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Vom Ersten bis zum ersten Mal

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27.07.2014
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Vom Ersten bis zum ersten Mal

Vom Ersten bis zum ersten Mal

Als ich 17 war, wusste ich schon sehr viel über die Liebe. Ich hatte alle wichtigen Standardwerke zum Thema gelesen. Ich hatte mit Julia meine Familie verraten, um Romeo zu heiraten; ich hatte mich im blauen Frack in endlosen Briefen Lotte hingegeben; hatte mit Anna Ehebruch begangen und mit Sabina die Schwere eines Mannes gesucht, um die unerträgliche Leichtigkeit des Seins zu ertragen. Ich war eine Rose gebrochen, ehe der Wind sie entblättert.

Als ich 15 war, ließ ich mich von Sebastian, der sehr groß war und sehr blond, auf einer Party küssen. In meiner Klasse hatten alle Mädchen, also alle hübschen, ihren ersten Kuss entweder mit Sebastian oder mit Matthias gehabt. Ich mochte Matthias mit seinen schönen sanften Augen lieber, also entschied ich mich sicherheitshalber für Sebastian. Ich achtete darauf, dass wir an der offenen Dachbodenluke saßen, so dass jeder, der vorbeiging uns sah und so, dass niemand mehr dachte, ich sei langweilig und eine Streberin, weil ich noch nie einen mit Zunge geküsst hatte. Ich öffnete meinen Mund und stocherte vorsichtig. Seine Zunge schmeckte nach Kotze. Mein Herz raste, aber nur aus Lampenfieber. Ich war eine Runde weiter.

Als ich 16 war, hatte ich meinen ersten festen Freund. Ich stand an der Straßenbahnhaltestelle. Mir gegenüber beobachtete mich ein Junge aus meiner Schule. Ich kannte ihn, so wie alle Mädchen aus der zehnten Klasse die Jungs aus der Oberstufe kannten. Die Bahn in meine Richtung fuhr ein und noch bevor sie unsere Blicke trennen konnte, rannte er los. Er rannte auf die andere Seite, rannte zu mir, drückte mir sein Handy in die Hand, als ich die letzte Chance ergriff, um einzusteigen und als die Türen sich zuschoben, sagte er atemlos, er riefe mich heute Abend an. Zu Hause probte ich das ersehnte Telefonat im Selbstgespräch.
Am Abend rief er mich an. Ich ließ es zweimal klingeln, damit er nicht glaubte, ich hätte auf den Anruf gewartet. Es lief gut. Ich sehe die Sprechblasen über unseren Köpfen: „Du bist mir schon länger aufgefallen, ich hoffe, ich habe Dich heute nicht überrumpelt?“. „Naja schon irgendwie, aber hihi schon ok“. „Hast Du Lust, mit mir mal einen Kaffee trinken zu gehen?“. „Ja gern, warum nicht?“ „Gut, dann morgen nach der siebten Stunde Treffen vor der Sporthalle?“. „Alles klar“. „Ach ja, und mein Handy bräuchte ich dann auch wieder...“.
Wir gingen ein paar Wochen miteinander, dann machte er sein Abitur und zog zum Studieren nach München. Mir bleiben ein paar Bilder im Kopf. Wie wir uns hinter den Eichen in der Houdainerstraße versteckten und uns hektisch zum ersten Mal küssten, bevor mein Vater mich abholte. Das unfreiwillige Bewerbungsgespräch bei meinem Vater am darauffolgenden Tag: „Setzen Sie sich doch noch etwas zu uns ins Wohnzimmer...“; wie wir im Bett lagen und er wie ein Entdecker auf einer Forschungsreise meinen Brüsten Namen gab. Wie wir in Porz auf der Parkbank, saßen mit Blick auf das abgebrannte Spielzeugwarenhaus und ich ihm die Schlussmachworte in den Mund legte, für die er selbst zu feige war.

Als ich 17 war, schlief ich zum ersten Mal mit einem Mann.
Ich begann an der Uni Köln neben der Schule als Schülerstudentin Literaturwissenschaft zu studieren. Ein Zungenkuss auf dem Dachboden hatte nicht gereicht, um mir die Streberin auszutreiben. Man schickte mich zu Professor Horneber, der mich betreuen sollte.
Horneber war einer dieser Professoren der den Bachelorkoordinatoren, Studiengangsmanagern und Geschäftzimmerleitungen nachts den Schlaf raubte und ich war mir sicher, dass das Prüfungsbüro sein Bild an eine Dartscheibe geheftet hatte. Um seinem Ruf gerecht zu werden, nahm er mich direkt nach unserem ersten Gespräch völlig gedankenlos und pädagogisch zumindest fragwürdig mit in sein „Kolloquium“. Zu meinem Glück wusste ich nicht, dass er sich dort mit seinen Examenskandidaten und Doktoranden über zeitgenössische Literatur ausließ und über die Lage des Literaturbetriebs. Ich las einfach nur jede Woche das ausgewählte Buch und erzählte, was ich darüber dachte und dem gestand er – so vermutete ich - Frische und Unbefangenheit zu, was ihm gefiel und so ließ er mich machen.

