Was ist neu

Hannah

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20.12.2002
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Hannah

Hannah


Doo-doo-Doo-doo-Doo-doo …!

Snacks


Vor Hannah hatte mich noch keine verlassen. Nicht wirklich. Wir gingen einfach auseinander, bis irgendwann der Punkt erreicht war, an dem man sich nicht mehr hören und spüren konnte. Dann sah einer über die Schulter und rief: Ich mach Schluss! Und noch war aber nicht Schluss. Der Spruch musste wiederholt werden, fünf, sechs, sieben, acht Mal, wie eine Zauberformel, die erst nach und nach ihre Kraft entwickelt. Vielleicht auch, weil wir Angst hatten, der Partner sei bereits zu weit weg, um es zu hören.
Ich mach Schluss!
Was?
Ich mach Schluss! Hörst du? Schluss!
Hast du Schluss gesagt?
Ja!
Komm mal bisschen näher.
Schluss! Schluss! Schluss!
Ich versteh dich nicht!
Etwas Drama gehört auch dazu, klar. Und dann wollen die Leute natürlich wissen, wer wen verlassen hat. Da war ich großzügig. Sie dürfte immer die Person sein, die ging, die unzähmbare Gestalt, die kometenhaft davonzog, während ich den Anschein machte, einem schwarzen Loch gleich in mich selbst zu versinken. Das sagte ich auch: Weißt du, wenn es dir so leichter fällt, können wir es ruhig so machen, dass ich am Ende der Verlassene bin, und du die Schlussmacherin. Ich komme damit klar.
Das hörten sie allerdings überhaupt nicht gern. Eine meinte mal zu mir, sie würde gleich kotzen, wenn ich nicht sofort damit aufhöre, mich in diese Jesus-Pose zu werfen. Und ich frage auch noch dumm: Jesus-Pose? Und sie: Als könntest du allen Ernstes völlig selbstlos die ganze Bürde unserer kaputten Beziehung auf dich nehmen!
Das war schlagfertig von ihr, muss ich schon sagen.
Trotzdem fand ich mein Angebot großzügig.
Und ein bisschen dramatisch eben. Ein bisschen Drama gehört einfach dazu. Wenn zum Schluss keine pathetischen, überdrehten Sprüche fallen, wenn kein Leid sichtbar wird - dann fehlt einfach was. Vielleicht sogar Respekt. Denn was am Ende nicht wehtut, kann doch auch am Anfang nicht so viel wert gewesen sein. No pain, no gain gilt auch in der Retrospektive.
Doch bei Hannah war es so: Sie hat gar nicht Schluss! gesagt. Sie hat etwas völlig anderes gesagt. Sie kam sonntagmorgens in die Küche, während ich Tee trank und vor dem Laptop saß, und sah total sexy aus. Sie trug keinen BH, kleine süße Nippel drückten sich durch ein lässiges weißes Schlafoberteil, das zu groß war und viel Haut zeigte. Ihre Schultern glänzten glatt und lecker, und sogar die Jogginghose hatte etwas Sexy-Verschlafenes an sich. Was sie wohl darunter trug? Das Schöne an Jogginghosen: Die kann man total schnell runterschieben. Ich hatte Hannah letzte Nacht nicht gesehen, weil sie von der Geburtsparty einer Freundin spät nach Hause gekommen war. Ihre WG war vor sechs Wochen aufgelöst worden und nun wohnte sie bei mir, bis sie eine neue fand.
Oder vielleicht zogen wir zusammen in eine Wohnung? Wir hatten vor kurzem darüber gesprochen, so wie man über die Namen zukünftiger Kinder spricht: ironisch, scherzend, wir gingen Szenarien durch und lachten. Und doch war das Gespräch viel mehr als nur Spaß, wir begaben uns auf eine große Ideenspielwiese, tasteten uns gegenseitig ab und sahen in einen weiten, geheimnisvollen Himmel.
Hannah kam in die Küche und im ersten Moment dachte ich natürlich nichts. Ich lächelte müde und streckte mich, wie man sich vielleicht nur am Wochenende strecken kann, die Hände weit über den Kopf und mit vorgewölbter Brust. Hannah lehnte sich gegen den Kühlschrank, verschränkte die Arme und sah mich an, voller Ernst. Ich runzelte die Stirn und brachte die Hände wieder nach unten. Und dann sagte sie: „Ich habe jemanden kennengelernt.“
Dazu muss man wissen: Wenn ich sonntagmorgens in der Küche vor dem Laptop sitze und Tee trinke und dazu noch ausgeschlafen bin, das ist praktisch der ausgeglichenste Moment, in dem man mich überhaupt vorfinden kann. Und so sagte ich zunächst nichts. Ich nahm sogar einen Schluck Tee und kam mir cool dabei vor. So wie Altkanzler Schmidt vor Antworten in aller Ruhe einen Zug nimmt, so wie De Niro die Mundwinkel weit nach unten zieht und ein paar Mal beleidigt nickt, so wie Jack Nicholson dich erst mit einem irren, leeren Blick ansieht, ehe er zu einem Grinsen ansetzt und was Zynisches sagt - so trank ich einen Schluck feinsten schwarzen Darjeeling-Tee von den weiten Hügeln Indiens. Und musterte die Hannah. Die zwar keine Tränen in den Augen hatte, aber für ihre Verhältnisse schon ziemlich angespannt aussah. So ließ ich alles Zwischengetöse weg und ging gleich zum Wichtigsten über: „Hattet ihr schon Sex?“
Und sie nickte. Einfach so. Sie nickte! Ohne Schluchzen, ohne Tränen, ohne langes Zögern, ohne überhaupt den Blick von mir abzuwenden. Gott! Hätte sie doch ein bisschen verschämt den Kopf nach unten sacken lassen. Oder zumindest etwas Zögern vor dem Nicken eingeschoben. Aber nein. Sie nickte einfach.
Da nahm ich gleich wieder einen großen Schluck Darjeeling-Tee. Und kam mir überhaupt nicht mehr cool vor.
„Es tut mir leid“, sagte Hannah, noch immer an den Kühlschrank gelehnt, noch immer total zum Anbeißen. Mir fiel auf, dass ihr langes braunes Haar sexy-zersaust war – woran lag das? Am Schlafen? Wann war sie nochmal heimkommen? Unwillkürlich fragte ich mich, ob man den Feind noch an ihr riechen konnte. Ein Scheißgedanke. Ich seufzte so schwer ein Mensch nur seufzen kann. Und sie seufzte auch. Immerhin: ein gemeinsames Seufzen. Ein Stück Anerkennung für die Schwere der Situation. Für einen ganz kurzen Moment war ich ihr dankbar dafür.
Dann fragte ich sie, ob ihr neuer Liebhaber Vegetarier sei.
„Was?“
„Ist er Vegetarier?“
Sie rückte vom Kühlschrank weg und warf ihr niedliches kleines Gesicht in Wutfalten. Gut so! Ärgere dich! Ich hab Recht, nicht wahr?
„Das hat wirklich nichts damit zu tun …“
Ich ließ mich nach hinten in den Stuhl fallen, klappte mit Gewalt den Laptop zu und schob den Tee von mir weg.
„Du willst mich doch verarschen!“

Vor zwei Tagen hatten wir uns gestritten. Wegen Vegetarismus, wie man so schön sagt. Hannah hatte ein komisches Buch gelesen, sich eine Doku reingezogen, drei Peta-Werbungen zu viel gesehen, und war dann irgendwie zu dem Schluss gekommen, Tiere Essen sei Mord.
Wir saßen zusammen beim Türken an einem kleinen Tisch, die Wände waren orange, es roch nach Baklava, Fett und Tee. Ich aß einen Döner, und sie nibbelte an einer Falafel in einem weißen Sommerkleid.
„Was soll das heißen, Tiere essen ist Mord?“, fragte ich.
„Nun …“, begann sie mit einem Unterton, der wohl die Banalität der folgenden Aussage hervorheben sollte. „Tiere leben! Und wenn man sie tötet, dann leben sie nicht mehr. Das nennt man Mord.“
„Aha …“, sagte ich, während ich zu einem großen, gezielten Biss ansetzte. Beim Döneressen versuchte ich immer, möglichst geschickt vorzugehen. Das heißt: So reinbeißen, dann man nicht nur Fleisch in den Mund bekommt. Aber auch nicht nur Kraut. Und wenn's geht, die richtige Menge Sauce. Wenn man dann noch ein Stück Tomate erwischt, hat man den perfekten Dönerbiss, der beim Kauen maximale Freude bereitet.
Sie nahm einen Schluck Bionade und sah mich an, während ich kaute. Ich ließ mir Zeit, wischte etwas Sauce mit dem Handrücken vom Mundwinkel weg und sagte dann: „Aber ich töte Tiere nicht, ich esse sie nur. Das ist doch ein Unterschied.“
„Ja, genau das hat man im Dritten Reich auch gesagt. Ach, ich bringe diese Menschen doch nur von A nach B, was dann passiert, hat doch nichts mit mir zu tun, ich bin doch nur der Fahrer. Nein, nein … die Fahrer waren genauso dran beteiligt. Und du bist auch dran beteiligt.“
Dazu sagte ich erstmal nichts.
„Ich verstehe nicht, warum du dir diese Doku nicht anschauen kannst“, sagte sie, „wirklich, ich versteh's einfach nicht.“
„Die eine über Massentierhaltungen?“
„Genau die.“
„So was verdirbt mir doch nur die Laune, Schatz …“
„Genau deswegen solltest du sie dir anschauen! Wäre das wirklich so schlimm? Wenn du einmal zur Abwechslung etwas Sinnvolles schaust? Statt immer diese Serien.“
„Du meinst wie Tatort?“
„Ich schaue genau einmal die Woche Tatort. Einmal. Aber das kannst du natürlich auch nicht verstehen.“
„Nicht wirklich …“
Sie wandte den Blick ab und zog ein genervtes Eigentlich-ist mir-diese-ganze-Unterhaltung-viel-zu-blöd Gesicht. Obwohl völlig klar war, dass sie kurz davor stand, sich total in diese Unterhaltung reinzusteigern.
„Komm schon, Babe …“ Ich fasste nach ihrer schönen schmalen Hand, und sie zog sie aber gleich zurück. Das überraschte mich. Ihr Zyklus mal wieder? Stand der Mond komisch? Das Wetter?
„Das nervt mich einfach“, sagte sie. „Wie du dich anstellst.“
„Ich ess grad nur einen Döner, Schatz. Und jetzt soll ich mich für den Holocaust entschuldigen, oder was?“
„Ich hab ja nicht gesagt, dass du ein Nazi bist. Ich sage nur, dass du wie einer argumentierst.“
Jetzt war ich auch genervt. „Weißt du … ach … überleg dir doch, was du sagst! Menschen essen seit Tausenden von Jahren Fleisch, auf der ganzen Welt ist das Kultur. Nein, was sage ich, das ist Biologie! Und du willst das verbieten? Wie krass bist du drauf? Und dann kommst du mir auch noch mit Nazis? Das ist alles so … so spießig auch. Spießiger noch als Tatort schauen.“
„Wenn du nur einmal die Doku sehen würdest …“
„Es geht doch nicht um die Doku! Mir ist schon klar, dass Massentierhaltung nicht schön ist. Ich find's doch auch nicht schön.“
„Aber du willst nichts dagegen tun.“
„Babe …“
„Die Welt wäre so viel besser und gesünder, wenn alle weniger Fleisch essen würden, Marc. Nein, hör mir einfach zu jetzt. Lass mich ausreden. Das wurde alles berechnet. In Brasilien holzen sie Regenwälder ab, um Getreide anzubauen. Meinst du, die hungrigen Kinder, die in den Slums direkt nebenan wohnen, bekommen davon was ab? Nein, man mästet damit Kühe, die geschlachtet und nach Europa versandt werden, damit wir uns mit Cheeseburgern vergiften können, die ein Euro kosten. So pervers ist das. Aber dir ist das natürlich egal, Hauptsache, du bist ein richtiger Mann, der richtiges Fleisch von richtig toten Tieren isst.“
„Ich bin ein blutrünstiger, fleischfressender Macho. Du hast es endlich erfasst.“
„Ich hab's schon immer gewusst.“
Ich biss in den Döner und ließ ihn mir schmecken.
Sie beäugte mich. „Das ist wirklich so ein Konstrukt, das in deinem Kopf wohnt, nicht wahr? Richtige Männer essen richtiges Fleisch! Arrarrarr …“
„Also … Fleisch essen ist auf jeden Fall sexier als kein Fleisch essen.“
„Siehst du!“ Sie lächelte, als hätte ich gerade die eigene Position verraten.
Ich zuckte mit den Achseln. „Es ist halt so.“
„Ha! Und du glaubst, das kommt jetzt sexy, so wie du gerade Döner isst?“
„Mmmm …“ Ich legte den Döner hin und nahm einen Schluck Ayran. „Jetzt den Essvorgang an sich vielleicht nicht unbedingt. Aber es geht ja um die Einstellung: Wenn jemand sagt: Mir ist völlig egal, wie geil etwas aussieht und schmeckt und duftet, das werde ich trotzdem niemals anfassen – was sagt das über einen Menschen aus? Über seine Art? Willst du wirklich mit einem Vegetarier ins Bett? Wenn man schon die Wahl hat?“
„Ich esse doch auch kein Fleisch. Und ich vermisse es auch gar nicht.“
„Ja … und du bist trotzdem sexy, die Ausnahme bestätigt die Regel. Aber vermisst du wirklich kein Fleisch, oder behauptest du das nur? Schon mal einem Menschen begegnet, der seit Jahren keinen Sex mehr hatte und von sich behauptet: Das ist eine Qual, die mich jeden Tag zerfrisst? Nein, sie sagen alle: Ach, das fehlt mir ja gar nicht. Die ganzen Christen, die Moralprediger … ist doch genau dasselbe. Weil Christen niemals Sex haben, soll auch kein anderer Sex haben. Und wehe, einer hat sogar guten Sex! Dafür kommt man direkt in die Hölle. Ist alles ein und dasselbe …“
„So ein Stuss!“
„Und bei dir jetzt - es tut mir leid, wenn ich das sagen muss, Superbabe – ist es ganz genau so. Da liegt dieses jämmerliche Veggiezeug vor dir auf dem Tablett - und du wärst vielleicht sogar zufrieden damit. Aber dann siehst du, wie ich diesen animalischen saftigen Döner verspeise, und das macht dich völlig kirre. Und drum soll ich in Zukunft keinen Döner mehr essen. Weil es dich verunsichert.“
Sie sagte nichts, sah mich nur an.
Ich lehnte mich zurück und grinste ein bisschen. „Willst du nicht mal probieren?“ Ich hielt den Döner nach oben.
„Du bist so ein Idiot.“
„Ach komm, Babe …“
„Nichts Babe. Du redest Müll. Und du weigerst dich einfach, dich als Mensch mit Verantwortung wahrzunehmen, ja, als jemand, dessen Handeln Konsequenzen hat, auch in einem globalen Kontext. Mir ist egal, wie spießig das klingt. Und wenn ich deine Sprüche mit dummen Naziausreden vergleiche, ist es nicht okay. Aber es ist offenbar völlig okay, wenn du meine Bitte, einen Dokumentarfilm anzuschauen, mit der missionarischen Eifer irgendwelcher von dir erfundenen Christen verknüpfst, die sämtlichen Menschen auf Erden den Sex ausreden wollen.“
„Ganz so hätte ich das jetzt nicht zusammengefasst, aber … jo.“
Sie wandte den Blick ab, sah aus dem Fenster.
„Hey …“, sagte ich.
Aber sie wollte mich nicht ansehen.
„Ich muss zum Seminar“, sagte sie nach einer Weile.
Sie stand auf und schlang ihren Hipsterbeutel auf die Schulter. Mit dem Aufdruck: Deine Mutter ist auch aus Fleisch.
Ich glaube, das war mir erst in diesem Moment aufgefallen.
Sie sah auf mich herab. Irgendwie nachdenklich.
Eigentlich verabschiedeten wir uns immer mit einem Kuss.
„Bis später“, sagte sie.
„Ja … bis später.“

„Du willst mich doch verarschen!“
Ich bildete mir ein, sie würde gleich etwas sagen wie: Selber schuld. Wenn du keine Schwulen magst, bekommst du einen schwulen Sohn. Wenn du Rentner ärgerst, wirst du später mal alt und bitter. Und wenn du Tiere isst, setzten dir Vegetarier Hörner auf. Das ist Gerechtigkeit.
Aber das sagte sie nicht. Sie stand einfach da und schwieg. Mit einem zerknirschten Ausdruck im Gesicht, der da gar nicht hinpasste, hatte sie doch ein ausgesprochen schönes und gewinnendes Gesicht, eines, das der Zerknirschung praktisch nicht fähig war. Es war niedlich, so wie alle Frauengesichter irgendwie niedlich sind, aber auch offen und stark, mit Wangenknochen, Kinn und klaren Augen. Und jedes Mal, wenn sie lächelte, kamen tolle Zähne zum Vorschein, die Luft knisterte, und irgendwo auf der Welt schaffte es eine Babyschildkröte ins Meer.
Wo war dieses Lächeln nur?
„Ja, und jetzt?“, fragte ich in die Stille hinein. „Hast du dir dabei auch was gedacht?“
„Ich kann zu Ina ziehen, bis ich was find. Bei ihr ist auch Platz.“
So weit hatte sie also schon gedacht.
Ich biss mir auf die Unterlippe, starrte vor mich hin, und spürte, wie mein Puls in die Höhe schoss.
Sie war doch verrückt geworden.
„Es tut mir leid“, sagte sie erneut. „Aber vielleicht ist es auch besser so. So kannst du in Ruhe fürs Examen lernen, und ich … “
„Und du bist mich los.“
„So ist es nicht. Es ist nur, ich wollte das nicht, aber … es ist halt passiert.“
Es ist halt passiert.
Eine Million Sätze, Gesten, Umarmungen, Küsse, Geschenke und dann: Sorry. Gestern im Café. Es ist passiert.
„Was ist das für ein Typ?“, fragte ich.
„Er ist …“ Sie seufzte. „Muss das sein?“
„Ich weiß es nicht.“
Ich wusste es wirklich nicht. Was muss schon sein? Keine Ahnung, was in solchen Situationen muss.
„Er heißt Alex. Er ist Student.“
„Und?“
„Nichts und. Er ist … normal einfach. Es ist ja nicht wegen ihm … nicht nur. Bei uns ist es nicht mehr so wie früher, Marc. Wir streiten uns so viel. Findest du nicht?“
Wir streiten uns viel. Es ist nicht mehr so wie früher.
„Na gut“, sagte ich, obwohl natürlich gar nichts gut war. Warum sagte ich das? Und gleich hinterher: „Dann ist es halt so.“
Und sie nickte wieder. Dieses elende Nicken. Wo sie mir doch so gerne widersprach. Für ihr Leben gern widersprach sie mir. Und jetzt: kein Widerspruch mehr.
Dann ist es halt so. Mehr wollte sie gar nicht.
Ich stand auf und wollte gehen, musste aber vorher noch an ihr vorbei. Und das in meiner engen Küche. Ich ging praktisch auf sie zu, wie schon tausend Mal zuvor. Sie machte einen kleinen Schritt nach rechts und drehte sich zur Seite. Und blickte dabei nach unten. Und presste die Lippen ganz fest aufeinander. Ich blieb neben ihr stehen und sah auf sie herab, auf ihr schönes Profil. Ihre Augen konnte ich nicht sehen, nur die Wimpern, die hübsche Nase, das volle Haar, die glatten Schultern. Wie scheiße war doch diese Distanz, die sie mir aufzwang. Und wie unglaublich schmerzhaft. Und sie blieb wirklich hart. Sie spannte sich an wie eine in die Ecke gedrängte Katze, legte die Hand auf den kalten Herd, sah zu Boden und wollte unbedingt, dass ich weitergehe. Jetzt. Ich sollte verschwinden!
Da wäre ich fast ausgerastet. Da hätte ich sie auch anschreien können. Da hätte ich sie auch packen und schütteln können. Ich sah auf sie herab, blieb noch kurz stehen, und ging dann weiter.

Ich stecke mir Kopfhörer in die Ohren, stellte den Ipod auf Shuffle und legte mich aufs Bett. Mein Zimmer war voll mit ihrem Zeug: Bunte Tücher, Uniskripte, Kosmetikzeug, Safran-Foer, Hesse, DFW.
Ich schloss die Augen und shuffelte und shuffelte und shuffelte. Mir gefiel irgendwie nichts.
„Tja …“, dachte ich immer wieder. „Tja …“
Und: Bleib cool. Und: Shit happens. Und: So ist's Leben. Und: Alles Schlampen außer Mutti. Und: There are plenty more fish in the sea. Und: Kein Alkohol ist auch keine Lösung.
Als hätte irgendwer mein ganzes Innenleben in einen verdammten Twitterthread verwandelt.
Und wie ich so dalag, fand ich das furchtbar. Dass ich so hilflos war und mir so wenig einfiel. Dass ich so dumm war und dies nicht hatte kommen sehen. Das war fast furchtbarer, als von einem Vegetarier Hörner aufgesetzt zu bekommen. Naja, fast. Das mit den Hörnern war schon ziemlich scheiße.
Aber gut …
Shit happens!
Ich fand mich erbärmlich. Und während ich mich erbärmlich fand, fragte ich mich, ob sich erbärmlich finden eigentlich dasselbe ist wie erbärmlich sein.
Früher war es besser. Wir streiten uns so viel.
Wo waren wir schief gelaufen? Hätte ich mir die Doku reinziehen sollen? Es kotzte mich an. Ein Scheißvegetarier. Er ist normal, hatte sie gesagt. Als gäbe es normale männliche Vegetarier. Weibliche vielleicht, okay, aber doch keine männlichen! Kann mir doch keiner erzählen!
Wo waren wir schiefgelaufen?
Ich fragte mich, ob ich Hannah irgendwie aus den Augen verloren hatte in letzter Zeit. So weit das überhaupt möglich war, wenn man sich fast jeden Tag sah.
Aber vielleicht.
Vielleicht war es früher wirklich anders.

