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Die Waffen einer Frau.

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30.06.2014
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Die Waffen einer Frau.

"Du musst", sagte er mit einer Endgültigkeit, deren Grundlage sich ihr vollkommen entzog.
"Warum sollte ich müssen?", fragte sie mit einer Aufrichtigkeit, die ihr in seinen Augen nicht zustand.
"Weil, na ja, weil Du müssen wollen solltest... ", sie hörte erste Risse in seinem Selbstverständnis entstehen.
"Ich will aber nicht. Das ist ganz einfach, nein." Sie sah ihm mit ihren unschuldig blauen Augen gerade und aufrecht in die seinen. Diese flackerten etwas und richteten sich alsbald zu den Fußspitzen, als wäre dort etwas besonders Aufregendes zu beobachten. Fast begann ihr, das Spiel ein bisschen Spaß zu machen. Er war so hinfällig wie eine eindimensionale Wildwestkulisse, hinter der sich vielleicht noch etwas Gestrüpp befand, aber kein Saloon, keine starken Kerle, die noch stärkeren Whisky saufen, um sich hernach gegenseitig das Gehirn raus zu pusten.
Nein, hinter seiner gestelzten Fassade aus Rüschenhemd, schwarzer, speckiger Jeans, einem Gürtel mit dicker Schnalle, die den Blick vermutlich auf die Beule in seiner Hose lenken sollte, sah sie nur einen verängstigten Jungen, der sich nicht traute, einer freien Frau ohne Fesseln zu begegnen. Seine Wohnung spiegelte seinen schlechten Geschmack. Ziegeltapete, Ledersofa, ein liederlich wirkendes Andreaskreuz. Sie fühlte sich in einem Klischee gefangen.

Was zum Teufel hatte sie geritten? Wie ein Film spulten sich die vergangenen Jahre vor ihr ab, all die gescheiterten Beziehungen zu Männern, die ihr bald wie hypnotisierte Bassets hinterher dackelten, die Würde in Form von langen Ohren im Staub am Boden schleifend. Wie hatten sie die traurigen, treuen Hundeaugen immer genervt. Wenn doch einer so aufrecht geblieben wäre, wie er sich zu Beginn verkaufte.
Nein, alle hatten bald Gummi in den Knien, betört von ihrem Schneewittchenaussehen. Dem schimmernd schwarzen Haar, das sich wie ein Rinnsal über ihren zarten Marmorkörper ergoss, die blasse Haut so durchscheinend, dass man dahinter das Blut durch ein Geäst sich verzweigender Pfade fließen sah. Ihre zierliche Gestalt, die schmalen Hände, denen man höchstens zutraute, eine Harfe anzuschlagen.
All das täuschte die Männer. Sie waren verzaubert von ihrer Walt Disney Erscheinung. Und ahnten nicht, dass hinter ihrer Kulisse echte Kerle zotige Witze rissen, den Tresen mit einem gezielten Schlag mit dem Klavierhocker zu Kleinholz verarbeiteten und danach schneller zogen als das der eigener Schatten vermochte.
Alle behandelten sie wie ein Kleinod, verloren in ihren Märchenaugen den Blick für ihre eigenen Bedürfnisse.
Da keiner sein eigenes Spiegelbild liebt, und ewige Jasager ihre Würde verkaufen, sah sie sich irgendwann gezwungen, sie dahin zu schicken, wo der Pfeffer wächst, oder in die Wüste, die Entscheidung mochte sie ihnen nicht auch noch abnehmen.
Nach langer, erfolgloser Suche kam sie an einen virtuellen Ort, wo sie echte Männer wähnte, die sich nahmen, was sie wollten. Die ihr versprachen, die ewigen Entscheidungen, was gut für sie wäre, abzunehmen, oder wenigstens zu wissen, was sie selber wollten. Die nicht sofort einknickten, wenn sie den Wimpernkranz ein wenig flackern ließ.
So war sie zu ihm gekommen.
"Dein strenger Herr", nannte er sich dort. Sie machte mit einer Hand eine schnelle Bewegung zum Mund und versuchte, den Wettlauf zu gewinnen, der Mund war leider schneller, denn das Kichern war ihm schon entfleucht, bevor die Hand es hätte ersticken können.