Meine Betreuung blieb an seinem Habilitanden hängen, Dr. Martin Großschmidt. Er zeigte mir nach der erste Sitzung gelangweilt die Seminarbibliothek und den Handapparat mit den Kopiervorlagen. Als wir uns verabschiedeten, sah er mich zum ersten Mal an, musterte mich regelrecht. Zumindest meine Beine in dem kurzen Rock schienen ihn nicht zu langweilen, auch wenn die Missbilligung in seinem Blick in mir den Impuls auslöste, meinen Rock zurecht zu rücken. Er sagte mir, ich könne ihn jederzeit ansprechen, wenn ich etwas bräuchte und bemühte sich dabei, genau den gegenteiligen Eindruck zu erwecken.
Nach der zweiten Sitzung war es nicht besser. Es ärgerte ihn, dass ich mit meiner „unbefangenen“ Schüler-Eifrigkeit und meinen „frischen“ Wunderkind-Ansichten eine Einbuße an Wissenschaftlichkeit und Fachvokabular verursachte. Meine Anwesenheit raubte der ganzen Veranstaltung, die ja ohnehin nur aus Höflichkeit gegenüber Horneber besucht wurde, den letzten Ernst.
Ich sagte: „Der Bewusstseinsstrom über wenige Sekunden, der hier auf 150 Seiten ausgeschlachtet wird, hat mich mehr als verwirrt“.
Er sagte: „Die Zusammensetzung von BewusstseinsELEMENTEN lässt uns auf beeindruckende Art und Weise gerade die Verwirrungen des Protagonisten nachempfinden“.
Ich sagte: „Dass er die 39 Sekunden in 39 Kapiteln darstellt, finde ich sehr originell“.
Er sagte: „Aufgrund der Tatsache, dass so und so und so und so und so und so und so und so, dass genauso gehandhabt haben, kann man nicht gerade von Originalität sprechen“.
Ich sagte: „Um zu verstehen, dass das Buch die letzten 39 Sekunden eines Lebens darstellen sollte, musste ich erst den Buchdeckel lesen. Das ist doch überflüssig kryptisch!“
Er sagte: „In seiner Radikalität entwickelt der Roman eine Tiefe, wie wir sie sonst nur aus der hermetischen Lyrik kennen“.
Ich konnte es nicht ertragen, wenn mich jemand nicht mochte, also fing ich an ihn zu beobachten. Er hatte den Raum zusammen mit dem Professor betreten, das heißt, einen halben Schritt hinter ihm. Die anderen Mitdreißiger-Doktoranden besaßen die gleichen bedruckten T-Shirts und Jeans wie noch als Studenten. Sie trugen Chucks, die sie eng schnürten oder bunte Lederschuhe, die nicht zu erwachsen aussahen. Sie benutzten Rucksäcke, alte Lehrer-Leder-Umhängetaschen oder Werbegeschenke von der Süddeutschen Zeitung.
Er trug ein Hemd und es war gebügelt. Er trug immer Hemden und sie waren immer gebügelt. Am Philosophikum musste das auffallen. Er hatte eine schmale braune Aktentasche, die er lässig unter dem Arm trug. Im Gegensatz zu allen anderen brauchte er keine Brille. Er passte nicht in die Vorstellung meines Vaters von einem Geisteswissenschaftler. So wie sich die anderen ihm gegenüber verhielten – distanziert, aber doch um ein gutes Verhältnis bemüht - war man sich wohl sicher, dass er eines Tages den Horneber-Lehrstuhl übernehmen würde.
Ich wollte ihm zeigen, dass ich seine Komplizin war. Ich glaubte auch nicht, dass mir die Uni zu Füßen läge, weil ich Klassenbeste war. Ich hatte Ehrfurcht vor der Literatur. Die Literatur war für mich das, was übrigblieb, wenn man das Zähneputzen und auf-die-Toilette-gehen und 8-Stunden-Tage und neuen-Pass-beantragen und für-den-Führerschein-anmelden und die Tante-zum-Geburtstag-anrufen und all die Sachen, die so viel Zeit raubten, strich. Dann blieb die Essenz dessen übrig, was wichtig und aufregend ist. Krieg und Frieden und Kabale und Liebe, hundert Jahre Einsamkeit, auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
War das nicht wahrer und bedeutender und schöner als die Realität? Die Realität war dieser Seminarraum, in dem die völlig intakten Fenster in der vorherigen Woche gegen neue völlig intakte Fenster ausgetauscht wurde, weil es für die Neu-Verglasung ein Budget gab, aber für die Neu-Bestuhlung scheinbar nicht, so dass wir auf kaputten Holzstühlen sitzend durch neue Fenster auf die in frischem Grau gestrichenen Philosophikumfassaden blickten. In der Realität drehte sich das Seminargespräch um einen hochgelobten, innovativen Text, der nichts in mir auslöste und während wir darüber sprachen, machte der eine Einkaufslisten in seinem Kopf und ich dachte darüber nach, wie ich mich möglichst geschickt hinsetzte, um keine Laufmasche auf dem splittrigen Holzstuhl zu bekommen und der nächste dachte darüber nach, dass seine Freundin schon seit acht Tagen nicht mit ihm schlafen wollte und wen interessierte das. Und Martin Großschmidt, dessen war ich mir sicher, wollte ein Stück Wahrheit in die Realität holen. Er wollte, dass unser Kolloquium wahr und bedeutend und schön war und ich würde ihm dabei helfen und ich würde seine Komplizin sein.

Den Text für die dritte Sitzung las ich mehrmals. Ich kannte alle Rezensionen, brachte alles über den Autor in Erfahrung, wusste, welche Autoren ihn beeinflusst hatten und mit welchen er befreundet war. Ich sprach langsamer und ruhiger, weil alle Menschen mit Ahnung so sprechen und auch Professor Horneber so sprach. Mein Nirvana-T-Shirt tauschte ich gegen die schwarze Seidenbluse ein, die ich das letzte Mal auf der Beerdigung meines Großvaters getragen hatte, ohne zu bedenken, dass seriöse Frauen tagsüber Pastelltöne tragen und dass einem Ralph-Lauren-Menschen wie ihm sicherlich nicht entging, dass der Trenchcoat, den ich passend zur Bluse übergeworfen hatte, von H&M und nicht von Burberry war. Ich wollte es ihm einfach machen, mich einzuordnen. Als ich draußen nach der Sitzung vorm Philosophikum, um das Klischee zu vervollständigen, noch Gauloises rauchte und versuchte, möglichst intellektuell auszusehen, lächelte er mich beim Herausgehen an und rief fröhlich „Bis nächste Woche!“.

