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Verlorener Mut

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20.04.2014
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Verlorener Mut

Verlorener Mut

Jake stand einfach nur da. Er hatte die Augen geschlossen, stemmte sich gegen den Wind, der ihm seine braunen Haare verwehte, versuchend, seine Gedanken zu fokussieren. Er dachte über alles nach, was passiert war. Wie er sie zum ersten Mal getroffen hatte, die ersten Dates, als sie zusammenzogen waren und die Heirat. Er dachte an seine Tochter, die kleine Stephanie, die nun eigentlich zu Hause im Bett liegen würde. Die Stadt war laut, auch noch bei Nacht, es waren Sirenen aus der Distanz zu hören, das stetige Geräusch fahrender Autos schallte durch Jakes Ohren. Er vernahm die Gespräche hunderter Menschen, direkt unter seinen Füßen, ein einziger Schwall an unidentifizierbaren Konversationen. Wie unbedeutend all diese Menschen waren. Jake kannte wahrscheinlich keine einzige Person dort unten, sie alle gingen ihren eigenen Leben nach, taten, was man ihnen beigebracht hatte, folgten ihren selbstsüchtigen Wünschen, nur auf der Suche nach dem, was sie „Glück“ nannten. Wieso musste alles so kommen? Es hätte nicht viel gebraucht, dann stünde Jake nun ganz woanders, hielte seine kleine Tochter im Arm und lächelte seine Frau an. Ihm lief eine einzige Träne durch das vernarbte Gesicht und fiel herab. Wie er es doch verachtete, dass all diese Menschen dort unten in Autos fuhren. Ihm war diese Entscheidung genommen worden. Der Traum seines Lebens, wie er ihn sich vorgestellt hatte, wurde ohne seine Zustimmung, ohne ihn überhaupt gefragt zu haben, von ihm genommen. Es ist inzwischen knapp einen Monat her, dass dieser Lastwagenfahrer eingeschlafen ist und mit Jakes Auto zusammenstieß. Seine Frau und kleine Tochter überlebten den Unfall nicht. Jakes Frau starb direkt von dem Aufprall, doch Jake hatte mit ansehen müssen, wie seine Tochter im Krankenhaus im Bett neben ihm um das Leben kämpfte, bis sie schließlich einen letzten Blick in Daddys Gesicht warf und schließlich verstarb. Jake selbst wurde 2 Wochen später entlassen, körperlich wieder vollkommen geheilt, doch andererseits nur noch ein Schatten seiner selbst. Er hatte die Tage zuhause verbracht, in den Spiegel oder auf Fotos starrend, er vergrub sein Gesicht oft in den fließenden Tränen während dieser Zeit. Bis er schließlich eines Nachts, als er wieder nicht schlafen konnte, aus seinem Apartment herausging, die Treppen auf das Dach hochsteigend. Und dort steht er nun, sieht auf die Großstadt hinunter und fühlt nichts als Verachtung für all diese glücklichen Menschen. Ihm wurde das Glück verwehrt, von irgend so einem übermüdeten Lasterfahrer aus Ohio. Jake dachte ein letztes Mal an alles, was ihm wichtig war, bevor er diesen Schritt machte. Diesen einen, alles beendenden Schritt. Die Erlösung all seiner Schmerzen stand kurz bevor. Alles konnte nur besser werden, weil es nicht mehr schlimmer kommen konnte. Jake hatte die Augen geschlossen, er presste sie zu. Die Luft brauste an seinen Ohren vorbei. Von unten waren verschreckte Stimmen zu hören. Doch ihm war das egal. Ihm war alles egal. Er hatte schon lange aufgehört, sich um sie zu kümmern. Jake hatte mit allem abgeschlossen. Und dann, mit Jakes letztem tiefen Atemzug, war alles vorbei.

 

Hej Lucarno,

willkommen bei den Wortkriegern.

Ich frage mich, was Dir bei Deiner Geschichte als Aussage am Herzen lag.

Ich würde gerne behaupten darin etwas von "Wie es sich anfühlt, wenn man jemanden verliert" oder auch ganz allgemein etwas über Verlust gefunden zu haben.

Leider geht es mir nicht so, dass ich die Gefühle von Jake wirklich nachvollziehen kann. Nicht einmal, dass ihm am Ende alles egal ist, kann ich nachvollziehen.

Nur mal als Beispiel:

Jakes Frau starb direkt von dem Aufprall
Es geht mir nicht um blutrünstige Details, aber das ist nichts, was dem Leser vor Augen führt, wie drastisch sich Jakes Leben wirklich verändert hat. Was Du schreibst, könnte in einem Bericht stehen.

Grundsätzlich halte ich es für eine schwierige Aufgabe, zu beschreiben, wie ein Mensch den Mut zu leben verliert. Wird hier gerne unterschätzt.

Ich wünsche Dir noch viel Spaß hier.