Wir lagen bei ihr im Bett und hörten Death Cab for Cutie.
„Ich hab eine Idee“, sagte sie.
„Ich auch.“
„Okay, du zuerst.“
„Ich finde, wir könnten als Bonnie und Clyde gehen.“
„Nein …“
„Warum? Wär doch stylisch.“
„Das ist total abgedroschen.“
„So abgedroschen ist es nicht.“
„Doch, Jan und Lena sind letztes Jahr als Bonnie und Clyde gegangen.“
„Scheiß auf Jan und Lena. Wir machen das viel cooler. Überleg mal, ich könnte einen grauen Anzug und einen Hut tragen, so wie die Gangster aus den Zwanzigern; Clyde hatte außerdem immer einen Zahnstocher im Mund. Und du könntest Faye Dunaway sein, mit einem Beret und einer Bluse und einem langen Rock und einer blonden Perücke. Und dann kaufen wir uns Spielzeugpistolen und rauben die Bar aus. Nehmen alle Vodka-Flaschen mit und so. Das wäre doch cool.“
„Du weißt, Clyde war impotent.“
„So genau müssen wir es nicht nehmen …“
„Hmja …“ Sie streckte sich zwischen den Laken. „Aber ich dachte eher an was anderes.“
„Was?“
„Die Schöne und das Biest.“
Ich verzog das Gesicht, und sie lachte laut auf.
„Die Schöne und das Biest ist genauso abgedroschen“, sagte ich.
„Aber es passt sooooooooo gut!“
„Na komm … so hässlich bin ich doch gar nicht.“
„Ich hab mir überlegt, bis dahin schneidest du deinen Bart einfach nicht mehr …“
„Es sind noch zwei Wochen bis dahin.“
„Und dann finden wir ein Yeti-Kostüm für dich.“
„Ein Yeti-Kostüm?“
„Ja!“ Sie warf sich an mir. „Und wir schminken deine Augen. Ganz Dunkel, weißt du, so richtig grotesk! Und schmieren dir Blut vielleicht in den Bart …“
„Also …“
„Und ich bin dann einfach nur schön!“ Sie grinste breit. „Ich dachte da an was ganz Elegantes. Vielleicht nehme ich die Perlenkette von meiner Mutter. Und stecke die Haare hoch. So wie Audrey Hepburn! Ach … das wird ganz toll, Schatz, ganz toll!“

„Hey, wach auf.“
„Mmmm …“
„Marc, wach auf!“
„Was denn?“
„Da ist was.“
„Wo ist was?“
„Hier drin! Im Zimmer!“
„Bei uns oder wie?“
„Hör mal!“
„Scheiße, was ist das?“
„Ich glaube, es lebt!“
„Mach mal Licht an.“
„Mach du Licht an!
„Wah …“ Ich sprang aus dem Bett und rannte zum Lichtschalter.
„AHHHHHHHHHHHH!!!“
„Scheiße!“
„Da! Da! Sie ist hinter dem Schrank!“
Ich sprang zurück ins Bett, und sie klammerte sich an mich. Einen Moment lang war alles still.
„Ich hab doch gesagt, das Hotel ist scheiße“, sagte sie.
Wir stellten uns aufs Bett, starrten auf den Schrank und horchten.
„Hast du schon von den Ratten gehört, die nachts in Krippen stiegen und Babys fressen?“, fragte ich.
„Nein …“
„Solche Ratten gibt es hier. Und ich glaube, das ist so eine.“
„Hör auf.“
Ich wog den Kopf hin und her. „Ich weiß nicht, schwierig.“
„Was denn?“
„Wenn sie hinter dem Schrank lebt, da komm ich nur schwer hin.“
Sie seufzte. „Ich glaube, wir müssen morgen auschecken.“
„Ja …“
„Komm, legen wir uns wieder hin.“
„Okay.“
„Lass das Licht an.“
Wir legten uns hin und ließen das Licht an.
„Ich kann so nicht schlafen“, sagte sie.
„Ich auch nicht.“
„O je …“ Sie kuschelte sich ganz eng an mich. „Ich mag keine Ratten.“
„Das ist irgendwie süß, wie du das machst.“
„Ja?“
„Ja, schon.“
Sie kuschelte sich noch enger an mich, drückte den Kopf unter mein Kinn.
Ich fing an, sie zu begrapschen, fasste nach ihrem Hintern und so.
„So kann ich keinen Sex haben, Schatz.“
„Warum nicht?“
„Das geht einfach nicht. Hörst du das? Da raschelt's schon wieder.“
„Ich höre nichts …“
„Nein, nein, das geht nicht. Ich denke die ganze Zeit, die Ratte springt ins Bett und beißt mir ins Gesicht.“
„Na gut, aber … vielleicht hat das auch was Aufregendes an sich?“
„Nein.“
„Mmm … sicher?“
„Ja … ich bin mir ziemlich sicher … mmmmm … jaaaa … sicher, sicher … Schatz!“
„Was denn?“
„Da ist sie wieder!“
„Ich bring sie um!“
„Was? Nein …“
Ich ging ins Klo und kehrte mit einem Besen zurück. „Die Ratte stirbt!“
„Nein! Schaff sie nur hier raus. Nicht töten! Nur rausschaffen!“
„Komm, hilf mir mit dem Schrank.“
„Nicht töten, Marc!“
„Das Tier frisst Babies, Hannah, es verdient den Tod.“
„Nein, nein, komm …“ Sie glitt in Unterwäsche aus dem Bett und trat zu mir.
„Hannah …“
„Du erwischt sie doch eh nie. Komm, Schatz …“ Sie griff nach dem Besen, schmiegte sich an mich, sah nach oben. „Komm zurück ins Bett …“


Das konnte sie nicht machen.
Ich stand auf und ging zurück in die Küche.
Sie saß mit angezogenen Beinen am Tisch und starrte auf ihr Smartphone. Und wie sie mit interessiertem Blick drauf rumtippte, packte mich die Gewissheit, dass sie mit dem Feind kommunizierte.
„Und … was schreibt der Vegetarier?“
Sie sah hoch. Blinzelte. Blickte zur Seite und strich eine braune Strähne aus dem Gesicht. Und sah mich wieder an. „Weißt du, ich finde das schon erstaunlich.“
„Was denn?“
„Wie aufmerksam du bei so Dingen auf einmal bist.“
„Bei so Dingen?“ Ich schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich dachte, du spielst die ganze Zeit Candy Crush.“
Sie verzog den Mund.
„Leg das Handy weg“, sagte ich.
Sie blickte kurz aufs Display, zögerte, sah wieder zu mir.
Bin kurz weg, Feind, Kussi-kuss!
Das wollte sie noch schreiben, bevor ich sie gleich ablenkte, das wussten wir beide, und das konnte sie einfach nicht bringen.
Sie legte das Handy auf den Tisch, seufzte und verschränkte die Arme.
„Marc, ich weiß nicht, was du …“
„Ich will nur reden“, sagte ich.
„Ich kann dir nur sagen, dass es mir leidtut. Wirklich. Mir fällt das auch schwer. Ich hoffe, du denkst nicht, ich bin voll die Schlange und betrüge dich schon seit Monaten hinter deinem Rücken. So ist es nicht. Wirklich nicht.“
„Aber du hast mich betrogen.“
Sie nickte.
„Gestern Nacht?“
Dieses Mal zögerte sie tatsächlich vor dem Nicken. Aber sie nickte, und ich spürte meinen Puls wieder in die Höhe schnellen. Ich hätte den Feind direkt töten können und sie am besten gleich mit, aber ich war nicht nur wütend.
Ich hatte auch Angst. Richtige Angst.
„Das heißt, du warst gestern gar nicht auf einer Geburtstagsparty?“, fragte ich.
„Doch, war ich …“
„Und er auch?“
„Ja.“
„Und dann seid ihr zusammen zu ihm?“
Sie nickte.
„Und warum bist du dann hierher zurück?“
Sie seufzte. „Marc, bitte …“
„Ja tut mir leid, wenn ich das fragen muss! Ich komme mir einfach verarscht vor. Wie soll ich mir das vorstellen? Da habt ihr Sex, ihr liegt so im Bett, es ist drei Uhr morgens, und dann sagst du: Ach, mir fällt gerade ein, ich muss noch schnell mit meinem Freund Schluss machen! Bis später! Warum bist du nicht einfach dort geblieben?“
„Weil ich dir gesagt hatte, dass es nicht spät wird.“
„Weil du …“ Ich runzelte die Stirn.
Und auf einmal hatte sie Tränen in den Augen.
„Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst“, sagte sie.
„Ich mache mir Sorgen“, sagte ich.
„Ich …“ Sie senkte den Kopf und kämpfte mit den Tränen. „Ich musste es dir einfach sagen. So konnte es nicht weitergehen.“ Sie griff nach dem Handy und stand auf.
„Bleib sitzen, Hannah.“
„Marc …“
„Bitte. Bleib sitzen.“
Sie wischte die Tränen aus den Augenwinkeln und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid.“
„Wie lange kennst du diesen Typ?“
„Es geht nicht so lang.“ Sie seufzte. „Marc, bitte …“
„Was denn? Was? Ich will's doch nur verstehen. Setz dich hin und erklär's mir. Erklär's mir und ich lass dich gehen.“
Sie lehnte sich an die Wand. „Wir unternehmen weniger. Du bist nicht mehr so, wie früher, und ich vielleicht auch nicht. Wir leben irgendwie nebeneinander. Und mit ihm ist es anders. Wir lachen viel.“ Sie zuckte mit den Achseln, als könnte sie mit dieser kleinen Scheißbewegung einen Strich drunter ziehen.
Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete durch.
Sie lachen viel, dachte ich.
Der Vegetarier und sie, sie lachen.
Worüber, verdammt nochmal?
Die Vorstellung machte mich irgendwie fertig. Dass Hannah so viel ohne mich lachte. Und schon war ich bereit, mich wieder ins Bett zu legen. Oder mich zu erhängen oder einfach nur zu schreien.
Ich sagte einfach nichts mehr, und sie ging.

Wenig später hörte ich, wie sie mich verließ, wie sie Hesse und DFW zusammenklaubte, wie sie die bunten Tücher zusammenfaltete, wie sie Reißverschlüsse rauf und runter riss und atmete und schwirrte. Das hielt ich nicht lange aus. Ich verließ die Wohnung, setzte mich vor Tonis und ließ die Sonne auf meinen Kopf brutzeln. Der Kellner kam, und ich bestellte eine Pizza Hawaii, die ich nicht essen konnte. Keinen Bissen bekam ich runter. Die Halbe lief dafür wie geschmiert. Die zweite Halbe auch. Mir ging's danach nicht besser. Ich beobachtete die frischen Paare, wie sie kichernd durch die Stadt gingen, und prophezeite ihnen einen kurzen Sommer, einen bewölkten Herbst und einen depressiven Winter. Ich sah die jungen Frauen in Röcken vorbeihüpfen und bekam fürchterliche Lust, sie alle zu verführen, sie verliebt zu machen, ihnen das Blaue vom Himmel zu lügen, schmutzige Dinge mit ihnen anzustellen und mich nie wieder zu melden - einfach so, aus Protest. Aus Protest gegen das Versprechen, das jeder von ihnen innewohnte, das in jedem Grübchenlächeln steckte und in jedem wippenden Schritt, in jeder gefärbten Strähne und in jedem gepiercten Ohr, dieses Versprechen, das Glück hieß und so unendlich verlogen war.
Es war schon sieben, als ich heimkehrte. Ich warf einen Blick in mein Zimmer, sah die gähnende Leere, ging gleich wieder in die Küche und drehte das Radio auf.
Wenig später kam Luca nach Hause, mein Mitbewohner und Chemiestudent im dritten Semester.
„Oh Mann …“, sagte er. Er ging gleich zum Kühlschank und holte ein Bier raus. „Willst auch eins?“
„Ja.“
Er setzte sich mir gegenüber, wir stießen an, und das kalte Bier schmeckte hervorragend.
„Okay …“, sagte er, und er fuhr mit einer Hand durch seine Wuschelfrisur und atmete voll durch. „Wir sind zum See gefahren, ich hab's echt gemacht, wie besprochen. Wir saßen auf einer Decke, neben uns Cracker, Trauben, Wein und drei verschiedene Käsesorten, das war super, Laura mag Camembert, und dann …“ Er nahm wieder einen Schluck, einen viel zu großen, sodass sich sein ganzes Gesicht dabei verzog und er kurz die Augen schließen musste. „Wir haben ewig geredet, wirklich ewig! Sie hat mir so viele Sachen erzählt und ich habe die ganze Zeit zugehört, und dann war es irgendwann ganz still, Seestille, das war richtig schön, und wir sitzen nebeneinander und blicken aufs Wasser, und sie streckt die Beine von sich und wippt mit dem rechten Fuß, und ich denke mir: Jetzt kann ich sie küssen. Ist schon das dritte Date, das muss gehen. Wie du gesagt hast, muss einfach. Und ich war echt kurz davor, wirklich, ich wollte es machen, und dann … also dann … dann schaut sie aufs Wasser und sagt voll verträumt: Ohhh … wenn ich all diese Schwäne sehe, mit den weißen Federn und den langen Hälsen und den starken Flügeln, das macht mich richtig an. Das sagt sie einfach so. Die Schwäne machen sie an! Und ich so wie bitte?, und sie bricht in Gelächter aus, hält sich am Bauch fest und rollt sich ins Gras. Hey … die Frau ist so heftig, Marc, so heftig! Und jetzt haben wir uns immer noch nicht geküsst. Ich weiß nicht, ich finde die Lücke einfach nicht. Ist schwierig. Hey, ist alles okay mit dir? Du siehst nicht gut aus.“
„Hannah hat mich verlassen.“
„Was?“
„Sie hat schon ihre Sachen gepackt, sie ist weg.“
Er suchte einem Moment lang nach der Verarsche in meinem Ausdruck. Dann stand er tatsächlich auf und sah in meinem Zimmer nach.
„Was ist passiert?“, rief er durch die Wohnung. „Marc!“
Er eilte zurück und sah mich entsetzt an.
„Sie hat jemanden kennengelernt“, sagte ich. „Einen Student. Einen Vegetarier.“
Er legte die Hand auf die Stirn setzte sich langsam hin. „Nein …“
„Wusstest du schon davon?“, fragte ich.
Anhand seiner Mimik – er verzog das Gesicht, als hätte ich ihm in die Eier getreten – wusste ich sofort, dass dem nicht so war. Und schon tat mir die Frage leid. Aber ich musste sie einfach stellen. An dem Tag fühlte sich alles möglich an.
„Wenn ich so was gewusst hätte, Marc, das hätte ich dir doch auf jeden Fall gesagt.“
„Ich weiß, ich weiß … so meine ich das nicht. Ich meine nur: Ist dir vielleicht etwas Komisches aufgefallen in letzter Zeit? Hat du etwas gesehen oder gespürt, seit Hannah hier wohnt? Oder vorher schon?“
Er sah nach oben, kniff angestrengt die Augen zusammen und fuhr mit der Hand über sein junges Gesicht.
„Gar nichts? Sie hat gemeint, wir leben nebeneinander. Hat das so gewirkt?“
„Also manchmal warst du da, manchmal war sie da, und manchmal wart ihr zusammen da … “
Ich unterdrückte ein Augenrollen. „Sonst irgendwas?“
„Manchmal kam sie in die Küche und sagte Hallo. So ganz knapp, weißt du? Hallo. Mehr nicht, nur Hallo. Da hab ich auch Hallo gesagt. Und dann hat sie etwas aus dem Kühlschrank geholt und ist gleich wieder gegangen. Sie hat nicht traurig gewirkt, wie sie Hallo gesagt hat, aber ich kann auch nicht sagen, dass sie voll glücklich dabei ausgesehen hat.“
Ich seufzte. „Dir ist also gar nichts aufgefallen.“
„Letzte Woche haben wir doch noch alle zusammen gegessen, Marc. Hannah hat diesen Curry mit Kokosmilch gemacht, das war schön.“
Die Erinnerung drückte mich in den Stuhl zurück.
„Bist du dir sicher?“, fragte er. „Dass es wirklich vorbei ist?“
„Ich kann's auch nicht fassen“, sagte ich.
„Aber so schnell? Es muss doch irgendwas gewesen sein?“
„Wir haben uns ein bisschen mehr gestritten als sonst, aber … ich weiß es nicht. Ist es anders geworden zwischen uns? Etwas vielleicht. Aber das ist doch normal nach zwei Jahren, oder? Es bleibt ja nicht ewig so wie in den ersten zwei Monaten.“
„Meine längste Beziehung ging vier Wochen, also … ja.“
Wir nahmen beide einen Schluck Bier.
„Vielleicht habe ich Hannahs Idealismus unterschätzt“, sagte ich. „Das ganze Weltverbesserungszeug. Vielleicht meint sie das wirklich ernst und will einfach was anderes.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Oder sie hat sich einfach in diesen Vegetarier verliebt? Einfach neu verliebt und das war's? Sie hat gemeint, sie lachen viel.“
„Sie lachen viel?“ Das gab Luca zu denken. „Hat sie auch gesagt worüber?“
„Genau das habe ich mich auch gefragt! Genau das Gleiche! Hast du schon mal einen Vegetarier mit Humor getroffen?“
„Hmmm …“
„Es gibt keine Vegetarier mit Humor, Luca. Wer Humor hat, schafft es nicht, etwas so Grundlegend-Schönes wie Essen in ein megaenges Korsett zu zwingen, das aus jedem Beisammensein eine Umständlichkeit macht, über die nicht gelacht werden darf.“
„Und dann gibt es noch die Veganer.“
„O Gott, fang jetzt bloß nicht mit Veganern an …“
Luca fing nicht damit an, und im Radio spielten sie Hey Jude. Es war komisch, aber für einen Moment hätte ich schwören können, dass Paul McCartney direkt zu mir spricht. Wir lehnten uns zurück, hörten zu und tranken.
„Naja“, sagte ich nach einer Weile. „So ist halt das Leben, was?“
Er nickte. „Ich glaube, ich werde Laura niemals küssen.“
„Ach, Quatsch, Luca!“
Er schüttelte den Kopf. „Ich war heute alleine mit ihr am See. Wenn nicht da, wann dann? Beim Abschied gab es auch einen Augenblick, wo ich dachte: okay … jetzt vielleicht. Aber dann hab ich's irgendwie versaut. Und jetzt waren es drei Dates.“
„Wie alt ist sie?“
„Achtzehn.“
„Und du?“
„Neunzehn.“
„Da gilt die Drei-Date-Regel nicht.“
„Aber Hannah hat doch auch gesagt …?“
Ich schüttelte den Kopf. „Wir haben euer Alter vergessen. Die Drei-Date-Regel kommt aus den USA, und in den USA darf man erst ab einundzwanzig Alkohol trinken. Und solange kein Alkohol im Spiel ist, greift die Drei-Date-Regel nicht.“
„Aber wir haben Wein getrunken.“
„Aber ihr seid unter einundzwanzig.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Eine Regel ist eine Regel, Luca.“
„Hmm … ja.“ Er kratzte mit dem Daumen am Bieretikett. „Aber es ist halt so kompliziert … wirklich. Glaub mir, das ist schräger als du denkst. “
„Das glaube ich dir schon, aber guck mal, Frauen, die solche Sprüche raushauen, wenn alles still wird …“ Ich zuckte mit den Achseln. „Sie weiß doch auch nicht, was sie machen soll, Mann. Sie hat doch auch keine Ahnung.“
„Glaubst du?“
„Ich kenn sie jetzt nicht, aber ich gehe jede Wette mit dir ein, dass sie ein ganz normales verwirrtes Mädchen ist.“
„Laura ist schon speziell.“
„Klar, natürlich, sie ist speziell … aber halt auch normal.“
„Naja, vielleicht versuche ich es nochmal.“
„Unbedingt, Mann.“
Er kratzte weiter am Bieretikett. „Und was ist mit dir und Hannah? Ihr wart doch so ein cooles Paar, Marc, vielleicht ist es ja nur eine Phase?“
Ich seufzte schwer. „Es klang schon ziemlich endgültig.“
„Was ist passiert, als sie es dir erzählt hat? Hast du sie angeschrieen, weil sie fremdgegangen ist?“
„Nein, nein …“ Ich schüttelte den Kopf. „Vielleicht hätte ich das tun sollen, aber … nein. Ich hab nur gefragt, warum.“
„Aber hast du dann auch wirklich alles versucht? Wenn ich mir vorstelle, ich wäre zwei Jahre mit einer Frau wie Hannah zusammen … da ist es doch nicht so schnell vorbei.“
Ich nahm einen Schluck Bier und fand, dass er gar nicht mal so unrecht hatte.
„Hast du ihr gesagt, dass du sie liebst?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Liebst du sie?“
„Also heute Morgen war's noch so.“
„Dann solltest du etwas tun, um sie kämpfen vielleicht? Ich hab sonst nicht so viel Ahnung, aber … vielleicht ist das eine gute Idee?“
„Naja“, sagte ich. „Ich hab dich bestimmt schon Unsinnigeres sagen hören.“
Er lächelte.
Ich stand auf und ging zum Kühlschrank. „Noch eins?“
Wir stießen an, und das frische Bier schmeckte wieder hervorragend, wie mit Tigerblut gepanscht.
„Ihr wart wirklich so cool, Marc. Wirklich. So cool …“
„Ja, wir waren schon cool …“
„Letztes Jahr, als ihr als die Schöne und das Biest auf den Medizinerfasching gegangen seid, das war voll geil.“
Ich lachte bittersüß, und im Radio spielten sie Wonderwall.
Die Zeit verstrich.
„Es ist schon komisch“, sagte ich. „Schon komisch. Es ist so schnell gegangen mit Hannah, und jetzt, wo ich dieses Bier trinke und dieses Lied höre, kann das gar nicht sein. Ich hab immer noch das Gefühl, dass wir ein Paar sind, dass wir zusammengehören, wir beide, Marc und Hannah.“
Luca nickte.
„Das ist wie in diesem Song. Ich glaube nicht, dass irgendwer auf der Welt so viel für Hannah empfindet wie ich in diesem Augenblick. So geht’s mir auch. Vielleicht sage ich ihr das. Vielleicht mach ich das noch … ja, das sollte ich wirklich tun …“
Luca saß da und hörte einfach zu.
„Was macht eigentlich gerade deine Schwanenfrau?“, fragte ich. „Wo ist sie jetzt?“
„Sie trifft sich mit den Freundinnen, sie schauen gemeinsam Tatort. Heute kommt die letzte Folge vor der Sommerpause.“
„Tatort?“
„Ja.“
„Hast du gerade wirklich Tatort gesagt?“
„Ja, hab ich … warum?“
„Hat sie auch gesagt, wo sie Tatort schaut?“
„Weiß ich nicht mehr genau, ich glaub …“
„Im Munros? Schaut sie im Munros?“
„Ja, genau, Munros, das hat sie gesagt.“
Ich drückte die Hände gegen die Schläfen und schloss für einen Moment die Augen. Eine Erkenntnis bahnte sich an, etwas Ungeheuerliches.
„Was ist los?“, fragte Luca.
„Hannah schaut auch im Munros Tatort.“
Er sah mich an.
„Verstehst du denn nicht?“, sagte ich. „Das heißt, dass sie beide dort sind, am Tatort … O Gott!“
„Was? Was ist los?“
Ein Gefühl, als hätte mir jemand den Bauch aufgeschlitzt. „Er ist auch da.“
„Das weißt du doch nicht …“
„Doch, doch, das weiß ich. Hannah geht jeden Sonntag ins Munros. Und ich bin nie mitgegangen, nie, ich hab mich immer geweigert, und dann ist sie immer voll spät zurück. Weißt du noch? Wir haben uns immer in die Haare gekriegt, ich hab gesagt, was guckst du den ganzen Sonntag so einen Scheiß an, und sie hat gesagt: Pschhhhht, Pschhhhht, wenn du nicht mit willst … Pschhhhht, Pschhhhht, sie hat doch immer gehisst, Pschhhht, Pschhhht, und dann haben wir uns gestritten, wegen Massenphänomenen und Qualitätsfernsehen und so, und hinterher waren wir schlecht gelaunt. Und dabei ging es unterschwellig die ganze Zeit um etwas ganz anderes! Sie hat dort jedes Mal diesen Typ gesehen, jeden beschissenen Sonntag, Woche für Woche für Woche … O Gott! Der Vegetarier ist nicht nur Vegetarier, Luca, er ist auch noch Tatort-Gucker.“ Ich schlug beide Hände auf den Kopf und zerrte an meinen Haaren. „Wie kann sie mir das antun?“
„Scheiße …“
„Aber das kann doch kein Zufall sein! Das kann doch alles kein Zufall sein …“ Ich führte die Flasche zum Mund, saugte das Tigerblut herunter. „Sie sind jetzt beide dort, überleg dir das mal, Luca. Beide. Die Schwanenbraut und Hannah, sie sitzen in einem Raum und schauen gemeinsam Tatort an. Weißt du, was das heißt?“
„Nein …“
„Wir gehen da jetzt hin.“
„Hä? Wie? Warte …“
„Nein, nein, nichts warten!“ Ich stand auf und knallte beide Hände auf den Tisch.
„Was sollen wir dort machen?“
„Dü küsst die Schwanenbraut, und ich hole mir Hannah zurück. Genau so machen wir das, Luca. Genau so machen wir das!“
„Ich weiß nicht …“
„Haha! Was gibt’s da zu wissen? Was gibt’s da zu wissen? Das passiert einfach!“
„Marc …“
„Auf geht’s, Mann. Ich sage Hannah, dass es niemand auf der Welt gibt, der so viel für sie empfindet wie ich in diesem Augenblick, und du sagst der Schwanenbraut, dass sie geküsst gehört. Und dann läuft das.“
„Meinst du?“
„Na klar, was ist schon das Herz einer Frau?“
„Äm …“
„Los, Luca!“