Nach der letzten Sitzung im Semester sprach er mich endlich an. Inzwischen hatten wir uns zu einem Tandem entwickelt und hitzige Diskussionen geführt, wie sie Professor Horneber, der immer noch ruhig und langsam sprach, seit den Siebzigern nicht mehr erlebt hatte. Die letzten Wochen hatte ich glücklich und einsam verbracht. Ich rief meine Freundinnen noch an, aber ihre Geschichten über Sebastian und Matthias langweilten mich. Ich wusste, sie verstanden nicht, was es bedeutet einen Komplizen zu haben, einen geheimen im Stillen. Und was sollte ich Ihnen denn auch schon erzählen? Es passierte ja nichts. Er und ich, wir begegneten uns nur in meiner Fantasie. Trafen uns zufällig, unterhielten uns stundenlang, bis er mir sanft die Strähne aus dem Gesicht strich. Und natürlich stellte ich mir vor, wie wir miteinander schliefen. Mit 17 denkt man schon an so was. Ich fing sogar an die Pille zu nehmen, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Aber ich kam bei unserem Fantasie-Sex nie weiter als zu dem Punkt, der noch in Hollywood-Filmen gezeigt wurde und dann sah ich mich strahlend in seinen Armen liegen in weiße Laken eingewickelt.
Wir saßen im Seminarraum, nachdem der Rest gegangen war. Ich setzte mich auf einen der Tische und schlug die Beine übereinander. Ich folgte seinem Blick. Ich hatte mich für den kurzen Rock aus der ersten Sitzung entschieden und diesmal zupfte ich nichts zurecht. Es war meine letzte Chance. Ich wippte ihm meine Beine in der dünnen schwarzen Strumpfhose frech entgegen. Ich begann damals ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob mich jemand attraktiv fand. Ich wusste, dass ich hübsch oder zumindest nicht hässlich war. Aber nur einige wenige fanden mich außergewöhnlich und schön. Diese Menschen beschrieben meine Augen nicht als braun, sondern als schwarz und orientalisch. Das Muttermal auf meiner rechten Wange bezeichneten sie nicht als Leber-, sondern als Schönheitsfleck. Mein Haar fanden sie nicht spröde, sondern rassig. Ich schminkte mir die Augen mit schwarzem Kajalstift und trug die Haare immer offen, lockig. Ich gefiel ihm.
Er erzählte, dass er gebeten wurde für die Fakultätszeitschrift einen Artikel über das Schülerstudium zu schreiben und ob ich vielleicht Zeit hätte, mit ihm jetzt gleich daran zu arbeiten.
Ein offensichtlicher Vorwand, den ich nicht durchschaute. Ich war nur glücklich, denn ich hatte etwas Zeit gewonnen.

Wir liefen das Stück bis zum Café Wahlen. Es ist ein großräumiges Café, altmodisch. Die Kellnerinnen tragen diese reizenden kleinen Spitzenschürzen, die Stühle sind klein und unbequem, der Kuchen ist hervorragend und der Kaffee kommt aus dem Filter. Es war bezaubernd. Und es war einer jener Orte, die ein 35-jähriger Mann für eine Treffen mit einer 17-Jährigen aussuchte, weil er dort sicher keinen Bekannten treffen würde. Aber daran dachte ich nicht. Ich dachte an den Wiener Kreis und war glücklich und strahlte, weil wir uns stundenlang unterhielten und er mir sanft die Strähne aus dem Gesicht strich, als er ging.

Danach wusste ich nicht, was ich tun sollte. Also tat ich das, was alle Träumer in einer solchen Situation machen: Ich schrieb ihm einen Brief.
Der Brief war kein literarisches Meisterwerk. Damals sagte ich noch so Sachen wie „Ich möchte mir ein Kleid nähen in der Farbe Deiner Augen“. Aber ich schrieb ohne Zurückhaltung und Vorsicht, denn ich hatte noch keinen Grund zurückhaltend und vorsichtig zu sein. Ich schrieb, was ich dachte und was ich fühlte, weil ich die Codes noch nicht kannte, in denen man in Liebesbeziehungen kommunizierte. Ich schrieb, was mir die Nachmittage im Kolloquium bedeutetet hatten und dass ich nicht darauf verzichten wollte. Er antwortete und lud mich zu sich ein.

Damals fand ich seine Wohnung einfach nur schön. Ich hatte keinen Vergleich, ich kannte nur Reihenhäuser in Zündorf. Für mich war es die Wohnung, so wie er der Mann war. Singular. Vielleicht war es das, was ihn so an mir reizte. Natürlich war es das. Kein Vergleich. Alles zum ersten Mal gespielt, immer High Score. Jetzt sehe ich in der Wohnung den Junggesellen. Im Wohnzimmer stand ein neues dunkelbraunes Ledersofa gegenüber von einem alten Klavier, obwohl er überhaupt nicht spielte. Der Esstisch mit der Glasplatte war eine Verlegenheitslösung, für die er sich auch ein bisschen schämte. An den Wänden hing eine Serie von eingerahmten schwarz-weiß Fotografien, die eine Mauer aus Holzpfählen an einem einsamen Strand zeigte. „Existenzialistisch“, dachte ich damals; „Ikea“, weiß ich heute.
In seinem Arbeitszimmer standen die alten Gesamtausgaben in einer antiken Vitrine. Die zahlreicheren Taschenbücher in schwarzen Billy-Regalen daneben. Ein schwerer dunkelroter Vorhang, der zwangsläufig die Assoziation „Liebeshöhle“ hervorrief, trennte das Schlafzimmer vom Arbeitszimmer ab.
Er führte mich ins Wohnzimmer.
Wir standen am Fenster und blickten nach draußen. Er stand hinter mir. Ich rauchte, weil sie das in französischen Filmen auch taten und ich rauche heute noch manchmal, damit banale Szenen wenigstens ästhetisch aussehen. Ich drückte die Zigarette aus. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was er mir sagte, ich war zu sehr beschäftigt mit Atmen. Er griff meine Schulter, drehte mich um und küsste mich vorsichtig. Ich hatte mir diesen Augenblick so oft und so intensiv vorgestellt, aber ich glaubte nie daran, dass er eintreten würde. Als sich unsere Lippen lösten, lief ich zum Türrahmen. Ich musste Zeit gewinnen und mich festhalten. Er lehnte an der gegenüberliegenden Seite und blickte mich an.
Für das, was dann geschah, gibt es Adjektive. Seine Lippen küssten mich leidenschaftlich. Seine Hände berührten mich wollüstig. Er drängte mich begierig in seine Liebeshöhle. Sein Penis war hart, meine Vagina war feucht. Aber das alles verdeutlicht nicht, welchen Ereignis-Charakter das alles für mich hatte. Es geschah etwas und es geschah mir.
Ich flüsterte ihm noch zu, dass ich mit der Pille verhüte, aber ich bin mir sicher, er wusste, dass ich noch nie mit einem Mann geschlafen hatte. Er drang in mich ein, so viel wusste ich schon, dann kam der Hollywood-Cut und ich musste selber sehen, wo ich blieb. Er sah so aus, als würde es ihm gefallen, aber ich war verunsichert, weil er sich anhörte wie ein Tier und ich mir so eng und so sauber vorkam. Während der Rein-Raus-Geschichte war ich schlicht überwältigt von der Tatsache, dass ich jetzt Sex hatte und dass ich Sex mit ihm hatte und Sex in der Liebeshöhle hatte. Und nach meiner Definition war es richtiger Sex, weil er kam. Und er kam auf mir. Natürlich, er war ja kein Idiot. Wer vertraut denn auf die Beteuerung einer 17-jährigen Jungfrau. Sein Sperma floss in meinen Bauchnabel und ich hielt ihn mit meinen Händen auf, damit er nicht auch auf die weiße Bettwäsche tropfte. Er gab mir eine Stück Küchenrolle, die er neben dem Bett aufbewahrte.
Ich war trotzdem überwältigt. Kein Vergleich. Erstes Spiel. High Score.

