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Rosen auf der Parkbank

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23.04.2014
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Rosen auf der Parkbank

Die Luft war erfüllt vom Duft der Lindenblüten und der Park lag still in der Maisonne, als Herr Kramer langsam zum kleinen Teich ging, wo er jeden Nachmittag die Enten fütterte. Der Kies knirschte leise bei jedem Schritt bis der ältere Herr, gestützt auf seinen Stock, sein Ziel erreichte. Er saß jeden Nachmittag auf der gleichen Bank, da wo das Wasser fast bis an den schmalen Weg reichte. Schon von Weitem hatte er bemerkt, dass mitten auf der Bank ein Blumenstrauß lag, in Zellophan gewickelt, und nun betrachtete er aus der Nähe den großen Strauß langstieliger, dunkelroter Rosen. Bevor er sich setzte, bückte er sich schwerfällig und hob ein verschmutztes Papiertaschentuch auf, das vor der Bank auf dem Boden lag. Kopfschüttelnd nahm er es behutsam an einem Ende und ließ es in den Mülleimer gleich neben der Bank fallen. Dann schob er die Rosen vorsichtig auf eine Seite der Bank, setzte sich in die Mitte, legte seinen Hut wie gewohnt auf die andere Seite der Bank und zog ein Stück Brotrinde aus der Tasche seiner Strickweste. Davon brach er kleine Stücke ab und warf sie über den Weg in das Wasser, wo sich unter Geschnatter die Enten darauf stürzten.
“So ein wunderschöner Rosenstrauß”, murmelte er und blickte ausschauend um sich, wer denn diese Rosen hier vergessen haben könnte. Aber nirgends konnte er einen möglichen Besitzer sehen.
Schließlich schlenderte ein junger Bursche den Weg entlang, gerade einen Zigarettenstummel mit den Fingern einige Meter in den Teich hinein schnippend. Etwa in dem Alter mochte Herr Kramer auch gewesen sein, als er seiner Sophie zum ersten Mal Rosen schenkte. Natürlich waren es nicht so teure Rosen gewesen, das konnte er sich damals nicht leisten. Er hatte sie einfach in Nachbars Garten abgeschnitten. Denn das wenige Geld, das er damals in seiner Lehrzeit verdiente, musste ja auch noch für die zwei Kinokarten ausreichen. Es war ein schöner Abend, als er Sophie das erste Mal ausführte, und der Beginn einer wunderschönen Zeit mit der Liebe seines Lebens.
“Verzeihung, sind das vielleicht Ihre Rosen?” fragte Herr Kramer, als der Bursche auf der Höhe der Bank angekommen war. Aber der blickte den alten Mann auf der Bank nur verstört an, verneinte und zog lachend davon.
Mit einem leisen Seufzen lehnte sich Herr Kramer zurück, zog drei Nüsse aus seiner Westentasche und warf sie hinter sich. Einmal war ein Eichhörnchen hier im Park bis auf einen halben Meter an ihn herangekommen, seither brachte er immer wieder Nüsse mit. Aber auch wenn er heute noch kein Eichhörnchen gesehen hatte, sie würden die Nüsse schon finden, dachte er bei sich.
Sein Blick fiel wieder auf die Rosen. Mit einem kleineren Strauß roter Rosen, diesmal nicht gestohlen, hatte er um die Hand von Sophie angehalten, als er ein Geselle war und das Geld ausreichte, um sich gemeinsam eine bescheidene Existenz aufzubauen. Sie hatten sparsam gelebt, konnten sich schließlich ein kleines Haus bauen und führten eine glückliche Ehe, auch wenn ihnen Kinder leider versagt blieben.
In diesem Moment kam ein junger Mann vorbei, der ein kleines Mädchen an der Hand führte. Als das Mädchen auf die Enten im Teich zeigte blieb er stehen.
“Verzeihung”, versuchte es Herr Kramer wieder, “sind das vielleicht Ihre Rosen?”
“Nein”, gab dieser mit freundlichem Lächeln zurück, “sie sind zwar wunderschön, aber leider nicht meine.” Er wandte sich wieder dem kleinen Mädchen zu und fragte: “Was meinst du, Sophia, sollten wir Mama nicht auch einmal so schöne Rosen mitbringen? Sie würde sich sicher freuen.”
“Ach, die Kleine heißt Sophia?” staunte Herr Kramer, und etwas Wehmütiges klang in seinen Worten mit.
“Ja, aber leider müssen wir jetzt wirklich weiter”, entschuldigte sich der junge Mann und entfernte sich mit dem Kind, das sich noch einmal umdrehte und Herrn Kramer zuwinkte.
Die Enten hatten sich inzwischen unter den Bäumen versteckt, und die Schatten wurden länger. “Jedes Jahr zum Geburtstag hatte ich ihr eine rote Rose geschenkt”, dachte Herr Kramer. Sophie war bescheiden und hatte ihn anfangs getadelt, als er ihr einen ganzen Strauß schenkte. Aber diese eine Rose jedes Jahr war etwas besonderes, das sie beide noch mehr verband. Sie liebte Rosen einfach. Und auch heute noch, jedes Jahr an ihrem Geburtstag… Herr Kramer war so in Gedanken versunken, dass er erst aufblickte, als ein Schatten auf ihn fiel. Jetzt erst sah er einen Mann Mitte fünfzig vor sich stehen und er versuchte sein Glück erneut: “Verzeihung, sind das Ihre Rosen?”
Sein Gegenüber sah ihn nur fragend an.
“Jemand muss diese Rosen hier liegen gelassen haben, und ich dachte mir, es könnten vielleicht Ihre sein”, versuchte Herr Kramer zu erklären. Aber inzwischen hatte der andere Mann sein Handy aus der Hosentasche gezogen, hielt es ans Ohr, winkte mit der Hand ab und ging telefonierend weiter.
Vor sechs Jahren hatte Herr Kramer einen Kranz mit roten Rosen auf Sophies Sarg gelegt, und auch heute noch brachte er jedes Jahr an Sophies Geburtstag eine rote Rose an ihr Grab. Er hatte damals angefangen, fast täglich in den Park zu gehen. Und jeden Donnerstag besuchte er sie auf dem Friedhof, nachdem er die Enten gefüttert hatte. Er war heute länger als sonst auf der Bank sitzen geblieben, hatte er doch noch gehofft zu sehen, wie sich jemand über seinen wieder gefundenen Strauß Rosen freuen würde.
Eben wollte er sich auf den Weg machen, setzte seinen Hut auf, stützte sich auf seinen Stock und erhob sich. Da sah er einen Mann in grauem Anzug hastig und zielstrebig auf die Bank zueilen.
“Verzeihung”, höflich zog Herr Kramer seinen Hut: “Sind das vielleicht…” Aber weiter kam er nicht mehr.
“Da sind ja die verdammten Dinger,” unterbrach ihn der Herr im Anzug schnaufend, “ein Glück, dass sie noch da sind.”
Herr Kramer lächelte immer noch freundlich. “Jetzt kann ich ja beruhigt gehen. Ich hatte schon befürchtet, diese herrlichen Rosen wären vergessen worden und würden hier verkommen.”
“Meine Frau hätte mir die Hölle heiß gemacht, wenn ich ohne das Grünzeug heim gekommen wäre.” Achtlos klemmte der Herr im Anzug den Strauß unter den Arm. “Meine Schwiegermutter hat heute Geburtstag, da bleibt mir der Besuch nicht erspart. Ich muss die Blumen hierher gelegt haben, als ich mich mit dem Eis bekleckert und meine Krawatte sauber gemacht habe.” Dann machte er auf dem Absatz kehrt und zog eilends wieder davon.
Der alte Mann sah ihm nachdenklich noch lange hinterher, das Lächeln war jetzt aus seinem Gesicht gewichen.
“Ach Sophie,” murmelte er traurig, als er wenig später am Grab stand, “was hatten wir doch für eine schöne Zeit zusammen.”

