Was ist neu

Chinesische Mythologie? So ein Scheiß!

Mitglied
Beitritt
01.08.2008
Beiträge
122
Zuletzt bearbeitet:

Chinesische Mythologie? So ein Scheiß!

Ihre dunklen Augen blitzen geheimnisvoll unter den schwarzen Haaren hervor. Kunststück. Gab ja nicht viele Chinesinnen, deren Augen und Haare nicht dunkel waren. Seit die Augen dieser einen nur für mich leuchteten, konnte ich mir jedenfalls gar nichts schöneres vorstellen als dunkel blitzende Augen. Vor allem zusammen mit diesem zierlichen Mund.
Die anstrengende Mathe-Doppelstunde war gerade zu Ende gegangen und wir standen Hand in Hand auf dem Schulgang. Von einigen der Kollegen, die Richtung Buffet an uns vorbeimarschierten, erntete ich anerkennende Blicke. Li Ying flüsterte mir ins Ohr: “Ich treff dich heute um drei im Park. Ich hab dann auch was für dich.”
“Eigentlich genügst du mir vollkommen”, flüsterte ich zurück und drückte ihr einen Kuss auf. “Kitschbeutel!”, kicherte sie. “Ich muss jetzt Bio! Bis dann!“ Sie bedankte sich mit einem weiteren Kuss für das Kompliment und stiefelte von dannen.
Ich sah ihr nach und lächelte dumm vor mich hin.
“Tim!” ertönte eine herrische Stimme hinter mir. “Was habe ich dir in Bezug auf meine Schwester gesagt?” So plötzlich aus meinen verträumten Gedanken gerissen, drehte ich mich erschrocken um und sah Wang-Chao auf mich zustampfen.
Kleinlaut sagte ich: “Na ja, du hast noch gar nichts dazu gesagt, weil du es eigentlich noch nicht wissen solltest”.
Wang-Chao war eine Klasse über uns und dreißig Zentimeter breiter als ich. Ich verstand Null von chinesischer Philosophie, aber Li hatte mir einmal erzählt, dass sie als das Yin der Familie galt. Ihr Bruder war eindeutig Yang. Neben den Muskeln und einer coolen Frisur hatte er den Exoten-Bonus, eine Kombination, die die Mädchen Schlange stehen ließ.
“Ich soll es nicht wissen? Sag mal, hältst du mich für blind und blöd? Hör mir gut zu: Li Ying wird bald einen Chinesen heiraten. Wenn du es genau wissen willst: ihren Cousin. Das wurde arrangiert, als sie noch ein Kind war. Und du wirst dich von ihr fern halten, genau wie alle anderen hier, klar?”
Ich war schockiert, versuchte aber, ruhig zu bleiben. Auch, wenn mich ihr Bruder zu Matsch verarbeiten sollte, würde ich Li Ying für keinen Cousin der Welt aufgeben. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und verbeugte mich tief. “Ich bitte vielmals um Verzeihung, ehrenwerter Herr Hong, wenn ich Ihre Familienehre beleidigt habe. Aber ich dachte, ich würde eigentlich mit Ihrem Sohn sprechen, der, wie man hört, ein weltoffener Mensch sein soll.”
Wang-Chao starrte mich verdutzt an. So schlagfertig kannte er mich nicht. Einen Augenblick lang dachte ich, er würde seine eigene Schlagfertigkeit an mir demonstrieren. Doch plötzlich begann er laut zu lachen. “Bist du bescheuert, Mensch? Glaubst du echt, mein Vater würde so einen Scheiß verzapfen? Hab dich nur verarscht. Arrangierte Ehen und Inzucht findet sogar mein Opa inzwischen ziemlich uncool. Was mich betrifft, ist's mir egal, ob der Verehrer meiner Schwester Milch verträgt oder nicht. Aber warum sie eines ihrer Schlitzaugen ausgerechnet auf dich blasse Backe geworfen hat, muss sie mir in einer ruhigen Minute mal erklären.”
“Na, für eine gesunde Bräune seid ihr doch auch nicht gerade bekannt”, grinste ich. Und so bekam ich doch noch einen Schlag auf die Rippen.