Heute traf ich ihn vorm Supermarkt. Der Duft der Basilikumpflanze in meiner Hand stieg mir aufdringlich in die Nase. Ich sah die Küchenrollen unter seinem Arm und ärgerte mich über mein 17-jähriges Herzklopfen. Wie lächelten uns mit seitlich geneigten Köpfen an.
Unsere Komplizenschaft war lange vorbei. Nur seine Hemden waren immer noch gebügelt. In meinem Blick suchte er das Singular. Aber ich empfand nur Nachsicht. Mit uns beiden. Er wünschte mir alles Gute und strich mir sanft die Strähne aus dem Gesicht, als er ging.

 
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Servus Asadi, willkommen hier.
Ich unterstelle der Geschichte jetzt einfach mal autobiografische Züge, weil du, die Autorin (ich unterstelle dir jetzt einfach mal, dass du eine Frau bist), dir mit der Protagonistin offenbar die Belesenheit und die Leidenschaft für Literatur teilst. Das kann man ja aus jedem zweiten Satz herauslesen, und obendrein aus der Tatsache, dass du ungemein versiert und stilistisch sicher und souverän schreibst. Du hast wohl schon eine Menge gelesen in deinem Leben.
Jetzt kann man natürlich dieses literarische Namedropping, die vielen Verweise auf diesen Autor und jenes Buch als etwas affektiert bezeichnen, da will sich die Autorin halt in besonders gutem Licht darstellen, könnte man glauben, andererseits ist es natürlich für die Charakterisierung der Ich-Erzählerin wichtig, also insofern passt das schon für mich.
Ja, ich mochte den Text wirklich gern, ich finde den stilistisch sehr, sehr sympathisch, und auch wenn ich selbst mit diesem ganzen universitären Umfeld nie in meinem Leben zu tun hatte, erscheint es mir wirklich glaubwürdig und lebensnah beschrieben zu sein.
Und überhaupt, mich alten Romantiker hast du mit so einem Thema, erstes Verliebtsein und so, sowieso gleich mal an den Eiern.
Wirklich schön geschrieben, Asadi, berührend, originell und stellenweise sehr witzig. Und obendrein beinahe fehlerfrei. (Da und dort vergisst du auf das Komma vor einer Infinitivgruppe. Aber als so augenscheinliche Sprach-Connaisseurin entdeckst du die Fehler vermutlich selbst.)

War mir ein wirkliches Vergnügen.

offshore

PS
Solltest du doch ein Mann sein, musst du dir meinen Kommentar einfach sprachlich gegendert vorstellen, okay?

 

Hey Asadi,
ein sehr schöner Text, habe ich auch gerne gelesen. Und dann noch (offenbar) von jemandem aus Porz. Dieses verbrannte Spielzeugwarenhaus, mann, zufällig habe ich den Brand live miterlebt. Wie lang ist das her, zehn Jahre oder so. Na ja, zum Text jetzt, zu deiner Liebesgeschichte, ich bin da grade voll dein Leser, ist wohl so ne Phase.
Also die Geschichte steht und fällt ja eigentlich, unabhängig von dem wirklich angenehmen Stil, mit der Frage, ob man die Erzählerin mag. Diese Bildungs- und Kulturbeflissenheit, die sie an den Tag legt, kann ja wirklich schnell unsympathisch werden. Dann die vielen Literaturverweise, offshore hats ja schon geschrieben. Aber, und das ist die Stärke hier, die Erzählerin ist sich ihres Wesens sehr wohl bewusst, sie gibt sich diese Blöße, ist auch stellenweise wirklich angenehm selbstironisch und da scheint auch immer das junge Mädchen durch, mit ihren ganzen Unsicherheiten. das ist echt süß.

Sein Sperma floss in meinen Bauchnabel und ich hielt ihn mit meinen Händen auf, damit er nicht auch auf die weiße Bettwäsche tropfte.
Diese Stelle, zum Beispiel, das hat mich berührt. Aber gibts noch einige andere.
Mir gefällt dieser reflektierende Ansatz, dieses, ja, wie nenne ich das, verklärend-aufklärende, dieser Blick, die Stimme, ich finde sie echt und das Gefühl, was die Erzählerin rüberbringt, ehrlich. Deswegen ist es ein guter Text.
Aber, ich muss sagen, mit dem Anfang bin ich nicht so richtig zufrieden. Also den ersten Absatz finde ich wirklich gut. Da hört man im ersten Satz schon die Erzählstimme, damit macht der Text schon sehr viel richtig. Aber danach, diese Teile mit dem ersten Kuss und dem ersten Freund, die lassen eine viel gewöhnlichere Geschichte vermuten. Man erwartet etwas viel, ja, jugendlicheres, aber die Retrospektive, die danach folgt, sie ist viel stärker und facettenreicher. Ich verstehe, dass du das für die Charakterisierung brauchst, aber es zündet für mich nicht so richtig. Also vllt geht es nur mir so, aber wenn nicht, dann könnte es Leser abschrecken.
Ansonsten, wie gesagt, sehr gerne gelesen und freue mich auf mehr.
Grüße,
randundband