"Was gibt es hier zu lachen?", versuchte er die Situation mit einer besonders strengen Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen.
"Nichts, schon gut." Nun war es an ihr, eine besonders spannende Szene, die sich an ihren Fußspitzen abzuspielen schien, zu beäugen.
"Nichts, HERR!" Ihm quollen ein bisschen die Augen aus den Höhlen und eine widerwärtige Speichelblase bildete sich an seinem Mundwinkel, die sich sachte schwimmend über die feuchte Unterlippe zur Mitte fortbewegte. Schnell schaute sie wieder zu ihren Füßen, um die Fassung nicht nochmal zu verlieren, sie hatte heute noch etwas vor, wenn sie ihn nun offen auslachte, kämen sie nie ans Ziel.
"Also, pass mal auf. Ich sage nicht Herr, ich knie nicht hin und ich mache nichts, was mir keinen Spaß macht. Aber ich will, dass du tust, was du willst. Nimm mich richtig hart.", forderte sie großzügig.
"Ok. Wäre es für Dich richtig, wenn ich Dir die Hände hinter den Rücken..." ihre Augenbrauen zogen sich bedrohlich zusammen, "nein?",
"Verdammt, tu was Du willst.", zischte sie ärgerlich.
Sie beobachtete seinen inneren Kampf. Scheinbar gewann er ihn nach einigen Augenblicken, denn nun konnte sie beobachten, wie er sich einen Ruck gab und den Raum zwischen ihnen mit einigen tatkräftigen Schritten überwand. Er griff ihr in die Haare und schloss die Hand zur Faust mit einigen Büschel ihrer Pracht zwischen den Fingern.
"Au! Du tust mir weh...", schnell ließ er die Strähnen fallen und schaute erschrocken.
"Das...", er räusperte sich, und fing eine Oktave tiefer noch mal an, "das gehört dazu."
"Ach so. Na gut. Äh, könntest Du anders anfangen?"
"Herrgott, so wird das nichts."

Sie ging fünf Schritte rückwärts. Jeden einzelnen bewusst bemessend. Dort stellte sie sich breitbeinig auf und suchte seine Augen. Diese fesselte sie mit ihrem Blick und begegnete ihnen auf Metaebene.
Schon hörte sie eine Mundharmonika schaurig das alte Lied spielen. Die Hauptstraße war wie leergefegt. Sie spürte, dass die Szene aus dem Saloon beobachtet wurde. Ihr Kontrahent stand nur ein paar Schritte weit von ihr entfernt. Geschmeidig schlug sie ihre Wildlederjacke nach hinten, um freien Zugang zu ihrer Smith & Wesson zu haben, die in ihrem Holster steckte. Lässig spielte sie mit dem Daumen am Griff. Ihr Antlitz war reglos, fast beiläufig zu beschreiben. Sie suchte den Widerstand in seinem Gesicht.
Leider gelang es ihm nicht, in dem Maße seine Züge zu kontrollieren. Er kniff etwas die Augen zusammen, seine Unterlippe zeigte deutlich seine Schwäche, durch ihren schlaff wirkenden Tonus.
Sie beobachtete Schweißperlen, die sich ihren Weg über seine Stirn bahnten, sich in der Augenbraue sammelten und dann in einem Rutsch in sein Auge liefen. Er zwinkerte.
Jetzt? Sollte sie das Spiel gleich beenden?
Nein, sie war nicht unsportlich und wartete bis er wieder klare Sicht hatte.

"Du bist erbärmlich. So wie alle vor Dir erbärmlich waren. Ich dachte, du könntest eine zarte Frau mit einem Arm über Deinen Sattel werfen, sie in irgendeinem Dickicht an den Baum binden und Täubchen nennen. Ihr Gezeter mit ein paar Backpfeifen unterbrechen, ihr den Rock über den Kopf ziehen und das alte Reinrausspiel erzwingen. Aber so kannst du dich in die Reihe derer stellen, die ebenfalls an mir gescheitert sind."
Sein weinerliches Gesicht verursachte ihr Übelkeit. Des Spiels überdrüssig zog sie in einer organisch anmutenden Bewegung von links nach rechts den Revolver aus seiner Halterung und ließ ihn seiner Bestimmung nachgehen.
Sein Ausdruck war voll unschuldigen Erstaunens. Er hatte noch nicht mal die Hand an der Waffe, als ihn der Schuss in die Brust traf. Er ließ sich nicht gleich fallen, nein, das musste sie anerkennen, er versuchte ein bisschen Würde zu bewahren. Dann begann er zu taumeln. Sie hörte seinen gurgelnden Atem und mutmaßte, dass soeben ein Lungenflügel voll Blut lief.
Schon rann ihm die grell rote Flüssigkeit über das Kinn. Er stürzte auf die Knie, hielt sich einen Moment, um dann in den Staub zu fallen.
Kurz beherrschte sie sich, gedanklich nicht auch noch in den Lauf zu pusten und die Waffe um ihren Zeigefinger kreisen zu lassen, das Bild wäre echt zu abgedroschen.
Packte ihre Handtasche und stöckelte aus seinem Leben.
Und fühlte sich einen kurzen, schalen Moment als Gewinnerin.

