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Auf dem Weg

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03.07.2004
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Auf dem Weg

Wir waren auf dem Weg zur Eröffnungsfeier. Mein Gefährte überschüttete mich mit Fragen: "Was war denn los mit Dir? Ich habe Dich einige Jahre nicht gesehen. Beginnst Du das Studium jetzt neu? Was ist Dir so geschehen in der Vergangenheit?"
Ich mochte gar nicht antworten und wusste auch nicht, wie ich beginnen sollte und mit welcher Frage. Also erwiderte ich vage: "Ich war über ein Jahr schwer krank. Und auch jetzt erinnere ich mich an manches nicht mehr so genau."
"Das ist ja nicht schön. Und deine beiden Frauen haben Dir jeweils nur ein Mädchen hinterlassen. Das ist auch nicht gerade zufriedenstellend."
Ich stutzte. War ich zwei Mal verheiratet gewesen? Ja, ich hatte zwei Töchter, aber ich weiß gar nicht, was daran so schlimm sein soll, keinen Sohn zu haben. Ich wollte Roland - oder hieß er Georg? - fragen, aber er war nicht mehr da. Ich lief den Weg ein Stück zurück bis in den Park, durch den wir geschlendert waren. Da hatte ich ihm gesagt, wir sollten uns beeilen, um pünktlich zu sein, aber er meinte nur, wir hätten Zeit genug.
Ich sah viele Leute im Park herumgehen, aber mein Gefährte war nicht dabei. Dann hörte ich ein eigenartiges Geräusch und schaute nach oben. In einem Häuschen am Hang goss eine Frau ihre Balkonblumen und schaute irritiert zu mir herunter. Ich lächelte sie kurz an und lief wieder zurück auf dem Weg zu Rathaus.
War die Eröffnungsfeier überhaupt im Rathaus? Eigentlich sollte sie doch in der Kirche sein. So war es jedenfalls früher gewesen, meine ich. Vielleicht war das ja Georg oder Robert eingefallen und er war abgebogen und wir hatten uns aus den Augen verloren.
An der Straßenkreuzung, an der ich jetzt stand, war eine ehemalige U-Bahn-Station. Die Treppen waren voller Papier und Laub und die Uhr zeigte zwanzig vor fünf. Jedenfalls auf der einen Seite. Auf der anderen Seite schlug sie fünf nach eins vor, aber ich glaubte ihr auch diese Zeit nicht. Aber wo war die Kirche? Da sah ich in der Ferne einen Turm und wollte loslaufen, um wenigstens noch vor dem Ende anzukommen.
Ich kam allerdings nicht weit, denn ich wachte aus meinem Traum auf, bevor ich das Ziel erreicht hatte. Dieses Traumerlebnis war so lebhaft und stand mir auch nach dem Aufwachen so deutlich vor Augen, dess ich noch eine Weile darüber nachdachte. Der Traum war so realistisch gewesen, obwohl mir die Landschaft jetzt nicht bekannt vorkam und auch mein Begleiter schien nur ein Schatten zu sein.
Vielleicht hatte ich ja wirklich Gedächtnisstörungen. Ich war schon manches Mal Menschen begegnet, die mich freudig begrüßten, deren Gesichter mir aber gar nichts sagten. Ich schaffte es dann immer nicht, zurückzulächeln und so verschwanden sie, bevor ich den Mut aufbrachte, sie zu fragen, wer sie den eigentlich seien - und wer eigentlich der Mensch war, den sie eben so freudig begrüßt hatten.
"Schon so ernst heute Morgen?" Die nette Schwester, die mich ab und an besuchte, war in mein Zimmer gekommen.
"Ich versuche, mich zu erinnern", erwiderte ich.
"Machen Sie sich keine Gedanken über die Vergangenheit. Setzen Sie sich auf die Terrasse und genießen Sie die Sonne. Ich habe auch eine schöne Tasse Kaffee für Sie."
Sie hat ja recht. Was soll ich grübeln über das, was vorbei ist. Ich setze mich in die Sonne und genieße den neuen Tag, solange er dauert.

 

Hallo flammbert 112,

danke für Deine Kritik. Den Fehler habe ich verbessert und habe versucht den Übergang vom Traum zum Wachsein zu erweitern.
Es freut mich, dass sich der Text nach Deiner Meinung flüssig lesen lässt. Ich schreibe oft kurze Texte, die man als Fingerübungen bezeichnen könnte, die ich aber auch zum Vorlesen in Kreisen mit einer eher geringen Aufmerksamkeitsspanne nutze. Da ist dann schon ein "Das habe ich auch mal geträumt" ein tolles Ergebnis.

Grüße

jobär

 

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