 

Hallo Asadi,

mir gefällt der Text auch, ich finde die Sprache passend zur Figur und ihrer Geschichte, die ganzen Literaturverweise - unbedingt! Ich fand sie toll, also damit kann man halt auch eine Figur charakterisieren, was sie so liest und wie sie das auf ihr Leben anwendet - wie sie mit den Figuren in den Geschichten liebt und leidet - das ist doch schön. Also diese Abneigung gegen Intellektualismus geht mir in letzter Zeit ziemlich auf den Sack - es ist ja hier nicht so, dass sie sich irgendwie als was Besseres sieht, der erste Absatz ist so etwas wie eine 'Hommage' an die berühmtesten Liebesgeschichten. Und dann in den folgenden Absätzen und Szenen kommen ihre Liebeserfahrungen und da ist der Titel eben Programm - diese ganzen ersten Male werden für die Figur gebraucht, weil hier eine ständige Entzauberung dieser ersten Male stattfindet - erst mit dem hübschen Sebastian, der wohl einen ziemlich ekelhaften Mundgeruch hat. Es ist eben nicht der attraktive Tomas aus Kunderas 'Leichtigkeit' und der erste Freund haut fürs Studium nach München ab und ist auf keinen Fall ein Romeo, der für seine Julia in den Tod geht.
Ihr erstes Mal ist entsprechend enttäuschend - rückblickend, der Typ ist eben von oben bis unten Farce und spielt das bei so einem jungen Mädchen gut aus, macht Eindruck auf sie mit seinem Doktortitel und seinen Lederschuhen - dass es Ikea-Kunst ist, fällt ihr später auf.
Und ich glaube genau das hat mich gestört - also, stilistisch ist das einwandfrei gemacht, diese Gegenüberstellung von, damals, als naives Mädchen dachte ich, wie cool diese sinnfreien Bilder sind und heute weiß ich, dass er sie für 4,99 von Ikea geholt hat.
Das macht den Text ein bisschen unspannend, ein bisschen simpel gelöst an der Stelle - es ist vielleicht der FEhler hier, dass man die Figur nur so rückblickend begleitet, dass man gar nicht mit ihr leidet, dass man so kalt und distanziert auf das naive Mädchen von damals guckt und schon urteilen darf, weil es ja passiert ist.
Es wäre natürlich spannend gewesen zu sehen, wann das Mädchen dem Dozenten auf die Schliche kommt, so ganz langsam und ganz schmerzlich zu entdecken, dass das wenig beeindruckend ist, dass es mehr Schein als Sein ist.
Jetzt ist es so: Erster Kuss, Mundgeruch. Erster Freund, abgehauen. Erstes Mal, Betrüger. Alle erste Male scheiße, so ist das mit diesen ersten Malen, die Erwartungen sind so groß, dass sie nur enttäuscht werden können. Ja, und den Betrüger habe ich letztens im Supermarkt getroffen (dem banalsten Ort der Welt) und er war ja so down, und so unten und ich stand mit meinen Erkenntnissen so über ihn und bin durch meine Erfahrungen so gewachsen.

Keine Ahnung, was ich damit jetzt machen soll. Also wie gesagt, in meinen Augen wäre es die bessere Geschichte gewesen, wenn man ihr bei ihrer nochmaligen Entzauberung eines ihrer ersten Male zugesehen hätte.

Davon abgesehen ist das ein großartiger erster Text hier und willkommen auf dieser Seite hier.

JoBlack

 

Hallo Asadi,

ich tue mich schwer mit dem Text. Er ist sicherlich gut geschrieben, aber mir fehlt einfach einiges. Viel ist über den Anfang geschrieben worden; mir geht dieses name-dropping (mir wird das übrigens auch immer vorgeworfen) auf den Sack. Da geht es nicht um Anti-Intellektualismus, sondern darum, wo der Leser ein erstes Identifikationspotential knüpft. Wo du ihm anbietest, in deine Geschichte einzutreten. Man kann das hermetisch machen, nach dem Motto: Haha, wenn du dieses Zitat nicht kennst, dann biste eben doof und versteht die ganze Geschichte nicht! Das ist halt auch eine erzählerische Haltung. Ich weiß nicht, vielleicht liegt es daran, dass ich ein Mann bin; ich hab mit 17 Bukowski gelesen. Also, diese 17 jährige, die sich die Liebe aus Klassikern erliest - für mich ist das nicht der perfekte Einstieg, und ich sehe auch nirgends, dass man diese Figuren, diese Intertextualität jetzt für die Protagonistin benötigt.

Diese distanzierte Haltung, mit der du schreibst, die liest sich beim ersten Mal gut. Beim zweiten Lesen ist mir aber aufgefallen, dass sie so ein bißchen eine Blendgranate ist - man liest sich so durch, und man kann auch ein wenig schmunzeln, aber es bleibt im Prinzip alles doch recht oberflächlich, man liest so drüber hinweg, und fragt sich: Wo bleibt jetzt der Kern der Erzählung, wo bleibt die Geschichte? Mir fehlt das Spezielle, das Individuelle, das 'Detail nach James Woods', um mal beim viel gedissten name-dropping zu bleiben. Es ist so, dass diese Geschichte auf einem scheinbar gemeinsamen Wissen aufbaut - jeder, wenn er fähig ist, zu reflektieren, kann diese Enttäuschungen nachvollziehen. Die Ikea-Fotos, dieser Hochglanzfake, der high concept Hollywoodsex. Die Vorstellung davon, was echt und gut ist, und dann ist es aber ganz anders, nämlich das echte Leben, so an sich und ohne Tamtam. Jeder kennt das. Das sind die Pfründe dieses Textes. Man nickt das ab. Und durch diese Rückblende, dadurch, dass Zeit verstrichen ist, ist man als Leser weit entfernt von der Protagonistin. Ihre emotionale Welt erschließt sich nie, die wird permanent ironisch betrachtet. Darüber kann man schmunzeln, es ist aber auch ein wenig einfach, und hier verschenkt die Geschichte auch Potential.