 
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Hallo Gretha,

wieder mal eine Geschichte voller Saft und Kraft, guter und treffender Wortwahl, den Ansätzen ist nichts fuer mich hinzuzufügen. Bescheidene Frage: würde es stören, ihr und ihm einen Namen zu verpassen? Vermutlich hast du deine Gründe dafür.

weil, naja, weil du müssen wollen solltest
Knackiger Witz in der Wortwahl, nicht übertrieben.

Das ganze Geschehen vor dem Hintergrund eines Wildwest-Films(?) ablaufen zu lassen, ist dir prächtig gelungen, ähnlich wie das Spiel des gereizt werdens in wunderbar einfühlsamer Weise gespielt und nie ins Vulgäre und Ordinäre abdriftet.

Was bei mir auf nicht allzu viel Verständnis stößt, ist der Schluss:

Packte ihre Handtasche und stöckelte aus seinem Leben

Vielleicht kann mich da mal noch jemand erleuchten.

Liebe Grüsse und weiterhin viel Kreativität
Jeanmarie Malte

 
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Hallo Gretha,

hast Du mal das Nibelungenlied gelesen? Da gibts ja die isländische Königin Brunhild, die nur einen Mann heiraten will, der sie zuvor im körperlichen Kräftemessen besiegt. Und die will jetzt aber König Gunther von Burgund heiraten - Guther ist allerdings ein Höfling, ein neumodischer, schwächlicher Mann, dessen Herrschaft gar nicht mehr auf seiner persönlichen Körperkraft beruht. Deshalb braucht er Siegfried, der noch ein heroischer Haudrauf alten Schlages ist (sieht man schon daran, wie er Kriemhild verdrischt), der im Tarnmantel alle Kraftproben für ihn besteht. Aber in der Hochzeitsnacht merkt Brunhild natürlich, dass Gunther kein Alphamännchen in ihrem Sinne ist, dass der gar nicht den Mumm hat, sie da im Bett nochmal niederzuringen, und knüpft ihn schmachvoll an ihrem Gürtel an der Wand auf. Und dann muss wieder Siegfried im Tarnmantel einspringen und Brunhild festhalten, damit sie glauben kann, dass Gunther sie gewaltsam begattet hat. Dann sind erstmal alle glücklich. Aber am Ende sind natürlich alle tot.
Du siehst, das Problem "die modernen Männer sind alle Waschlappen, keiner traut sich, mich zu vergewaltigen", ist nicht neu. Und ich stell mir das für die Einzelfrau auch unbefriedigend vor. Aber ob das jetzt rechtfertigt, den armen Typen, der ihr im Machtkampf unterliegt und sie also unbefriedigt lässt, direkt umzulegen? Ich weiß nicht. Aber gut, so mythentypisch hat der Verlierer so eines Kampfes sein Leben natürlich verwirkt. Aber nicht mal das Erschießen befriedigt sie. Da musste ich dann natürlich an die Stones denken.

Also diese Nibelungenassoziation kam mir sofort, wahrscheinlich weil ich mit der Problematik sonst nicht arg viel verbinde und dieser Cowboy-Ästhetik jetzt persönlich nicht so viel abgewinnen kann. Aber ich find den Text ehrlich gesagt auch sprachlich etwas kitschig. Zum Beispiel die Redebegleitsätze am Anfang sind etwas überkandidelt und dann diese Groschenromanbeschreibung ihrer zarten Schönheit. Ich weiß, Du hast das wahrscheinlich bewusst so verklärt, weil die sich ja da über den verklärt-romantischen Blick der un-richtigen Männer auf sie lustig macht, die gar nicht schnallen, wie knochenhart der scheinbare Engel ist. Aber schon dieser betonte Kontrast ist für mich son Kitschelement irgendwie. Weiß auch nicht. Wenn dann hätt ich lieber ne echte Fritz-Lang-Walküre gehabt. Egal. Ist halt einen Nischen-Text und ich bin nicht die Nische.
Ich will gar nicht sagen, dass das Thema uninteressant, oder nicht darstellungswürdig ist. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass der Text das selbst nicht so ernst nimmt. Und dann weiß ich halt auch nicht so recht, was ich damit anfangen soll. Das wird auch alles so platt und bautz und kurz abgehandelt. Und am Ende macht die Pointe es dann zu einem Witz.