Eine Stunde war ich auf der Parkbank gesessen und spielte inzwischen die dreißigste Runde Angry Birds. Eigentlich hätte ich mir beim Warten lieber die Beine vertreten, aber das Sitzen linderte die Rippenschmerzen.
Keine Spur von meiner süßen Li Ying. Ich hatte es fünf Mal auf ihrem Handy probiert. Jedes Mal die verdammte Mobilbox. Der Ansagetext war ein schwacher Ersatz für ihre Stimme in echt.
Jetzt hatte ich zwei Möglichkeiten. Zum einen anzunehmen, dass sie auf unser Date einfach vergessen hatte, mit ihren Freundinnen plaudernd beim Kaffee saß und das Handy nicht hörte. Oder aber, mir Sorgen zu machen. Ich beschloss, mir Sorgen zu machen. Beim Tratschen das Handy zu überhören, passte nicht zu ihrem Piepsstimmchen sowie ihrem AC/DC Klingelton, und auf mich zu vergessen, das passte nicht zu ihr.
Stöhnend erhob ich mich von der Bank und trottete zum Goldenen Drachen. Das Chinarestaurant, das als einziges der Stadt tatsächlich chinesisches Essen servierte, wie Li Ying immer stolz erklärte. An diesem sonnigen Tag wirkte das Lokal im Vergleich noch düsterer als sonst. Kein einziger Gast war da. Ich sah mich um. Offenbar war nicht nur das Essen authentisch, auch die Unmengen an staubiger Dekoration sahen nicht nach Made in China aus. Also natürlich schon Made in China, aber auf die gute, handarbeitige Weise.
Nicht ganz dazu passte das Aluminiumfass voll Bier, das Wang-Chao gerade auf den Schultern hinter die Bar trug. Er wirkte erstaunt, mich zu sehen.
“So hast du also deine Schulterpolster gekriegt”, sagte ich grinsend. Das konnte ich riskieren, da er keine freie Hand zum Schlagen hatte.
Er stellte das Fass nicht gerade behutsam ab. “Solche Kommentare kannst du dir sparen. Ich muss ordentlich anpacken, solange meine Eltern in der alten Heimat sind. Was machst du eigentlich hier? Alleine?”
“Deine Schwester ist also nicht da? Ich habe im Park auf sie gewartet, sie hat sich nicht blicken lassen.”
“Zuhause ist sie auch nicht. Eigentlich sollte sie mir ja im Restaurant helfen, statt mit dir in irgendwelchen Parks rumzusitzen.”
“Weil hier so viel Betrieb herrscht, schon klar. Jedenfalls kommt mir das komisch vor. Am Handy erreich ich sie auch nicht.” Damit hatte ich zumindest erreicht, dass ich mir nicht als Einziger Sorgen um Li Ying machte. Leider sind geteilte Sorgen keine halben Sorgen, und die leere, düstere Chinakneipe trug auch nicht gerade zu einer guten Stimmung bei.
“Wang-Chao!” erklang eine Stimme aus der hintersten, dunklen Ecke des Lokals. Undeutlich konnte ich einen kleinen Mann sehen, dessen Gesicht im Dunkeln lag. Nur die Silhouette seines beeindruckenden Spitzbartes war deutlich zu erkennen. Das musste Onkel Shinzou sein, von dem mir Li Ying erzählt hatte. Wang-Chao stapfte zu ihm und sprach leise und ernst chinesisch mit ihm. Nach einigen Minuten gewann das Gespräch an Fahrt. Wang-Chao benutzte Phrasen, die eigentlich nur Schimpfworte sein konnten. “Was soll das heißen?” schrie er plötzlich auf Deutsch. “Nichts wird gut! Alles wird Scheiße!” Entweder verstand Onkel Shinzou ihn nicht, oder er hatte einfach nichts darauf zu sagen. Wang-Chao setzte sich auf eine Bank und starrte vor sich hin. Zögerlich hockte ich mich neben ihn. “Was ist denn los?”
“Scheiße ist los.”
“Das war nicht zu überhören. Was für Scheiße?”
Er seufzte. “Ich hab dir doch heute Vormittag erzählt, dass Li Ying als Kind ihrem Cousin versprochen wurde. Das war natürlich Blödsinn. Es war nicht ihr Cousin.”
“Sondern?”
“Hör mal Tim, es ist kompliziert und komisch, und ich verstehe es selbst noch nicht ganz. Hau jetzt bitte ab, du kannst uns bei der Sache nicht helfen.”
“Moment mal! Das könnt ihr doch nicht machen! Li Ying ist doch noch minderjährig oder so was?”
“Es geht dabei nicht um Sex, wenn du das meinst. Sie soll eine … besondere Verbindung mit jemand eingehen.” Ich verstand kein Wort. Wohl ein bescheuerter chinesischer Brauch oder so was. Warum hatte sie mir nichts davon erzählt? “Sie macht das nicht freiwillig, oder?”
Wang-Chao schüttelte den Kopf. “Kinder werden nicht gefragt, Kinder brauchen es nicht zu wissen. Das ist Tradition”.
Tausend Gedanken wirbelten durch meinen Schädel, doch nur einer hatte Gewicht. Ein solches Gewicht, dass es ihn genau in mein Sprachzentrum drückte. “Ich werde sie holen.”
“Red keinen Müll. Das ganze geht dich nichts an. Das ist eine Sache unter Chinesen”, behauptete er. “Unter besonderen Chinesen”, ergänzte er mit einem bösen Blick auf seinen Onkel.
“Leck mich!”, schrie ich Wang-Chao an, meinte dabei aber eher Onkel Shinzou. “Die Sache geht mich sehr wohl was an, weil ich sie liebe!” Oh Mann. Wir waren gerade mal drei Tage zusammen. Ich lief rot an. “Sag mir jetzt wo sie ist! Sonst werd ich einfach die Cops anrufen!” Warnend holte ich das Handy aus der Tasche.
“Na die würden uns gerade noch fehlen. Hätte ich dir bloß erzählt, sie will dich einfach nicht mehr wieder sehen.
Also schön, damit wir dich los werden: Der Importhandel in der Kanarisstraße. Weißt schon, wo alle Chinarestaurants der Stadt ihre Stäbchen und Plastikbuddhas kaufen. Irgendwo in diesem Gebäude soll sie sein, sagt Onkel Shinzou. Aber du wirst da drin nicht weit kommen.”
“Das werden wir schon sehen”, sage ich mehr zu mir selbst und verließ das Restaurant.
Zehn Schritte weiter blieb ich stehen und kam mir blöd vor. Li Ying sollte in einem Supermarkt festgehalten werden? Hatte ich mich gerade wieder deftig verarschen lassen?
“Warte mal, Tim!” Wang-Chao stand plötzlich neben mir. “Ich komm mit. Auch wenn mich meine Familie und die gesamte Göttersippe verfluchen, meine Schwester ist wichtiger. Außerdem”, fuhr er fort, “ohne mich würdest du da drinnen wahrscheinlich draufgehen, und wie sollte ich das morgen den Kollegen verklickern.”

Die gesamte Busfahrt über hatte ich versucht, Wang-Chao doch noch vom Einschalten der Polizei zu überzeugen. Sein letzter Satz hatte meinen vorangegangenen Mut in eine kleine weiche Masse verwandelt, die sich zwischen den Eingeweiden versteckt hatte.
“Selbst wenn du es schaffst, dass die Cops eine Hausdurchsuchung machen, würden sie da drin nichts finden”, erklärte er. “Diese Leute haben Tricks, sie zu täuschen. Und du kannst dir sicher denken, wie gründlich die Polizei arbeitet, wenn es nur um eine Ausländerin geht. Auch wenn die seit neun Jahren im Land ist und die Staatsbürgerschaft hat.”
“Eine Ausländerin mit inländischer Staatsbürgerschaft, na klar”, meinte ich. “Aber sterben will ich halt nicht unbedingt.”
“Was diese Sache betrifft … Ich hab das gesagt, weil ich weiß dass du ein Betonschädel bist. Du hättest denen garantiert direkt erzählt, wonach du suchst. Das könnte blöd ausgehen. Wenn wir aber als Kunden reingehen, können wir uns in Ruhe umschauen, ohne dass uns gleich Blitze um die Ohren fliegen.”
Blitze?
Der Bus hatte den schönen Teil der Stadt verlassen und kam gerade in eine Gegend, die Politiker rechts der Mitte als “Problemviertel” bezeichneten, Linke hingegen als “Gebiet mit Wachstumspotential”.
“Wang-Chao, hoffentlich hast du deinen Onkel vorher nicht verletzt, als du ihn geschlagen hast.”
“Ach was, so was hält der locker aus. Selbst schuld, wenn er uns aufhalten will. Außerdem ist er ein Schlitzohr und hat es nicht anders verdient.”
“Also ist dieses typisch asiatische Adjektiv bei ihm nicht auf die Augen beschränkt. Toller Kick übrigens, sah richtig nach Jacky Chan aus. Aber jetzt rück mal raus mit der Sprache. Was sind das für Leute, die sich deine Schwester geschnappt haben?”
“Mächtige.”
“Mächtige? Hier in diesem Viertel?”
“Nicht mächtig im westlichen Sinn.”
“Im welchem Sinn sonst? Sind das Zauberer? Oder vielleicht Götter?”, fragte ich sarkastisch.
“Götter sind es nicht, aber sie sind mehr als gewöhnliche Menschen. Nämlich Chinesen.”
“Sehr lustig. Irgendwas konkretes?”
“Onkel Shinzou drückte sich sehr vage aus. Jedenfalls wollen sie ein uraltes Ritual mit Li Ying durchführen.”
“Na toll, also irgendwelche Sekten-Spinner. Wie konnte deine Familie denen nur deine Schwester versprechen?”
“Onkel Shinzou sagte nur, ’um großes Übel abzuwenden’. Ich weiß nicht, ob es dabei nur um unsere Familie geht. Wahrscheinlich geht es um viel mehr, sonst hätten sie das nie einem Familienmitglied angetan.” Wang-Chao wischte sich kurz über die Augen. “Inzwischen verstehe ich wenigstens, warum meine Eltern gerade jetzt in China sind. Sie wollten nicht mit ansehen, wie ihre Tochter geholt wird.”