Der Sex, oder diese Entjungferungsszene, die ist prüde. Prüde deswegen: Entweder man sagt nichts über den Sex, also wirklich gar nichts, kein technischer Begriff, kein Penis, keine Vagina, nichts - dann ist der Erzähler für mich glaubwürdig. Dann kann man ihm insofern abnehmen, dass es zwar Adjektive gibt für diese Sache, aber er diese eigentlich nicht benutzen kann, da er von dem Event an sich so überrumpelt ist. Dann aber dieses 'so ein bißchen' Penis und Vagina, und dann kommt er noch auf dem Bauch, das ist so weder Fleisch noch Fisch. Da habe ich auch eine Erwartungshaltung an den Text. Ich finde, das ist nicht gut gelöst.

Das Ende. Ich glaube, damit habe ich am allermeisten Schwierigkeiten. Das ist abrupt, und es kommt mir so vor, als ob der Autor da jetzt nicht so genau gewusst hat, was tun? Ein Ende erzwingen. Beam in die Jetzt-Zeit. Der Schwarm ist entlarvt.

Ja, also gut und modern geschrieben, sicherlich. Ich kann auch nicht sagen, dass ich den Text nicht gerne gelesen habe. Aber für mich bleibt da nichts hängen. Das lese ich und sage: Okay. Mal sehen, was die anderen so sagen. Ich freue mich jedenfalls auf weitere Texte von dir. Herzlick Willkommen.

Gruss, Jimmy

 
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Hallo Asadi,

habe ich auch gerne gelesen, der Ton ist ein bisschen selbst-ironisch, bisschen selbst-verliebt, bisschen frech, er schlägt kleine Kapriolen, an manchen Stellen wirklich souverän, an anderen weniger so, man liest das schon gern. Ich moche den ersten Absatz mit Sabine und Lotte und so, das hat micht nicht gestört, es passt eigentlich perfekt zu der Erzäherin, mit ihren Traumwelten und dann die Erwartungen, die dann ennttäuscht werden, weil die Welt so irdisch ist. Das ist auch das ganze Thema des Textes, auch die Scheinwelt im Seminar, der sie jeden Enrst raubt, jedenfalls meint sie das, und ihr macht das aber auch voll Spaß. Es ist natürlich alles auch im Rückblick, man erzählt aus der Vergangenheit und nun ist man reifer, und dann ironisiert man alles. So fangen sehr viele Roman an eigentlich, Moon Palace ein wenig, Lolita, Middlesex, High Fidelity, der Ton ist nicht immer ganz so krass, aber schon ein bisschen, wenn ein Ich-Erzähler weit ausholt und dann erstmal mit der Kindheit beginnt, dann hat man immer diesen Ich-Erzähler im Rückblick und dann ist das häufig ein bisschen ironisch und man scherzt über sich und die Umgebung und wie "Ernst" das doch alles war … so wie das halt gemeinhin so ist, wenn man von der Kindheit erzählt. Also natürlich is das schon, die Erzählweise, in Romanen holt der Erzähler sich halt nach einer Weile ein, und dann kann er wieder mittelbarer erzählen, oder der Erzähler beginnt so wie bei einer Rückblende, die ersten Seiten oder auch nur die ersten Absätze … und dann zooomt er aber voll rein und bleibt gleich da … und man vergisst einfach, dass das alles Rückblick ist. Bei dir vergisst man das nicht, das ist nicht schlimm, so ist grad der Stil, aber du könntest auch weiterschreiben und dann .. mit 20 war es so … und im ersten Absatz noch einen Hook rein, damit der Leser weiß … mit 30, dann gehts aber richtig los. Aber natürlich is das dann ein ganz anderer Rahmen.
Beim letzten Typen dacht ich so ... hmm ... also wenn ne verruchte 17-jährige unbedingt mit dir schlafen will und dir so signalisiert, eh … ich bin einfach nur voll die verruchte 17-jährige und mir ist alles egal und ich will einfach nur Sex mit dir, dann kommen manche schon ins Grübeln. Aber wenn sie dir einen langen Liebesbrief schreibt, was ihr der Seminar alles bedeute und Teenieliebe und so weiter, ich denke, dann steigen die meisten Typen schon aus und denken sich whoa … da lasse ich besser die Finger von. Und dann habe ich mich gefragt, wie viel "Spaß" und "Spiel" bei ihr schon damals dabei war … also da clasht es schon etwas mit der Perspektive, also die letzte Szene, da mit "Spiel" und "High Score", das ist doch sie, unmittelbar, und dann ist sie aber auch schon wieder distanziert, wenn sie das gleich so bewerten kann. Sie ist einfach so, auch damals schon, und mir kommt das so vor, noch während sie naiv ist, denkt sie: Ich bin naiv, mir ist das bewusst, das kann ich mir leisten und das macht mir Spaß. Irgendwie so.
Hab's gerne gelesen.

MfG,

JuJu

 

Hallo Asadi,

deine Geschichte hat mich berührt und mich auf den unfreiwilligen Weg der Entzauberung mitgenommen. Ich hatte einige Déjà-vu-Erlebnisse. Leichtfüssig und glaubwürdig ist dein Erzählstil und ich nehme dir alles ab.
Neben den Ersten-Mal-Geschichten webst du so unauffällig bekonnt "Philosophisches" in den Text. So auch dies über Literatur.

Ich hatte Ehrfurcht vor der Literatur. Die Literatur war für mich das, was übrigblieb, wenn man das Zähneputzen und auf-die-Toilette-gehen und 8-Stunden-Tage und neuen-Pass-beantragen und für-den-Führerschein-anmelden und die Tante-zum-Geburtstag-anrufen und all die Sachen, die so viel Zeit raubten, strich. Dann blieb die Essenz dessen übrig, was wichtig und aufregend ist. Krieg und Frieden und Kabale und Liebe, hundert Jahre Einsamkeit, auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Dass die Küchenrolle am Ende noch mal auftaucht, fand ich sehr geschickt.