LG
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Lucarno,
willkommen hier. Ane meinte, sie könne Jakes Gefühle nicht wirklich nachvollziehen, mir ging es ähnlich. Im Grunde lese ich hier, obwohl es eine haarsträubend tragische Geschichte ist, nur von Fakten. Und die schaffen es einfach nicht, mir eine individuelles Bild von Jake (und seiner verlorenen Familie) zu vermitteln. Und gewisse Einzelheiten sind mir einfach zu abgedroschen, ja, beinahe klischeehaft, z.B. der eingeschlafene (und/oder betrunkene) Lastwagenfahrer. Ich weiß nicht, wie viele Debütgeschichten ich hier im Forum schon gelesen habe, in denen ein Unfall von genau so einem verursacht wird. Als gäbe es irgendeinen Schreibratgeber, der das als die Pointe schlechthin verkündet. Nein, da will ich über die näheren Umstände des Unfalls lieber gänzlich im Dunkeln gelassen werden, als vom fünfzehnten übermüdeten Lastwagenfahrer lesen zu müssen. Also entweder originäre, interessante Details, oder gar keine.
Weit mehr als am Inhalt allerdings habe ich an deinem Umgang mit der Sprache auszusetzen. Einerseits spüre ich dein Bemühen um gewählte, „literarische“ Sprache, andererseits geht dieses Bemühen für mein Gefühl stellenweise ziemlich schief.

Schon der Beginn gefällt mir nicht:

Jake stand einfach nur da. Er hatte die Augen geschlossen, stemmte sich gegen den Wind, der ihm seine braunen Haare verwehte, versuchend, seine Gedanken zu fokussieren.
Diese Satzkonstruktion ist nicht nur unnötig kompliziert, sondern obendrein auch missverständlich formuliert. Es klingt, als bezöge sich das Partizip versuchend auf den Wind. Dadurch erreicht dieser Satzteil bei mir genau das Gegenteil von dem, was er eigentlich tun sollte. Er erzeugt nicht Spannung, sondern nimmt aufgrund der ungelenken Sprache gleich mal Tempo aus dem Text.
Dass die Haare braun sind, ist ohne jegliche Relevanz für die Geschichte.
Und der Begriff fokussieren mag zwar vom Sinn her korrekt sein, er klingt mir allerdings zu technisch. Überhaupt scheint der momentan ein richtiges Modewort zu sein.

als sie zusammen[ge]zogen waren

Er dachte an seine Tochter, die kleine Stephanie, die nun eigentlich zu Hause im Bett liegen würde.
Ein furchtbarer Satz. Ist wieder so eine Formulierung, die auch nach dem dritten Mal Lesen nicht richtiger klingt. Aufgrund des Konjunktivs erwartet man einfach, dass der Satz mit wenn oder sofern weitergeht und das vollkommen entbehrliche eigentlich verstärkt diesen Eindruck noch. Aber dann kommt halt nix.

Die Stadt war laut, auch noch bei Nacht, es waren Sirenen aus der Distanz [kann weg] zu hören, das stetige Geräusch fahrender Autos schallte durch[in] Jakes Ohren. Er vernahm die Gespräche hunderter Menschen, direkt unter seinen Füßen, ein einziger Schwall an unidentifizierbaren Konversationen.
Lies diese zwei Wörter fünfmal laut hintereinander und du hast vermutlich einen Knoten in der Zunge.
Wie wär's z.B. mit unverständlichen Gesprächen?

Der Traum seines Lebens, wie er ihn sich vorgestellt hatte, wurde ohne seine Zustimmung, ohne ihn überhaupt gefragt zu haben, von ihm genommen.
Eine Zeile später erfährt man, dass er bei einem Unfall seine Familie verloren hat. Tschuldige, aber so gesehen ist das doch vollkommener Quatsch. Niemand wird vorher gefragt, ob er eventuell etwas dagegen hätte, wenn man seine Familie ausrottet.
Der Traum seines Lebens wurde von ihm genommen. Klingt auch komisch.
Besser: Der Traum seines Lebens wurde zerstört

Es ist inzwischen knapp einen Monat her, dass dieser Lastwagenfahrer eingeschlafen ist und mit Jakes Auto zusammenstieß
Und hier mischt du aufs Geratewohl die Zeiten, zwei mal Perfekt und dann Präteritum, anstatt des durchgängigen Plusquamperfekts.

Seine Frau und kleine Tochter überlebten den Unfall nicht.
Vermutlich weißt du, dass man Possessivpronomen sparsam verwenden und Wortwiederholungen vermeiden soll. Nur geht das halt nicht immer. Hier z.B. musst du seine Frau und seine kleine Tochter schreiben, ansonsten es unfreiwillig komisch klingt, und man das folgende Verb automatisch im Singular erwartet.

Jakes Frau starb direkt von dem Aufprall,
Man stirbt wegen oder durch etwas, nicht von etwas.

er vergrub sein Gesicht oft in den fließenden Tränen
dieses Sprachbild ist weder schön noch poetisch, sondern einfach nur misslungen. Stilblüte nennt man so etwas.

Bis er schließlich eines Nachts, als er wieder nicht schlafen konnte, aus seinem Apartment herausging, die Treppen auf das Dach hochsteigend.
Auch hier wieder die falsche Verwendung einer Partizipialkonstruktion.
Er ging aus seinem Apartment heraus, während er aufs Dach stieg. Genau das besagt dein Satz, und natürlich kann diese Gleichzeitigkeit nicht sein.
Im Übrigen müsste er aus dem Apartment hinausgehen.

Na ja, Locarno, solltest du aus diesem Text noch was Ordentliches machen wollen, sehe ich viel Arbeit auf dich zukommen. Ich rate dir, viel zu lesen, nicht nur Bücher jeder Art, sondern auch hier im Forum. Und versuche auch, Geschichten hier zu kommentieren, man kann dadurch ungemein viel für sein eigenes Schreiben lernen.

Noch viel Spaß hier,

offshore

 

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