Der Bus hielt direkt vor “Shen-Dings China Import”. Einige Chinesen mit großen Einkaufskörben stiegen gemeinsam mit uns aus und verschwanden in dem riesigen Laden. Die Farbe war an vielen Stellen abgeblättert, an anderen hatten Sprayer ihre Tags hinterlassen. Leute kamen mit Einkaufswägen von der Größe eines VW Golfs heraus, vollgeladen mit Besteck, Gläsern, Nudeln, Toilettenpapier und hundert anderen Dingen.
Ausgerechnet hier sollte ein satanisches oder sonst wie abartiges Ritual stattfinden?
Wang-Chao bemerkte meinen zweifelnden Blick. “Wie bei vielen ausländischen Geschäften ist das hier nur Fassade”, erklärte er. “Die dreckigen Dinge passieren tief im Inneren, wo kein Kunde und kein Lebensmittelinspektor jemals hinkommen. Und der große Vorteil: Keine neugierigen Nachbarn.”
Ich wollte hineingehen, aber er hielt mich an der Schulter zurück. “Ich habe nachgedacht. Werd das besser allein machen. Erstens fällst du da drinnen auf, zweitens kannst du mir eh nicht wirklich helfen, drittens wird es wahrscheinlich gefährlich werden.”
“Da hast du sicher recht”, sagte ich und ging in den Laden. Wang-Chao folgte mir grollend.

Wäre jemand in Peking betäubt worden und in diesem Laden wieder aufgewacht - er würde nicht bemerken, dass man ihn auf einen anderen Kontinent gebracht hatte. Ich fühlte ich mich schnell sehr fremd unter all den Schriftzeichen, Drachen, Buddhas, Reisschüsseln, Tsing Tao Bieren und - natürlich - Chinesen. Seltsamerweise waren kaum Angestellte zu sehen. Wir streiften durch den Laden, bis wir vor einer Tür standen, auf der in acht Sprachen “Nur für Personal” stand. “Vielleicht ist das nur die Toilette für die Angestellten”, flüsterte ich.
“Mit zwei Zylinderschlössern versperrt?”, flüsterte Wang-Chao zurück. “Dahinter ist sicher das Lager. Und dahinter wird es dann interessant.” Wir mussten eine Weile warten, bis einer der grün gekleideten Beschäftigten Richtung Tür ging. Ich betrachtete so interessiert wie möglich eine Steige voller Urinkuchen, während der Angestellte die beiden Türschlösser entsperrte und hinausging. Der Schließmechanismus arbeitete zu unserem Glück sehr langsam. Hinter der Tür sah ich eine Halle mit langen Reihen von Regalen. Der Angestellte war um die Ecke gebogen, und auch sonst konnten wir niemanden sehen. Mein Herz pochte, als wir durch die Tür schlüpften, die hinter uns zufiel. Wenn es keinen anderen Ausgang gab, saßen wir jetzt möglicherweise in der Falle.
Wir huschten an den Regalen entlang. Nach fünfzig Metern waren wir am Ende der Halle angelangt, ohne etwas hilfreiches, verdächtiges oder auch nur eine Tür entdeckt zu haben. In diesem Moment hörten wir Schritte. Der Arbeiter kehrte zurück. Wir duckten uns hinter einer vollgeladenen Europalette. Hoffentlich brauchte er keine Waren von hier. Ich las die Aufschrift auf dem Karton neben mir. Verdammt. Sojasauce. Nichts brauchen sie häufiger. Tatsächlich kamen die Schritte immer näher. Da fiel mir ein Spalt im Boden auf. Es war nicht nur ein Spalt, sondern eine Falltür zwei Meter hinter uns. So leise wie möglich hoben wir sie an. Sie war schwer, aber zum Glück quietschte sie nicht. Darunter war es dunkel, und es roch nach Keller. Eine Leiter führte nach unten. Ich überwand meine Angst vor dunklen Löchern und stieg vor Wang-Chao hinunter. Es wurde noch finsterer, als er die Falltür hinter sich vorsichtig schloss.
“Gut gemacht”, flüsterte ich ihm zu, als wir auf dem Boden standen.
“Aber es ist stockfinster”, flüsterte er zurück. Das blieb es nicht lange. Der fünf Zoll große Handybildschirm war besser als jede Taschenlampe. “Also dafür braucht man die Riesendinger”, sagte er beeindruckt.
Wir standen auf einem steinernen Boden. Die Wände waren ebenfalls aus rohem Stein und mit Moos bewachsen. Die Feuchtigkeit muffelte in der Nase, und es war kalt. Hier gab es garantiert Ratten oder Schlimmeres. Ich musste mich irgendwie ablenken. “Hey Wang-Chao“, sagte ich nach hinten, wo er sich gerade abmühte, mit seinen breiten Schultern nicht im schmalen Gang stecken zu bleiben.
“Was ist?”
“Was haben ein Chinese und der Grüne Punkt gemeinsam?”
“Was denn.”
“Na einen gelben Sack!”
“Du verdammter Rassistenarsch! Wäre ich dein Vater, hätte ich dich als Kind auch irgendeinem Verrückten versprochen.”
“Da hätte mich keiner gewollt. War kein sehr hübsches Kind.”
“Na daran hat sich ja bis heute nicht viel geändert”, stichelte Wang-Chao.
Ich musste plötzlich wieder an Li Ying denken, und es versetzte mir einen Stich an der Stelle, wo immer noch die Rippen weh taten. “Glaubst du, wir schaffen es rechtzeitig?”, fragte ich leise.
“Wenn nicht, wird vielleicht die Welt gerettet oder so.”
“Eine Welt ohne deiner Schwester ist Scheiße.”
“Das ist sie.”