 

Hallo Georg Schallanda,

ein herzliches Willkommen von mir. Deine Geschichte hat mir gefallen. Unaufgeregt und unaufdringlich - ich mag ruhige Geschichten ohne bitteres Ende.
Kleinigkeiten:

Der Kies am Weg
- da der Kies unter seinen Schritten knirscht, müsste er auf dem Weg liegen und nicht am Rand.
da wo das Wasser
- ich finde da wo eine eher unglückliche Wortwahl
als der Bursche auf Höhe der Bank
- auf der Höhe der Bank
Aber auch wenn er jetzt keine Eichhörnchen sehen konnte
- wenn er die Nüsse hinter sich wirft, wird er die Eichhörnchen kaum sehen können. Möchte er Eichhörnchen zu sehen bekommen? Dann sollte er die Nüsse vielleicht zur Seite werfen?
besuchte er sie am Friedhof
- auf dem Friedhof oder ist das Grab neben dem Friedhof (das meint 'am')
Eben wollte er sich auf den Weg machen, setzte seinen Hut auf, stützte sich auf seinen Stock und erhob sich.
ich würde den ersten Abschnitt an das Ende dieses Satzes stellen - 'erhob sich und wollte sich auf den Weg machen' oder so.
Manchmal braucht es ein Ekel um zu wissen, wie gut man es hat.

