Was ist neu

Die falsche Stadt

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23.07.2014
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Die falsche Stadt

Die Bäume verwischen zu einem grünem Strich. Mein Blick brennt sich starr durch die Scheibe, versucht einzelne Bäume zu fixieren. Keine Chance, der Zug ist zu schnell. Meine Hände zittern und halten verkrampft ein Buch. Eine Träne rollt unter der Sonnenbrille hervor und tropft auf Seite 93. Meine Gedanken rasen, drehen sich um alles und um nichts. Ich müsste mich auf das Vorstellungsgespräch konzentrieren, zu dem ich auf dem Weg bin, doch es gelingt mir nicht.
Mich vorbereiten, Antworten auf Fragen formulieren, wie: “Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?” oder “Warum sind Sie der Beste für den Job?”
Ich bin nicht der Beste und werde ich niemals sein. Ich habe einen guten Job, doch er ist nicht meine Berufung. Soweit bin ich schon. Was meine Berufung ist? Ich weiß es nicht. Doch ich weiß es. Zu einem Teil. Ich sitze im falschen Zug auf dem Weg in die falsche Stadt. Ich könnte am Bahnhof fragen, wann der nächste Zug in die richtige Stadt geht. Es einfach tun. Nachgeben, meiner Intuition, meinem Gefühl, meinem Herz folgen, das Gespräch sausen lassen. Doch ich werde es nicht tun, ich habe Angst. Vor ihrer Reaktion, wenn ich ihr schreibe, “Du, ich bin hier am Bahnhof, hast du kurz Zeit?” Sollte sie kommen, ich würde nichts sagen, einfach ihr Gesicht in meine Hände nehmen und sie küssen. Es versuchen. Zumindest. Wie würde sie reagieren? Würde sie mir ausweichen? Es geschehen lassen? Ihn erwidern?

Die Liebe ist immer neu.
Gleichgültig, ob wir einmal, zweimal oder zehnmal im Leben lieben – jedesmal sehen wir uns vor Situationen gestellt, die wir nicht kennen. Die Liebe kann uns in die Hölle führen oder ins Paradies, doch sie führt uns immer irgendwohin. Man muss sie annehmen, weil sie die Nahrung unseres Lebens ist. Verweigern wir uns, so sterben wir des Hungers, während wir auf die von Füchten schweren Äste des Lebensbaumes blicken, jedoch den Mut nicht aufbringen, diese Früchte zu pflücken. Man muss die Liebe suchen, wo auch immer sie sich befindet, selbst wenn dies bedeutet dass wir Stunden, Tage, Wochen voller Enttäuschung und Traurigkeit durchleben müssen.
Denn in den Augenblick, wo wir uns auf die Suche nach der Liebe machen, macht sie sich auf, uns zu finden.
Und rettet uns.

(aus: Paulo Coelho - Am Ufer des Rio Piedra saß ich und weinte)​

Diese Zeilen haben das Gedankenkarussel in Schwung gebracht. Jetzt dreht es sich um sie. Ich würde auf den neuen Job verzichten, wenn ich nur wüßte, dass wir eine Zukunft haben. Sollte ich ihn denn bekommen. Doch eigentlich ist mir der Job egal. Ich bin falschen Zug. Die falsche Stadt. Das falsche Ziel.
Sie wohnt eigentlich in meiner Stadt, nicht einmal sonderlich weit weg von meiner Wohnung. Doch dieses Wochenende ist sie Freunde besuchen.
Wir haben in den letzten Wochen viel Zeit verbracht. Wir waren auf einem Konzert, waren Billard spielen, haben Fernsehen geschaut, sind zusammen essen gegangen und waren baden (sie hat im Bikini eine tolle Figur. Bestimmt auch ohne Bikini). Wir lagen im Park und haben gelesen. Wir haben das Finale der Fußball Weltmeisterschaft zusammen gesehen. Sind uns jubelnd um den Hals gefallen. Am letzten Abend habe ich ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn gegeben. Kein Kommentar, kein Wort wie sie das aufgefasst hat.
Meine Aufregung vor dem Vorstellungsgespräch legt sich. Mir ist nicht mehr schlecht vor Aufregung. Ich habe dort nichts zu gewinnen oder zu verlieren.
Bei ihr hingegen alles.
Die Bäume sind Feldern gewichen. Bis zum Horizont nichts als Getreidefelder. Fast geräuschlos gleitet der Zug dahin. Meine Hände zittern nicht mehr, nur die Tränen fließen jetzt ungehemmt.
Ich muss kurz innerlich auflachen, als mir ein Gedanke durchs Hirn schießt was für seltsame Wege das Leben und somit die Liebe nimmt. Leben ist lieben. Liebe ich sie? Nein, noch nicht. Ich bin dabei mich in sie zu verlieben, dass spüre ich. Eine zarte Pflanze streckt vorsichtig ihr erstes grünes Blatt durch die verbrannte Erde in mir. Ich habe schon für manch andere Frau gebrannt, lichterloh und gleißend hell. Bis die Flammen die andere, mich und all die Hoffnungen, Wünsche und Träume vernichtet hat. Auch sie hat für andere Männer gebrannt, mit ähnlichen Ende. Sie hat mir ihre Geschichte erzählt und ich ihr meine. Wir sind beide vorsichtiger geworden. Vielleicht zu vorsichtig.
In ihrer Gegenwart stelle ich mir Dinge vor, Dinge die weit in einer ungewissen Zukunft liegen. Neben ihr einschlafen, zusammen aufwachen und im Garten spielen die Kinder mit den Hunden. Wenn ich in ihre Augen schaue, sehe ich diese Bilder. Doch das kann ich ihr nicht sagen, zu viel Druck, zu viel Erwartung würde ich ihr aufwälzen. Es gehört sich nicht. Lächerlich. Ich schimpfe mich einen Narren.
Wir (Blödsinn, es gibt kein “wir”, es gibt nur sie und mich) sind an einem Punkt, an dem es sich noch entscheidet auf welche Seite der Beziehungswürfel der Zwischenmenschlickeiten fällt. Bis jetzt ist es freundschaftlich, ist es schon zu freundschaftlich? Doch noch ist die beginnende Freundschaft zu fragil um nicht an einer Kleinigkeit zu zerbrechen. Dann hätte ich sie verloren. Wieder Blödsinn, sie hat mir ja noch nie gehört. Menschen kann man eh nicht besitzen. Dann würden wir nicht mehr einen gemeinsamen Weg gehen. Ja, das klingt besser. Nichtsdestotrotz macht mich dieser Gedanke traurig.
Warum sie? Warum jetzt, wenn ich dabei bin mir einen neuen Job zu suchen? Erst passiert wochen-, monatelang gar nichts und dann alles auf einmal.
In ein paar Monaten ist sie mit ihrer Doktorarbeit fertig und bewirbt sich dann weltweit. Wenn ich noch so lange in meinem alten Job bleibe und dann mit ihr mitgehe? Zusammen. Die Welt ist groß und es gibt noch viel zu sehen. Ein schöner Gedanke, verstohlen wische ich die Tränen unter der Brille weg.
Wenn sie mich ansieht, fühle ich mich nackt und habe das Gefühl sie blickt bis in den Abgrund meiner Seele hinab. Was sieht sie in solchen Momenten? Die Hölle in mir? Das Paradies? Man sagt, Gott hätte die Hölle mitten im Paradies versteckt. Was ist, wenn ihre Dämonen aus der Vergangenheit sich in meiner Hölle wohl fühlen? Sie bringt eine Saite in mir zum klingen, die ich längst gerissen glaubte.
Dann wird ein Job unwichtiger. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass es jeden Tag einen Moment gibt, in dem man sein komplettes Leben ändern kann, wenn man diesen Moment erkennt und entsprechend handelt. Anders handelt, als es erwartet wird. Hier, jetzt in diesem Zug, nehme ich diesen Moment ganz bewußt wahr. Doch ich werde so handeln, wie es von mir erwartet wird. In der Hoffnung ein ähnlicher Moment wird wiederkommen.
Die ersten Häuser der Vororte ziehen draußen vorbei, der Zug erreicht in wenigen Minuten sein Ziel. Gleich bin ich da.
Gleich bin ich in der falschen Stadt.

 

Hi camino!

Die Geschichte war leider nicht so ganz mein Fall. Der Anfang ist vielversprechend, mit den Gedanken über den falschen Beruf in der falschen Stadt. Aber schnell gleitet das in weinerliche, verkitschte und ziemlich (vor)pubertäre Gedanken ab, und weicht dann nicht mehr davon ab.

Wir haben in den letzten Wochen viel Zeit verbracht. Wir waren auf einem Konzert, waren Billard spielen, haben Fernsehen geschaut, sind zusammen essen gegangen und waren baden (sie hat im Bikini eine tolle Figur. Bestimmt auch ohne Bikini). Wir lagen im Park und haben gelesen. Wir haben das Finale der Fußball Weltmeisterschaft zusammen gesehen. Sind uns jubelnd um den Hals gefallen. Am letzten Abend habe ich ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn gegeben
Küsschen auf die Stirn, das ist alles? Nach mehreren Wochen? Diese Entschleunigung schreit ja geradezu nach der Hektik des modernen Lebens :lol:
Immerhin scheinen die beiden schon über 20 zu sein, meist lässt man sich da ja nicht mehr ganz so viel Zeit. Und dann denkt er schon an Kinder, obwohl er noch nicht mal verliebt ist? Und zwischendurch kommen plötzlich die Tränen.
Klingt alles nach einem verwirrten, sehr verkopften und relativ unreifen Charakter, aber vielleicht war das ja deine Absicht.

Kleinzeug:

während wir auf die von Füchten schweren Äste
Früchten

Jetzt dreht es sich um sie. Ich würde auf den neuen Job verzichten, wenn ich nur wüßte, dass wir eine Zukunft haben. Sollte ich ihn denn bekommen.
Diese drei Sätze sind in dieser Kombination sehr verwirrend. Solltest du irgendwie umstellen, umformulieren...

cu, Irony

 

Vielen Dank Tashmetum und Irony für eure Kritik und Meinungen.
Den konstruktiven Teil davon werde ich überdenken und einarbeiten. Denke auch nicht, dass es bei einer einmaligen Geschichte hier bleiben wird. Hab mich ja gerade erst angemeldet. :)

Bye, Camino

 

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