Wir näherten uns einer Ecke, in die ein schwacher Lichtschein fiel. Ich riskierte einen Blick. Der Gang verbreiterte sich zu einem Raum, der von Petroleumlampen erhellt wurde. An der rechten Wand sah ich eine stabil aussehende Holztür. Und davor zwei Kerle, die Wache hielten.
Schnell zog ich den Kopf zurück. “Wang-Chao!”, flüsterte ich. “Es sind zwei.”
“Bewaffnet?”
“Glaube nicht.”
“Okay.” Er grinste. ”Du übernimmst den Linken.”
Klar, ich würde dann mal den Linken “übernehmen”. Machte ich ja jeden Tag. Wir rannten aus unserer Deckung. Die beiden schlaksigen Kerle hatten hier unten wohl keine Besucher erwartet und wurden völlig überrascht. Wang-Chao sprang aus vollem Lauf auf den rechten zu, das ausgestreckte Bein in Richtung seines Brustkorbs. Der Wächter knallte gegen die Tür und blieb benommen liegen. Bevor der andere richtig reagieren konnte, haute ihm Wang-Chao den Ellenbogen in den Bauch, und rammte ihn ebenfalls mit dem Schädel gegen die Tür.
Wir durchsuchten die beiden. Einer hatte Klebeband in der Tasche, mit dem wir sie fesselten.
“Wang-Chao?”
“Ja?”, fragte er atemlos.
“Musst du unbedingt dieses Asiaten-Klischee bestätigen? Außerdem wäre der Linke meiner gewesen.”
“Entschuldigung”, sagte er. “Nächstes Mal denk ich daran. Und was das Klischee angeht: In meinem Kampfsportkurs können so was alle Schwarzgurte, die meisten davon Europäer.”
Jetzt mussten wir irgendwie die Tür aufbekommen. Hoffentlich hatte auf der anderen Seite niemand etwas von dem Kampf bemerkt. Ich durchsuchte noch mal die Taschen der beiden. Kein Schlüssel. Wir überlegten eine Weile. Die Zeit lief uns davon. “Ich werd versuchen, sie aufzubrechen”, sagte Wang-Chao. Ich sah zuerst auf ihn, dann auf die Tür. Klar, er hatte starke Schultern, an denen sich schon viele Frauen angelehnt hatten, aber das hier war eine mit Eisen beschlagene, massive Tür. “Lass das bleiben. Wir brauchen einen intakten Kung-Fu-Meister da drinnen. Außerdem wirst du solchen Wirbel machen, dass der Überraschungseffekt weg ist.”
“Dann sag du mir doch deinen klugen Plan.” Ich hatte keinen.
Plötzlich hörten wir Schritte aus der Richtung, aus der wir gekommen waren. Wir drückten uns an die Wand, bereit, den Ankömmling aus dem Hinterhalt anzugreifen.
Ein kleiner Mann trat in das Licht. Er erblickte die gefesselten Wächter und brummte. Ich wollte gerade auf ihn los, als mich Wang-Chao zurück hielt. “Onkel Shinzou? Wie im Namen der zehn Höllen kommst du hier her?”
Der bärtige Alte sprang vor Schreck einen Meter in die Luft. “Hier seid ihr. Schon gemacht Sorgen. Nichts gutes passiert hier unten.”
“Wissen wir. Falls du uns aufhalten willst, bist du umsonst gekommen. Wir holen jetzt Li Ying. Wie auch immer du es hier her geschafft hast, geh wieder nach Hause.”
Der Alte kicherte. “Ihr holt Li Ying? Ihr dann besiegt auch mächtigen Yaoguai, ja? Ihr kommt nicht einmal durch einfache Holztür.”
Wang-Chaos Gesicht verriet, dass er ahnte, wovon der Alte sprach.
“Raus mit der Sprache, ihr irren Asiaten!”, rief ich. “Was ist ein Yaodings?”
Die beiden sprachen kurz auf Chinesisch miteinander. Ich stand ungeduldig daneben.
Schließlich richtete Wang-Chao das Wort an mich: “Okay Tim, hör mir zu, egal, wie verrückt das alles klingt. Li Ying wurde für den Unsterblichkeitsritus des Yaoguai entführt.”
“Na, das hab ich doch von Anfang an geahnt.”
“Vor tausend Jahren”, erklärte er, “entkam der Dämon Yaoguai aus der Hölle, um den Preis seiner Unsterblichkeit. Seitdem erwählt er alle 50 Jahre eine Jungfrau, deren Seele er zehn Jahre später der eigenen einverleibt und die ihm damit neues Leben schenkt.”
“Großartige Story. Und Li Ying darf darin eine Hauptrolle spielen. Warum lasst ihr euch das eigentlich gefallen?”
“Wird dem Dämon jemals sein Opfer verweigert, wird sein Zorn grenzenlos sein. Dieser Zorn verwandelt ihn in seine wahre Gestalt und wird das Ende der Welt einläuten.”
“So ein Quatsch”, murmelte ich in mich hinein.
“Zumindest meine Eltern sind davon überzeugt, dass diese Geschichte zu hundert Prozent der Wahrheit entspricht.”
“Unglaublich. Eine einzige Frage hätte ich noch: Warum betreibt ein unsterblicher Dämon einen Chinahandel hier bei uns?”
“Von irgendwas muss der ja auch leben. Und er hat Ruhe vor den Behörden. Nur Jungfrauen findet er hier bestimmt nicht so viele wie daheim.”
Ich beobachtete Onkel Shinzou, der sich an der Tür zu schaffen gemacht hatte. “Wang-Chao, das Ganze ist doch Blödsinn, oder? Alte Mythen und so. Deine Verwandten sind eine sehr abergläubische Sippe, und dieser sogenannte Dämon einfach ein Verrückter, stimmt‘s?”
“Ich vermute es”, antwortete er. Doch er sah mir dabei nicht in die Augen.