LG

jo

 

Hallo Georg Schallanda,
ich schließe mich Jobär an. Sehr sentimental und angenehm zu lesen.

Sophie war bescheiden und hatte ihn anfangs getadelt, als er ihr eine ganzen Strauß schenkte.
einen ganzen Strauß
Mit einem kleineren Strauß roter Rosen, diesmal nicht gestohlen, hatte er um die Hand von Sophie angehalten, als er ein Geselle gewesen war und das Geld ausgereicht hatte, um sich gemeinsam eine bescheidene Existenz aufzubauen.
Wäre es nicht besser, hier in der Vorvergangenheit zu bleiben?
Viele Grüße
Fugu

 
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Vielen Dank für die freundliche Aufnahme und die milde Kritik an meiner ersten Geschichte! (Das ermuntert zum Weitermachen...)
Habe die Hinweise eingearbeitet - nur bei "da wo das Wasser" überlege ich noch an der Formulierung.
Mit dem "Eben wollte er sich auf den Weg machen..." wollte ich zum Ausdruck bringen, dass gerade eben in diesem Moment, also gerade noch rechtzeitig... - ich überlege noch, wie ich das umformulieren könnte.
"eine Strauß" ist natürlich unverzeihlich - ich schäme mich dafür.
Mit der Vorvergangenheit hatte ich so meine Probleme: es sind nicht alle Rückblicke grammatikalisch richtig in der Vorvergangenheit erfasst. ;) Ich habe es probiert, daran herum gefeilt und mich dann für einen Kompromiss entschieden, um trotzdem einen schönen Lesefluss zu behalten. Grammatikalisch korrekt wirkt der Text zu sehr "gekünstelt". (Aber ich werde diesen Satz noch mal überdenken und herumprobieren.)
Danke nochmal!
LG
Georg

 
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Servus Georg Schallanda, willkommen hier.

Mit einem kleineren Strauß roter Rosen, diesmal nicht gestohlen, hatte er um die Hand von Sophie angehalten, als er ein Geselle war und das Geld ausreichte, um sich gemeinsam eine bescheidene Existenz aufzubauen. Sie hatten sparsam gelebt, konnten sich schließlich ein kleines Haus bauen und führten eine glückliche Ehe, auch wenn ihnen Kinder leider versagt blieben.
usw.

Also ich weiß nicht, ich konnte mit der Geschichte nicht viel anfangen. In seiner Betulichkeit klingt der Text für mich, als käme er aus einem anderen Jahrhundert. Diese Idealisierung von Biederkeit wirkt auf mich beinahe penetrant, also was du da an einschlägigen Versatzstücken reingepackt hast, um den alten Witwer sympathisch zu machen, ist mir einfach zu unoriginell. Lebendig wurde der Mann dadurch nicht für mich.
Der Witwer mag ja ganz sympathisch sein, aber das macht ihn für mich noch nicht zu einem tauglichen Protagonisten einer Geschichte. Er ist einfach zu klischeehaft gezeichnet, alles was du von ihm erzählst, ist erwartbar, da ist nichts, was mich als Leser überrascht oder gar fesselt. Als wäre es ein ungeschriebenes Gesetz, dass alle Rentner Enten füttern müssten. Versteh mich bitte nicht falsch, aber ich glaube, du könntest dem Alten weit mehr Leben einhauchen, würdest du ihm etwas mehr Individualität gönnen. Momentan ist mir der einfach zu stereotypisch, gewissermaßen ein Allgemeinplatzhalter.
Und auch die Auftritte der Nebenfiguren (in der erwartbaren Reihenfolge Bursche, junger Vater, Mann Mitte fünfzig), von dir offenbar als Gleichnis gedacht oder gar als Allegorie für was auch immer (für die Vergänglichkeit des Lebens?), erschien mir einfach nur konstruiert.
Ja die Geschichte ist sentimental, aber neue Aspekte von Sentimentalität konnte sie mir nicht vermitteln.

Ich wünsche dir viel Vergnügen hier.

offshore

 

Dass diese Geschichte nicht fesseln oder gar mit großartigen Überraschungen aufwarten kann, war mir von Anfang an klar. Ich wollte einfach den biederen, alten Mann "zeichnen", der vor der nackten und kalten Wirklichkeit zurück in seine biedere Erinnerung flüchtet. Das scheint mir dann auch ansatzweise gelungen zu sein.
Aber ich gebe dir natürlich Recht - viel Lebendigkeit und Individualität ist nicht drin. Das schaffe ich (hoffentlich) in einer nächsten Geschichte, wo ich mir deine Kritik gerne zu Herzen nehme!
Vielen Dank!

 

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