Ich sah die Küchenrollen unter seinem Arm und ärgerte mich über mein 17-jähriges Herzklopfen. Wie lächelten uns mit seitlich geneigten Köpfen an.

Die Küchenrolle hat in diesem Zusammenhang etwas unterschwellig Schamhaftes. Ein harmloser Gegenstand bekommt eine intime Bedeutung zugedacht. Das macht den Leser zum Mitwisser.

Bei aller Bedachtheit im Ausdruck wundern mich die doch recht vielen Kommafehler. Einen Rechtschreibfehler habe ich gesehen: Laken, das Bettlaken wird mit einem k geschrieben.

Mir hat die Geschichte viel Spaß gemacht!

Viele Grüße
federleicht

 

Vielen Dank Euch allen für die hilfreichen Kommentare! Ich fange mal vorne an.

Lieber offshore,

ich freue mich, dass Dir die Geschichte gefällt. Ja das mit dem Namedropping sollte natürlich kein Namedropping sein, sondern wie Du ja auch selber schreibst: Es dient der Charakterisieung der Protagonistin. Die naive Leserin, ein bisschen Madame Bovary, nur an der Uni. Das universitäre Umfeld fand ich passender als die Schule, das fand ich ein bisschen zu beladen.
Vielen Dank für das positive Feedback! Habe mich über meine erste Kritik natürlich besonders gefreut!
Achso: Keine Sorge, wie meine Protagonistin bin ich weiblich.


Lieber randundband,

das ist ein besonderes Kompliment, wenn Du schreibst, dass Die Geschichte in Deinem Kopf ehrlich klingt. Das war mir das wichtigste. Das Du Porz kennst, freut mich natürlich auch :)
Was Du über den Anfang schreibst, kann ich schon nachvollziehen. Aber ich wollte, Kurzgeschichte hin oder her, ein bisschen Entwicklung einbauen. Wollte das der Text mit der Protagonistin wächst. Und ich wollte diesen Ereignis-Charakter des ersten Mals besonders untermalen. Der erste Absatz dient dann auch dem Zweck, nicht von vornherein in die Jugendliteratur abzudriften. Ist schwierig, man möchte den Leser ja sofort für sich gewinnen, aber man muss ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, glaube ich.
Danke für die Ermutigung und die Kritik!


Lieber JoBlack

auch Dir herzlichen Dank für das Lob und besonders für die Kritik.
Ich kann Dir bei vielem auch nicht wirklich widersprechen. Ja, die Aufregung, die Hoffnung, den Schmerz, die Enttäuschung einer 17-Jährigen wirklich authentisch darzustellen. Das wäre sehr schön, ist aber auch natürlich schwieriger. Die Perspektive der Erzählerin hat den Vorteil, das sie mehr weiß und mehr sieht und Naivität kann auf Dauer auch auf die Nerven gehen kann, denn der Kopf einer 17-Jährigen ist auch meistens nicht so interessant, wie der Kopf einer erwachsenen Frau.
Mehr Entwicklung würde glaube ich auch ein Novellen-Format erfordern, meinst Du nicht? Die Idee war, dass sie in so im Supermarkt trifft und dann geht sie nach Hause und ihr kommen diese ganzen Erinnerungen in den Kopf, eine paar ausgewählte. Aber ich stimme Dir zu, an der Stelle hätte die Geschichte Potential. Wenn sie so langsam dazu lernt und merkt, dass er gar nicht so beeindruckend ist, wie sie dachte. Und langsam selbst die Welt entdeckt und die Männer und das Studium und das Leben und er nicht mir High Score ist.

Was das Verhältnis zwischen Erzählerin und Protagonistin betrifft: Ich war mir der Gefahr bewusst, die es birgt, wenn man retrospektiv schreibt. Ich hatte mich eigentlich bemüht, keine verständnislose Stimme zu wählen. Mit Distanz, ja, aber auch mit Verständnis. Vielleicht ist die Ikea-Szene wirklich zu simpel. Ikea-Bilder ist auch schon was abgedroschen. Insgesamt glaube ich, dass die Erzählerin aber ein Verständnis und Liebe zeigt zu ihrem 17-Jährigen Selbst.

Dein Kommentar war wirklich hilfreich, danke Dir.


Lieber Jimmy,

Dir muss ich jetzt etwas selbstbewusst antworten, da ich Deine Meinung nicht teilen kann.
Name-dropping. Ja, tut mir leid, dass ich Dir damit auf den Sack gegangen bin.
Ich versuche es mal zu erklären, wie ich es sehe. Da ist dieses Mädchen und die hat keine Ahnung von Name-dropping, die ist 17, in der Schule kann man sich mit so was nicht profilieren, da muss man mit dem coolsten Typ ausgehen oder so, aber bestimmt nicht Tolstoi lesen. Mir ist natürlich klar, dass ich dadurch leider manchen Leser nicht mit ins Boot holen kann, aber das ist dann nun mal so.
Das Mädchen ist verträumt und voller Sehnsüchte und auch naiv und das ist vielleicht auch nervtötend, aber so war sie mit 17 nun mal und das soll dieser erste Absatz zeigen. Literatur zu lieben und in ihr die Wahrheit zu suchen, in ihr aufzugehen und sich mit ihr zu identifizieren, da sind wir uns denke ich einig, das ist doch ok.
Also ich habe mit 17 auch Bukowski gelesen und da steht er auch irgendwann vor dieser Turnhalle (in diesem Roman, in dem der Prot so schlimme Akne hat) und es ist Abschlussball und er geht nicht hin – natürlich nicht – aber er blickt hinein und da tanzen sie alle so zivilisiert und sehen so hübsch auch und gehören dazu und er nicht. Das ist die Sehnsucht der 17-Jährigen und sie lebt diese Sehnsucht in ihren Büchern aus.
Also kein „haha, du bist zu doof“, finde ich. Man muss die Romane ja nicht kennen und das Lessing-Zitat, um dieses Schwärmerische zu verstehen.