Was auch immer Shinzou an der Tür gemacht hatte, plötzlich sprang das Schloss auf.
“Wie haben Sie…”
“Magic”, kicherte er.
Er öffnete die massive Tür einen Spalt weit. Vor uns lag ein quadratischer, holzvertäfelter Saal. Kunstvoll geschnitzte Gaslampen hingen von der Decke. In der Mitte des Raumes lag ein riesiger feuerroter Teppich. Darauf stand ein großer Tisch. Und darauf lag, an Händen und Füßen mit Schlaufen gefesselt, Li Ying. Ein großer dünner Mann stand am Kopfende des Tisches und sagte Zaubersprüche oder so was auf. Seine schneeweißen Haare waren zu einem Zopf gebunden. Er trug weite, dunkelblaue Gewänder. Die Augen glänzten fiebrig in einem käsebleichen Gesicht.
Das alles wäre halb so schlimm gewesen, wenn um ihn herum nicht acht mit Schwertern bewaffnete Männer gestanden wären. Lustigerweise trugen sie alle das grüne Outfit von Shen-Dings China-Import. Scheinbar war das Ritual in Bezug auf die Kleidung der Ehrengarde nicht sehr streng.
Ich blickte in Li Yings angstvolles Gesicht. Sie war nicht nur gefesselt, sondern auch geknebelt worden. Scheinbar hatte sie sich nicht stumm in ihr Schicksal ergeben wollen. Ich ballte die Fäuste.
“Tim”, flüsterte mir Wang-Chao ins Ohr, “Shinzou wird die Wachen ablenken, ich halte uns den Yaoguai vom Hals, und du befreist meine Schwester.”
Wenigstens hatte ich die einfache Aufgabe. Einen Yaodings zu bekämpfen, klang schon schwieriger, aber dass ein alter Mann acht bewaffnete Männer ablenken sollte war völlig verrückt. Er würde sie zehn Sekunden lang ablenken, bis sie ihn massakriert hatten. Vielleicht noch zehn weitere, bis sie das Blut von den Schwertern geputzt hatten.
Mangels eines besseren Planes nickte ich trotzdem.
Im nächsten Moment war Onkel Shinzou schon im Saal. Er schrie etwas auf chinesisch.
“Mächtiger Yaoguai!” übersetzte Wang-Chao leise. “Ich fordere dieses Mädchen zurück. Ich biete dir eine andere Jungfrau dafür. In deiner unendlichen Weisheit wirst du eine Wahl treffen, die Unglück von uns - und dir - abwendet.”
Moment mal, dachte ich. Mit der anderen Jungfrau meinte er doch hoffentlich nicht mich?! Also technisch stimmte es ja, aber …
Der Dämon lachte laut auf. Es klang wie das Bellen eines mittelgroßen Hundes.
“Du Sohn einer penistragenden Mutter forderst mich heraus?”, übersetzte Wang-Chao. “Bringt ihn mir! Sein Sterben soll langsam sein!”
Die Hälfte der Wachen bewegte sich auf ihn zu. Die anderen vier blieben dicht bei ihrem Meister. Zu dumm.
Im Nu war Shinzou eingekreist. Da zog er etwas aus seiner Tasche und warf es auf den Boden. Es zischte, und Rauchschwaden dick wie Grießbrei stiegen daraus hervor. In wenigen Sekunden war von den fünf Chinesen im Inneren nichts mehr zu sahen. Ich konnte nur hören, wie einige Köpfe zusammenstießen, sowie das gelegentliche Kichern von Onkel Shinzou. Die Luft stank nach angefaulten Eiern.
Die übrigen vier Schwerttragenden standen noch immer auf ihrem Platz. Yaodings fuhr mit seinen Beschwörungsformeln fort, diesmal schneller als zuvor. Li Ying sträubte sich gegen die Fesseln.
Da sah ich etwas, das mein Herz kurz aussetzen ließ: Der Mann hielt einen Dolch in der Hand. Scheiße! Scheinbar schloss Seelenübertragung die Opferung des Körpers mit ein. “Du bleibst hier!“, zischte mir Wang-Chao zu und stürmte vorwärts. Ich folgte ihm natürlich. Zwei unbewaffnete Jugendliche gegen vier Supermarktangestellte mit Schwertern. Diese Disziplin würde wohl nicht olympisch werden.
Der stürmische Auftritt Wang-Chaos hatte tatsächlich etwas von einem Wirbelwind an sich. Drei Schwertstreichen wich er blitzschnell aus, sein erster Tritt fällte den Längsten der Wächter. Einer der Bösewichte kam auf mich zu. Er war klein, hatte fettige Haare und wirklich miese Zähne. Er blickte mich an, als hätte ich gerade seinen Lieblingshund überfahren. Ohne das Schwert in seiner Hand und dem Dolch über Li Yings Brust wäre das alles ziemlich komisch gewesen.
Da bemerkte ich, dass dem Kerl sein eigenes Schwert zu schwer war. Mühsam hielt er es in der rechten Hand, hatte aber zu viel Stolz - oder Fachwissen - um den Einhänder mit beiden Händen zu greifen. Ich hatte eine Idee, doch die konnte ich nur umsetzen, wenn ich ihn zuerst zuhauen ließ. Er schien damit einverstanden und schwang das Schwert in einem großen Bogen. Ich wich aus, die Klinge streifte mich nur leicht an der Brust. Adrenalingeschwängert spürte ich es kaum. Wie ich gedacht hatte, brauchte der Chinese eine Sekunde, um mit der schweren Waffe wieder auszuholen, und in dieser Zeit trat ich meine Idee in die Tat um: direkt in seine Eier. Die Luft entwich pfeifend aus seinen gelben Zähnen. Das Schwert fiel scheppernd zu Boden. Ich ergriff es mit beiden Händen - es war wirklich verdammt schwer - und knallte ihm die Breitseite auf den Schädel. Es erklang ein befriedigendes “Klonk” und er sackte zu Boden.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Wang-Chao zwei seiner drei Gegner bereits erledigt hatte, und auch Onkel Shinzou stand neben vier bewusstlosen Gestalten. Der Rauch? Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken - der Dämon hatte seine Beschwörungsformel beendet und konnte jeden Moment zustechen. Obwohl ich plötzlich eine unerklärliche Müdigkeit spürte, lief ich mit dem Schwert in den Händen los. Ich bemerkte kaum die Blutspur, die ich hinterließ.
Ich wollte mit der Waffe ausholen, doch kraftlos fiel sie mir aus den Händen und landete klirrend auf dem Opfertisch. Ich stürzte daneben auf den Teppich, wollte wieder aufstehen, aber fühlte mich unendlich schwach. Mein Hemd war dunkelrot geworden. Ich sehnte ich mich nach seligem Schlaf.
Der Yaoguai lächelte über mir. Er erhob den Dolch. Nein. Lass sie in Ruhe. Ich streckte die Hand aus, als könnte ich ihn damit aufhalten. Da sah ich, dass Li Ying es geschafft hatte, ihre linke Hand aus der Schlaufe zu ziehen. Der Dämon schrie gellend auf, als sich das Schwert in seinen Bauch bohrte. Der große Mann kippte nach vorn und begrub das zierliche Mädchen unter sich.
Das alles kam mir vor wie ein Traum. Das Bewusststein entschwand mir. Das letzte, was ich sah, waren Li Ying, Wang-Chao und Onkel Shinzou, die angsterfüllt über mich gebeugt waren. Das Hemd war inzwischen ein einziger Blutsklumpen. Li Ying legte ihre Hand auf meine Brust. Ihre wunderschönen dunklen Augen trafen meine. Sie bewegte die Lippen, ohne etwas zu sagen. Vielleicht konnte ich es auch nicht mehr hören.
Da schien aus dem Nichts ein Pünktchen weißes Lichtes auf meinem Brustkorb zu entstehen. Es wurde rasch größer, hüllte mich ein. Wie schön warm es war. So war es in Ordnung. Ich spürte keine Angst, als die Welt um mich herum schwarz wurde.

