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Ein Portrait in weiß
Er saß still. Sein Blick durchwanderte den Raum ziellos. Verharrte an diversen Stellen, registrierte nichts und wanderte weiter. Seine Fähigkeit, Dinge als unwichtig abzustempeln, war jahrelang trainiert und auf eine beunruhigende Weise perfektioniert. Er kam, sah und ging weiter.
Es regnete. Die Welt ging langsam unter, während er am Fenster saß und dem Untergang still folgte. Das die Wassermassen am nächsten Tag schon verschwunden sein könnten war logisch. Doch ihn erheiterte der Gedanke an eine riesige, menschenverschlingende, regenerschaffene Flutwelle deutlich. Die Erde säubert sich selbst. Etwas unfair, da es sicher noch gute Menschen gab, jedoch gerecht.
Die Straßen waren menschenleer. Vereinzelt sah man kurze Schatten an den Fensterläden und spürte wie sie die Szenerie argwöhnisch betrachteten. Oder beobachteten sie sogar ihn? Kurz übermannte ihn der Gedanke, dass man ihn überwachte. Ihn, den Menschen ohne Geheimnisse. Das menschlichste Wesen, das es gab. Der Gedanke machte ihn stolz. So stolz, dass er ihn in sekundenschnelle vergaß.
Sonst gab es nichts auf den Straßen. Tristesse. Farblose Tropfen, welche das Grau der Stadt verzerrten und zu einem atemberaubenden grau-schwarz veränderten. „So muss sich ein Künstler fühlen“, dachte er und strengte sich an dieses Bild fest in seinen Gedanken zu speichern.
In dieser Fülle an Kunst, war er der Überraschungsgast.
Sein Handy klingelte. „Jane“. „Annehmen“. „Ablehnen“. Gedanklich kreierte er sein Soziogramm und spielte die vereinzelten Variablen mit ein. Annehmen, oder Ablehnen.
Auf der anderen Seite war Jane. Tränen zierten ihr Gesicht, tropften langsamer als der kalte Regen auf den Boden. „Einsamkeit“, dachte sie. „Einsamkeit ist das Übel der heutigen Zeit“. Als sie geistesgegenwärtig eine Nummer in ihr Handy tippte, roch sie den Regen. Eine Mischung aus frischem Gras, einer Brise Elektrosmog und dem erfrischendem Ende des Tages. Ein Gedanke keimte, verblühte jedoch beim Öffnen der Augen.
Er ist versunken in Gedanken und porträtiert sich mit Skizzen in weiß. Denkt nach und zerdenkt die Welt. Im Stillstand seines Lebens tobt der Drang nach Erfahrungen. Er erschafft und zerstört. Er. Ist. Nicht.