Auf dem Weg zur Tür blieb er vor dem Spiegel stehen. Er fuhr mit der Hand durch sein Wuschelhaar und rückte sich zurecht. Ich stellte mich neben ihn, kraulte meinen Bart und nickte wie De Niro. Wir lachten beide. Luca trug eine kurze Khaki-Hose und ein blaues Hemd. Ich hatte das Übliche an: Jeans, Chucks und irgendein T-Shirt - heute ein Weißes mit dem Batman-Logo auf der Brust. Das fand ich super.
„Weg-Bier“, sagte ich. „Wir brauchen Weg-Bier.“

Wir gingen nach draußen und fühlten uns tatvoll und prächtig. Der Heidelberger Sonnenuntergang ist ein Traum. Die Zeit im Zustand des Zerfalls erfasst, die Welt im Kampf mit der ureigenen Rotation, der Himmel als Schlachtfeld. Dazu Studentenstadtluft: Frisch und fein wie in einer tibetischen Teestube. Herb und dunkel wie im Londoner Untergrund. Antiker Schweiß strömte von den Pflastersteinen, Schweinsbraten verführte in die Fachwerkgaststätten, Schokolade floss in den Cafés und aus den Bars wehte Drachenatem - das ist eine ganz besondere, von unterdrückten Trieben schwül geheizte Abendessenz, mehr Energie als Duft, mehr Leben als Sterben, mehr Hannah als Später. Unsere Wg-Lage: genial. Nur zwei Gassen von der Unteren Straße entfernt, dem Epizentrum des Drachenatems. Wir bogen da ein und gingen an der legendären Destille vorbei, der coolsten Bar der Stadt, nur hundert Meter von der längsten Einkaufsstraße Deutschlands entfernt. Ich liebe Heidelberg.
„Wir bleiben locker“, sagte ich. „Wir sehen uns das an, bleiben locker, und schlagen dann zu wie Viper. Bleiben aber locker …“
„Locker“, sagte Luca.
„Genau“, sagte ich. „Locker.“
Wir stießen an.


Wir spazierten bis zur Alten Brücke, ich nickte dem Heidelberger Affe zu, dann gingen wir ein Stück am Neckar entlang und bogen in eine Seitenstraße, die in einem großen Hof mündete. Er war mit Kies bedeckt, in dessen Mitte spritzte ein Brunnen, und hier und dort wuchsen kleine Palmen aus Tontöpfen. Es gab auch Stoffstühle, Sonnenschirme, eine lange Sommerbar und Holztische, an denen ein paar Medizinstudenten in Polohemden saßen und Mojitos tranken. Ganz hinten leuchtete in hellweißen Buchstaben Munros. Das Gebäude war groß, häufig fanden dort auch Podiumsdiskussionen und Poetry Slams statt. Durch die Panoramafenster sah ich bereits die Leinwand flackern. Die Tatort-Gucker saßen mit dem Rücken zum Hof auf kleinen Hockern, ganz in dem Krimi vertieft.
Wir blieben in sicherer Entfernung hinter dem Brunnen stehen und tranken unser Bier.
„Und jetzt?“, fragte Luca. „Wir können da nicht einfach reinlaufen.“
„Wie lange geht der Scheiß?“
Luca sah auf sein Handy. „Ist fast vorbei, etwas Action noch, und in zehn Minuten gibt's die Auflösung.“
„Ich muss da jetzt reingehen“, sagte ich.
„Vielleicht warten wir, bis die Sendung vorbei ist“, sagte er. „Sie bleiben doch alle noch eine Weile da und diskutieren über die gesellschaftliche Relevanz der Folge. Vielleicht warten wir das ab und schlagen dann zu … wie Viper!“ Er lächelte.
„Verarscht du mich?“
„Nein, nein …“ Er lächelte immer noch.
„Ja, lach nur. Wenn du die Schwanenfrau heute Nacht nicht küsst, vergebe ich dein Zimmer an eine Filmstudentin.“
„Das kannst du gar nicht.“
„Doch, doch, ich kann.“ Ich trank das Bier leer, stellte die Flasche auf den Boden ab und marschierte in Richtung Tatort-Hölle.
„Du hast doch gesagt, locker bleiben!“, rief er mir hinterher.
„Ich bin locker.“

Auf dem Weg zur Tür fing mein Herz wild zu schlagen an. Wut und Angst und Tigerblut mischten sich mit solcher Heftigkeit, dass ich kurz stehen bleiben und durchatmen musste. Wenn ich gleich durch die Tür ging und Hannah sah, wenn dieser Typ wirklich neben ihr saß …
Ich musste es sehen.
Ich ging langsam rein. Sie sahen alle nach vorne, völlig fixiert auf die Leinwand. Munros war keine echte Studentenbar, auch wenn sie gerne diese Klientel bediente, zumindest nicht nach meiner Auffassung. Es roch zu sehr nach Geld darin, zu sauber und farblos. Ein Beamer hing von der Decke. Ein polierter Chromtresen stand zu meiner Linken. Schwarzumrahmte, schwarz-weiß-Bilder von supercoolen, superschlanken Kate-Moss-Models blickten von der Wand. Die Mitarbeiter trugen weiße Hemden und schwarze Schürzen und waren alle jung und heiß. Niemand rauchte. Ein paar Leute standen an einer runden Stehbar in der Nähe und knabberten an Salzstangen. Ich stellte mich hinter sie und sah nach vorne.
Ein kleiner dicker Kommissar rannte gerade durch Münster mit einer Pistole in der Hand. Er stolperte über den Bordstein, fiel auf den Gehweg und fluchte vor sich hin. Der halbe Laden gluckste vor Freude.
Wo war Hannah?
Ich spähte mit pochendem Herzen durch die Menge. Zwölf perfekte Reihen mit je acht Hockern – kein Platz unbesetzt. Keiner saß komisch da. Keiner drehte sich zu mir um. Alle saßen gerade, alle starrten nach vorn. Der dicke Kommissar versuchte über einen Zaun zu klettern, schaffte es gerade so und gab wieder einen launischen Spruch von sich. Die Menge lachte.
Da.
Sie saß in der vorletzten Reihe, ganz außen rechts, keine vier Meter von mir entfernt. Ihr Lachen klang vertraut, unendlich vertraut.
Der Typ, der neben ihr saß und mit ihr lachte, musste der Feind sein.
Er hatte sehr kurzes, sehr ordentliches, sehr blondes Haar, und ein frisch rasiertes, irgendwie glatt gelecktes, ausdrucksloses Gesicht. Seine Lippen waren schmal, und eine schwarze Nerdbrille saß auf einer kleinen Nase. Er trug ein enges rot-blau-kariertes Holzfällerhemd, dunkelblaue Jeans und neu-modische braune Lederschuhe. Obwohl er saß, konnte ich sehen, dass er nicht größer als ich war. Und ganz sicher nicht kräftiger. Er war schlank. Einfach nur schlank. Mittelgroß und schlank.
Ich weiß nicht genau, was ich erwartet hatte. Aber nicht ihn. Ich hatte irgendwie einen imposanten Kerl im Kopf gehabt, einen mit großen Händen und keine feine Nase. Einen Ruderer oder einen Ringer oder einen Schwarzen vielleicht. Wobei das natürlich auch nicht wirklich gepasst hätte. Gibt es schwarze Vegetarier?
Ich stand da und konnte mich nicht bewegen. Seine ganze Erscheinung brachte mich durcheinander, traf mich an empfindlichen Stellen, bedeutete nichts Gutes. Verzweiflung regte sich in mir. Ich hatte nicht vorgehabt, den Feind zusammenzuhauen, nicht wirklich, nicht konkret … einigen wir uns auf nicht bewusst, doch spätestens jetzt wusste ich: Das war keine Option. Nicht mit der Nerdbrille da. Er kam bestimmt aus guten Verhältnissen, er mochte den Tatort und er hatte eine spitze Nase - da hätte ich doch gleich die übelste Anklage am Hals. Das war einer, der sich gern für intelligent hielt. Der gewisse Dinge besser-wusste als ich. Der keine Macken hatte. Der BWL oder so studierte. Der Hannah doch unmöglich so viel zum Lachen bringen konnte. Aber offenbar mit ihr schlief.
Hass flammte in mir auf, unmenschlicher, wahnsinniger, purer Hass.
Warum, Hannah?
Sie saß weiter außen, von mir aus gesehen hinter dem Feind. Ich lehnte mich vor und sah ihr Profil, die leckeren Schultern, das volle Haar …
Ich rückte von der Stehbar weg, ging aus der Deckung, fühlte mich wie ein Soldat, traute mich in den Gang.
Und kam nicht weit.
Ihre schöne schmale Hand lag auf seinem Schoß. Und er hielt sie fest. Er hielt ihre Hand fest. Das war wohl etwas, auf das ich hätte gefasst sein müssen. Trotzdem wurde ich im ersten Moment nicht schlau daraus. Ich kam einfach nicht klar damit. Ich musste an eine Beerdigung denken. An eine Beerdigung in der Kirche. Wenn man nach vorn schaut und dem Pfarrer zuhört, wenn man traurig und einsam ist, wenn nichts mehr geht, dann legt man die Hand auf den Schoß des Partners, und er hält sie fest. Er hält sie fest und man fühlt sich weniger allein, man kann wieder atmen und die Welt ist wieder ertragbar. Dann ist sie wieder in Ordnung, und man kann wieder atmen. Und man kann wieder atmen. Und man kann wieder atmen …


Der Heidelberger Himmel kann auch kalt, dunkel und leer sein.
Ich lehnte mich gegen den Brunnen, sah nach oben und sagte nichts. Luca musterte mich kurz und sagte ebenfalls nichts.
„Tja …“, sagte ich nach einer Weile.
„Er ist da?“
Ich nickte.
„Und … was ist das für einer?“
„Nerdbrille, blond, so groß wie du …“
„Wie alt?“
„Keine Ahnung, 23, 24 …“ Ich zuckte mit den Achseln. „So wie Hannah und ich.“
Luca nickte, und hinter mir plätscherte der Brunnen. Ich sah nach unten, steckte die Hände in die Hosentaschen und schob ein bisschen Kies mit den Füßen hin und her, versuchte einen kleinen Berg zu formen.
Bald kamen die ersten Tatort-Gucker raus, im Gespräch vertieft, lachend. Die Musik wurde aufgedreht, Elektro schoss durch den Hof, und schlagartig war die Atmosphäre eine andere.
Luca sah mit großen Augen in die Menge, trat von einem Fuß auf den anderen und erstarrte plötzlich, wie vom Schlag getroffen. Er lächelte, fuhr mit einer Hand durch sein Wuschelhaar, wusste nicht wohin mit den Händen, fuhr wieder mit der Hand durch sein Wuschelhaar.
Die Schwanenfrau kam auf ihn zu.
Sie nippte an einem Glas Weißwein und grinste und sah zu Boden und warf den Kopf zurück und blondes Haar flog durch die Luft und sie lächelte. Ein vollbusiges, achtzehnjähriges, gebräuntes, Wangen-Baby-Speck-besitzendes, grünes-Sommerkleid-und-Festivalbändchen-tragendes, übermütiges kleines Vollweibchen.
„Luca! Hiiiiiiiiiii! Was machst du hier?“
„Hi, Laura. Hey! Ja, ich … also … ich …“ Und schon wurde er rot.
Sie sah ihn, abwartend, mit offenem Mund, total gespannt auf seine Antwort.
„Naja … ich dachte halt … weil … es war halt so, dass …“
„Wir hatten Durst“, sagte ich.
Das kleine Biest wandte sich mir zu. Und sah mich tatsächlich so an, als nähme sie mir das nicht ab, als genüge ihr die Antwort nicht.
Ich schenkte ihr ein ganz kleines Lächeln und sonst nichts.
Einen Moment lang hielt sie meinem Blick stand. Dann sah sie nach unten, legte die Hand auf die Brust und brach in Gelächter aus. Richtig laut. Luca lachte auch. Haha. Beide zusammen jetzt. Sie schaukelten sich hoch und kriegten sich fast nicht mehr.
Das war einer dieser Momente, wo man merkt, dass man nicht mehr achtzehn ist.
„Das ist Marc“, sagte Luca, nachdem sie sich beruhigt hatten. „Marc: Laura.“
Ich schüttelte ihre Hand, lächelte ein bisschen freundlicher und ging.


Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Sommerbar, bestellte ein Bier und sah auf den immer voller werdenden Hof.
Hannah fand ich nirgends. Vielleicht war sie noch drin. Oder schon gegangen?
Welten lagen zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Wenn sie weg war, war sie wirklich weg, das spürte ich, dann war die Sache gelaufen. In der Hinsicht gab es keinen Morgen.
Aber wenn sie noch hier war … nun, dann hatte ich noch eine Chance. Keine besonders gute, das musste ich mir eingestehen, aber ich hatte eine. Der Feind mochte ein glattgebügelter Schwiegermuttertraum sein, aber auch nur ein Typ. Wahrscheinlich war er nett, ein netter Typ, der Tatort guckte und kein Fleisch aß und eine Nerdbrille trug. Die Welt ist voller solcher Typen. Drauf geschissen. Sollen sie doch die Welt vererben, sich die neueste ökofreundliche E-Klasse holen und dafür sorgen, dass eine Fleischsteuer eingeführt wird. Mir doch scheißegal. Mir war alles egal. Solange sie die Hände von Hannah ließen.
Ich wusste, dass ich eine Chance hatte. Das wusste ich einfach …
Ich trank mein Bier leer, bestellte ein Neues, spähte angestrengt in die Menge, spürte jede einzelne Minute an mir vorbeistreichen wie ein Fingerzupfen am Herzen - und fand sie. Sie stand beim Brunnen in einem großen Kreis von etwa zehn Leuten.
Ein Mal tief Luft holen. Etwas Tigerblut runterhauen. Sich auf sich selbst besinnen.
Und los geht's.
Ich nahm mein Bier, marschierte los und drängte mich in den Kreis, in diesen heiligen Clusterfuck, wo man den Tatort mit ironisch-kritischer Distanz sezierte, Banalitäten wie Weihrauch von sich gab und jederzeit aussah, als würde man an einem pseudoalternativen Style-Krieg teilnehmen. Alte Jeansjacken, gepflegte Bärte, Nerdbrillen, Hippie-Kopftücher, Second-Hand-Hosen, 200-Euro-Schuhe, Gypsy-Ketten … alles war dabei.
„Ich muss mir dir reden, Hannah.“
Es wurde ganz ruhig in dem Kreis.
„Jetzt“, fügte ich noch hinzu.
Sie stand neben dem Feind und sah natürlich gut aus, Style-Krieg hin oder her. Sie hatte schwarze Leggings an, diese sexy Wahnsinnsdinger, die einfach nur alles betonen, wie eine zweite schwarze Haut. Darüber wedelte ein ultrakurzer Stofffetzen, im Grunde ein Alibi-Rock, einer mit einem altmodischen Omablumen-Muster drauf, so bisschen punkig. Dazu bronzefarbener Lippenstift und hübsche Slipper mit goldener Schnalle. Sie trank einen Schluck Rotwein und sah mit blauen Augen zu mir auf.
Neben ihr stand der Feind und funkelte mich von hinter seiner Brille an.
Ich sah ihm direkt in die Augen. Drei, vier, fünf Sekunden lang. Er schluckte, blinzelte, versuchte locker auszusehen, scheiterte kläglich. Als nächstes war der Kumpel dran, der neben ihm stand. Dann die komischen Öko-Tussis …
Ich nahm sie alle ins Visier, einen nach dem anderen. Sollte doch einer was sagen, komm schon, sag doch einer mal was!
Hannah sah nach unten und seufzte. Sie seufzte und dachte nach, während der Fokus der Gruppe langsam von mir auf sie rückte – schließlich lag der Ball bei ihr. Nach einer langen, heftigen Stille, sah sie mich endlich an, mit einem launischen Ausdruck im Gesicht, den ich gut kannte: die Brauen hochgezogen und den Mund zur Seite geschoben.
Das klingt jetzt völlig absurd, aber da musste ich fast lachen.
Ja, Superbabe! Du musst jetzt mitkommen! Anders läuft das hier nicht …
Sie sah den Feind an. Und er nickte, ganz ruhig, selbstsicher, fast schon gönnerhaft. Ich hasste ihn für dieses Nicken. Hannah spazierte aus dem Kreis, und ich folgte ihr. Wir gingen ein gutes Stück durch den Hof, weg von der Menge. Sie blieb stehen und drehte sich in der Dunkelheit. Etwas Licht von der Bar schien auf ihr Gesicht.
„Hannah, du machst einen Riesenfehler“, sagte ich. „Einen Riesenfehler.“
Sie sah mich nur an.
„Du kannst mich doch unmöglich wegen dieser Nerdbrille verlassen.“ Ich gestikulierte wild in seine Richtung. „Das geht einfach nicht!“
„Du kennst ihn doch gar nicht.“
„Was gibt’s da zu kennen? Guck ihn dir an! Ist er reich?“
„Er ist nicht reich …“
„Dann macht das aber wirklich gar keinen Sinn.“
Sie seufzte. „Ich wusste, dass du hier auftauchen würdest …“
„Du Hellsichtige.“
„Marc …
„Was studiert er denn?“
„Jura.“
Jura …
Ich schüttelte den Kopf. „Du mit einem Juristen?“
Sie rollte die Augen. „Und du immer mit deinem Schubladendenken … Ich mach Kulturwissenschaft, na und? Du studierst Sport und Englisch auf Lehramt – willst du darauf reduziert werden?“
Wie sie ihn verteidigte gegen mich!
Ich sah ihr in die Augen. „Hannah, schau mal, ich … ich glaube einfach nicht, dass es irgendwen auf der Welt gibt, der so viel für dich empfindet, wie ich es tue. Das glaube ich einfach nicht.“
Sie runzelte die Stirn. „Hast du das von irgendeinem Lied?“
„Ach komm …“ Ich drehte mich zur Seite und kämpfte gegen den Impuls an, einfach zu gehen. Aber ich konnte jetzt unmöglich gehen. Ich wandte mich ihr wieder zu. „Ich liebe dich, Hannah.“
„Marc … du bist betrunken.“
„Ist doch wurscht.“
„Nein, das ist nicht wurscht. Du hast dich betrunken und dir komische Gedanken gemacht und dich da voll reingesteigert. Schau mich nicht so an, ich kenn dich.“
Ich fasste nach ihrem Arm, versuchte sie zu greifen. „Schatz …“
Sie ging weg, verzog das Gesicht. „Hör auf.“
„Was soll ich machen, Hannah?“
„Nichts …“
„Sag, was soll ich tun? Ich schau mir auch die Doku an, wirklich!"
„Marc …“
„Ich ess auch mal ne Falafel!“
„Marc …“
„Ich geh auch Tatort mit dir gucken und versuche an den richtigen Stellen zu lachen!“
„Marc, es funktioniert einfach nicht. Du wirst das schon selber merken. Warum schläfst du nicht einfach eine Nacht drüber? Dann können wir nochmal reden … okay?
„Okay?“ Ich schüttelte fassungslos den Kopf. „Nein, das ist nicht okay.“
Sie widersprach nicht. Sie stand einfach da, das linke Knie vorgeschoben, die Arme verschränkt.
Ich senkte den Kopf. Mir fiel nichts mehr ein. Ich war am Ende meiner Möglichkeiten, am Ende meiner Kräfte auch. Einfach nur am Ende.
„Marc, wir sprechen uns morgen, okay?“
„Leb wohl, Hannah.“
Jetzt setzte sie doch zum Widerspruch an. Ein Ruck ging durch ihren Körper, sie hob die Hand, machte den Mund auf - und zögerte.
Wenn ich gehen sollte, musste sie mich schon gehen lassen.
Leb wohl …
Ich glaube, an einen Abschied dieser Art hatte ich den ganzen Tag über kein einziges Mal gedacht. Aber nun war der Satz gefallen, und … war es nicht so? Ich war doch kein Typ, der sich irgendwo mit der Exfreundin und ihrem Neuen blicken ließ.
Wir würden nie wieder kuscheln, nie wieder zusammen in den Urlaub fahren, uns nie wieder verkleiden, uns nie wieder über Tiere und Tatort und Schubladendenken streiten … es war vorbei.
Vielleicht ist das auch ihr erst in diesem Moment bewusst geworden. Etwas Härte wich aus ihrem Gesicht, die Art Härte, die bei Frauen erst auffällt, wenn sie nicht mehr da ist. Sie trat vor, nahm meine Hand, und ich sah in diese Augen, die ich so sehr vermissen würde. In diesem Moment fühlte es sich wie früher an, ich drückte ihre schöne schmale Hand und fragte mich, ob ich nicht doch noch etwas sagen wollte! Irgendwas! Jetzt oder nie! Eine letzte Umarmung vielleicht!
Aber ich ließ es sein, und sie machte auch nichts mehr, und ich ließ ihre Hand los, und sie ging in der Dunkelheit davon.