Doch, ich bin wieder aufgewacht. Aber nicht in diesem düsteren, stickigen, unterirdischem Saal. Stattdessen befand ich mich am besten Ort im Universum: einem hellen, warmen Krankenzimmer. Meine Brust war dick verbunden, tat aber kaum weh.
Li Ying saß auf einem Sessel neben dem Bett und hielt meine Hand. Wahnsinnig erleichtert sah sie aus. “Die Welt ist nicht untergegangen?”, war das erste was ich herausbrachte. Sie schüttelte den Kopf und strahlte.
"Mit dir alles okay?"
“Bin ziemlich durch den Wind, aber alles noch dran”, lächelte sie tapfer.
“Und der Dämon?”, fragte ich.
“Pst. Du sollst dich doch nicht anstrengen, Tim. Wie erklären es dir später. Deine Mutter kommt bald vorbei. Bis dahin solltest du besser noch ein bisschen schlafen. Momentan”, sagte sie mit bedauerndem Blick, “siehst du nicht sehr herzeigbar aus, und die gute Frau soll doch nicht einen noch größeren Schrecken kriegen.”
Ich war zwar elendig müde, aber jetzt schlafen? Zu viele Fragen brannten in mir, und natürlich die wichtigste von allen. “Dieses Licht…”
Li Ying strahlte schon wieder: “Na, glaubst du wirklich der Yaoguai hätte sich für seine Unsterblichkeit ein ganz gewöhnliches Mädchen ausgesucht?” Dann fielen mir die Augen zu.

“Also versteh ich das richtig? Der Yaoguai war nur ein ganz normaler Mann?”, fragte ich. Meine tiefe Wunde war enorm schnell verheilt, was den einzigen Nachteil hatte, dass ich wieder zur Schule gehen musste.
“Nein.” Li Ying schüttelte energisch den Kopf. “Er war alles andere als normal. Ein Krimineller und Wahnsinniger. Er hat sich wirklich für einen mächtigen Dämon gehalten. Und er hatte einen starken, bösartigen Einfluss auf viele Menschen. Meine Eltern hatten gehofft, dass er sich eine andere Jungfrau aussucht, wenn sie nach Europa gehen. Aber er ist ihnen gefolgt und hat hier den Handel aufgebaut. Hat mich praktisch mein ganzes Leben lang nicht aus den Augen gelassen, seit er gemerkt hatte, dass ich ein außergewöhnliches Kind war. So wie einige andere Mitglieder unserer Familie.” Li Ying seufzte. “Meine Eltern waren schon immer abergläubisch, aber ganz besonders seit ich auf der Welt bin. So waren sie die perfekten Opfer. Klingt unglaublich, aber sie haben ihr ganzes Leben um diesen Kriminellen herum gebaut und dabei immer die Fassade aufrecht erhalten. Wenn ich genauer drüber nachdenke, war er ein echter Dämon.”
Ich ließ mir das alles durch den Kopf gehen. “Was ist jetzt zwischen dir und deinen Eltern?”
Li Ying sah mich sehr ernst an. “Es wird viel Zeit brauchen um das alles aufzuarbeiten. Wir haben ihnen mitgeteilt, dass ich okay bin und der Dämon tot ist. Aber auch wenn sie große Sehnsucht nach mir und meinem Bruder haben, haben wir gemeinsam beschlossen, dass sie vorerst in China bleiben. Wang-Chao, Shinzou und ich werden das Restaurant alleine betreiben. Jetzt ist für alle eine Zeit des Nachdenkens. Danach wird eine Zeit des Redens sein. Und irgendwann danach werden wir wieder eine Familie sein. Wenn es auch nie mehr so sein wird, wie früher.”
Einige Tränen liefen ihre Wange hinab. Ich nahm sie in den Arm. “Du hast mir das Leben gerettet, Tim”, sagte sie schniefend. “Und du dafür meines. War ein ziemliches Spektakel”, lächelte ich.
Auch mein Leben würde nie mehr so sein wie früher, dachte ich und küsste sie.

 
Zuletzt bearbeitet:

Da die meisten nicht auf gut Glück eine längere Geschichte lesen, hier ein kurzer Abriss was euch erwartet:
Ein gewöhnlicher Jugendlicher wird in eine Geschichte aus chinesischer Mythologie und Magie gezogen (diese Elemente sind nicht dominant, aber ein Handlungspunkt).
Die Handlung ist relativ altbacken, mit einer zu erettenden Maid, etc, das Ganze mit flapsigen, nicht gerade feinfühligen Dialogen durchsetzt.
Inspiriert vom 80er Streifen Big trouble in little China :)

 

Hallo Irony,

Ich muss sagen: amüsant :)
mir gefällt die schnodderige Art der Dialoge. Auch einige Wendungen waren witzig.
zu BigTrouble kommen aber noch Yoda bzw. der Meister aus Karate-Kid dazu, oder? :)

Was mir nicht gefällt, ist das Wort "Kollegen". Das passt für mich nicht zu "Schule" - ich hab da eher ne Fabrik im Kopf.

Dass die Eltern sich so komplett rausgehalten haben, passte für mich nicht so ins Bild. Abhauen, wenn die eigene Tochter geopfert wird - nee. ich glaube sowas machen auch Chinesen nicht. Klar - Eltern stören in so einem Plot - aber die hätte man auch eleganter raushalten können, denke ich.

Hat mich zumindest amüsiert :)

Gruss
pantoholli

 

Hallo Irony

Offen gestanden hatte ich wenig Lust mich auf die Geschichte einzulassen. Der erste Teil des Titels klingt zwar ansprechend, der Zweite enthebt ihn jedoch eines seriösen Niveaus. Doch dies war ja auch nicht Deine Absicht, da Du Dich von einem Filmstoff inspirieren liessest, der nicht auf Anspruch getrimmt ist. Desungeachtet versuche ich, unvoreingenommen den Inhalt zu lesen.

“Ich muss jetzt Bio! Bis dann!“

Nachdem Li Ying vorgehend einen längeren Satz akzentfrei sprach, nehme ich ihr diese abgehackte Formulierung nicht ab.

Was mich betriff[t], scheiß ich drauf, ob der Verehrer meiner Schwester Milch verträgt oder nicht.

Der Ansagetext war ein schwacher Ersatz für ihre Stimme in echt.

Vielleicht ist dies ein Jugendslang, aber zu lesen doch sehr eigen.

und auf mich zu vergessen, das passte nicht zu ihr.

Wofür das auf? Dies klingt mir eher nach einem regionalen Dialekt.

auch die Unmengen an staubiger Dekoration sahen nicht nach made-in-china aus. Also natürlich schon made-in-china,

Made in China

Sie soll eine[Leerschlag]… besondere Verbindung mit jemand eingehen.”