lg,
fiz

P.S.:

Diese fesselte sie mit ihrem Blick und begegnete ihnen auf Metaebene.
:confused:

 
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Hallo Jeanmarie Malte, schön, dass Dir mein Text gefällt, dass freut mich.
Das Du den Schluss nicht verstanden hast, war meine Schuld. Das wurde mir durch Deine Zeilen klar. Ich habe vergessen zu erwähnen, dass sie sich bei ihm in der Wohnung befanden, die Wildwestkulisse war nur eine Metapher und später eine Metaebene. Er ist nicht wirklich erschossen worden.
Ich habe da was im Text eingefügt, ich hoffe dadurch wird das jetzt klarer.

Ich habe irgendwie immer ein gespaltenes Verhältnis zu Namen, da es hier nur um zwei Personen ging, konnte ich Namen generell umgehen.

Danke für Deine Zeit und liebe Grüße,
Gretha.


Hallo Fiz.
Ja, ich war Waldorfschülerin, da hat man das Nibelungenlied von vorne nach hinten und wieder zurück durch genommen. Auch in der BDSM Szene gilt sie als Archetypus der dominanten Frau und läuft einem sinnbildlich oft über den Weg.
Jetzt wo Du es eingeworfen hast, erinnert es mich auch daran. Beim Schreiben hab ich aber nicht daran gedacht.
Sonnst wäre meine Brunhild, kein Schneewittchen gewesen, sondern wirklich ein Walküre. Aber die Sehsucht besiegt zu werden eint sie natürlich.

Das was Du bemängelst, war mein persönlicher Fehler. Ich habe es weiter oben schon beschrieben. Sie waren nicht im wilden Westen, es gab kein Duell. Der zitierte Satz war der Übergang in die Metapher. Da ich vergessen habe zu schreiben, wo sie davor waren, darum blieb das unklar.

Vielen lieben Dank für Deine Zeit,
Gretha

 

Hallo Gretha,
bei der Lektüre deines Textes hatte ich das Gefühl, dass mich deine Sprache wie auf einer Wolke über eine Landschaft schweben lässt, die ich wegen meiner Kurzsichtigkeit nicht erkenne. Es war ein angenehmes Gefühl, ich fühlte mit Vergnügen die Distanz und Ironie zu dieser Ebene, nur blieb sie mir fremd.
Worum geht es?
Die Männer sind für diese Frau zu schwach. Warum will sie so starke Männer?

"Du bist erbärmlich. So wie alle vor Dir erbärmlich waren. Ich dachte, du könntest eine zarte Frau mit einem Arm über Deinen Sattel werfen, sie in irgendeinem Dickicht an den Baum binden und Täubchen nennen. Ihr Gezeter mit ein paar Backpfeifen unterbrechen, ihr den Rock über den Kopf ziehen und das alte Reinrausspiel erzwingen. Aber so kannst du dich in die Reihe derer stellen, die ebenfalls an mir gescheitert sind."
Oder ironisiert sie beide Männertypen: Macho und Schlappi?
Ich erinnere mich an Cowboyfilme, die ich vor Unzeiten gesehen habe, da war der „Mann“ doch immer der lonesome Cowboy wie am Schluss von „Spiel mir das Lied vom Tode“, in dem der Mann seinen Weg und der Frau aus dem Weg geht.
Dein Ich will diesen lonesome Cowboy stellen! Sie fordert ihn heraus. Geschlechterkampf? Who is afraid of Virginia Woolf?
Ich finde gerade deine Sprachwahl in der Vermischung von Kitsch und Ironie sehr gelungen, da sie mich zwingt, wenigstens Fragen nach der vernebelten Ebene zu stellen.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Hi Gretha!
Deine Geschichte hat mich wirklich "gefesselt". Du schreibst sehr routiniert und schön.
Handlung ist ja nicht viel da, aber mit den Wildwestmetaphern und der generell bildhafte Sprache habe ich sie sehr gerne gelesen.
cu, Irony