„Das geht nicht, Luca.“
Ich saß auf dem Boden, ganz am Rande des Hofs, wirklich in der dunkelsten, hintersten, elendesten Ecke, wo man normalerweise nie im Leben gefunden werden kann.
Irgendwie hatte Luca mich trotzdem gefunden.
„Wir können noch nicht gehen“, sagte ich. „Du hast sie nicht geküsst.“
„Ich hab morgen früh Vorlesung und …“
„Und?“
„Heute ist schlecht, es sind voll viele Leute da.“
„Luca, wenn du wüsstest, wie krass du mich fertigmachst …“
„Ich weiß, dir geht’s nicht gut, Marc, aber …“
„Ich versteh dich einfach nicht. Willst du sie eigentlich küssen oder nicht?“
„Natürlich, aber …“
„Ich hab euch vorhin beobachtet, das sieht doch gut aus, sie fasst dir die ganze Zeit an den Arm und lacht.“
„Das macht sie nicht nur bei mir so …“
Gut, das konnte natürlich sein.
Ich stand auf. „Wo ist sie jetzt?“
„Da hinten.“
„Komm, wir schauen uns das an.“
„Marc …“
„Wir schauen nur.“
Sie stand mit fünf Freundinnen im Kreis, immer noch am Weißwein trinken, noch immer gut gelaunt, ein kleines, hüpfendes, lachendes, Energiebündel.
„Und?“, sagte Luca.
„Ich finde, sie sieht tatsächlich so aus, als hätte sie so viele Hormone im Blut, dass sie kaum noch zwischen einem Schwan und einem Mann unterscheiden kann.“
Er verzog den Mund.
Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Das ist doch was Gutes, Mann. Das ist doch auch was Gutes … also ich kann dich auf jeden Fall verstehen.“
Er nickte irgendwie leidvoll.
„Fassen wir mal zusammen, Luca. Sie ist achtzehn, sie ist single, sie ist angetrunken, sie ist scharf, du hast heute den halben Tag alleine mit ihr am See verbracht, wir haben gleich Zwölf und kein anderer Typ steht grad in der Nähe - ist das die aktuelle Lage?“
Er nickte. „Im Großen und Ganzen.“
„Boah, ich fang gleich an, dich zu beneiden. Okay, pass auf: Willst du es jetzt machen, oder nicht? Ich habe den ultimativen Move für dich, wirklich den ultimativen Move.“
„Aber ich hab mich halt schon verabschiedet, verstehst du? Ich hab ihr gesagt, dass ich gehen muss. Wenn ich jetzt zurückkomme … das ist doch komisch.“
„Das ist perfekt!“
„Aber …“
Ich seufzte. „Luca, hast du schon mal von der Friend Zone gehört?“
„Hab ich.“
„Das ist die Hölle auf Erden, Mann. Wenn du da reingerätst, bei der Frau, das ist wie Folter. Und ich bin jetzt ganz ehrlich mir dir: Du schlitterst im Augenblick gerade so dran vorbei. Noch bist du nicht drin, aber ich sehe die Gefahr bei dir schon. Ich sehe sie.“
Er machte ein langes Gesicht.
„Aber … das passt schon. Das passt schon. Du musst halt irgendwann ein Zeichen setzen, am besten letzte Woche schon, aber heute Nacht ist perfekt, guck mal, wie schön es hier ist, perfekt, perfekt, perfekt … hörst du zu?“
Er hörte zu.
„Okay, pass auf: Zuerst musst du sie von ihren Freundinnen wegführen. Du gehst rüber, ganz unauffällig, kommst so von der Seite an, und sagst: Ich muss dir noch was sagen. Komm mit. Das sagst du ein bisschen leiser, sodass nur sie es hören kann. Und dann geht sie auch mit. Du bist der Mann, vergiss das nicht. Wenn du komm mit sagst, gehen sie auch mit. Dann bringst du sie irgendwo hin, wo es dunkel ist, da bei der Palme vielleicht, dort sieht euch niemand. Du bleibst dort stehen und drehst dich ihr zu. Und dann wird sie dir ganz sicher in die Augen schauen, denn sie wird wissen wollen, was du jetzt sagst. Sie wird voll gespannt sein. Und du erwiderst ihren Blick und sagst einfach Folgendes: Laura, ich fand den Tag so schön mit dir, ich kann ihn einfach nicht enden lassen, ohne dich zu küssen. Merk dir den Satz: Laura, ich fand den Tag so schön mit dir, ich kann ihn einfach nicht enden lassen, ohne dich zu küssen. Und das war's schon. Der Rest ergibt sich.“
Er sah über den Hof, dachte nach. „Und du glaubst, das klappt?“
„Ich hab noch nie erlebt, dass das nicht klappt.“
Er dachte immer noch nach.
„Seh's so“, sagte ich, „das Einzige, was du verlieren kannst, ist ne Ein-Weg-Fahrt zur Friend Zone. Und gewinnen kannst du ziemlich viel.“

Ich wartete draußen auf ihn, in der Gasse vor dem Hof.
Es dauerte lange.
Endlich kam er raus, irgendwie locker, mit etwas Swag im Gang, die Arme schwangen mit – ich wusste sofort, dass es geklappt hatte.
„Du Tier!“, rief ich ihm zu.
Er strahlte. „Ja, also …“ Er lachte. „Hammer-Move, Marc!“
„Haha! Ich hab's dir doch gesagt: das klappt immer.“
„Echt Hammer-Move …“
Wir spazierten davon, und er ging neben mir her, als hätte er Jetpacks in den Fußsohlen.
Ich lachte. „Flieg nicht davon.“
Er strahlte nur, konnte gar nicht mehr aufhören damit.
„Krass“, sagte ich. „Was hat sie denn mit dir gemacht?“
Er strahlte nur.
„Hast du ihr an die Titten gefasst?“
„Nein.“
„Nicht mal aus Versehen gestreift oder so?“
„Nein, nein …“
„Boah, du hast ja voll die Selbstbeherrschung!“
Er lachte, hob die Brauen an und sagte: „Aber die sind echt ziemlich groß …“
„Du hast sie angefasst!“
Er grinste und grinste.
„Alter …“ Ich lachte.
Er holte sein Handy raus, sah nach unten, blieb plötzlich stehen. „Was meinst du?“, sagte er. „Soll ich mich heute Nacht noch melden? Oder erst Morgen?“
„Puh … keine Ahnung. Ist das jetzt anders mit Smartphones? Morgen vielleicht? Ach, macht doch keinen Unterschied. Irgendwann bald.“
Er nickte. „Ich schreib ihr nachher kurz.“
„Jo …“
Wir gingen ein Stück am Neckar entlang.
„Weißt du“, sagte ich, „ab jetzt wird das alles eine große Spazierfahrt. Du hast jetzt den schwierigsten Teil hinter dir, und alles, was fortan mit Laura passiert, wird total einfach werden, total einfach …“
Er nickte und schwebte einfach weiter. Ich fand das lustig, dass er die Ironie in meiner Stimme gar nicht mitbekam, dachte aber zugleich, dass es vielleicht gut war, wenn er sie nicht hörte. Und dass ich das vielleicht gar nicht hätte sagen brauchen.
Dann blieb er aber doch stehen und sah mich an.
„Das tut mir echt leid mit Hannah“, sagte er.
„Ich weiß“, sagte ich. „Ich weiß …“ Und auf einmal wurde es ganz still um mich rum. Eine Stille legte sich auf meine Brust, schwer wie der Tod, und ich bekam keine Luft mehr. Ich wusste nicht, was dagegen tun, also zuckte ich schnell mit den Achseln und sagte: „Shit happens.“
Er nickte. „Ja, shit happens.“
Und schon war die Stille weg, und mir ging es wieder besser.
„Hast du Hunger?“, fragte ich.
„Und wie!“
„Meinst du, der Döner bei der Post hat noch offen?“
„Das wär jetzt so geil.“
„Machen die nicht um eins zu?“
Er holte sein Handy wieder raus. „Wir haben jetzt fünf vor eins …“
Wir sahen uns an.
„Komm“, sagte er, „das schaffen wir noch.“

 

Wow, vielen vielen Dank, Leute! Bin grad zeitlich voll eingespannt, aber ich denk, heut Abend komm ich zum Antworten .. bis dann!

 
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Hallo Jo,

ich finde die Geschichte großartig, sie wirkt sehr leicht auf mich, auch leicht geschrieben, als hättest du das alles in einem Rutsch geschrieben und wenn man die Geschichte so liest, bekommt man auch richtig Lust selbst zu schreiben.

Ja, ich habs auch an einem Stück geschrieben, also es hat schon bisschen gedauert, aber da kam nix dazwischen außer WM-Spielen, ich musste die Geschichte nie beiseite legen, das war schon cool.


Es ist keine typische Schlussmachgeschichte - da schreit niemand rum, da wird nicht geschimpft und geflucht und geheult und Heulkrämpfe und bedeutungsschwangeres Schweigen und Vorwürfe, die man vielleicht vor vier Jahren hätte bringen sollen - hier läuft das ja alles ziemlich sauber und man würde denken "gefühllos", aber das ist gar nicht der Fall.

Ja, das ist interessant. Das war nicht wirklich meine Intention, aber ja … könnte natürlich auch viel hässlicher sein.

Nein, ernsthaft, der eigentliche Skandal ist doch, dass man jetzt auch beim Türken Falafel bestellen kann?

Ja! :)

Und ich halte Hannah für intelligent genug das auch nicht zu machen, daher denke ich, es juckt eigentlich woanders und dann ist sie einfach genervt und will sich streiten und kommt mit "Fleischessen ist Mord".

Klar ... das kommt auch dazu. Das ist ja zwei Tagen vor der eigentlichen Handlung ..., da läuft also schon was mit dem Feind. Irgendwann später sagt Ben auch, sie hätten sich wegen Qualitätsfernsehen gestritten, und dann denkt er sich ... und eigentlich ging's um was ganz anderes.


Ich denke auch, dass er diese neue Seite an ihr nicht wirklich ernst nimmt, also, wenn sie verstimmt ist, dann nicht, weil er sich nicht für ihre Sache interessiert sondern weil sie ihre Tage hat. Wahrscheinlich ist das auch so die Hoffnung von vielen Männern, jedenfalls impliziert das immer die Aussage: Ach, hast du wieder deine Tage. Müssen bestimmt die Hormone sein. Kann gar nicht alles so ernst sein, nächste Woche ist alles wieder gut. .

Da wird ja echt viel hineininterpretier in diese "Tagen". :) Also ich glaube eigentlich gar nicht, dass es wirklich so ist, dass Männer ihre Freundinnen nicht Ernst nehmen, weil sie ihre Tage haben. Oder vielleicht schon ein bisschen, aber wie das dann immer umgedreht wird. Das ist doch alles quatschig. Es ist doch tatsächlich umgekehrt. Ihr benutzt eure Tage als Vorwand für alles Erdenkliche, das ist voll die Freilloskarte, wenn ihr einfach keinen Bock habt, und dann fragen Männer nach und wollen Infos und wollen reden, und weil ihr keine Lust zu reden habt, sagt ihr einfach: Ich hab meine "Tage". Und dann ist das was ganz Mysteriöses, von dem wir keine Ahnung haben, und wir wissen nicht, wie mit umgehen, also haben wir halt irgendwie "Verständnis" und halten's Maul. Und dann seid ihr eine Woche später wieder „strange“ und wir denken: die Tage? Und dann sind wir plötzlich verständnislos und Ben nimmt sie nicht "Ernst" genug. Ist doch irgendwie Quatsch. Stell dir vor, dein Freund wäre eines Tages “verstimmt” und dann würde er dir sagen .. naja … heute ist halt der dritte Dienstag im Monat, da spielt das Gravitationsfeld der Erde immer ein bisschen verrückt und mein Testosteron kommt ins Schwanken – dann würdest du dich bestimmt auch irgendwann bei dem Gedanken ertappen: Huch, schon wieder der dritte Dienstag im Monat?
Und außerdem … „ernst nehmen“ …
Sie sagt ja nicht: Ben, ich bin unzufrieden mit unserer Beziehung und möchte etwas daran ändern.
Sie sagt halt: “Tiere-Essen ist Mord” in einem Dönerladen. :)
Ich weiß nicht …


Ich finde dieses Bild unglaublich schön, das kennt halt jeder, wie diese kleinen Schildkröten versuchen ins Meer zu schwimmen und überall lauern ihre natürlichen Feinde und wenn eine ins Meer schafft, dann geht die Kamera immer so ein Stück zurück und zeigt das ganze Meer und der Typ im Off: Ja, jetzt muss die kleine Schildkröte nur noch im riesigen Ozean überleben.

Ich find's echt cool, dass jeder sofort genau das Gleiche im Kopf hat.

Der hängt sich ja total daran auf, dass der "Feind" ein Vegetarier ist.

Ja, der will da bestimmt keinen "Menschen" sehen.


Ich habe mich sehr unterhalten gefühlt, die Geschichte hat zwar ihre Längen, aber das war mir diesmal wurscht, ich fand das alles gut. Ich hätte es auch weitergelesen und würde da nix kürzen.

Das höre ich gern. Freut mich echt sehr, Jo. Vielen, vielen Dank für den Kommentar!


Hallo fiz!

die Geschichte liest sich echt sehr flockig und unterhaltsam. Es sind auch ein paar wirklich großartige Stellen drin. Der Anfang mit dem Schlussmachen ist wirklich genial. Und auch die Beschreibung der Stadt fand ich super. Und auch diese Verbrüderung der beiden Jungs, die Spiegelung der Vergangenheit in die Zukunft oder umgekehrt. Und ja, es wird viel gelabert, und man könnte die ein oder andere Weisheit über optimale Döneresstechniken streichen, aber diesmal hat mich das nicht groß gestört, die Proportion haut halt hin.

das klingt gut, freut mich


Das war das eine. Das andere war dieser Vegetarier-Dialog, wo ich eigentlich dachte, die passen doch prima zusammen, sind beide gleich bescheuert. Er mit seinem Schwachsinns-Argument, er töte die Tiere ja nicht selbst, und sie dann mit dem hirnrissigen Nazi-Vergleich. Weiß nicht, ich kenn sowohl Vegetarier als auch militante Fleischesser, aber in so eine Diskussion bin ich zum Glück noch nicht geraten. Da stand das echt auf der Kippe, ob ich die beiden noch mal mögen oder irgendwie ernst nehmen könnte. Die Ratten-Szene hat es dann aber wieder rausgerissen.

die Rattenszene! :)

Einmal dieses ganze Hipster-Zeug. Für Hipster-Verarschen kriegt man echt keinen Originalitätspreis mehr. Das ist halt das neue Emo-Dissen.

Ne, Emo-Dissen ist was ganz anderes, finde ich. Die Emos von gestern sind die Kindergärtner, Sozialpädagogen und Psychiatriepatienten von Morgen. Und die Hipster von heute sind halt die Tatortproduzenten und Spon-Journalisten von Übermorgen. Sie gehören einfach ein bisschen gedisst.

Dabei hab ich die ganze Zeit auf irgendeine Erkenntnis gewartet, dass es versteht, warum sie ihn wirklich betrogen und verlassen hat. Dieses ganze Vegetarier- und Tatort-Zeug ist ja nur Oberfläche. Er benutzt das ja auch so als Ausrede für sich - sie hat mich mit einem Vegetarier betrogen - damit er das lächerlich machen kann und sich nicht fragen muss, was da wirklich schief gelaufen ist mit den beiden, ob er vielleicht gar was falsch gemacht hat. Ist ja schon bezeichnend für seine Verdrängungskünste, dass er da so aus allen Wolken fällt. Ich hätte mir echt nen Twist am Ende gewünscht, ne Erkenntnis, dass er da zum Tatort hinkommt und plötzlich erkennt, woran es wirklich lag, dass das mit dem Vegetarismus nur ne Ausrede war und es um ein viel tieferliegendes Problem zwischen den beiden ging, dass er nie richtig geschnallt hat. Weil der Text da nicht wirklich viel anbietet, war ich auch auf der Schiene, dass er sie nicht ernst nimmt. Sie ist halt ständig süß und Babedibabebabe und so und wenn sie mal zickt sind es die Tage. Das ist glaub ich keine Ebene, auf der man sich in einer Beziehung wirklich miteinander auseinandersetzen kann. Der sieht sie gar nicht so als echtes Gegenüber, hat ja wohl auch null peil davon, was in ihr so abgeht. Deshalb ist es dann letztlich wohl auch nicht so schlimm, dass sie dann weg ist. Die Eitelkeit ist zwar verletzt, aber sonst na ja. Ob sie ihm gegenüber genauso indifferent ist, wie er ihr gegenüber ist schwer zu sagen. Dazu kriegt man insgesamt doch zu wenig mit von ihr - nur die bescheuerte Vegetarier-Debatte halt. Aber ich entnehme Deinen Antworten, dass das mit dem nicht Ernst nehmen so nicht Deine Schreibabsicht war. Dann fehlt mir der echte Trennungsgrund aber noch mehr. Einfach auseinanderentwickelt find ich ein bisschen unspezifisch.

Hast du den Film 500 days of summer gesehen? Oder mal andersrum gefragt: Kann mir jemand einen Film empfehlen, in der es eine Trennung gibt, bei der es zum Schluss diesen einen "Grund" gibt, der echt voll schlüssig ist und nicht voll kitschig und flach? So richtig mit aha! Moment? Quinn, du vielleicht? Interessant mich jetzt echt, weil ich komm nicht drauf. Bei Hornby, A long way down … sie hat ihn verlassen, weil er nicht mehr er selbst war ohne die Band? Bei High Fidelity … war da was total Einleuchtendes? Rendez-vous Joe Black ist ein guter Liebesfilm … oder auch nicht.
Was hat denn Hesse zu dem Thema zu sagen?
Kommen die Eltern am Ende von Mrs. Doubtfire wieder zusammen? Und was war der Grund?
500 Days of Summer ist ein schöner Film zu dem Thema, finde ich. Der wurde doch auch gelobt ohne Ende. Und nach 500 Tagen mit dieser Frau ist es da Schluss, und der Junge ist zerstört, und dann heiratet sie 3 Monate später einen anderen. Und er ist noch mehr kaputt, und in der letzten Szene, da trifft er sie im Park, glaub ich, und er fragt: Warum?
Und sie zuckt mit den Achseln und sagt: Weil er halt der Richtige war.
Und das war's.

Was sagt denn Lotte am Ende zu Werther? Gab es da ne tolle Erkenntnis, oder so? Don't make yourself too available?


Ein anderer toller Film: Aladdin. Da sagt doch das Genie: Ich kann dir jeden Wunsch der Welt erfüllen, alles, was du willst! Schönheit! Königreiche! Paläste! Nur 3 Sachen nicht …
1. Ich kann niemanden töten.
2. Ich kann niemanden von den Toten zurückholen.
3. Und ich kann nicht machen, dass sich jemand in dich verliebt.
(Und viertens noch für die ganz Schlauen: keine neue Wünsche wünschen …)

Ist doch toll, findest du nicht? :) Gerade die Sachen, die man sich am meisten wünscht! Ausgerechnet da stößt das Genie an seine Grenzen! Der Tod und die Liebe! Das mit dem Mord ist am ehesten noch zu erreichen … aber vielleicht im übertragenen Sinne: Den „Feind“ oder die Konkurrenz oder die eigene Unzulänglichkeit kann man nicht aus der Welt schaffen.
Das sind doch die drei Sachen im Leben, wo jeder an seine Grenzen stößt: Mozart hat mehr Talent als ich. Meinen Vater werde ich nie wieder sehen. Die Blondine hinter der Theke will nicht mit mir ins Bett. Ich könnte ihr drei Mal das Leben retten und ihr ein Pferd kaufen und sie hätte trotzdem keine Lust. Das Leben ist ungerecht.
Das sind alles tolle Konflikte auch, tolle Hindernisse für Geschichten … vielleicht die besten überhaupt.

