, 6. Keuchen
Kann man alles machen, aber das blümt hier ganz schön raus und ich finde es, vor allem auch im Vgl zu deinem übrigen Stil, einfach too much

„Einen Augenblick glaubte sie, sich übergeben zu müssen, doch anstelle des Abendessens kamen nur Tränen.“
Das ist poetisch, aber auch hier kippt es aus dem Ton. Diese Wortspiele hast du sonst nicht im Textbund, deshalb ist das für mich an dieser Stelle ein Kicker

„Alexandra hätte liebend gern einen Schluck Wasser getrunken, ihre Kehle fühlte sich rau und wund an, doch sie traute sich nicht, danach zu fragen“
Liebend gern?
Das klingt wirklich schräg in dieser Situation. Und auch „sich nicht trauen“, diese Empfindung hat man vll bei einem Date, weil man nichts vermasseln möchte. Hier aber hat sie ja wohl Angst oder Panik! Insgesamt zu aufgebläht.
Ihr Hals ist wund! Mehr braucht es doch gar nicht. Dass sie ein Hasenfuß ist, hast du hinlänglich aufgezeigt

„meine Mutter so krank gemacht, dass sie die Abgase ihres Autos eingeatmet hat.“
-Die Abgase ihres Autos eingeatmet- Ich habe auch kurz überlegt, wie ich es umformulieren würde, damit es nicht so gestelzt klingt, und festgestellt, es ist nicht so einfach. So aber darf das nach meinem Empfinden nicht stehen bleiben. Das hat nichts von geschliffener Sprache. Und auch wenn ich hier so rumnörgel, im Großen ist die Sprache sauber. Da verdient es auch hier eine Runde Formulierung. Oder eine andere Lösung.

Als Copy finde ich den Text spannend, hast da schöne Anleihen drin und hast dich doch auf einen anderen Pfad eingelassen.

Ach ja, den ersten kursiven Teil übrigens, den fand ich äußerst gut. Der hat mich gleich in die Geschichte geholt. Alles offen, Spannungsvorgeknistere. So soll das sein!

Grüßlichst
Weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo weltenläufer

An manchen Stellen waren mir zum Bsp die Dialoge mit der Schwester einfach zu lang, die liefen ja eh nach dem gleichen Schema ab.

Das ist natürlich schade, war es doch die Absicht, gerade in diesen Dialogen die zunehmende Anspannung rüberzubringen. Ich fand es besser, vieles davon in diese Dialoge zu packen anstatt es geradewegs auszuerzählen, gerade auch was die unterschiedliche Einschätzung über die Zettel angeht.

Ich mein, viel passieren tut ja eh nicht, du versuchst halt die Spannung hochzukitzeln.

Jo, aber das finde ich in einer Geschichte, deren hauptsächliches Element nunmal die Spannung ist, auch einen legitimen Grund für einen Dialog. Aber dass du „versuchst“ schreibst, zeigt mir, dass es bei dir nicht richtig gezündet hat.

Vielleicht fehlt mir aber auch ein Fünkchen „Verständnis“ für das Verhalten deiner Alexandra. Einn klares Bild hatte ich von ihr nicht vor Augen. Mona hast du da schon deutlich präsenter hinbekommen.

Ja, dann wird es natürlich schwierig, wenn man keinen Zugang zur Hauptfigur bekommt. Das sehe ich ein, dann nerven die Dialoge.

In einem Film hätte man die vll kurz mal im Hintergrund einblenden können, als „Passant“ oder so.

Wie du schreibst, sowas ist schwierig in einer Geschichte, vor allem in einer, die mit einer recht überschaubaren Anzahl an Figuren auskommt. Wenn ich da den Schlosser früher erwähnt hätte – eine Möglichkeit wäre, dass er tatsächlich zu Reparaturarbeiten bei Alexandra auftaucht – wäre das evtl. eine seltsame Szene geworden, weil man sich als Leser fragt, was soll denn das nun? Aber es wäre durchaus eine denkbare Möglichkeit gewesen und hätte sich am Ende ja aufgelöst.

Ich glaub, ich finds einfach besser, wenn ich als Leser die Chance habe, die Lösung zu erraten.*

Das ging fast allen Lesern so, und das wäre auch etwas, das ich definitiv anders machen würde beim nächsten Mal.

Was nun die Blume am Auto bedeuten mag, ja, das könnte in beide Richtungen funktionieren.*

Interessant, dass du das erwähnst. Ja, die Geschichte schweigt dazu. Es gibt zwar einen recht offensichtlichen Hinweis, mit der Erwähnung des Fotos kurz vorher, aber du hast schon recht, die Wahl kann auch gegen den inszenierten Selbstmord gefallen sein, und das erklärt die Rose am Auto. Aber ich gehe eher davon aus, dass Alexandra ihrer Schwester kein Leid zufügen wollte.

„Er kommt“, flüsterte Alexandra und steckte den Zettel weg.
Das ist doch vollkommen ausreichend so.

Da hast du recht. „Wegpacken“ ist hier wohl eher der Umgangssprache geschuldet.

Liebend gern?*

Stimmt, ebenfalls unnötig, fliegt raus. Dieses „sich trauen“ bezieht sich eher darauf, dass vor ihr ja schon ein Glas Wasser steht. Wenn sie so durstig ist, ist es doch naheliegend, nach einem Schluck zu fragen, da der Bösewicht es ja extra für sie dahin gestellt hat.

Grundsätzlich teile ich auch deine anderen Punkte. Ich werde auch da nochmal drübergehen.

Als Copy finde ich den Text spannend, hast da schöne Anleihen drin und hast dich doch auf einen anderen Pfad eingelassen.*

Ja, das ist für mich irgendwie die Hauptsache beim copywrite, dass man möglichst viele Elemente aus dem Original übernimmt und neu in die Handlung verwebt. So ja zum Beispiel auch die Sache mit dem Teppich oder eben die Rose am Auto zum Schluss.

Ach ja, den ersten kursiven Teil übrigens, den fand ich äußerst gut. Der hat mich gleich in die Geschichte geholt. Alles offen, Spannungsvorgeknistere. So soll das sein!

Das hör ich natürlich gerne. Ich danke dir ganz herlich für deinen Kommentar, weltenläufer, deine kritischen Anmerkungen, dein Lob und überhaupt für die investierte Zeit.

Viele Grüße,
Schwups

 

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