 
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Lieber Wilhelm,
danke, dass Du Dich auf die nebulöse Reise begeben hast, trotz Unschärfe.
Warum will sie starke Männer? Nun, da kann ich nur aus meiner Warte schreiben, mir ist es sehr bewusst, dass ihr Kerle heute Eier legende Wolfsmilchsäue sein müsst, um uns nach Auflösung der Rollenklischees glücklich zu machen.
Mich, da spreche ich bewusst nur von mir, machen softe "Frauenversteher" (sorry für das Klischeebild) wahnsinnig.
Ich mag starke Männer, die dazu in der Lage sind, ihren Willen auch mal gegen meinen durchzusetzen.
Ist aber ein Eigenschicksal.
Für mich funktionieren klassische Rollenverteilungen noch. Mit deren Auflösung komme ich vor allem sexuell nicht klar.
Wer nicht sehr aufrecht und stark bleibt, kommt mit mir in ein Duell, kann er da nicht bestehen, wird er sexuell nicht mehr begeht.

Die Protagonistin hatte das Pech, durch ihre übersteigerten Liebreiz nie an einen Mann zu geraten, der ihr zeigt, "wo Barthel den Most holt".

Mich freut es sehr, dass es Dir trotzdem ein bisschen Spaß gemacht hat.
Liebe Grüße und danke für Deine Zeit,
Gretha

Hallo Tashmetum,
ja, so etwas ähnliches hast Du schon mal geschrieben, stimmt.
Dein Rat, wie ich das Gekünstelte raus bekommen könnte, ist an sich gut, nur leider klappt er bei mir nicht.
Weil, genau das hab ich getan. Nachdem ich hier sehr viel gelernt habe, meine Ansprüche an mich selber dadurch viel höher wurden, konnte einige Tage überhaupt nichts mehr schreiben.
Jede Idee kam mir zu hanebüchen vor.
Da mich der Vorgang des Schreibens aber total glücklich macht, habe ich mich einfach spontan hingesetzt und habe die ersten Worte "Du musst", getippt, ohne eine leiseste Ahnung zu haben, was ich schreiben will, wer mitspielt, auf was ich hinaus will.
Alle Ideen, die Personen, das Gerüst, die Metaphern entstanden beim Schreiben.

Deshalb muss ich leider einräumen, dass genau die Art zu schreiben für mich die natürliche zu sein scheint.
Mir ist auch eingefallen, warum das so sein könnte. Ich kenne das vom Malen, ich bekomme die Waldorfschule mich mehr aus meinen Bildern, dass ist zum verrückt werden.

So ist das glaube ich beim Schreiben auch, selbst wenn ich über Scheiße schreiben würde, würde ich das noch hübsch und nett anhören.

Ich muss den verdammten Aquarellpinsel aus dem Text bekommen.
Danke fürs bewusst machen!
Und für Deine Zeit, liebe Grüße,
Gretha

 

Was die Frolleins heutzutage so alles lesen – und schreiben, erstaunt mich einigermaßen,

liebe Gretha – [greta] oder doch eher [greÞa]? –
und mit diesem kleinen Scherz ein herzliches Willkommen hierorts!

Ja, fiz hat schon ausgeschrieben, was ich denke, und es ist durchaus reizvoll, nordische Mythen mit den amerikanischen des Wild, Wild West zu vergleichen. Brunichildis (+ 613) gibt’s tatsächlich in der fränkischen Geschichte, wenn sie auch nix von der Walküre hat, deren Mythos im Hausmärchen des Dornröschen verniedlicht wird: B. war Terwingerabkömmling (und stammte aus dem Westgotenreich), heiratete den ersten Sigibert (+ 575, ermordet, nicht zu verwechseln mit dem hinkenden Sigibert von Köln, auch ermordet - vom eigenen Söhnchen), Enkel des ersten und berüchtigsten Chlodwig (+ 511, da steckt unser Ludwig drin), einem Schwager Theoderich des Großen (+ 526), dem Dietrich von Bern der nordischen wie der teutschen Sage - und König von Austrasien. Diese Brunhilde wurde übrigens auf Veranlassung zweier Vorfahren des großen Karl gevierteilt – vermutlich in Worms. Lauter nette Leute und schöne und heldenhafte Zeiten waren das – wie ja auch Wyatt Earp (+ 1929) keineswegs der faire Revolverheld war, den uns Hollywood gelegentlich vorgaukelt. Auf jeden Fall ging es in Europa im 4. bis 7. Jh. zu wie im Wilden Westen, nur das die Herrschaften nicht wie die indogene Bevölkerung Amerikas gerade aus der Steinzeit kam und auch keine Schusswaffen außer dem Bogen bekannt waren … Überhaupt scheint Dich die Filmgeschichte nicht nur vom Italowestern (spiel mir das Lied vom Tod und die Mundharmonika) bis hin zu Kubricks Clockwork Orange im