Diese Regel gilt auch ff.

“Eine Ausländerin mit inländischer Staatsbürgerschaft, schon klar”, meinte ich.

Komplizierter geht’s kaum. Entweder ist jemand Ausländer oder Staatsbürger, allenfalls mit Migrationshintergrund. Darum wirkte mir korrekter: “Eine Migrantin mit deutscher Staatsbürgerschaft,

Was sind das für Leute, die deine Schwester haben?”

In der Sache treffender wäre wohl: festhalten?

Der Bus hielt direkt vor “Buddhas China Import”.

Dieser Firmenname ist eine typisch europäische Schöpfung :D. Es scheint mir unwahrscheinlich, dass ein Chinese sein Geschäft so nennen würde, ohne seine Landsleute potentiell zu verärgern.

Ich wollte hinein gehen, aber Wang-Chao hielt mich an der Schulter zurück.

hineingehen

“Da hast du sicher Recht”, sagte ich und ging in den Laden.

recht

Ich blickte in Li Yings angstgefüllte Augen.

Dieses Konstrukt von Augen, die angstgefüllt sind, ist doch etwas arg magisch. Realistischer wäre beispielsweise: angsterfüllte

Ich bemerkte kaum die Blutspur, da ich hinterließ.

die

Das Hemd war inzwischen ein einziger Blutsklumpen.

Das ist zu kitschig, wohl eher: Das Hemd war inzwischen völlig blutgetränkt.

Es ist zwar eine trashige Geschichte, die Du uns Lesern da aufgetischt hast, aber bei Weitem nicht so arg, wie ich befürchtete. :D An sich fand ich sie recht unterhaltsam geschrieben, nicht von gehobenem Anspruch aber auf leichtfüssige Weise doch spannend. Dem Titel kann ich im Nachhinein noch weniger abgewinnen, da chinesische Mythologie zwar auch Legenden von Zaubern enthält, dies hier aber eigentlich nicht zum Tragen kommt.

Die Korrekturvorschläge, welche ich festhielt, beziehen sich nur auf Sätze, die mich aus dem Lesefluss brachten. Du solltest den Text vielleicht nochmals gründlich durchgehen, da möglicherweise noch mehr Unpässlichkeiten drin stecken.

Insgesamt war es mir unterhaltsam zu lesen. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Vielen Dank pantholli für deinen Kommentar! Wenn du dich zumindest amüsiert hast, hab ich mein Ziel mit der Geschichte ja erreicht :) Viel mehr Anspruch war nicht dabei.

zu BigTrouble kommen aber noch Yoda bzw. der Meister aus Karate-Kid dazu, oder?
Yoda wegen der Sprechweise? Hatte Zweifel, ob die Figur des Onkels nötig ist, aber irgendein Weiser, auch wenn er hier nicht viel auf Mentor macht, hat irgendwie reingehört um das ganze ein klein wenig mystischer zu machen.

Was mir nicht gefällt, ist das Wort "Kollegen". Das passt für mich nicht zu "Schule" - ich hab da eher ne Fabrik im Kopf.
Kann mir schon vorstellen, dass Schüler das untereinder sagen. "Mitschüler" klingt doch schrecklich uncool.

Dass die Eltern sich so komplett rausgehalten haben, passte für mich nicht so ins Bild. Abhauen, wenn die eigene Tochter geopfert wird - nee. ich glaube sowas machen auch Chinesen nicht. Klar - Eltern stören in so einem Plot - aber die hätte man auch eleganter raushalten können, denke ich.
Hab ich mir nicht groß Gedanken gemacht ob es realistisch ist bzw. ins Bild passt - aber ich kann es mir eigentlich schon vorstellen.

Danke noch mal!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anakrean,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentare!

Offen gestanden hatte ich wenig Lust mich auf die Geschichte einzulassen. Der erste Teil des Titels klingt zwar ansprechend, der Zweite enthebt ihn jedoch eines seriösen Niveaus.

Bin inzwischen auch nichtmehr happy mit dem Titel. Wollte das schnoddrige aus den Dialogen da rein packen, aber er passt nicht wirklich. Werd mir was anderes einfallen lassen.

“Ich muss jetzt Bio! Bis dann!“
Nachdem Li Ying vorgehend einen längeren Satz akzentfrei sprach, nehme ich ihr diese abgehackte Formulierung nicht ab.
Mit Akzent hat das nichts zu tun, sondern mit "Jugend-Sprech". Sagt man nicht so in der Schule?

und auf mich zu vergessen, das passte nicht zu ihr.
Wofür das auf? Dies klingt mir eher nach einem regionalen Dialekt.
Kann sein, dass das nur in Österreich üblich ist; hab mich nicht festgelegt ob die Geschichte hier in D spielt.

“Eine Ausländerin mit inländischer Staatsbürgerschaft, schon klar”, meinte ich.
Komplizierter geht’s kaum. Entweder ist jemand Ausländer oder Staatsbürger, allenfalls mit Migrationshintergrund. Darum wirkte mir korrekter: “Eine Migrantin mit deutscher Staatsbürgerschaft,
Hilfe! “Eine Migrantin mit deutscher Staatsbürgerschaft" klingt ja so überkorrekt, was gar nicht zum Protagonisten passt. Der Witz ist ja gerade das Aus-/ In-. Wenn es nicht witzig ist, ist das wieder ein anderes Problem :)

Der Bus hielt direkt vor “Buddhas China Import”.
Dieser Firmenname ist eine typisch europäische Schöpfung . Es scheint mir unwahrscheinlich, dass ein Chinese sein Geschäft so nennen würde, ohne seine Landsleute potentiell zu verärgern.
Könnte man ja auch wieder als potentiellen Witz seh ... Ne, du hast Recht und ich werds ändern.

Das Hemd war inzwischen ein einziger Blutsklumpen.
Das ist zu kitschig, wohl eher: Das Hemd war inzwischen völlig blutgetränkt.
"Blutsklumpen" soll kitschig sein? blutgetränkt ist ziemlich abgedroschen ...

Es ist zwar eine trashige Geschichte, die Du uns Lesern da aufgetischt hast, aber bei Weitem nicht so arg, wie ich befürchtete. An sich fand ich sie recht unterhaltsam geschrieben, nicht von gehobenem Anspruch aber auf leichtfüssige Weise doch spannend. Dem Titel kann ich im Nachhinein noch weniger abgewinnen, da chinesische Mythologie zwar auch Legenden von Zaubern enthält, dies hier aber eigentlich nicht zum Tragen kommt.
Spannend und recht unterhaltsam, das ist schon eine Sache mehr als ich erwartet habe :-)
Wegen dem Titel nochmal: die Mythen beziehen auf die Sache mit dem Dämon, was sich dann ja SPOILER! als einfach nur "so ein Scheiß" entpuppt SPOILER ENDE. Trotzdem kein sehr guter Name :hmm:

Zum überarbeiten gibt's - wie bei fast jeder Story - wohl auch hier noch einiges.

