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Schrecksekunde

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26.07.2014
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Schrecksekunde

Manfred Baumann, 42 Jahre alt, Vater von zwei Kindern, saß regungslos hinter dem Steuer seines Mittelklassewagens. Für einen Augenblick schien es, als wäre der Film, den wir das Leben nennen, auf Zeitlupe gestellt worden. Die zahlreichen Stimmen der Vögel, die zu dieser Zeit auf die akustische Verteidigung ihres Reviers programmiert sind, verstummten in dem Augenblick, als das scheppernd-malmende Geräusch des Aufpralls die ländliche Idylle zerriss. Auch die Straße, dieser Gegenentwurf des Waldes, den sie zerteilte, lag in frühmorgendlicher Stille da. Der feuchte Tau glitzerte auf dem sandfarbenen Belag. In dieser stillen Szenerie wirkte das noch qualmende Wrack von Manfred Baumanns Wagen beinahe zugehörig.
Dünner schwarzer Rauch schlängelte sich vorsichtig vom Kühler aus in die Höhe und zerstob schüchtern im lauen Wind, während die ersten zwei Liter Blut aus dem Körper des zertrümmerten Mannes bedächtig über den Boden der zerklüfteten Fahrerkabine ihren Weg auf die Straße suchten. Unter dem erschlaffenden Airbag zeigte ein spitzes Stück Elfenbein aus dem Fleisch des Unfallverursachers direkt in Richtung Leselampe und entließ den wertvollen Lebenssaft stoßweise ins Freie.
Hätten Zellen ein Bewusstsein, würden sie begreifen, dass ihr Leben, ihre Gesellschaft, Bestandteil eines Organismus namens Manfred Baumann war? Und wie würden sie die denkende, atmende Gesamtheit ihrer scheinbar so willkürlichen Zusammenarbeit nennen? Würden sie begreifen, dass er starb, in dem Augenblick, da sie sich weit genug von ihm entfernten, um nur einen flüchtigen Augenblick lang sein Äußeres zu sehen?
Manfred Baumann - nun aus seiner persönlichen Zeitlupe erwachend - öffnete die Lippen für einen überraschend armselig leisen Schmerzenslaut, der irgendwo, verloren zwischen Schrei und Stöhnen, abgebrochen herumlag. Sein Atem ging schnell und flattrig und korrelierte damit überraschend mit dem unkontrollierten Flattern seiner Augenlider, während sein Geist versuchte zu leugnen, was auch für Manfred Baumann offensichtlich war. Wie durch ein verabredetes Signal ermuntert, fingen die Vögel wieder an zu singen.

 

Hallo zwyx,

du geht ja ganz schön in die Vollen mit deinem Text.
Er wirkt eher wie ein Teil eines Kapitels als eine Kurzgeschichte und verlangt für mich nach einer Vorgeschichte. Wozu sonst der Name?
Die sprachlichen Bilder überfordern mich teilweise. So auch das spitze Stück Elfenbein, das in Richtung Leselampe zeigt. Auch die philosophische Betrachtung über das Bewusstsein der Zellen, damit kann ich wenig anfangen. Der Text hat mich nicht überzeugt.
Viele Grüße
federleicht

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus zwyx, willkommen hier.
Also ich mochte den Text, vor allem sprachlich, Kurzgeschichte hin oder her. Für mein Gefühl passt da schon einiges. Deine individuelle, sehr bildhafte Sprache, der unmittelbare Einstieg ins Geschehen, Handlung in dem Sinn gibt es auch - ein Mensch stirbt, seine Biomasse reflektiert noch mal kurz – also ich fand das beinahe witzig. Macht auf jeden Fall neugierig auf weitere Sachen von dir.

Was ich nicht mochte, ist die offensichtliche Nachlässigkeit, mit der der Text verfasst ist:

Vater von zewi [zwei] Kindern,

Die Zahlreichen [zahlreichen] Stimmen der Vögel, die zu dieser Zeit auf die akkustische [akustische] Verteidigung ihres Reviers programmiert sind [waren? Präsens ist hier zwar nicht falsch, Präteritum klänge aber besser]

als das gräßlich [grässlich]

In dieser stillen Szenerie wirkte das noch qualmende Wrack von Manfred Baumanns
Wagen beinahe zugehörig.
Das Hervorgehobene ließe ich weg. In der nächsten Zeile schreibst du ohnehin noch einmal vom Qualm.

zeigte ein spitztes [spitzes] Stück Elfenbein

direkt in richtung [Richtung]

dass ihr Leben, ihre Gesellschaft, Bestandteil eines Organismus namens Manfred Baumann war [waren]

und korrellierte [korrelierte] damit überraschend zum [mit dem] unkontrollierten Flattern seiner Augenlider, während sein Geist versuchte [Komma] zu leugnen,

Noch viel Spaß und Vergnügen hier.

offshore

 

Hi,

also wenn ich das lese hab ich sofort einen Film vor Augen. Der Text ist gut, sehr direkt und verlangt tatsächlich nach mehr. Es klingt wenn ich es lese wie wenn ich einen Trailer zu nem Kinofilm sehen würde.
Du zeigst mit deinem Text super wie man es schaffen kann in wenigen Sätzen etwas erstaunlich bildhaftes zu erschaffen. Das ist eine Kunst. Ich hätte mich da wahrscheinlich verkünstelt und hätte das in fünf Seiten nicht so zustande bekommen. Hut ab! Da will ich doch mehr lesen von dir. Ruhig auch mal längere Geschichten.

Einzig deine Beschreibungen liesen mich das ein oder andere mal aufhorchen und ich fragte mich ob es nicht teilweise vieleicht ein bisschen zu viel des guten sein kann. Dann nämlich wenn man vor lauter beschreiben die Geschichte gar nicht mehr vorranbringt. Dann wirds kritisch. Weniger ist mehr. Schlichtheit in Sätze zu fassen ist die nächste Kunst. Und du schaffst es da gerade so an der Grenze des Übertreibens zu bleiben, ohne diese Grenze aber ernsthaft zu überschreiten. Es entstehen also Bilder im Kopf die genauso entstehen sollen wie du sie geschrieben hast und als Leser bekommt nicht das Gefühl von Peinlichkeit oder Hang zum Angeber welcher sich mit seinem Text besonders toll vorkommt ohne zu merken welch Schrott dieser doch ist.

In diesem Sinne weiter so!

Gruß Cozmo

 

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