Reinrausspiel
beeinflusst zu haben. Es gefällt mir, was mich hemmungslosen Burschen nicht von einigen Anmerkungen abhalten kann
"Weil, na ja, weil Du müssen wollen solltest... ",

Und hier geht’s schon los
Die Waffen einer Frau.
Überschriften i. d. R. ohne abschließendem Satzzeichen
Die einleitende wörtliche Rede klingt sehr nach Imperativ und schreit förmlich nach dem „!“, also besser
"Du musst[!]", sagte er mit einer Endgültigkeit, …

Hier wäre m. E. der Relativsatz, der seine Meinung/sein Vorurteil darstellt,
…, fragte sie mit einer Aufrichtigkeit, die ihr in seinen Augen nicht zustand
besser im Konjunktiv „zustehe“, vielleicht sogar noch besser „zustände“ (was noch ein Seitenhieb auf seine kleine Welt abgäbe).

…, sie hörte erste Risse in seinem Selbstverständnis entstehen.
Da muss sein Selbstverständnis also knirschen, rumpeln und/oder pumpeln. Besser vielleicht:
…, sie [vermeinte,] erste Risse in seinem Selbstverständnis [zu bemerken].
Ist immer schwierig, die eigene in die andern Sprache deckungsgleich über-zu-setzen. (Jetzt kommt was, was Dir sicherlich erst mal schmeichelt, aber vorsicht: Wenn Dich – genauer: Deine Sprache, und wirke es noch so befremdlich - ein anderer parodiert, bistu aus’m Gröbsten raus …,
wenn er Dich nicht veralbern will)

Fast begann ihr, das Spiel ein bisschen Spaß zu machen. Er war so hinfällig wie eine eindimensionale Wildwestkulisse, hinter der sich vielleicht noch etwas Gestrüpp befand, aber kein Saloon, keine starken Kerle, die noch stärkeren Whisky saufen, um sich hernach gegenseitig das Gehirn raus zu pusten.
Das schreit nach Konjunktiv! Das ist ja nahe dran bei Kafkas Wunsch, Indianer zu werden – nur eben von der blassen, palefacigen Seite her. Ich versuch’s mal mit minimalstem Möbelrücken (immer unter der Prämisse, dass es Dein Text bleibt!):
Fast begann […] das Spiel [ihr] ein bisschen Spaß zu machen. Er war so hinfällig wie eine eindimensionale Wildwestkulisse, hinter der sich vielleicht noch etwas Gestrüpp bef[ände], aber kein Saloon, keine starken Kerle, die noch stärkeren Whisky [söffen], um sich hernach gegenseitig das Gehirn raus zu pusten.

Warum nicht auch noch die Popgeschichte reinholen: Lennon schrieb Märchen als blutjunger Rock ’n’ Roller, lange vor seinen friedensbewegten Zeiten. In His Own Write („In seiner eigenen Schreibe“) verballhornte er nicht nur das Personal. Da wäre also geradezu – ohne dass ich die Variante aufdrängen will, statt
…, betört von ihrem Schneewittchenaussehen
etwa „Schneeflittchen (und die siechen Zwerge)“

…, um die Fassung nicht nochmal zu verlieren, …
Noch mal immer auseinander (umgangssprachliche Verkürzung von „noch [ein]mal“, dagegen „nochmals“ immer zusammen, was ja ginge …

Meinstu hier wirklich beide (also dass beide ein Ziel hätten?)