Danke noch mal!

 
Zuletzt bearbeitet:

Gab es eine einzige Chinesin, deren Augen und Haare nicht dunkel waren?
Oha, Vorschlag: Verprell einen potentiellen Leser doch nicht gleich mit sowas. Wie viele Chinesinnen mit hellen Augen mag es geben, hunderttausende? Millionen?
Wie viele Chinesinnen haben dank Albinismus helle Augen und helle Haare?
Wie viele Chinesinnen haben dank Chemie helle Haare und dank Kontaktlinsen helle Augen?
(Und ich muss dabei noch gar nicht auf die Frauen anderer Ethnien zurückgreifen, die halt den Papieren nach Chinesen sind.)

Also die Antwort auf diese Frage im Text lautet natürlich "ja", den Einstieg fand ich unfreiwillig komisch. Mich hat das echt rausgehauen gerade. Komplett.

Danach entwickelt es sich in Richtung Jugendstory glaub ich (und vielleicht würde ich ja irgendwann feststellen, dass der Einstieg im Endeffekt doch zum Erzähler passt - aber soweit mag ich heute Abend gar nicht mehr lesen). Ich komm vielleicht nochmal vorbei. Und plädiere bis dahin dringend dafür, den Einstieg nochmal unter die Lupe zu nehmen.

Edit: Ja, der Titel. "Scheiß" im Titel wirkt extrem bemüht. Ich hab den Text eben auch trotz des Titels angeklickt und nicht wegen. Neuer Titel, neuer Einstieg, dann klappt das auch mit den Lesern. :D

 

Danke für den Kommentar.
Ich frag mich gerade, ob es legitim ist, in einer Geschichte auch die Unwahrheit zu behaupten, wenn der Ich-Erzähler einfach nicht der allerhellste oder gebildetste ist. Außerdem ist es ja nicht komplett verkehrt. "Reinrassige" (Scheiß Wort, aber mir fällt kein besseres ein) südostasiatische Menschen ohne Mutation, Krankheit oder kosmetischen Hilfsmitteln haben eben dunkles Haar. NATÜRLICH gibt es Asiaten mit von Natur aus hellen Augen etc., genau so wie es welche über zwei Meter gibt. Aber es sind eben im Verhältnis extrem wenige.

Wenn du dich von so was schon angepisst fühlst, fürchte ich, dass es dich noch oft raushauen würde aus der Geschichte, die nach dem Einstieg kommt.

 

Ich frag mich gerade, ob es legitim ist, in einer Geschichte auch die Unwahrheit zu behaupten, wenn der Ich-Erzähler einfach nicht der allerhellste oder gebildetste ist.
"Legitim" - klar. Aber dann zeig dem Leser auch gleich, dass der TEXT das weiß. Dass das nicht nur ein Schreibunfall ist. Wie gesagt, auf mich wirkte das unfreiwillig komisch und albern (= abschreckend), NICHT wie eine genial indirekte Charaktersierung des Erzählers (= neugierig machend). Das ist halt das Problem der ersten Sätze. Da weiß ich ja noch nicht: Absicht? Oder gewollt und nicht gekonnt?

So ist das nun mal, wenn man als Autor null Credit hat. Leser gehen eher vom worst case aus.

 
Zuletzt bearbeitet:

Da würd ich gern wissen, ob es anderen auch gar so komisch und albern vorkommt. Werde es bei Gelegenheit mal meinen chinesischen Freunden zeigen (obligatorischer Disclaimer).
"Genial" kann so ein simpler Satz ja gar nicht sein, einfach ein Einstieg, um das abgegriffene Klischee der geheimnisvoll blitzenden Augen etwas zu entschärfen bzw. zu ent-kitschen.
Dass der Einstieg als solcher besonders gelungen wäre, behaupte ich sicher nicht. Aber in der Geschichte wimmelt es von derber Sprache, Beleidigungen und humoristisch gemeintem "Rassismus" des Protagonisten.
OK, in dem Satz an dem du dich aufhängst, weißt du noch nicht dass es sich um eine Ich-Erzählung handelt. Das kommt aber gleich im nächsten Satz.
Wer schon mit diesen ersten, harmlosen Sätzen ein Problem hat, für den wird es unterwegs sicher nicht besser. Schau, als Autor mit null Credit habe ich nichts zu verlieren.

Aber es würde mich ganz ehrlich und ohne Zynismus interessieren, wie du

Aber dann zeig dem Leser auch gleich, dass der TEXT das weiß. Dass das nicht nur ein Schreibunfall ist.
in einer Ich-Erzählung anstellen würdest.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Irony,
ich würde den Titel ändern. Er hat mich nicht zum Lesen angezogen. Ich schliesse mich da Möchtegern an.

Kunststück. Gab es eine einzige Chinesin, deren Augen und Haare nicht dunkel waren?
Das würde ich komplett streichen. Man weiss inzwischen, dass es eine Chinesin ist.
Die anstrengende Mathe-Doppelstunde war gerade zu Ende gegangen und wir standen Hand in Hand auf dem Schulgang.
Hier schlage ich vor. In der Pause standen wir ....

Es gibt noch einige Stellen, die kürzer besser wären. Gehe bitte noch mal selbst über den Text.
Falls dieses Menschenopferritual wirklich noch in China vorkommen sollte, was ich bezweifle, ist die Handlung ok. Wenn nicht, würde ich ein Land mit derart unmenschlichen Ritualen erfinden.
Insgesamt hat die Geschichte Unterhaltungswert.
Viele Grüsse
Fugu

 

Danke Fugusan! Titel wird geändert und über den Text geh ich wahrscheinlich heute abend nochmal drüber.

Die Geschichte behauptet doch nicht, das "Menschenopferritual" sei ewas, was im heutigen China vorkommt. Man erfährt nicht einmal, ob das irgendwann früher so war. Stell dir das wie eine Selbstmordsekte bei uns vor - die nehmen irgendwelche religiösen bzw. Alien-Mythen und stricken daraus ihre eigene (selbst)mörderische Weltanschauung. Und finden dann einige leicht zu beeinflussende Menschen. In dem Fall eben Li Yings Eltern.
Und mit einer erfundenen Nation würde das Ganze niemals funktionieren. Chinarestaurant, Vorurteile gegenüber Asiaten, etc., das sind Dinge die man kennt. Es geht eben darum, dass ein Europäer in eine Kultur reinplumpst, die er zwar oberflächlich kennt, und mit der er über seine Freundin eine Verbindung hat, aber die (noch) nicht wirklich versteht.
Die Zulianer vom vergessenen Kontinent würden keine Sau interessieren.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom