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Blindness

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23.07.2014
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Blindness

Sehend

Bin ich der Einzige, der sie ansehen kann? Als sie sich aus ihren Gräbern erhoben, den Bergen und Meeren, als die Landschaft sich unter dem Beben ihrer Schritte hin- und herwarf, war die Luft erfüllt von den brechenden Schreien derer, die ihre Augen auf die massiven Gestalten warfen. Nun, einige Monate später, findet man die traurigen Hüllen jener Gepeinigten höchstens tot am Rand verwahrloster Straßen. Nicht, dass zwischen lebenden und verwesenden Exemplaren ein großer Unterschied bestehen würde. Alle, die ich gesehen habe, waren gleich: innerlich tot, formatiert, ein Stück Fleisch, das in absurden Zungen vor sich hin flüstert. Schwarze Augäpfel. Habe ich dieselben?
Das letzte Mal, dass ich einen Spiegel gesehen habe, scheint Jahrhunderte zurückzuliegen. Meine eigenen Züge verblassen in meinem Gedächtnis….Doch ich habe andere Probleme. Unter einer sengenden Sonne wandle ich durch eine leere Welt. Ihre Präsenz hat das Land verändert; Ich sehe Wüsten wenige Meilen von tropischen Wäldern entfernt, riesige Seen, wo früher Großstädte standen.
Hin und wieder treffe ich Überlebende, Menschen die sich selbst auf die eine oder andere Weise das Augenlicht nehmen, die sich zu schützen suchen vor dem vernichtenden Moment, in dem sie ihren Blick auf einen Giganten werfen. Ich brauche derlei Vorkehrungen nicht. Manche ziehen nach ihrer Begegnung mit mir weiter. In diesem Land kämpft jeder für sich.
Manchmal höre ich von den Blinden Gerüchte. Meist sind es Versionen der immer gleichen Geschichten: Die Japaner haben einen erwischt, das Militär hat sich reformiert, eine Stadt in der Ferne steht noch und ist Zuflucht. Habe alles gehört, glaube nichts davon.
Die Nächte machen uns ziellos Umherirrenden alle gleich. Weit in der Ferne stets ein oder zwei stapfende Berge, mit ihrem Grollen, das Kontinente überspannt. Am Tag kann ich sie sehen. Ich glaube ich kann sie sehen. Doch ob mein Verstand mir tatsächlich wiederspiegelt, was meine Augen wahrnehmen, weiß ich nicht. Sie sehen alle anders aus, bisher habe ich sechs gesehen. Sie wirken….verschwommen. Unklar. Manche haben zwei Beine, andere vier, wieder andere schweben. Selten kann ich mehr ausmachen als ihre unteren... Körper. Wenn es Wolken gibt, so verdecken diese in großer Höhe den Rest ihrer Ausmaße. Gibt es keine Wolken, ist es nicht einfacher. Je weiter sie entfernt sind von meinen Augen, desto mehr verschwimmt ihre Struktur. Das Wenige, was ich glaube gesehen zu haben, gibt mir keine Aufschlüsse. Zwei hatten Beine wie Felslawinen, krachende Brocken aller und mehr Farben, in ständiger Bewegung und Umlagerung. Einer war eine purpurrote Masse aus Gasen und Nebeln, ineinander verschlungenen Phasen, die wabernd entgegen der Windrichtung durch die Lüfte zogen. Die Anderen….aus welchen unmöglichen Elementen sie bestanden und bestehen vermag ich mir nicht auszumalen.
Ich habe Angst. Angst, dass ich in Wirklichkeit nicht mehr bin als eine der Hüllen, die vor sich hin reden, ohne Erinnerung, ohne Selbst.
Vor einigen Tagen habe ich meinen Letzten gesehen. Ein Mann, vielleicht 40. Den Kopf in den Nacken gelegt, mit offenem Mund und mit aufgerissenen Augen in den Himmel starrend. An der Hand gezogen von einer Frau, vielleicht seiner Frau. Ihr Gesicht verriet ihre Entschlossenheit, doch die schwarze Binde über ihren Augen konnte nicht verbergen, dass sie geweint hatte, wie alle. Ein Kind ging vorneweg. Als ich seine ungeschützten Augen sah wurde mir klar, dass ich noch nie ein schwarzäugiges Kind gesehen hatte. Es gab seinen älteren Begleitern Anweisungen, führte sie einen Weg entlang, den Weg, den es für richtig hielt.
Sie hatten dem Mann einen Rucksack umgebunden. Letztendlich war dieses Detail das Ausschlaggebende. Nachdem ich das Kind ruhiggestellt hatte, geriet die Frau in Panik. Sie schrie und wollte ihre Augen befreien, doch bevor sie die Binde abreißen konnte, hatte sie das mit Chloroform getränkte Tuch auf dem Gesicht. Ein Geschenk an sie. Medizinische Vorräte waren rar, doch ich hatte Glück. Vor kurzem hatte ich einer kleinen Karawane einen Arzneikasten entwenden können. Ich nahm dem Mann den Rucksack ab. Er wehrte sich nicht, auch nicht als ich ihr nutzloses Gepäck nach kurzer Durchsuchung in den Staub warf. Das Kind lag immer noch dort, wo ich ihm die Luft abgedrückt hatte. Es könnte noch leben. Ich sehe nicht nach.

 
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Duden schrieb:
Komma, das - Gliederungszeichen in Form eines kleinen geschwungenen Strichs. Innerhalb eines Ganzsatzes grenzt es bestimmte Wörter, Wortgruppen oder Teilsätze voneinander oder vom übrigen Text des Satzes ab.

Servus srin, willkommen hier.
Du hast hier eine verstörende, beklemmende Geschichte, dieses typische Endzeitszenario halt, hat man vielleicht schon zu oft davon gelesen oder Filme gesehen, aber du schilderst das wirklich wortgewaltig, dir gelingen stellenweise echt tolle Sprachbilder. Und das macht richtig neugierig auf weitere Texte von dir.

Aber (ganz großes Aber): Dein Umgang mit der Kommasetzung ist dermaßen ignorant, dass er schon an Leserverachtung grenzt. Nein, so geht das echt nicht. Diese verdammten Kommas wurden ja nicht erfunden, damit Deutschlehrer ihre Schüler sekkieren können, die haben ja eine ungemein wichtige Funktion. Die sollen es ermöglichen, den Rhythmus und die Melodie der gesprochenen Sprache im Geschriebenen darzustellen. Lies dir deinen Text doch einmal laut vor, da muss dir doch einiges auffallen. Und falls nicht, bitte eine Person deines Vertrauens, dir bei der Kommasetzung zu helfen.
Dein Text hätte es nämlich verdient.

offshore

PS
Und denk noch mal drüber nach, ob eine deutschsprachige Geschichte wirklich einen englischen Titel braucht.
Der wirkt für mich nämlich nicht cool, sondern vielmehr affektiert.

 

Hallo srin,

ich finde, da sind Grundlagen für eine Geschichte, die natürlich schon oft erzählt wurde (erinnert mich an Krieg der Welten), aber warum nicht. Du hast Setting, Rahmen, weißt, wo das spielt und das etwas passiert ist (Aliens?, die irgendeiner Motivation folgen), was tiefe Einschnitte hinterlassen hat. Und du kannst Spannung aufbauen, Bilder erzeugen - mit deiner Sprache -, dass hat dir offshore ja geschrieben. Jetzt fängt die Arbeit aber eigentlich erst an, zumindest, wenn du nicht nur ein Stimmungsbild, sondern eine Geschichte erzählen möchtest. Du hast bereits einen Protagonisten und eine Begegnung mit der "Kleinfamilie" (weiteren Figuren), erzähle doch die Geschichte vor deinem düsteren Hintergrund aus - lass sie interagieren und schläfere sie nicht einfach mit Chloroform - u. o. Gewalt - ein, und lass das so enden.

Was mir sonst noch auffällt:

... innerlich tot, formatiert, ein Stück Fleisch, das in absurden Zungen vor sich hin flüstert.

Innerlich tot, meinst du damit: nicht mehr menschlich? Sie plappern ja noch vor sich hin, dann das formatiert (Duden: (einen Datenträger) für die Aufnahme von Daten vorbereiten)? Irgendwie ist das noch zu unpräzise und ließe sich doch weiter erläutern, gerade hinsichtlich der Definition, finde ich.

Meine eigenen Züge verblassen in meinem Gedächtnis[ ]…[kein Punkt mehr]

Wenn du die ... einsetzen möchtest, um Ungesagtes zu ersetzen, darf kein zusätzlicher Schlusspunkt mehr hin. Zudem musst du - in deinem Fall - einen Leerschlag nach Gedächtnis einfügen. Anders verhält es sich, wenn du Buchstaben ersetzen möcht...

Unter einer sengenden Sonne wandle ich durch eine leere Welt. Ihre Präsenz hat das Land verändert; [i]ch sehe Wüsten wenige Meilen von tropischen Wäldern entfernt, riesige Seen, wo früher Großstädte standen.

Hier stimmt der Bezug nicht; das Ihre bezieht sich doch nicht auf die leere Welt - man liest das aber so.
Nach Semikolon: klein weiter.

Hin und wieder treffe ich Überlebende, Menschen[Komma] die sich selbst auf die eine oder andere Weise das Augenlicht nehmen, die sich zu schützen suchen vor dem vernichtenden Moment, in dem sie ihren Blick auf einen Giganten werfen.

So richtig rund und geschmeidig finde ich den Satz nicht.
Sind noch ein/zwei Kommafehler im Text.

Weiter dringe ich jetzt nicht vor.
Insgesamt, ich wiederhole mich, sehe ich Potential für eine Geschichte. Du müsstest sie aber noch erzählen. MMn solltest du präziser werden, auf Bezüge achten, jeden Satz immer wieder durchkauen, bis du der Meinung bist, der passt so, bis du glaubst, deine Leser verstehen, was du ihnen sagen möchtest, sehen, was du siehst.

Natürlich ist das nur eine Meinung, die ich hier von mir gebe. Vielleicht hilft dir das ja.

Danke fürs Hochladen

hell

 

Hallo Srin,

ist der Titel der Geschichte "Blindness" oder "Sehend"?

Falls ersteres, warum ein englischer Titel für eine deutschsprachige Geschichte?

Zur Geschichte selbst: Etwas passiert mit den Augen, und etwas passiert mit den Leuten. Das ist alles. Die Handlung ist nur ein Fetzen, es gibt keinen Spannungsbogen, der Schluss ist offen, was grundsätzlich in Ordnung ist, aber vollendet die Geschichte nicht. Die gewaltigen Worte verpuffen, weil mir als Leser die oberflächlich eingeführten Figuren egal sind. Das Drama muss einen Gipfel erklettern, es kann nicht wie ein gewaltiger Wortfels die ganze Zeit obendrauf liegen. Dann wackelt er und weiß am Ende nicht, in welche Richtung er stürzen soll.

Sprachliche Begabung hast Du. Jetzt schreib eine neue Geschichte über Ereignisse, die nie zuvor geschehen oder beschrieben worden sind.

Uwe
:cool:

 

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