Also ich verstehe das Bedürfnis total, dass man eine "Erkenntnis" möchte …
Ich hab jetzt plötzlich das Gefühl, nach der 100%igen … hab ich dir da schon Ähnliches gesagt, kann das sein?
Ich hab mir schon auch Gedanken gemacht, warum Hannah Schluss macht, so ist es auch nicht, und ich finde, man bekommt auch einiges zu sehen in der Geschichte … ich will auch nicht einfach „Liebe“ sagen, und ich will jetzt auch nicht wieder selbst losinterpretieren … aber auch bei aller Interpretation, am Ende ist es vielleicht auch ganz einfach: Hannah wäre lieber mit dem Hipsterjungen zusammen. Zumindest das ist klar am Ende der Geschichte, oder? Das möchte sie eher, auch welchen Gründen auch immer. Und wenn Ben sonst nichts versteht: Das hat er bestimmt verstanden. Vielleicht ist es auch so einfach?
Ist das wirklich so unbefriedigend für dich? Also ich kann dir sagen, ich hab das auch schon sehr häufig als sehr unbefriedigend erlebt … aber naja … so ist das halt. Viel mehr kann ich dir da nicht bieten. Da einen ganz konkreten Grund …. irgendwas über „früher war es besser“ oder „Es passt einfach nicht“ hinaus … das hätte das Ganze für mich eher unrealistisch gemacht, da fängt man auch irgendwie an, all die anderen kleinen Wahrheiten wegzurationalisieren, und die großen erst recht. Und dann wird es doch eher kitschig. Die "Botschaft" am Ende der Story soll doch nicht sein: "Höre deiner Freundin immer zu" oder so. Sonst passiert das hier. Das wäre doch furchtbar. Das stimmt vielleicht auch, aber das ist nicht alles.


Vielen, vielen Dank für den Kommentar, fiz!


Schwups, floritiv und Achillus, euch auch schon mal vielen Dank, bis später!

 

Also mein Lieblings-Trennungs-Grund der letzten Zeit war aus American Hustle. Da sagt die Figur von Christian Bale zu der von Jennifer Lawrence: "Ich hab mich in dir getäuscht. Ich dachte, du wärst mysteriös wie meine Mutter, aber du bist einfach nur depressiv."

Das finde ich total legitim.
Also ehrlich - mich hat das mit dem Trennungsgrund nicht gestört in der Geschichte. In der Fiktion ist es oft so, dass eine Frau mit ihrem Mann auch einen bestimmten Lebensentwurf und einen Lebensstandard für sich verbindet (das ist jetzt nicht gerade political-correct, das zu sagen, aber von solchen Fällen soll man im richtigen Leben auch schon gehört haben) und wenn diese Vorstellungen enttäuscht werden oder der Lebensentwurf nicht funktioniert, dann trennt man sich.
Das ist z.b. in "im Garten von Gut und Böse so" (die Frau geht, weil der Mann als Romanautor es nicht in die New York Times Bestseller-Liste schafft), das ist bei Blow so (Cruz geht, weil Depp keine Drogenkohle mehr ranschafft) und das ist auch bei High-Fidelity so (Perspektivlos und lässig mit 25 ist cool, mit 35 wird's zu einem Problem).

Dieser High-Fidelity-Grund ist auch sowas, wo ich sagen würde: Ja, das kann ich in meinem Umfeld auch so feststellen. Wenn Männer in einem bestimmten Alter nicht in eine dominante oder zumindest gleichberechtigte Versorger-Rolle hineinwachsen, dann kann das zu Problemen führen, gerade wenn die Frau sich ein Kind wünscht oder schon eins da ist. Das ist diese Schattenseite der "Bro"-Kultur und der ewigen Semesterferien.

Aber jetzt egal, wie man das mit Verstand und Reflexion verklärt, es bleibt in meinen Augen dann schon viel bei der Biologie. Gilt ja auch umgekehrt für Männer dann. Wenn die "oben auf" sind oder haben in ihrem Job große Erfolge oder ihre Partnerinnen haben ein gewisses Alter erreicht, dann gibt's ja auch viele, die sich dann nach einer neuen Partnerin umsehen. Also ob die Freundin, die man während des Studiums hat, dann noch die ist, die man hat, wenn man in einem neuen Job erfolgreich ist, ist dann auch eine spannende Frage. Also ob Beziehungen wirklich solche Phasen- und Statuswechsel machen.

Das ist auch ein bekanntes Motiv aus der jüngeren Fiktion: Ein Studentenpaar beschließt, dass einer studiert und der andere erstmal arbeitet, um dem Studierenden das Studium zu finanzieren. Und dann soll sich das umdrehen und der Akademiker sorgt für einen gehobenen Lebensstandard. Das Modell geht dann immer furchtbar schief.

Aber jetzt mal gute Gründe für Trennungen: Der eine Partner will Kinder, der andere nicht.
Ich glaub dagegen kann man echt wenig sagen, beide Positionen sind unvereinbar, es ist eine wichtige Entscheidungen und beide Parteien können für ihre Position sicher gute Gründe finden.

 
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Ist das wirklich so unbefriedigend für dich? Also ich kann dir sagen, ich hab das auch schon sehr häufig als sehr unbefriedigend erlebt … aber naja … so ist das halt. Viel mehr kann ich dir da nicht bieten. Da einen ganz konkreten Grund …. irgendwas über „früher war es besser“ oder „Es passt einfach nicht“ hinaus … das hätte das Ganze für mich eher unrealistisch gemacht, da fängt man auch irgendwie an, all die anderen kleinen Wahrheiten wegzurationalisieren, und die großen erst recht. Und dann wird es doch eher kitschig. Die "Botschaft" am Ende der Story soll doch nicht sein: "Höre deiner Freundin immer zu" oder so. Sonst passiert das hier. Das wäre doch furchtbar.
Also den einen konkreten Grund wünsche ich mir sicherlich nicht und eine Botschaft auch nicht. Stoff zum Nachdenken eher, gerne als diffus-atmosphärisch-widersprüchliches Gemisch.
Es ist halt kein Text, der einem viel Material liefert, um diese Beziehung einschätzen zu können. Ich hab kein richtiges Gefühl dazu, was die beiden aneinander gut finden, bzw. mal gut gefunden haben und mir fehlen Infos, um einschätzen zu können, ob dieses Vegetarier-Dings eine aufgebauschte Nebensächlichkeit oder wirklich Symptom grundsätzlich unvereinbarer Lebenseinstellungen ist. Wenn ich das richtig sehe, wird sein Verdacht, der Feind sei Vegetarier, bis zum Schluss auch nie bestätigt. Und ob Jurastudium, Tatort und Hipsterbrille, die dem Prot so wichtig erscheinen, das für Hannah auch sind, oder ob Ben einfach scheiße im Bett ist. Man weiß es nicht. Insofern könnten im Grunde alle von Quinn zitierten Gründe zutreffen, oder auch nicht. Woran sollte man das hier auch festmachen?
Und ja, das ist Realität, dass viele Verlassene keinen Schimmer haben, warum sie verlassen wurden - auch weil der Verlasser da oft schont und die wahren Gründe nicht nennt, wie Hannah das hier wohl auch tut, und der Verlassene das aus Selbstschutz auch gar nicht so wirklich sehen möchte, wie das wohl bei Ben ist. Aber, und da zitier ich mal Quinn gegen Quinn, was realistisch ist, muss literarisch nicht unbedingt befriedigend sein. Insofern wär es für mich wohl die optimale Lösung, wenn Ben tatsächlich bis zum Ende nichts schnallt, aber man als Leser zum Schluss doch noch einen neuen Input bekäme, was zwischen den beiden schief gelaufen seinen könnte. Nen neuen Dreh halt. Ein einziger Satz von Hannah, die ja immer nur sagt, was alles keine Rolle spielt, könnte das sein (Natürlich nicht mit "dem Grund" auf dem Silbertablett, aber mit einem Zipfel, an dem man sich abarbeiten könnte). Zumindest aber könnte der Feind da schonmal mit ner Wurst rumsitzen, um das Ganze in Bewegung zu bringen. Und die Möglichkeit als Leser die subjektiv-begrenzte Perspektive des Ich-Erzählers zumindest ansatzweise zu relativieren, noch ne andere Wahrnehmungsmöglichkeit der Situation einzuspielen, ist ja immer ne feine Sache, die Texte komplexer macht. Und das sag ich jetzt nicht, weil mir hier der "weibliche" Blickwinkel unterrepräsentiert erscheint. Das würd ich bei ner Ich-Erzählerin genauso empfinden. ;)
Aber wie gesagt, das ist auch so ein schöner Text, der ja auch die meisten seiner Leser befriedigt hat. Und ich will ihn jetzt auch nicht schlecht reden, oder da ewig drüber rumdiskutieren. Ich mein das auch nicht als Aufforderung, dass Du Deinen Text ändern sollst, sondern als nur als Erklärung, was ihn für mich persönlich von einem sehr unterhaltsamen zu einem großartigen Text gemacht hätte. Er setzt den Fokus eben woanders, als ich ihn gerne hätte, spricht von der Rätselhaftigkeit der Liebe im Allgemeinen und Frauen im Besonderen, wie sie sich dem Prot in dieser Situation halt darstellt. Das ist auch schon ne beachtliche Leistung. Nur wär ich darüberhinaus (oder -hinein) halt gerne noch tiefer in diese Beziehung eingetaucht, gar nicht mal um alles eindeutig beantworten und abheften zu können, sondern um überhaupt erstmal die relevanten Fragen stellen zu können. Eigentlich will ich glaub ich nur mehr Ben + Hannah, also mehr aussagekräftige Szenen aus der Beziehungszeit selbst, vom Kennenlernen oder so, nicht nur damit man eventuell die Entwicklung von hui zu pfui besser versteht, sondern auch damit es einem auch ordentlich das Herz zerreißt, wenn das Traumpaar sich trennt, weil man sie einfach besser kennt. Klar würde das den Text auch länger machen, aber ich bin mir sicher Du würdest das hinkriegen, ohne dass man sich langweilt und genervt runterscrollt. Sieht man ja bei der 100%, die ja auch so gut funktioniert hat, weil man sehr viel Zeit hatte, das Paar so gut kennenzulernen und lieb zu gewinnen. Und ja, mag sein, dass ich da auch über einen unbekannten Trennungsgrund gemotzt hab. Ich glaub, mein Hauptkritikpunkt war, dass die Krise von Außen und nicht von Innen kam. Mit Texten, die ich schon ziemlich gut finde, bin ich halt sehr viel strenger als mit Texten, die eh nicht so viel Potential haben. Also nimm meine Motzerei und den Wunsch nach mehr Text als Kompliment.

P.S.: "Revolutionary Road" ist ein sehr guter und extrem frustrierender Film über das Scheitern einer Liebe, der ziemlich genau seziert, wie das einstige Traumpaar in der Beziehungshölle landet.

 

"do-wah diddy-diddy down diddy-do"
Manfred Man, 1964​

Immerhin: ein gemeinsames Seufzen. Ein Stück Anerkennung für die Schwere der Situation.

Hallo JuJu,

jetzt hab ich auch mal in die Beziehungskiste hineingehorcht (diskret, wie't so meine Art is`) und lauf nicht mal rot an. Warum auch? Dann hab ich reingeschaut (keine Bange, bin immer noch kein Voyeur). Bei rund zwanzig Seiten ist ja wenig verwunderlich, noch'n paar Spuren der Flucht zu erkennen. Wie hier

…, dass ihr langes[,] braunes Haar …
Ich fasste nach ihrer schönen[,] schmalen Hand, ...

Wann war sie noch[…]mal heim[ge]kommen?
Noch mal immer auseinander, nochmals immer zusammen …

Hier werden dann und dass verwechselt
So reinbeißen, dann man nicht nur Fleisch in den Mund bekommt. Aber auch nicht nur Kraut.

..., und sie zog es[besser: „sie“ oder „die“] aber gleich zurück.

... , als hätte ich gerade die eigene Postion verraten.

Wo waren wir schief gelaufen? [...] Wo waren wir schiefgelaufen?
Klingt nicht nur lustig befremdlich, sondern ruft auch nach einheitlicher Schreibweise.
… sind letz[t]es Jahr …
Sie warf sich an mi[ch].

Hier werden „wiegen“ (Gewicht feststellen) und „wiegen“ (schaukeln [der Wiege/des Kopfes]) verwechselt:
Ich wog den Kopf hin und her.
Besser:
Ich w[iegte] den Kopf hin und her.

Für heut hab ich Dich genug gequält, hab's ja auch mit Vergnügen gelesen, gibt der

Friedel

zu.

 

Hey JuJu,
ich habe die Geschichte direkt nach dem Reinstellen gelesen und hatte jetzt ein bisschen Zeit darüber nachzudenken. Vor allem weil ich selbst gerade an einer Liebesgeschichte sitze, hat mich das auch ein bisschen inspiriert. Dann kamen die ganzen Kommentare und da ist schon so viel Kluges und Richtiges gesagt worden, ich werd also wahrscheinlich nur wiederholen, aber trotzdem sag ich jetzt was.
Vorab, die Babyschildkröte ist der Knaller. Es gibt manchmal diese perfekten Bilder, die ins Herz gehen und du hast eins gefunden. Aber das ist jetzt eher ne Kleinigkeit.
Ich finde, es ist eine gute Geschichte, die ist auf jeden Fall von hoher Qualität, seit ich hier im Forum bin, gibt es sowas nur alle paar Monate mal. Ist sehr authentisch geschrieben, sehr sympathisch, man mag den Ben und da wird zwar viel geplappert, aber man hört ihm gerne zu. Du erschaffst einen echten, plastischen Charakter, hier ist nichts gekünstelt, die Längen nimmt man hin, weil auch sie eben so lebendig sind. Ich meine, das ist ja alles schon gesagt worden, ich schließe mich dem Lob an. Am besten fand ich die Stellen, wo es weh tat, dort wo Ben an Liebeskummer leidet.
Es gibt aber auch zwei kritische Kommentare, die mir aus der Seele gesprochen haben, den von fiz und Teile von Achillus`
ich habe mich auch gefragt, warum denn eigentlich? lebt man sich einfach auseinander, verweist der Text nur darauf? ich glaube, das Problem ist, dass Ben sich nie eine Blöße gibt, bei aller Reflektion über den Feind, nie richtig schmerzlich über sich selbst reflektiert (oder ich habe was überlesen, ist jetzt ja was her mit dem Text). Er bleibt eigentlich immer ziemlich cool und, egal was er macht, man hört nie auf ihn zu mögen, da gibt es nie einen Bruch. Jedenfalls ist nie einer konzipiert. Bei dem Hipsterbashing stellt man sich ja eigentlich auf seine Seite, bei der Vegetarierdebatte auch, dann ist er auch so cool mit dem Luca und einfach auch ein witziger Typ. Ich glaube, ich hätte mir einfach mehr Ambivalenz bei der Figur gewünscht, so jedenfalls ist mein Eindruck nach ein paar Tagen. Auch über Hannah hätte ich gerne mehr erfahren, irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass Ben sie vor allem geil findet.
Dann die Vegetarier-Debatte, da hat Achillus recht, finde ich. Diskutieren 25jährige darüber echt noch auf diesem Niveau? Das ist schon ein bisschen sehr jung und fällt so ein bisschen aus dem Rahmen, gerade im Vergleich mit seinen Gedanken zum Tatort.
Gut, wie gesagt, hätte ich sofort meinen Komm geschrieben, wäre er viel begeisterter ausgefallen, glaube ich. Aber ist auf jeden Fall eine schöne Geschichte.
Grüße,
randundband

 
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Hallo Schwups!

Der Anfang ist großartig. Also vor allem der Vegetarier-Dialog, der hat mir super gefallen. Das ist so ein Thema, wie Religion, wenn da jeder in Ruhe seins machen würde, wäre alles prima. Aber auf beiden Seiten gibt es immer wieder Leute mit missionarischem Eifer, die anderen reinreden, und dann gibts Ärger. Man merkt das auch hier: Hannah kommt mit Nazis, Ben mit konservativen Christen ... dabei gehts darum, ob man nun Fleisch essen soll oder nicht ... ich fand das herrlich. Später dann nochmal der Schwenk zu Safran Foer, der ja ein bekanntes Sachbuch über Massentierhaltung geschrieben hat (das ich schon ein paarmal in Händen hatte, aber nie gelesen habe - aber ich schätze ihn als Romanautor). Schönes Detail. Nein wirklich, der Dialog war toll

Das freut mich, der Teil scheint zu polarisieren ein bisschen. Also ich mag den auch. Ich find es passieren viele Dinge da .. aber ich sag da später später noch was dazu. Freut mich auf jeden Fall.


Geht so in die Richtung von dem was fiz gesagt hat, ich hab da auch mit "mehr" gerechnet, ohne dass ich das jetzt näher erläutern kann (hab gedacht, dem JuJu ist bestimmt noch was eingefallen ). Stattdessen klingt es doch ziemlich leise aus. Trotzdem, du schreibst toll und unterhaltsam, von daher hab ich mich auch in dem Teil nie gelangweilt.

Ich denke, ich weiß, was du meinst, aber du meinst mit "mehr" glaub was anderes als fiz. Es wird halt zum Schluss dramauturgisch vielleicht nicht ganz ausgereizt, weil Hannah nicht ins Wanken gerät. Sie bleibt einfach bei ihrer Position und Ben versuchts immer wieder und scheitert nur.
Bei Rocky ist es ja so: Er kann schon nach 15 Runden verlieren, aber voher muss er den Russen ein paar Mal auf die Bretter schicken. Hannah steht die ganze Zeit. Wär das ein Romantic-Comedy nach Hollywood-Muster, dann müsste es gegen Ende vielleicht so aussehen, als hätte Ben doch eine Chance, glaub ich. Jetzt hat er einen Punkt gemacht! Hau ihn um Rocky!
Ich meine das natürlich alles abstrakt jetzt. Es geht einfach darum, was mit dem Hindernis passiert. Sieg und Niederlage. Wie eng ist es? Wenn man alles ausreizt ... dann sieht halt jeder Sportfilm irgendwnn gleich aus. Dann ist der Bösewicht nie ganz tot, sondern er bewegt sich immer nochmal. Und nochmal … Und nochmal … und drauf hacken … und nochmal
Mir als Autor war wichtig: Da wo Ben sagt, nach dem letzten Dialog: Ich war am Ende. EInfach nur am Ende …
Mir war wichtig, dass der Leser ihm das abnimmt. Und da noch keiner dazu was gesagt hat … gehe ich schon davon aus. Das muss man ihm glauben, sonst hab ich als Autor meine Aufgabe nicht gemacht. Er muss scheitern.
Der Rest ist … bisschen Geschmacksache auch. Ich bin immer für Action am Schluss, ich nehme alles an, aber nicht auf Kosten der Figuren. Ich finds blöd, wenn Figuren plötzlich unglaubwürdig werden, weil die Dramaturgie das zum Schluss verlangt. Dann ist es mir tatsächlich etwas leiser lieber. Was mich hier natürlich auch hilft: Die Sache mit Luca. Da doch noch ein kleiner Sieg eingebettet … so im Gesamtkomtext Leben und so, Sieg und Niederlage, das funktioniert glaub schon, das Ende auf die Art. Das war meine Lösung für das Problem.
Hannah wollte ich aber nicht großartig bewegen. Das ist übrigens auch das, was Feministinnen machmal aufregt. Dass Frauen eigentlich nur verschiebare Hindernisse für Männer in Filmen sind, und weil Frauen eh irrational sind und so, nimmt man das an. Er bekommt sie, er baut scheiße, er muss sie zurückerobern ... Ende. Gibt tausend Liebsestories nach dem Muster. Und allles hängt von der Laune einer Frau ab, die Mann dramaturigisch ausreizt. Oder die Männer ziehen in die Welt und züchten Meth oder werden Spione oder was weiß ich … und wenns grad passt, ist die Frau 7 Folgen lang gerne ruhig, und wenn wir Konflikt brauchen, dann zickt sie halt und ist voll da. Und so weiter hin und her. Völlig verschiebbar.
Hannah bewegt sich halt wenig. So ist das Ende ein bisschen "Indie" vielleicht. Wobei … was ist schon indie. Das ist auch wie Basketball vielleicht: Man kommt auf den Platz und man ist fresh und man geht ab, und bäm, bäm, bäm, es läuft und das Publikum jubelt und Dunkings und High-Fives ... und dann führt man halt trotzdem nur mit 10. Und der Gegner geht nicht weg, der sitzt dir im Nacken und schenkt dir nichts, und dann muss man fokussiert bleiben ... und am Ende wird es wieder knapp, weil es am Ende immer knapp wird, man führt zwar immer noch, der Sieg ist zum Greifen nahe .. aber es mann nur ein paar dumme Ballerverlüste machen und schon ist alles verkackt, die ganze Arbeit .... und da hab ich halt gelernt, dass man den Sieg manchmal einfach sicher nach Hause fahren muss. Oder man geht anders ran, und baut es gleich so auf, dass man sagt: So und so und so … und zum Schluß wechsle ich Götze ein, damit hat niemand gerechnet und bäm! - jetzt liegen sie alle flach.
Ich fand die Parallele zu Luca halt elegant.

Aber man hat das ja schon am Anfang gesehen, Ben ist kein Typ, der Szenen macht, entsprechend wird er auch am Schluss nicht aggressiv oder so - trotz des vielen Alkohols, den er getrunken hat. Im Gegenteil, er verhilft noch seinem Freund Luca zum ersten Kuss - da ist er fast schon zu perfekt. Er leidet im Stillen, aber vielleicht, weil er schon weiß, dass er darüber hinwegkommt. Er ist Mitte zwanzig, keine Achtzehn mehr wie Luca, und deshalb auch schon reifer. Das merkt man ihm an. "Shit happens" sagt er, und genau so ist es, aber das ist eine reife Einstellung. Die hat man nicht beim ersten Liebeskummer, da meint man, die Welt dreht sich am nächsten Tag nicht mehr. So denkt Ben nicht. Ich finde, trotz seiner Zurückhaltung ist er eine starke Figur, und du als Autor hast da ein gutes Gespür dafür, weil er die (für hiesige Verhältnisse) lange Geschichte tragen muss. Das gelingt ihm problemlos. Dass Hannah dabei naturgemäß etwas blasser bleibt, finde ich kein Problem. Hier gehts um Ben, und das ist auch gut so.

Finde ich voll interessant, wie man das so sieht. Cool.

lso JuJu, von mir gibts ein Kompliment für die Geschichte. In erster Linie deshalb, weil du toll und unterhaltsam erzählen kannst, das richtige Maß an Humor und Traurigkeit findest und das in dieser Geschichte wieder einmal unter Beweis stellst. Hat mir meine Zugfahrt wirklich verkürzt und mich gut unterhalten

Hab mich sehr über deinen Kommentar gefreut, Schwups, vielen Dank!

Hallo floritiv,

Wahnsinnig gelungene Dialoge, wie exakt aus dem Leben gegriffen und das sage ich, wo ich gerade hier auf meinem Bett hocke und mir vorkomme, als würde das Leben wie ein Paket bei mir im Flur stehen, denn es ist an den Nachbarn adressiert, also ich hab ja von Tuten und Blasen keine Ahnung, so fühl ich mich gerade, aber vielleicht ist das ja wirklich so. Ich sitze hier real einen Steinwurf vom erzählten Geschehen entfernt, könnte jetzt hier – haha, man darf doch träumen – losgehen und dort ne Hannah aufreißen oder ne Laura ... Wobei, joa, dann bin ich ja der Feind, hey, passt schon, in so einigem, was ich rauslesen konnte .