…, wenn sie ihn nun offen auslachte, kämen sie nie ans Ziel
Oder doch nur „sie“? Dann käme sie nämlich nur allein ans Ziel …

Hier ist am Ende der wörtl. Rede der Punkt entbehrlich (Ironie der Geschichte: Darum setz ich gleich drei geklammerte (Auslassungs)Punkte dahin …

Nimm mich richtig hart[…]", forderte sie großzügig.
OK, O. K., okay oder – wie ich’s das erste Mal bei den kleinen Strolchen gehört hab „okey-dokey“ ("gebongt" würd ichs übersetzen).

Die drei Punkte symbolisieren, dass was ausgelassen wird. Sind sie direkt an den letzten Buchstaben des vorhergehenden Wortes, soll dort was ausgelassen sein (wenigstens ein Buchstabe), was hier schwerlich der Fall ist. Ist zwischen dem vorhergehenden Wort und den Auslassungspunkten eine Leerstelle, ist was ausgelassen oder als besonders offen gekennzeichnet:

…, wenn ich Dir die Hände hinter den Rücken..."
ebenso hier
Du tust mir weh...", …
und dto.
"Das...", er räusperte sich,

…“, ihre Augenbrauen zogen sich bedrohlich zusammen, "nein?",
"Verdammt, tu was Du willst.", zischte sie ärgerlich.
Verdammt, und ohne Punkt am Ende des Aussagesatzes, weil der durch das Komma hinter den Gänsefüßchen ersetzt wird

Plural!

… mit einigen Büschel[n] …

Die Verachtung sieht man hier an der Veränderung der persönlichen Anrede (Pronomen):
"Du bist erbärmlich. So wie alle vor Dir erbärmlich waren. Ich dachte, du könntest … Aber so kannst du dich in die Reihe derer stellen, die ebenfalls an mir gescheitert sind."

So viel oder wenig für heute vom

Friedel

 
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Lieber Friedrichard,
vielen lieben Dank für Deine ausführliche Kritik, ich fühle mich sehr geehrt.
Ich nehme mal Stellung, so Punkt für Punkt und beginne mit der Gretha mit "th". Warum ich das so schreibe hat natürlich einen tieferen Grund.
Ich war wenige Tage vor meinem Eintritt hier bei den Wortkriegern im Haus Ernst Jüngers in Wilflingen. Dort habe ich mich sehr mit der Zurücknahme und Hinfälligkeit seiner Frau Gretha Jünger solidarisiert, neben der Großartigkeit ihres Gatten. Daher kommt das "th" im Namen, denn Frau Jünger schrieb sich eben so.

Zu Brunhild habe ich mich ja schon weiter oben geäußert, ich will mich jetzt nicht mit fremden Federn schmücken, einen tieferen Sinn vortäuschen, wo es keinen gab. Ich habe in meiner Geschichte keine Sekunde an den Archetypus gedacht. Es ist einfach so passiert.

Oh je, Du hast mich entlarvt. Ja, es stimmt. Sowohl "Spiel mir das Lied vom Tod, wie auch Clockwork Orange haben mich in frühen Jahren sehr inspiriert, beide Filme, mit ihrer sinnlosen Gewalt, haben mich sehr beeindruckt und früh ahnen lassen, dass ich nicht ganz normal ticken kann.
Die Mundharmonika hatte ich eigentlich fast schon vergessen, als mich die Geschichte versehentlich in den wilden Westen führte, habe ich mir aber einige Szene aus Spagetti-Western zur Thematik "Duell" angeschaut, um die Szene nicht zu vermasseln durch Unwissenheit.
Und da kam ich auch wieder zum fast vergessenen Film und der schaurigen Melodie.
Das "alte Reinrausspiel", stammt natürlich von Kubrick und der legendären Vergewaltigung.

Zum Thema Grammatik. Wir sind keine Freunde. Da ich mir die deutsche Sprache jetzt aber gerne Untertan machen will, gehe ich im Moment wieder zur Schule. Ich bin grammatikalisch gerade bei "Schulbuch 6 Klasse".
Hab also ein bisschen Geduld mit mir, leider war ich in meiner Schulzeit zur relevanten Zeit sehr mit meiner Frisur beschäftigt, ich hole es aber nach, geht nur nicht so schnell, wie ich mir das wünsche.
Aber vielen Dank für das Aufzeigen meiner Fehler, um das nicht nur zu verbessern, sondern um auch zu verstehen warum, brauche ich noch ein paar Tage.

Ich finde es toll hier, selten so viel gelernt, vielen Dank, Friedel.

 

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