Lol :) Also mir geht's manchmal auch so, dass ich einen Film guck, und denk … ai … die Schauspielerin macht mich völlig fertig, ich muss jetzt raus, was mach ich hier ... Mit 15, nach the Beach, da wollte ich unbedingt reisen. Cool, wenn die Story so was macht.

Das ist grammatisch in der Umgangssprache okay, keine Frage, das ist eins der typischen Klammerkonstrukte im Deutschen, aber es ist halt ein Register, das ich selbst nie ziehe, nur hin und wieder höre und vor allem aber nie woanders lese, auch nicht in wörtlicher Rede. Vielleicht ist es auch einfach nur Dialekt?

Ja, wahrscheinlich schon. Englisch, Kanakisch oder Schwäbisch. Irgendsowas. Danke für den Hinweis, das mit dem "auch" am Schluß, das merke ich mir.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren floritiv!

Hallo Achillus,

Fasst man die Etappen der Geschichte zusammen, dann führt die Trennung von Ben und Hannah über den finalen Streit im Munros zum Beginn einer möglichen neuen Beziehung zwischen der Schwanenfrau und Luca. Ich finde, das ist eine schöne Idee, weil so dieser ewige Kreislauf des Sich-Begegnens und Wieder-Trennens angedeutet wird.

Schön, wenn dir das gefällt.

Gestoßen habe ich mich ein bisschen an der Sprache der Protagonisten, für meine Begriffe reden Erwachsene mit Hochschulbildung nicht so und über diese Themen nicht auf diesem Niveau.

Stichwort Alter. Diese Art Diskussionen haben wir in der Abiturstufe geführt. Ich kann einfach nicht glauben, dass Studenten im Alter von 25 oder 26 (also erwachsene Menschen mit Hochschul-Bildung) so miteinander reden. Das zeigt sich auch hier:

Zitat Zitat von JuJu Beitrag anzeigen
Was krass bist du drauf?
Hä?


"Wie" krass bist du drauf.

Hm … ja, was soll ich dazu sagen. Quinn hat da viel Psychologie gesehen, Schwups fand's tarantinoisch, fiz fand die Figuren dämlich an der Stelle, Jo fand Hannah unsympathisch, und zigga meinte: Boah, das ist vielleicht authentisch, JuJu, aber sooo abgedroschen, das hängt mir ja zu den Ohren raus. :)
Also ich bin da schon näher dran als du. Ich find das Gespräch auch nicht "niveaulos", es ist ein Tick überspitzt vielleicht, aber wirklich nur ein kleiner Tick. "Niveau" … da redet halt ein Freund mit seiner Freundin in einem Dönerladen. Das ist nicht die Verteidigung der Doktorarbeit. Und es geht doch auch nicht nur um das Thema, sondern auch um andere Dinge ... der Dialog, was da gesagt wird, wie es gesagt wird, das hat doch einen fetten Subtext.
Ach ...

„Die Welt wäre so viel besser und gesünder, wenn alle weniger Fleisch essen würden, Ben. Nein, hör mir einfach zu jetzt. Lass mich ausreden. Das wurde alles berechnet. In Brasilien holzen sie Regenwälder ab, um Getreide anzubauen. Meinst du, die hungrigen Kinder, die in den Slums direkt nebenan wohnen, bekommen davon was ab? Nein, man mästet damit Kühe, die geschlachtet und nach Europa versandt werden, damit wir uns mit Cheeseburgern vergiften können, die ein Euro kosten. So pervers ist das. Aber dir ist das natürlich egal, Hauptsache, du bist ein richtiger Mann, der richtiges Fleisch von richtig toten Tieren isst.“

Was spricht dagegen? Das kann man doch sagen, wenn man schon die Position einimmt ... meinst du auf de Parteitag der Grünen ist es viel anders?

„Nichts Babe. Du redest Müll. Und du weigerst dich einfach, dich als Mensch mit Verantwortung wahrzunehmen, ja, als jemand, dessen Handeln Konsequenzen hat, auch in einem globalen Kontext. Mir ist egal, wie spießig das klingt. Und wenn ich deine Sprüche mit dummen Naziausreden vergleiche, ist es nicht okay. Aber es ist offenbar völlig okay, wenn du meine Bitte, einen Dokumentarfilm anzuschauen, mit der missionarischen Eifer irgendwelcher von dir erfundenen Christen verknüpfst, die sämtlichen Menschen auf Erden den Sex ausreden wollen.“


Aber … das sind wird halt schon anders auch. Schon mal einen Typ mit seiner Freundin im Dönerladen gesehen? Worüber reden die, wenn die da sitzen und sich gerade nerven? Was meinst du? Wie sind Menschen so? Ist das alles auf höchstem "Niveau" und ach … ich bin jetzt stolze 25! Damals vor vielen vielen Jahren, als ich noch 18 war, da wären mir solche Sätze vielleicht noch über die Lippen gekommen, doch nun bin ich Uni-Absolvent! Und wenn mir meine Freundin mal auf den Sack geht, dann lege ich meinen Döner beiseite und begegne ihr stets mit absoluter kerzengerader Sachlichkeit!
Hör dir mal die Menschen an. Und tu nicht so, als würdest du da drüber stehen. :) Als hättest du die Argumente parat, die jede linke-Öko-Frau irgendwie zum Auflockern bringt, oder umgekehrt die Macho-Fleischfresser zu mehr "Toleranz" oder so. Die hast du nicht. Dein Ton ist bloß ein bisschen sachlicher, das ist alles, und damit kommst du kein bisschen weiter. Und deine Argumente sind: Live and let live. Oder: Vegetarisch ist gesünder. Oder: die Mischung macht's. Oder: Mehr "Toleranz" bitte. Oder: Fleisch schmeckt halt. Oder: die armen Tiere.
Viel mehr kannst du selbst gar nicht zu dem Thema beisteuern, oder? Sei mal ehrlich.


Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, welche Rolle es spielt, ob die Freundin mit einem Vegetarier fremdgegangen ist. Das ist so, als würde man nach einem Verkehrsunfall im Krankenhaus aufwachen und sich fragen, ob man vom einem Audi oder einem Opel gerammt wurde.

Weil er sich halt reinsteigert und projiziert und sonst gar nichts über den Kerl wissen, auch wenn er ihn später sehen will.
Ich bin jetzt müde und geh schlafen, und ich mach morgen weiter. Auch dir super vielen Dank für den Kommentar, Achillus, find ich sehr interessant, auch wenn ich vieles anders sehe.

 
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Vielen Dank für die Infos, Quinn!


Hallo fiz nochmal,


Insofern wär es für mich wohl die optimale Lösung, wenn Ben tatsächlich bis zum Ende nichts schnallt, aber man als Leser zum Schluss doch noch einen neuen Input bekäme, was zwischen den beiden schief gelaufen seinen könnte. Nen neuen Dreh halt. Ein einziger Satz von Hannah, die ja immer nur sagt, was alles keine Rolle spielt, könnte das sein (Natürlich nicht mit "dem Grund" auf dem Silbertablett, aber mit einem Zipfel, an dem man sich abarbeiten könnte).

Ach je … :)

Also das ist natürlich auch so eine Art einen Text zu kommentieren, dann redet man halt die ganze Zeit über irgendwas, was nicht in dem Text drin ist. Du willst Hannah und Ben früher, da kriegst du die Rattenszene. Da willst sehen, warum sie nicht mehr zusammen sind, da gibt es die Vegetarierstreitszene und Bens Gedanken und den Hipster und Tatort und all das, was Hannah sagt und Ben sagt.

. Nur wär ich darüberhinaus (oder -hinein) halt gerne noch tiefer in diese Beziehung eingetaucht, gar nicht mal um alles eindeutig beantworten und abheften zu können, sondern um überhaupt erstmal die relevanten Fragen stellen zu können.

Die relevanten Fragen werden von Ben selbst ungefähr 10 Mal gestellt in dem Text.


Und ob Jurastudium, Tatort und Hipsterbrille, die dem Prot so wichtig erscheinen, das für Hannah auch sind, oder ob Ben einfach scheiße im Bett ist. Man weiß es nicht. Insofern könnten im Grunde alle von Quinn zitierten Gründe zutreffen, oder auch nicht. Woran sollte man das hier auch festmachen?

Seit wann muss man das festmachen können und ist dir das so wichtig? Das ist jetzt halt irgendwie auch ein Problem, wenn man als Autor Quinns Interpretation widerspricht. Er könnte Recht haben - oder auch nicht. Tja, und was machen mir jetzt?
Ich wollte das nur ein bisschen anders gewichtet gesehen.

. Eigentlich will ich glaub ich nur mehr Ben + Hannah, also mehr aussagekräftige Szenen aus der Beziehungszeit selbst, vom Kennenlernen oder so, nicht nur damit man eventuell die Entwicklung von hui zu pfui besser versteht, sondern auch damit es einem auch ordentlich das Herz zerreißt, wenn das Traumpaar sich trennt, weil man sie einfach besser kennt.

Ja, und ich hätte gerne einen Dreier mit zwei Lesben. Eine Kurzgeschichte, in der ein Mann in der allerersten Szene verlassen wird, und bei der es einem zum Schluß das Herz so zerfetzt nach zwei einhalb Stunden Titanic. Mit extrem viel Tiefe. Und ohne Kitsch. Gerne diffus-atmosphärisch-widersprüchlich. Aber natürlich genauso unterhaltsam! Und vielleicht noch Sex? Ne geile Fick-Szene wär doch eigentlich auch drin gewesen?


Ich wollte halt die Geschichte hier schreiben und nicht irgenwas diffus-atmosphärisches-widersprüchliches. Ich fand das mit "shit happens" zum Schluß einfach nur super. Ich denke, es ist halt auch ein Männergeschichte. Meinetwegen eine Sommermännergeschichte. Die gehören auch geschrieben, und die hier wollte ich schreiben. Ich glaube, Hannah verlässt ihn auch deswegen, weil die beide anders sind. Oder sie sind "wo"anders. Weil man in der Vegetarierszene super gut sieht, dass die andere Ideen im Kopf hat, die sie auch durchsetzen will gegen ihn, und dass die iwo herkommen müssen, wo Ben nicht ist - und dass das schon ein Problem ist auf Dauer in einer Beziehung. Und weil sie in ihrem Freundeskreis gerne Tatort guckt, und wer das macht, dem ist dieser Freundeskreis wichtig, sonst guckt niemand Tatort in der Gruppe an - und Ben ist da aber irgendwie nicht drin, weil er das vielleicht nicht will, weil er vielleicht ein Sack ist, weil er Hannahs Meinung nach zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, weil er sie meinetwegen nicht "ernst" genug nimmt - und das reicht doch tausend Mal. Freundin hat anderen Freudeskreis, der Freund ist nicht drin, die erfährt ne andere Art von gesellschaftlichem Druck, andere Ideen, anderer Input, andere Hierarchien, andere Typen - das reicht in dem Alter tausend Mal für ne Trennung oder für den Wechsel zum Juristen. Frauen sind doch so. Mir reicht das hundert man als Trennungsgrund. Ich find das super so. Auch mit Luca. Ich als Autor gehe jetzt schon davon aus, dass die Schwanenefrau ihn verlassen wird, wenn sie denn überhaupt zusammenkommen. Ist sogar dir klar, oder? Warum weißt du das jetzt schon? Was passiert mit denen? Das weiß glaub auch Ben in der letzten Szene. Was sind denn die Gründe dafür? Wo muss Luca an sich arbeiten? Das ist doch Quatsch.
Noch nie so junge Paare gesehen, beide sind 18 und sofort gewusst - die bleibt nie im Leben bei ihm? Das seh ich sofort. Je nach Frau dauert das halt mal länger oder weniger lang. Die mutigen Frauen gehen mit den anderen Typen einfach mal mit, wenn sie Angebote kriegen, und die anderen müssen warten und brauchen erst einen neuen Fruendeskreis, der ihnen sagt, das ist okay so, und dann können sie erst. Das ist so die Regel eigentlich.
Man muss als Mann auch nicht jedes Mal in Detail alles "verstehen", wenn man einen Korb bekommt. Das ist echt nicht nötig. Vielleicht als Frau schon, weil euch das in eurem ganzen Leben vielleicht nur zwei Mal passiert oder so, aber als Typ … also das lernt man doch in der Bar im Kleinen immer und immer wieder. Was weiß ein Typ, warum manche Frauen auf ihn stehen und andere nicht? Warum die eine gleich lächelt und die andere verpiss dich sagt? Ich hab da natürlich auch schon viel drüber nachgedacht, und ich glaube, Frauen mit großen Brüsten stehen tendeziell eher auf mich als welche mit Kleinen, mit Ausnahmen natürlich, aber tendenziell sehe ich da so ein Muster über viele Jahre jetzt.. Mit "mir" hat das aber gar nicht so viel tun. Oder vielleicht ist das so ne Art Übertragung und irgendwie doch. Und es macht aber einen noch viel größeren Unterschied, wie man die Frauen kennenlernt, wie wird man vorgestellt? Ist man heute Einzelgänger, oder eher in der Gruppe? Was mag die Frau lieber? Was hat das eigentich mir mir zu tun? Die Freundinnen meiner Schwester haben keine Chance. Das ist so eine Konstellation, meine Schwester ist zu sehr Alpha-Weibchen in ihrer Weiber-Clique, das war sie schon immer und wenn sie dann aber zum großen Bruder geht und trotzdem meine kleine Schwester ist ... keine Chance. Das ist halt so.

Also da tun … als wäre die Partnerwahl einer Frau, als wäre das so total Super-Ausgeklügeltes System, und davon dann abgelietet, als könnte man in einer Beziehung, in einer so jungen Studentenbeziehung, als könnte man da immer so extrem viel "richtig" und "falsch" machen … und woran lag's und dies und jenes und was da immer für Gespräche geführt werden, unter den Leuten, Gott … das ist zu 90% so ne Mischung aus Augenwischerei und postmodernes Frauendenk, finde ich. Ich hab auch gar keine Lust, das zu befriedigen. Und der Sex … natürlich. Ist doch auch mein Gedanke. Dass er sie richtig bumsen sollte und dann ist sie wieder glücklich. Ich bin mir sicher, hätten sie immer noch permanent Sex wie im ersten halben Jahr oder so, dann wäre sie natürlich geblieben, klar. Da ist man halt geil, und man hat rund um die Uhr Sex und der Rest passt dann schon irgendwie, so beginnen doch die meisten Beziehungen. Und dann nach zwei Jahren … naja … also da ist man immer noch geil, aber vielleicht nicht mehr ganz so geil, dass man sich nicht auch mal fragt, wer ist dieser Mensch eigentlich und was will ich sonst? Und jetzt bin ich aber irgendwie auch schon 25 und Clique und "ist das für die Ewigkeit?". Und man geht natürlich auch vorher mit dem Hipster ein paar Mal ins Bett, bevor man den Wechsel wagt, klar. Das ist doch alles sonnenklar.

Vielen Dank für den Kommentar, fiz!

 

Das ist jetzt halt irgendwie auch ein Problem, wenn man als Autor Quinns Interpretation widerspricht. Er könnte Recht haben - oder auch nicht.
:confused:
Ich hab Quinns Liste denkbarer Trennungsgründe nicht als Interpretation Deiner Geschichte gelesen, sondern als Gründe, die so in anderen Texten oder Filmen vorkommen. Ich hab nur gesagt, man sieht zu wenig von der Beziehung, um aus einer Liste aller möglichen Trennungsgründe irgendwas ausschließen oder näher ins Auge zu fassen. Dir reicht es, mir nicht. Ist ja kein Beinbruch.

Strich drunter.

 

Hallo JuJu, ich will da keine große Diskussion draus machen, aber trotzdem eine kleine Erwiderung, denn ich finde Du machst es Dir ein bisschen zu einfach.

Ich find das Gespräch auch nicht "niveaulos", es ist ein Tick überspitzt vielleicht, aber wirklich nur ein kleiner Tick.
Was spricht dagegen? Das kann man doch sagen, wenn man schon die Position einimmt ... meinst du auf de Parteitag der Grünen ist es viel anders?

Dem stelle ich mal gegenüber:

„Ich verstehe nicht, warum du dir diese Doku nicht anschauen kannst“, sagte sie, „wirklich, ich versteh's einfach nicht.“
„Die eine über Massentierhaltungen?“
„Genau die.“
„So was verdirbt mir doch nur die Laune, Schatz …“

Na, wenn das kein geniales Argument ist.

„Also … Fleisch essen ist auf jeden Fall sexier als kein Fleisch essen.“
„Siehst du!“ Sie lächelte, als hätte ich gerade die eigene Postion verraten.
Ich zuckte mit den Achseln. „Es ist halt so.“
„Ha! Und du glaubst, das kommt jetzt sexy, so wie du gerade Döner isst?“
„Mmmm …“ Ich legte den Döner hin und nahm einen Schluck Ayran. „Jetzt den Essvorgang an sich vielleicht nicht unbedingt. Aber es geht ja um die Einstellung: Wenn jemand sagt: Mir ist völlig egal, wie geil etwas aussieht und schmeckt und duftet, das werde ich trotzdem niemals anfassen – was sagt das über einen Menschen aus? ...

Juju, ich bin seit 25 Jahren Vegetarier, und Du kannst mir glauben, ich habe viele, viele, viele Diskussionen zu dem Thema gehabt, anfangs mit meinen besorgten Eltern, dann mit Lehrern und anderen wohlmeinenden Erwachsenen, mit Freunden und Freundinnen und und und. Aber dass man Fleisch essen sollte, weil das sexier, humorvoller und irgendwie sinnlicher ist, das habe ich noch nicht gehört.

Ich meine, es sagt doch auch eine Menge über Hannah aus, wenn Ben meint, ihr mit solchen Argumenten kommen zu können. Wer ist Hannah? Kelly Bundy?

Aber vielleicht wolltest Du nur ausdrücken, dass die sich gegenseitig foppen und hochziehen. Mag sein.

Beste Grüße
Achillus

 
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Hallo Achillus,


Hm ja … die Szene versteht kommt nicht bei jedem so an …
Also … es geht schon auch um das, was er sagt ... aber er redet da halt mit seiner Freundin, mit der er schon viel Sex hatte. Der kennt sie ja auf dieser Ebene. Und wenn er sagt: Fleischfresser fickt gut. Dann sagt er doch auch irgendwie: Wir beide wissen: Ich ficke gut …
Die Szene gibts doch auch in Filmen in abgewandelter Form, sind meistens die Schwarzen, da hockt einer im Barbershoß und lässt sich einen Stern in den Hinterkopf schneiden, und dann platzt die Freundin rein und voll hytserisch, und macht voll die Szene, und dies und jenes, und alle anderen Männer im Barbershop gucken so zu Boden und schmunzeln bisschen, und sie schießt völlig übers Ziel hinaus, und das war's! Sie verlässt ihn! Sie will ihn nie wieder sehen! Und ja … in dem Moment nimmt sie wirklich niemand ernst, und ihr Freund, der bleibt dann lange still und kratzt sich so am Bart … und dann dreht er sich ihr zu und sagt: Letzte Nacht klang das aber anders …

Da ist nicht zuletzt auch ein Eierschaukeln von Ben an der Stelle. Irgendwie metaphorisch-geistig, aber nicht zuletzt auch konkret, der schaukelt seine dickem Eier und sagt: Ja … jetzt regst du dich vielleicht über meine dicken Eier auf, aber letzte Nacht war das noch anders?

Ich meine, es sagt doch auch eine Menge über Hannah aus, wenn Ben meint, ihr mit solchen Argumenten kommen zu können. Wer ist Hannah? Kelly Bundy?
Es funktioniert doch auch nicht. Er ist schon auch Depp in dem Moment, sie verlässt ihn ja, da muss er auch Depp sein – und er fühlt sich aber offenbar voll sicher in sexueller Hinsicht, wenn er ihr da so mit Sex kommt ... und er denkt halt wahrscheinlich, oder das will er ihr vielleicht sogar signalisieren: das passt schon, wenn du dich jetzt über den Döner aufregst, wir vertragen uns halt im Bett …und sie betrügt ihn aber gerade hinter seinem Rücken, und das weiß der Leser schon und er aber nicht und so ist er auch Depp - da passt sein Weltbild halt auch nicht ganz, denn sie vertragen sich eben nicht so einfach im Bett, und darum geht's doch auch, das muss irgendwie so sein, denn sie will ja auch nicht, dass sein Weltbild passt, das ist nicht zuletzt auch der Konflikt in diesem Moment, sie will ihn doch vom Gegenteil beweisen, allerdings bei einem anderem Thema, wobei unterschwellig auch bei ihr alles mögliche brodelt von wegen genervt und so, sonst legt sie auch gar nicht erst los, und dann vermischt sich das alles aber ganz konkret mit Sex, er bringt das auf den Tisch, und tja … auch da ist sie gerade dabei, ihm zu zeigen, wie Unrecht er hat! Also wenn ich jetzt nochmal so drüber nachdenk … ich finde das schon folgerichtig.

Aber dass man Fleisch essen sollte, weil das sexier, humorvoller und irgendwie sinnlicher ist, das habe ich noch nicht gehört
.

Nun, jetzt hast du es gehört. :) Also … wenn jemand voll auf seine Ernährung achtet und so … das ist natürlich nichts Schlechtes oder unsexy. Ist halt die Frage, wie man Vegetarismus auffast. Wenn man sagt: Das ist eine Präferenz. Das ist das halt eine Präferenz und manche mögen Countrypotates und andere Standardpommes und Menschen sind halt unterschiedlich und das war's. Oder man sagt: Jemand hat Ideale. Das ist auch okay und nicht unbedingt unsexy, vielleicht sogar im Gegenteil. Oder man sagt, was schon auch „okay“ ist: Das ist Verzicht. Und viele Fleischfresser denken halt, das ist Verzicht, weil für sie wär's wirklich so. Für mich wär's auch so. Und dann ist schwer zu sagen, was genau empfinden Vegetarier, wenn man keiner ist. Sind das Idealisten oder Spießer oder einfach nur kluge gesunde Menschem oder was ist das eigentlich?
Und dann ganz allgemein: Verzicht ist schon bisschen unsexy, oder? Ist vielleicht manchmal gesund, und so um die Ecke gedacht sexy … aber jetzt konkret heute Nacht: eher nicht so. Rockstars gelten als sexy. Irgendein Buddhist, der zwanzig Stunden am Tag meditiert und sein Blut den heiligen Moskitos opfert, jetzt nicht so. Total langsam und sicher fahren kann nie wirklich sexy sein. Zu schnell für manche dagegen schon … Verzichten, früh nach Hause gehen - maßlos sein, genießen.
Und so weiter halt … also für mich passt das schon. Sagen kann man das bestimmt. Jetzt im Einzelfall ist das natürlich immer wieder was anderes …

Danke nochmal für den Kommentar.

Hallo randundband,

jetzt habe ich in meiner Antwort auf Achillus und fiz schon viel gesagt, du hast dich ja viel auf andere berufen, es freut mich, dass du den Lob nachvollziehen kannst. Wenn Ben lange drüber nachdenkt, und eine Erkenntnis mitnimmt, was mit ihm alles nicht stimmt, und was er anders machen soll … es scheint da wirklich das Bedürfnis für so Sachen zu geben, aber das sind dann auch einfach andere Geschichten und nur schwer mit shit happens zu vereinbaren und all das, was ich erzählen wollte und auch erzählt hab. Wenn du beim erste Lesen dabei Spaß hattest, freut mich das.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommetierem!

Und auch dir vielen Dank für die erneute Rückmeldung, bernadette, die Babyschildkröte hat ein jetzt ein k bekommen. :)

 
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Friedel, jetzt hab ich dich ganz vergessen! Sorry! Natürlich auch dir vielen Dank fürs Lesen und die Korrekturliste! Gehe ich alles durch und wird korrigiert. Vielen Dank!

 

Hallo JuJu,

Drama gehört auch dazu, klar, schreibst du, aber das richtige Drama in der Geschichte bleibt aus, passiert nur im Kopf von Ben, dem man alles abnimmt, dessen ganze Gefühlspalette auf den Leser fällt und so läuft man fast beflügelt und gefühlsbekleckert von der einen zur nächsten Seite. Dich als Autor merkt man an keiner Stelle. (Mit einer Ausnahme.) Auch wie sich der Text in diese Vegetarierdiskussion hineinsteigert: man liest einen echten und ehrlichen und authentischen Dialog, der sich Zeit lässt und beide Positionen herrlich vertritt. Du kannst bestimmt fabelhafte Selbstgespräche führen – oder alleine Schach spielen.

Eines schon vorweg: Die Sprache ist krass gut! Über weite Strecken schlicht und natürlich, hin und wieder ausgefallene und niedliche und schöne Formulierungen, ansonsten das zielstrebige Jammerlied eines sympathischen Gewinners.

Ein paar Anmerkungen:

Wir gingen einfach auseinander, bis irgendwann der Punkt erreicht war, an dem man sich nicht mehr hören und spüren konnte.
Der überwiegende Teil dieser Liste wird Lob sein, aber schon beim dritten Satz hat mich deine Erzählung erwischt und als das Wesen von beiläufigen Trennungen (bzw. die Trennung beiläufiger Beziehungen) gezeichnet wird, fast karikiert – Schluss! Schluss! Schluss! – fiel es mir verdammt schwer, die Geschichte beiseite zu legen und weiter zu lernen.

No pain, no gain gilt auch in der Retrospektive.
Ich weiß nicht, ob das einen simplen Rückblick auf den Spruch darstellt oder eher eine komplexe Verdrehung: Schmerzt es nicht, hast du nichts verloren. Trotzdem hat mir die ganze Anfangspassage, die Philosophie hinter dem Schlussmachen sehr gefallen.

Oder vielleicht zogen wir zusammen in eine Wohnung? Wir hatten vor Kurzem darüber gesprochen, so wie man über die Namen zukünftiger Kinder spricht, ironisch, scherzend, wir gingen Szenarien durch und lachten. Und doch war das Gespräch viel mehr als nur Spaß, wir begaben uns auf eine große Ideenspielwiese, tasteten uns gegenseitig ab und sahen in einen weiten, geheimnisvollen Himmel.
Das war der erste traurige Moment. Tragisch auch, wie er über die gemeinsame Wohnung und im gleichen Atemzug auch über gemeinsame Kinder nachdenkt, und sie vor ihm steht, in Gedanken aber schon die Treppe runter läuft, mit Hesse und DFW. Wie wenig deckungsgleich die gemeinsame Zukunft in diesem Moment ist – und ganz nebenbei ist es unheimlich niedlich formuliert.

Döner … Döner … Döner … der beim Kauen maximale Freude bereitete.
Ich mochte die Beschreibung des perfekten Dönnerbissens, auch wenn ich finde, dass jeder Bissen gut schmeckt, vor allem aber die letzte, vielleicht liegt das auch an dem Dönermann. Jedenfalls blieb ich hängen an dem technischen Ausdruck „maximale Freude“ – aber vermutlich ist das der passende Ausdruck, weil er das Mampfen in eine Wissenschaft verwandelt.

Mir ist völlig egal, wie geil etwas aussieht und schmeckt und duftet, das werde ich trotzdem niemals anfassen – was sagt das über einen Menschen aus? Über seine Art?
Eine interessante Frage. Ist’s Disziplin oder sinnlose Selbstbeherrschung oder ungewollte Folge eines Lebensstils für den man sich irgendwann einmal entschieden oder in den man irgendwann einmal gestolpert ist. Weiter geht es:

“Und bei dir jetzt – es tut mir leid, wenn ich das so sagen muss, Superbabe – ist es ganz genau so. Da liegt dieses jämmerliche Veggiezeug vor dir auf dem Tablett – und du wärst vielleicht sogar zufrieden damit. Aber dann siehst du, wie ich diesen animalischen saftigen Döner verspeise, und das macht dich völlig kirre. Und drum soll ich in Zukunft keinen Döner mehr essen. Weil es dich verunsichert.“
Empfinde ich als eine sehr gute Beobachtung, die ich auch schon wahrgenommen habe, über die mir aber noch nie so bewusst war. Ich mag Texte, die einem Dinge zeigen, die man manchmal übersieht, obwohl sie immer da sind.

Sie wandte sie den Blick ab, sah aus dem Fenster.
Ein Vertippser. Eine Stelle am Ende der Dönerszene, kurz bevor sie den Türken verlässt.

Eigentlich verabschiedeten wir uns immer mit einem Kuss.
Diese Umschreibung, dass etwas nicht passiert, was passieren sollte, mochte ich auch. Das hast du hin und wieder drin.

Ich bildete mir ein, sie würde gleich etwas sagen wie: Selber Schuld. Wenn du keine Schwule magst, bekommst du einen schwulen Sohn. Wenn du Rentner ärgerst, wirst du später mal alt und bitter. Und wenn du Tiere isst, setzen dir Vegetarier Hörner auf. Das ist Gerechtigkeit.
Aber das sagte sie nicht. Sie stand einfach da und schwieg. Mit einem zerknirschten Ausdruck im Gesicht, der da gar nicht hinpasste, hatte sie doch ein ausgesprochen schönes und gewinnendes Gesicht, eines, das der Zerknirschung praktisch nicht fähig war. Es war niedlich, so wie alle Frauengesichter irgendwie niedlich sind, aber auch offen und stark, mit Wangenknochen, Kinn und klaren Augen. Und jedes Mal, wenn sie lächelte, kamen tolle Zähne zum Vorschein, die Luft knisterte, und irgendwo auf der Welt schaffte es eine Babyschildkröte ins Meer.
Das ist eine Hammerstelle. Sprachlich haben mich vor allem die fett markierten Formulierungen überzeugt, aber auch die Tatsache, dass er sie so beschreibt, trotz Trennung, trotz Trauer, trotz Wut, trotz allem, das zeigt, finde ich schon, dass er sie liebt, geliebt hat und noch liebt, das ist eine Beschreibung eines Liebenden, niemand beschreibt einen Menschen, den er mag, so. Deswegen konnte ich auch nicht verstehen, dass einige meiner Vorredner meinten, dass es gar nicht so sehr um sie geht, dass sie – für ihn – austauschbar ist.

“Ja, und jetzt?“, fragte ich in die Stille hinein. „Hast du dir dabei was gedacht?
„Ich kann zu Ina ziehen, bis ich was find. Bei ihr ist auch Platz.“
So weit hatte sie also schon gedacht.
Das tut weh. Sie ist im zwar erst gestern Nacht fremdgegangen, aber solche Gedankenspiele spielt man ja nicht auf dem Nachhauseweg, wenn man noch nach Sex riecht, betrunken ist, und es doof findet, dass man jetzt noch woanders hingehen muss. Das ist ein längerer Prozess, der diesen Gedanken vorausgeht, und es ist schon fast metaphorisch, dass sie seine Frage falsch versteht. Finde ich krass, dass du das alles in drei Sprechblasen packst, ohne dass sie zerplatzen.

Das mit den Hörnern war schon ziemlich scheiße.
Das sind so Stellen, die den Kerl sympathisch machen, finde ich. Weil sich da Selbstironie mit ehrlicher Trauer paart, und das auch nicht bemitleidenswert oder erbärmlich klingt.

Ich fragte mich, ob ich Hannah irgendwie aus den Augen verloren hatte in letzter Zeit. So weit das überhaupt möglich war, wenn man sich fast jeden Tag sieht.
Finde ich auch sehr gut. Sehen und trotzdem nicht sehen, das ist ja eigentlich ein langsam inflationär gewordener Ausdruck, aber du verwendest ihn hier ja wortwörtlich und auch wenn nicht, hätte ich das gemocht. An dieser Stelle muss es, glaube ich, trotzdem „Soweit“ heißen.

Sie zuckte mit den Achseln, als könnte sie mit dieser kleinen Scheißbewegung einen Strich drunter ziehen.
Cool!

Das hielt ich nicht lange aus. Ich verließ die Wohnung, setzte mich vor Tonis und ließ die Sonne auf meinen Kopf brutzeln.
Ich bin mir nicht sicher, ob man das so sagen kann. Wortwörtlich genommen bedeutet das, dass der Ich-Erzähler auf seinem Kopf die Sonne brutzeln lässt, als würde er den Feuerplaneten wie ein Steak auf seinen Kopf braten.

Ich beobachtete die frischen Paare, wie sie kichernd durch die Stadt gingen, und prophezeite ihnen einen kurzen Sommer, einen bewölkten Herbst und einen depressiven Winter. Ich sah die jungen Frauen in Röcken vorbeihüpfen und bekam fürchterliche Lust, sie alle zu verführen, sie verliebt zu machen, ihnen das Blaue vom Himmel zu lügen, schmutzige Dinge mit ihnen anzustellen und mich nie wieder zu melden - einfach so, aus Protest. Aus Protest gegen das Versprechen, das jeder von ihnen innewohnte, das in jedem Grübchenlächeln steckte und in jedem wippenden Schritt, in jeder gefärbten Strähne und in jedem gepiercten Ohr, dieses Versprechen, das Glück hieß und so unendlich verlogen war.
Es war schon sieben, als ich heimkehrte. Ich warf einen Blick in mein Zimmer, sah die gähnende Leere, ging gleich wieder in die Küche und drehte das Radio auf.
Wenig später kam Luca nach Hause, mein Mitbewohner und Chemiestudent im dritten Semester.
„Oh Mann …“, sagte er. Er ging gleich zum Kühlschank und holte ein Bier raus. „Willst auch eins?“
„Ja.“
Er setzte sich mir Gegenüber, wir stießen an, und das kalte Bier schmeckte hervorragend.
„Okay …“, sagte er, und er fuhr mit einer Hand durch seine Wuschelfrisur und atmete voll durch. „Wir sind zum See gefahren, ich hab's echt gemacht, wie besprochen. Wir saßen auf einer Decke, neben uns Cracker, Trauben, Wein und drei verschiedene Käsesorten, das war super, Laura mag Camembert, und dann …“ Er nahm wieder einen Schluck, einen viel zu großen, sodass sich sein ganzes Gesicht dabei verzog und er kurz die Augen schließen musste. „Wir haben ewig geredet, wirklich ewig! Sie hat mir so viele Sachen erzählt und ich habe die ganze Zeit zugehört, und dann war es irgendwann ganz still, Seestille, das war richtig schön, und wir sitzen nebeneinander und blicken aufs Wasser, und sie streckt die Beine von sich und wippt mit dem rechten Fuß, und ich denke mir: Jetzt kann ich sie küssen. Ist schon das dritte Date, das muss jetzt einfach gehen. Wie du gesagt hast, muss einfach. Und ich war echt kurz davor, wirklich, ich wollte es machen, und dann … also dann … dann schaut sie aufs Wasser und sagt voll verträumt: Ohhh … wenn ich all diese Schwäne sehe, mit den weißen Federn und den langen Hälsen und den starken Flügeln, das macht mich richtig an. Das sagt sie einfach so. Die Schwäne machen sie an! Und ich so wie bitte?, und sie bricht in Gelächter aus, hält sich am Bauch fest und rollt sich ins Gras. Hey … die Frau ist so heftig, Ben, so heftig! Und jetzt haben wir uns immer noch nicht geküsst. Ich weiß nicht, ich finde die Lücke einfach nicht. Ist schwierig. Hey, ist alles okay mit dir? Du siehst nicht gut aus.“
„Hannah hat mich verlassen.“

Kleinkrams: das „Gegenüber“ muss kleingeschrieben werden. Ansonsten passiert in diesem Abschnitt sehr viel. Da ist der missgönnende Blick auf Beziehungen im Anfangsstadium, dann kommt sein Kumpel mit einer umständlichen Beschreibung seiner Beziehung im Anfangsstadium, und zuletzt – stark im Kontrast zu den beiden anderen Teilen, zusammengepresst in einem Satz – „Hannah hat mich verlassen.“ So einfach ist das. Schluss. Du arbeitest geschickt mit langen und kurzen Stellen, du weißt, was lang und was kurz sein muss, auch ein gewiefter Loop irgendwie. Und diese Zeilen sind auch repräsentativ für den gesamten Text, es geht im Grunde immer um den Beginn und das Ende einer Beziehung, das Dazwischen wird größtenteils verschwiegen, nur hier (Die Schöne und das Biest) und da (Sex und Ratten) verschwommen erinnert, vielleicht auch nur als Trosthappen im Twittergedankenchaos, das verzweifelte Klauben nach schönen Gedanken in dem ganzen Scheiß.
Die andere Stelle, die ich fett markiert habe, das mit dem verlogenen Glück, fand ich auch richtig stark.

Wir stießen an, und das frische Bier schmeckte wieder hervorragend, wie mit Tigerblut gepanscht.
Ein sehr geiler Ausdruck, der dir scheinbar auch gefallen hat, wiederholt er sich doch mindestens noch zweimal. Dieses Frustwegtrinken oder Mutantrinken, das passiert in der Erzählung erfrischend beiläufig und subtil, das fand ich auch geschickt gemacht, an keiner Stelle übertrieben. Was der Leser beobachten darf, ist nicht ein betrunkener, aggressiver, verwirrter, sondern ein beschwipster, etwas aus sich heraus gerückter Ben.

“Du küsst die Schwanenbraut, und ich hole mir Hannah zurück. Genau so machen wir das, Luca. Genau so machen wir das!“
An dieser Stelle habe ich richtig Lust bekommen, weiter zu lesen. Also noch mehr Lust. Da hat der Text, der ohnehin schon so viel Spaß macht, noch ein paar Tropfen – ich klaue das jetzt einfach mal – Tigerblut draufgetröpfelt. (Hat mich an die Szene erinnert, als Tschick Maik in dem Herrndorf-Roman davon überzeugt, dem Mädel doch noch das Beyonce-Bild auf die Geburtstagsparty zu bringen. Eigentlich keine große Sache, aber für den Betroffenen ein unvergleichliches Abenteuer.

Ein Beamer hing von der Decke. Ein polierter Chromtresen stand zu meiner Linken. Schwarzumrahmte, schwarz-weiß-Bilder von supercoolen, superschlanken Kate-Moss-Models blickfickten von der Wand.
Ich habe ja weiter oben geschrieben, dass ich dich an keiner Stelle als Autor gespürt habe, aber an dieser Stelle eben schon. Da muss ich Quinn recht geben. Man kann es schon so stehen lassen, aber ich weiß halt nicht, was die Wirkung sein soll. Wenn der Puppenspieler den schiefen Kopf einer Puppe gerade biegt und sich deswegen dem Publikum offenbart, ist das ein guter Grund, aber hier ist es so, als würde er kurz auf die Bühne stolpern, um einen schiefen Zweig zurecht zu knicken. Aber es ist ein Wort und du bleibst so krass im Hintergrund, man sieht nicht mal die Falten deiner Finger in den Figuren, da ist das echt ein sehr unwesentlicher Teil.

Sie saß in der vorletzten Reihe, ganz außen recht, keine vier Meter von mir entfernt. Ihr Lachen klang vertraut, unendlich vertraut.
Unendlich traurig. (Übrigens auch die Szene, als sie ihm sagt, dass sie mit dem „Feind“ oft lacht. Mit jemanden lachen, das ist irgendwie etwas Intimes, und für mein Empfinden viel schlimmer als ein Kuss auf den falschen Mund oder sogar mit einem anderen Typen zu schlafen – Zusammen lachen, das ist ehrliche Verbindung. Dass das Hannah bei/ mit Ben fehlte, ist krass. Und da muss sie gar nicht aufzählen, was sie stört, oder was sie sich wünscht in der Beziehung, ich finde, so etwas sagt alles.)

Gibt es schwarze Vegetarier?
Ich finde es mutig und überhaupt nicht verkehrt, dass das dort steht.

Die Welt ist voller solcher Typen. Drauf geschissen. Sollen sie doch die Welt vererben, sich die neueste ökofreundliche E-Klasse holen und dafür sorgen, dass eine Fleischsteuer eingeführt wird. Mir doch scheißegal. Mir war alles egal. Solange sie die Hände von Hannah ließen.
Soll es wirklich „vererben“ heißen?

Aber ich musste cool bleiben. Cool bleiben! Ich sah ihr in die Augen. „Hannah, schau mal, ich … ich glaube einfach nicht, dass es irgendwen auf der Welt gibt, der so viel für dich empfindet, wie ich es tue. Das glaube ich einfach nicht.“
Sie runzelte die Stirn. „Hast du das von irgendeinem Lied?“
„Ach komm …“ Ich drehte mich zur Seite und kämpfte gegen den Impuls an, einfach zu gehen. Aber ich konnte jetzt unmöglich gehen. Ich wandte mich ihr wieder zu. „Ich liebe dich, Hannah.“
Dass er den vorgefertigten, durchdachten Satz tatsächlich bringt, wenigstens eine Zeile im Drehbuch beherrscht, finde ich cool.

Laura, ich fand den Tag so schön mit dir, ich kann ihn einfach nicht enden lassen, ohne dich zu küssen. Und das war’s schon. Der Rest ergibt sich.
Wie recht du hast! :)

Die Erzählung hat mich beeindruckt. Es ist eine wunderbare Geschichte über das Schlussmachen, es stecken so viele kleine Wahrheiten darin, und obwohl du das anhand einer Beziehung zeigst, passiert das irgendwie fast exemplarisch, du schreibst über das Wesen vom Ende einer Liebe. Dass gar nicht so viel verraten wird vom Dazwischen, was die beiden all die Monate und Jahre so stark verbunden hat, was der Unterschied zwischen Hannah und all den anderen Mädchen war, denen er großzügig (und mit Jesuspose) angeboten hat, der Verlassene zu sein und warum er dieses Mal auf keinen Fall der Verlassene sein wollte, warum es dieses Mal nicht einmal einen Schluss geben sollte – dass diese Fragen unbeantwortet bleiben, verleiht dem Ganzen einen allgemeingültigen Charakter und man stößt auch immer wieder gegen einen Spiegel, erkennt sich selbst oder Freunde, so erlaubt es der Text sogar, dass man Gründe finden, einfügen und die Geschichte bis zu einem gewissen Punkt zu seiner eignen machen kann. Das klingt jetzt nach banalem Mitmachtext, aber ich denke, du weißt, was ich meine.

Ich war traurig, manches tat wirklich weh, ich hab mich erkannt und Dinge, die ich ab und zu übersehe, ich durfte mich ärgern und habe mir Fragen gestellt, ich habe geschmunzelt, gelacht und genickt und den Kopf geschüttelt, hab mich über die liebenswürdigen Momente gefreut und am Ende ist es ein wahnsinnig lebensbejahender Text.

Beste Grüße
markus.

 
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Hallo Marcus,

vielen Dank für den Kommentar!

No pain, no gain gilt auch in der Retrospektive.
Ich weiß nicht, ob das einen simplen Rückblick auf den Spruch darstellt oder eher eine komplexe Verdrehung: Schmerzt es nicht, hast du nichts verloren. Trotzdem hat mir die ganze Anfangspassage, die Philosophie hinter dem Schlussmachen sehr gefallen.

Also ich meinte es schon so: Schmerzt es nicht, hast du nichts gewonnen. Nur meint man das immer vorausschauend und nicht rückblickend. Jetzt trainieren und schwitzen und später an Kraft gewinnen. Es tut am Anfang weh, und davon hat man später was. Und hier meinte ich halt umgekehrt. Tut es am Ende weh, kannst du dir sicher sein, dass du früher etwas hattest. Und vielleicht meinte ich auch, wenn auch nicht explizit, Durch den ganzen Prozess gewinnt man sogar etwas, das man vorhin nicht hatte, auch wenn der Verlust nun im Vordergrund steht. Macht das Sinn? Das ist natürich auch ein schöner und trostspendender Gedanke. No pain no gain motiviert. Und in der Retrospektive: Trost. Aber die Alternative wäre halt: Man verliert etwas und es schmerzt gar nicht. Das kann auch nicht richtig sein.

Auch wie sich der Text in diese Vegetarierdiskussion hineinsteigert: man liest einen echten und ehrlichen und authentischen Dialog, der sich Zeit lässt und beide Positionen herrlich vertritt. Du kannst bestimmt fabelhafte Selbstgespräche führen – oder alleine Schach spielen.

Schön, das freut mich.

Das war der erste traurige Moment. Tragisch auch, wie er über die gemeinsame Wohnung und im gleichen Atemzug auch über gemeinsame Kinder nachdenkt, und sie vor ihm steht, in Gedanken aber schon die Treppe runter läuft, mit Hesse und DFW. Wie wenig deckungsgleich die gemeinsame Zukunft in diesem Moment ist – und ganz nebenbei ist es unheimlich niedlich formuliert.

Das ist eine Hammerstelle. Sprachlich haben mich vor allem die fett markierten Formulierungen überzeugt, aber auch die Tatsache, dass er sie so beschreibt, trotz Trennung, trotz Trauer, trotz Wut, trotz allem, das zeigt, finde ich schon, dass er sie liebt, geliebt hat und noch liebt, das ist eine Beschreibung eines Liebenden, niemand beschreibt einen Menschen, den er mag, so. Deswegen konnte ich auch nicht verstehen, dass einige meiner Vorredner meinten, dass es gar nicht so sehr um sie geht, dass sie – für ihn – austauschbar ist.

Ja, dir sind zum Teil ganz andere Textstellen ins Auge gesprungen. Also mich freut es, dass du den Text so liest. Ich hab das auch beim Schreiben gespürt, da ist man in so einer Zwickmühle drin, es gibt Dinge, die Ben einfach nicht sagen kann, ohne dass er sich drei Mal verbiegen muss, das können die meisten Menschen nicht sagen, und für Ben vielleicht extra schwer. Das ist ja auch so nach einer Trennung ... Perspektivwechsel wieder: Wie oft sagen Frauen etwas Positives über einen Mann, der sie verlassen hat? Ich glaube, so Frauen existieren gar nicht, die müssen erst erfunden werden. Na, okay, das stimmt nicht ... ich kenne solche Frauen sogar, aber die sind meistens älter als wir ... und da ist aber auch schon wieder so viel Bitterkeit und Resignation und alles mögliche mit dabei, das ist es fast schon wieder traurig auch. Da ist einem uneingeschränkt wütend und "er war ein Arschloch" fast schon lieber. Also mich freut's, dass du erkennst, dass Ben trotz allem so redet.


Ich bin mir nicht sicher, ob man das so sagen kann. Wortwörtlich genommen bedeutet das, dass der Ich-Erzähler auf seinem Kopf die Sonne brutzeln lässt, als würde er den Feuerplaneten wie ein Steak auf seinen Kopf braten.

Ja, das war ich mir auch unsicher.

Ansonsten passiert in diesem Abschnitt sehr viel. Da ist der missgönnende Blick auf Beziehungen im Anfangsstadium, dann kommt sein Kumpel mit einer umständlichen Beschreibung seiner Beziehung im Anfangsstadium, und zuletzt – stark im Kontrast zu den beiden anderen Teilen, zusammengepresst in einem Satz – „Hannah hat mich verlassen.“ So einfach ist das. Schluss. Du arbeitest geschickt mit langen und kurzen Stellen, du weißt, was lang und was kurz sein muss, auch ein gewiefter Loop irgendwie.

Das freut mich, das war auch für mich die kritischte Stelle im Text irgendwie, der Text hatte vom Gefühl her viel Drive, aber da hängt das und man kann angefangen zu sinnieren, und Wendepunkt und alles … gerade da habe ich wirklich ein paar Sachen gekürzt auch, es war noch länger.

blickfickten von der Wand.
Ich habe ja weiter oben geschrieben, dass ich dich an keiner Stelle als Autor gespürt habe, aber an dieser Stelle eben schon. Da muss ich Quinn recht geben. Man kann es schon so stehen lassen, aber ich weiß halt nicht, was die Wirkung sein soll

Ja ... also wenn du und Quinn das sagt, dann ändere ich das.


Gibt es schwarze Vegetarier?
Ich finde es mutig und überhaupt nicht verkehrt, dass das dort steht.

Ja, cool. Ich hab jetzt auch viel Feedback zu der Stelle bekommen, das muss drinbleiben.


Dass er den vorgefertigten, durchdachten Satz tatsächlich bringt, wenigstens eine Zeile im Drehbuch beherrscht, finde ich cool.

Ja, das fand ich auch irgendwie lustig, mir gefiel das dann auch. :)

verleiht dem Ganzen einen allgemeingültigen Charakter und man stößt auch immer wieder gegen einen Spiegel, erkennt sich selbst oder Freunde, so erlaubt es der Text sogar, dass man Gründe finden, einfügen und die Geschichte bis zu einem gewissen Punkt zu seiner eignen machen kann.

Ja, ich finds sehr interessant, wie der Text von den unterscheidlichen Leuten gelesen wird,. Also das ist immer interessant, aber ja … hier irgendwie besonders. Schon toll auch, so viel ausfürhliches Feedback zu bekommen. Ich denke, es geht da schon auch um das Wesen des Verlassenwerdens, schon speziell in diesem Fall, aber wie Ben das durchmacht, was da mit ihm passiert ... ja. Und aus meiner Perspektive ist es halt auch so: Das gehört alles irgendwie dazu. Auch in anderen Situationen, bei anderen Hindernissen, es passieren doch ganz ähnliche Dinge im Kopf. Und wenn man dann einfach durchzieht als Autor, dann ist auch so. Gehört alles dazu. Das akzeptiert man irgendwie und man geht weiter. In der Hinsicht ist es vermutlich auch "lebensbeahend" und "positiv", ja.

Super vielen Dank für den Kommentarm Marcus! Hat mich sehr gefreut.

MfG,

JuJu

Bis später, Maria! :)

 

Hallo Maria,

Dieses „Leb wohl“ von Ben, diese wenigen Zeilen, die haben mich echt berührt.

Das freut mich.

Fick mich, da musste ich total lachen =D

Ja, das fand ich auch lustig. :)


Wahnsinn!

lg maria
dein größter Fan.

Baaam, oida, baam! Ich liebe dich.

Also ich hab mir jetzt deinen Kommetar jetzt fünf oder sechs Mal durchgelesen und ich finde, wir sollten heiraten. Werde doch meine Frau. Mit viel gutem Willen gehe ich auch als Türke durch. (Du bist doch Türkin?) Ich lerne Türkisch und konvertiere, und du färbst dir die Haare blond und belegst ein paar Kamasutra-Kurse. Dann kannst du meinetwegen auch mit Kopftuch rumlaufen, ist mir egal. Ist mir vielleicht sogar lieber so. Ich glaube, so als Immigrantenschiftstellerpaar, das könnte wirklich unser Sprungbrett zu richtigem Fame sein. Wir heiraten, werden famous und halten uns nur noch in den coolsten und elegantesten Kreisen auf. Und sind überall heiß begehrt und der Brüller, weil wir zwar die tollsten Literaten sind, aber irgendwie ganz viele Grammatikfehler machen. Wobei das viele nur für eine Pose halten. Nicht zuletzt, weil wir uns auf Cocktail-Parties ständig gegenseitig korrigieren und dann zusammen in hysterisches Gelächter ausbrechen. Uns dann fallen wir uns in die Arme und fangen an, uns in aller Öffentlichkeit unverschämt zu begrapaschen, wie es eigentlich nur dekadente und betrunkene Filmstars aus den Roaring Twenties tun dürfen. Und die ganze Welt wird uns um unsere besondere Connection und phänomenales Sexleben beneiden, vor allem Jo. Was meinst du?

Vielen, vielen Dank für den Kommentar, maria! :) Hat mich sehr gefreut.

MfG,

JuJu

 

JuJu zu Maria schrieb:
Also ich hab mir jetzt deinen Kommetar jetzt fünf oder sechs Mal durchgelesen und ich finde, wir sollten heiraten.

Äh, verdammt, und was ist mit mir? In Wahrheit bin ja ich dein größter Fan, JuJu, ich schwör's. Jessasmaria, jetzt bin ich aber echt eifersüchtig ...

 

Äh, verdammt, und was ist mit mir? In Wahrheit bin ja ich dein größter Fan, JuJu, ich schwör's. Jessasmaria, jetzt bin ich aber echt eifersüchtig ...

Bei mir im Entourage ist doch noch viel Platz, Ernst! Sollte ich es mal schaffen, ziehe ich alle meine Homies aus dem Hood mit nach oben, ist doch klar. So bin ich ja nicht. Einmal kg.de.ghetto, immer kg.de.ghetto. Ich meine, notfalls als Fahrer oder so … da finden wir doch was. Und hinterher in the VIP, passin' the courvoisier und so, dann bist du klar am Start, verpassen tust du nix.

 
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Hey JuJu,

das ist irgendwie so ein richtig hübsches Sommermärchen für mich. Hab ich gestern Abend gelesen, gern gelesen und mich dann die halbe Nacht gefragt, wieso ich das als Märchen empfinde, wieso der Text für mich so eine Leichtigkeit hat, wo es doch eigentlich total das Drama ist. Klar ist es zum Teil der Art geschuldet wie der Text angelegt ist, stilistisch und auch der Kuss der Schwanenfrau am Ende (Happy End - wenn auch für wen anderes) ... aber das allein kanns nicht sein. Ja Bravo JuJu! Während Du mit Maria durchbrennst, grüble ich hier und opfere meinen Schlaf :).

Aber!, ich bin für mich durchaus zu einem Ergebnis gekommen. Und das hat stark was mit meiner Lesart zu tun, gar nicht mal mit dem Text wie ich feststellen musste, als ich mir die Kommentare angesehen hab. Für mich sind die beiden nämlich sowas vom am Ende mit ihrer Beziehung und in meiner Lesart tut ihm die Trennung auch gar nicht so weh, wie sie ihm wehtun müsste, es ist eher, als hätte man ihm sein Spielzeug weggenommen und es ist auch der verletzte Stolz, weil sie ihn verlässt, was ja zuvor noch keine getan hat. Und am Anfang ist da der Schock und oh je, oh weh, Gewohnheiten werden sich verändern, davor hat man immer Schiss, v.a. wenn man sie nicht als unangenehm empfunden hat, und Hannah ist ja auch sexy und eigentlich ideal zum altwerden, aber ich glaub, ihm geht es nach zwei Wochen wieder ganz gut und sein Herz befindet sich dann bereits im Heilungsprozess. Er wird Hannah nicht so vermissen, wie er an dem Tag glaubt, sie vermissen zu werden. Und das finde ich gerade total spannend, weil es so ganz anders ist, als wie andere den Text empfunden haben.


Ich mach Schluss!
Was?
Ich mach Schluss! Hörst du? Schluss!
Hast du Schluss gesagt?
Ja!
Komm mal bisschen näher.
Schluss! Schluss! Schluss!
Ich versteh dich nicht!

Ja, schöner Anfang. Und auch gleich die einzige Anmerkung die ich überhaupt stilistisch machen kann. Bei der 100%igen haben alle gesagt, der Dialog - ganz groß! Das muss man sich erst mal trauen und so weiter - großes Lob gabs dafür und zurecht. Das hast Du Dir gut gemerkt und setzt dieses Mittel hier recht oft ein und ich finde das jetzt ein bisschen schade, weil sich der Glanz dadurch natürlich auch abnutzt. Ist nicht schlimm, liest sich gut, macht Spaß, aber es ist eben kein Mittel mehr, mit dem die! Stelle im Text dann auch stilistisch unterstützt wird. Stilistisch gesehen, gibt es in diesem Text kein Highlight. Also klar, der Text an sich ist im Ganzen schon beeindruckend, aber eben - hier lieber Leser reiß ich Dir das Herz raus und das ist nicht nur inhaltlich ein Highlight, sondern auch stilistisch, das fehlt dem Text so ein bisschen finde ich. So ein Kernding, und jetzt pack ich zu und zwar mit allen Mitteln, die ich als Autor zur Verfügung hab.

Dazu muss man wissen: Wenn ich sonntagmorgens in der Küche vor dem Laptop sitze und Tee trinke und dazu noch ausgeschlafen bin, das ist praktisch der ausgeglichenste Moment, in dem man mich überhaupt vorfinden kann. Und so sagte ich zunächst nichts. Ich nahm sogar einen Schluck Tee und kam mir cool dabei vor.

Das sind so Momente wo ich eben so denke, ja, der kommt schon klar. Ich mein, Du erzählst da in einer Ausführlichkeit den Trennungshergang (groß!) und gleich zu Beginn: Hannah zündet die Bombe und er hat erst mal nichts weiter im Kopf, als irgendwie cool rüberzukommen. Erster Gedanke: Das war jetzt cool von mir. Und so zieht sich das für mich durch den Text und daher kommt, dass ich ihn in seiner Trauer eben auch nicht voll nehmen kann. Der ist so Ego drauf, der hat so mit sich zu tun, was brauchts da noch eine Hannah. Da kann er mir noch tausendmal erzählen von früher und wie schön und eventuell gemeinsame Wohnung - das mag auch alles so sein in seinem Kopf, aber ich denke, Hannah hat gute Gründe, warum sie das Gefühl hat, ist nicht mehr so schön mit uns.

Dann fragte ich sie, ob ihr neuer Liebhaber Vegetarier sei.
„Was?“
„Ist er Vegetarier?“
Sie rückte vom Kühlschrank weg und warf ihr niedliches kleines Gesicht in Wutfalten. Gut so! Ärgere dich! Denn ich hab Recht, nicht wahr? Nicht wahr!
„Das hat wirklich nichts damit zu tun …“
Ich ließ mich nach hinten in den Stuhl fallen, klappte mit Gewalt den Laptop zu und schob den Tee von mir weg.
„Du willst mich doch verarschen!“

Da auch. Ich mein, sie sagt, es ist Schluss und alles was ihm einfällt: Er ist Vegetarier. Die Diskussion beim Döner später, die ist ja auch so Plattitüdenhaft, die reden da ja nicht wirklich miteinander, die werfen sich Schlagzeilen an den Kopf. Und hier, wird eben auch so eine Schlagzeile aufgegriffen und man feiert einen Sieg, weil man Recht hat.

Und so Sachen bewirken bei mir eben, ihn nicht ganz so Ernst zu nehmen, wie er da in sein großes schwarzes Loch gestoßen wird. Für mich ist es eher eine Pfütze in die er fällt und dadurch verliert das Drama und gewinnt der Spaß und dann kommt am Ende eben so ein großartiges Sommermärchen raus. Also ich hoffe, ich konnte das irgendwie erklären, was der Text bei mir bewirkt und warum er es tut.

Beim Döneressen versuchte ich immer, möglichst geschickt vorzugehen. Das heißt: So reinbeißen, dann man nicht nur Fleisch in den Mund bekommt. Aber auch nicht nur Kraut.

dass

„Ein Yeti-Kostüm?“
„Ja!“ Sie warf sich an mir. „Und wir schminken deine Augen. Ganz Dunkel, weißt du, so richtig grotesk! Und schmieren dir Blut vielleicht in den Bart …“

an mich
und ich find: Und wir schmieren dir vielleicht Blut in den Bart - irgendwie netter

Der Kellner kam, und ich bestellte eine Pizza Hawaii, die ich nicht essen konnte. Keinen Bissen bekam ich runter. Die Halbe lief dafür wie geschmiert. Die zweite Halbe auch. Mir ging's danach nicht besser.

Was die Halbe? Die halbe Pizza? Mehr Sinn ergäbe für mich DER Halbe - von der halbe Liter Bier.

Seestille

Mein Lieblingswort der Geschichte!

„Ich weiß, ich weiß … so meine ich das nicht. Ich meine nur: Ist dir vielleicht etwas Komisches aufgefallen in letzter Zeit? Hat du etwas gesehen oder gespürt, seit Hannah hier wohnt? Oder vorher schon?“

Hast

küsst die Schwanenbraut, und ich hole mir Hannah zurück. Genau so machen wir das, Luca. Genau so machen wir das!“
„Ich weiß nicht …“

Du

Sehr gern gelesen. Auch dieses Nebeneinander von eins hört auf, was anderes beginnt; wo ein Leben aufhört, wird ein neues geboren. Nur eben dieses überreizen der Dialogsache finde ich ein bisschen schade, aber gut, auch das liest sich hübsch und locker flockig runter und sofern: passt schon :).

Beste Grüße, Fliege

 

hallo JuJu

Also erst auch mal von meiner Seite ein Lob für die Geschichte. Hat mir sehr gut gefallen. Da ich ca im selben Alter wie der Prot. bin muss ich sagen, dass mir die meisten Szenen und auch seine Handlungen äußerst authentisch vorkamen. Die ganze Veggie-Nazi-Diskussion führte ich auch vor nicht all zu langer Zeit. Finde ich super, dass du die hier gebracht hast... :thumbsup:

Ganz besonders gefiel mir das hier...

Wir gingen nach draußen und fühlten uns tatvoll und prächtig. Der Heidelberger Sonnenuntergang ist ein Traum. Die Zeit im Zustand des Zerfalls erfasst, die Welt im Kampf mit der ureigenen Rotation, der Himmel als Schlachtfeld. Dazu Studentenstadtluft: Frisch und fein wie in einer tibetischen Teestube. Herb und dunkel wie im Londoner Untergrund. Antiker Schweiß strömte von den Pflastersteinen, Schweinsbraten verführte in die Fachwerkgaststätten, Schokolade floss in den Cafés und aus den Bars wehte Drachenatem - das ist eine ganz besondere, von unterdrückten Trieben schwül geheizte Abendessenz, mehr Energie als Duft, mehr Leben als Sterben, mehr Hannah als Später.

Das hat sich sehr schön lesen lassen und ich musste irgendwie durchgehend grinsen. (Keine Ahnung, ob das hier schon erwähnt wurde, habe mir Seite 2 der Kommentare nur semi-halbherzig durchgelesen, aber ich glaube, dass die Londoner Underground weiblich ist.)
Vor Kurzem war ich selbst in Heidelberg und ich glaube, dass ich da an besagtem Brunnen rumsaß. Ist das der mit Blick zur Burg (oder Schloss) hoch? Egal...

Die ganze Sache mit dem Tatort fand ich auch sehr gelungen. Da konnte ich schön mit dem Protagonisten fühlen. Hier (Bamberg, auch Studentenstadt) gibt es auch so eine Studentenkneipe in der Tatort auf einer Leinwand ausgestrahlt wird und ich bin da mal rein, weil ich vollkommen davon überzeugt war, dass die das nur so zum Spaß anschauen; um sich etwas drüber lustig zu machen eben, weil es in Sachen "Krimiserie" na nun wirklich eher unterste Schublade ist, verglichen mit anderen vorhandenen Serien. Alles in Allem wurde ich recht schnell der Theke verwiesen, weil ich mich mit meiner Begleitung unterhalten habe. Das hat mich in so vielerlei Hinsicht verstört...

Auch sehr gut hat mir der Umgang der beiden männlichen Teilnehmer der Geschichte miteinander gefallen. Ich weiß nicht, wie du dir deren Beziehung vor der Erzählten Geschichte vorgestellt hast, aber für mich hatte es den Eindruck, als ob die beiden durch ihre 'Frauenprobleme' zusammengeschweißt wurden. Zwei verschiedene Altersstufen mit ihren eigenen spezifischen Problemen. Der eine eine Art Mentor für den anderen - was ist schon ein einfacher Kuss, wenn man mal 25 - 26 ist? Fand ich sehr gut.

Ich glaube das einzige, was mich etwas gestört hat war, dass ich Ben irgendwie arschlochhaft fand. So als hätte er - wie es schon gesagt wurde - die Interessen von Hannah nicht wirklich ernst genommen. Klar, war sie wohl manchmal ne Zicke... was solls. Alles gleich so negativ und nervig zu betrachten fand ich etwas zu viel. Das ganze fand ich aber nur 'schlecht', weil ich mir gewünscht hätte, Ben als netten Typen zu sehen, weil der Anfang 'seiner' Geschichte echt gut war.

Alles in Allem: Daumen hoch.

lg zash

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege,

das ist irgendwie so ein richtig hübsches Sommermärchen für mich. Hab ich gestern Abend gelesen, gern gelesen und mich dann die halbe Nacht gefragt, wieso ich das als Märchen empfinde, wieso der Text für mich so eine Leichtigkeit hat, wo es doch eigentlich total das Drama ist

das ist irgendwie so ein richtig hübsches Sommermärchen für mich.

Das freut mich.

Hab ich gestern Abend gelesen, gern gelesen und mich dann die halbe Nacht gefragt, wieso ich das als Märchen empfinde, wieso der Text für mich so eine Leichtigkeit hat, wo es doch eigentlich total das Drama ist

Ich denke das hängt schon mit dem Stil zusammen, der sich "leicht" liest, oder das hoffe ich, und dann ... klar, der Text ist nicht unbedingt die geborene Bitterkeit, es gibt schon auch witzige Stellen oder die soll es geben. Ich will den Leser hier schon auch unterhalten und so, mach ich ja gern.

Und am Anfang ist da der Schock und oh je, oh weh, Gewohnheiten werden sich verändern, davor hat man immer Schiss, v.a. wenn man sie nicht als unangenehm empfunden hat, und Hannah ist ja auch sexy und eigentlich ideal zum altwerden, aber ich glaub, ihm geht es nach zwei Wochen wieder ganz gut und sein Herz befindet sich dann bereits im Heilungsprozess. Er wird Hannah nicht so vermissen, wie er an dem Tag glaubt, sie vermissen zu werden.

Ja gut, wenn du das so schreibst: das ist doch irgendwie auch normal. Also nach zwei Wochen kann man auch wieder anfangen mit Heilung und so, finde ich. Das kann auch viel länger gehen, aber das ist doch alles im Rahmen.


Also klar, der Text an sich ist im Ganzen schon beeindruckend, aber eben - hier lieber Leser reiß ich Dir das Herz raus und das ist nicht nur inhaltlich ein Highlight, sondern auch stilistisch, das fehlt dem Text so ein bisschen finde ich. So ein Kernding, und jetzt pack ich zu und zwar mit allen Mitteln, die ich als Autor zur Verfügung hab.

Ich pack die ganze Zeit mit allen Mitteln zu, die ich zur Verfügung habe. Das sind halt die Mittel, die ich habe, um diese Geschichte zu erzählen, und die verwende ich. Wenns klappt bin ich froh. Das hat nix mit alten Geschichten zu tun, daran denke ich nicht.


Was die Halbe? Die halbe Pizza? Mehr Sinn ergäbe für mich DER Halbe - von der halbe Liter Bier.

Ne, das stimmt ausnahmsweise sogar, ist die Halbe. Alles andere wird gleich korrigiert! Vielen Dank für den Kommentar, Fliege, freut mich sehr, wenn du die Geschichte gerne gelesen hast.

MfG,

JuJu

Bis später, zash!

 

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