Die distanzierte Haltung. Ja, wie viel Blöße darf es sein? Ehrlicher, tiefer, authentischer, ich weiß nicht, ob ich das kann. Aber Du hast recht, die emotionale Welt der 17-Jährigen erschließt sich nicht wirklich. Da denke ich weiter drüber nach. Man könnte ja auch mit wechselnden Perspektiven schreiben, schwierig, aber möglich vielleicht...

Der Sex. Also nichts dazu zu schreiben, ist ja nicht so passend, wenn man eine Geschichte über das erste Mal schreiben will. Das meinst Du wahrscheinlich auch mit Erwartungshaltung. Aber ich habe auch Angst, zu viel zu schreiben. Als junge Frau bin ich da ein bisschen in der Zwickmühle. Du schreibst da so über Dein Innerstes und Gefühle und Deinen Körper und es sind hauptsächlich Männer mittleren Alters, die es lesen. Wie weit soll man da der Erwartungshaltung entgegenkommen? Wann wird es Fifty shades? Ich wollte die 17-Jährige auch nicht noch mehr bloßstellen. Ich wollte das wichtigste greifen. Es ist in dem Moment nämlich eigentlich doch wirklich egal, wie es war und es genau ablief. Das Mädchen denkt sich einfach: Krass, das ist also Sex! Wow! Voll das Ereignis! Und dann ist da noch diese praktische Küchenrolle neben dem Bett. Hm, aber eine Sex-Szene, die prüde rüber kommt, ist natürlich nicht so toll. Ich arbeite da gerade an etwas anderem, vielleicht wird Dir das besser gefallen.

Mit dem Ende hast Du auch Recht; da wusste ich wirklich nicht so richtig, was ich machen soll. So, wie es jetzt ist, bin ich eigentlich zufrieden damit. So plötzlich kommt der Beam ja auch nicht, oder? Es ist eine Geschichte über erste Male. Die ersten Male sind erzählt. Die ganze Zeit retrospektiv und am Ende kommt man bei der Erzählerin an.

Vielen Dank für Deine Zeit. Das hat nicht nur Spaß gemacht, zu antworten, es regt mich auch ehrlich für die Zukunft an.

JuJu und federleicht, Euch auch herzlichen Dank, ich antworte später, entschuldigt.

Gruß, Asadi

 
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Hallo Asadi,

ich hab leider nicht ganz so viel Zeit, aber jetzt hatte ich erst die Kommentare gelesen, bin neugierig geworden und hab nun auch die Geschichte gelesen und wollt noch was dazu sagen.
Ich fand vieles darin echt lustig. Dieses Forschungsseminar oder die Fester, die wegen Fensterbudget ausgetauscht werden, während einem die Stühle, für die es grad kein Budget gibt unterm Arsch zusammenklappen, oder das hier:

Er drang in mich ein, so viel wusste ich schon, dann kam der Hollywood-Cut und ich musste selber sehen, wo ich blieb.
:D Auch wie sie den Sex da beschreibt fand ich gut. Dass sie so damit beschäftigt ist, dass ES grad passiert, ihr passiert, dass sie gar nicht so richtig dabei ist. So einen ähnliches erstes Mal hab ich auch mal versucht zu beschreiben. Allerdings nicht aus so weiter Entfernung.
Das mit der plagiierten Doktorarbeit fand ich dafür etwas lahm. Ein etwas liebloser Klischeewitz, der da noch hinten angehängt wird. Außerdem begegnet sowas ja eher bei Leuten, die den Titel als Schmuck brauchen, nicht bei solchen, die ersthaft ne wissenschaftliche Karriere anstreben. Wahrscheinlicher wäre, dass er mit 40 noch immer auf irgendwelchen Vertretungsstellen zwischen Paderborn und Kiel rumdümpelt und dadurch an Glanz einbüßt.
Ich hatte Ehrfurcht vor der Literatur. Die Literatur war für mich das, was übrigblieb, wenn man das Zähneputzen und auf-die-Toilette-gehen und 8-Stunden-Tage und neuen-Pass-beantragen und für-den-Führerschein-anmelden und die Tante-zum-Geburtstag-anrufen und all die Sachen, die so viel Zeit raubten, strich. Dann blieb die Essenz dessen übrig, was wichtig und aufregend ist. Krieg und Frieden und Kabale und Liebe, hundert Jahre Einsamkeit, auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
War das nicht wahrer und bedeutender und schöner als die Realität?
Das ist ne prima Stelle. Überhaupt war mir ihre Literaturbegeisterung sehr sympathisch. Das ist ja leider auch was, was später oft abkühlt. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, jemals so viel gelesen zu haben und von Literatur so tief beeindruckt worden zu sein wie in der Teenagerzeit. Da ist einem ja auch jeder Klassiker neu, egal wie alt und abgedroschen er ist (genauso wie der erste Liebeskummer welterschütternd ist, egal wie viele Menschen das vor einem schon durchgemacht und überlebt haben). Es soll ja sogar Leute geben, die vom Steppenwolf tief geprägt wurden. Sowas würde einem wohl nicht passieren, wenn man den mit 30 liest. Und gerade so ein Literaturstudium ist ja was, was einem diese Begeisterung ganz gehörig austreiben kann, wenn man in allem nur noch Referenzen auf noch Älteres sieht und das, was man früher nur bestaunt und gefühlt hat, in seine Einzelteile zerpflückt. Nee, ich find schon das Thema Literatur und Enttäuschung gut zusammenpasst. Von vorne bis hinten und darüber hinaus, einfach nur falsche Erwartungen an romantische Liebe zu erzeugen.
Also darüber, wie sich ihr Verhältnis zur Literatur durch diese ganze Geschichte verändert, hätte ich schon gerne noch mehr erfahren. Ansonsten würd ich mit Kritik genauso ansetzen wie Jo. Denn obwohl ich mich mit literaturbegeisterten und im wahren Leben unerfahrenen Mädchen gut identifizieren kann, hat mich der Text kein Stück berührt. Das liegt daran, dass das Ganze die Erzählerin auch nicht mehr berührt, dass sie die Romantik, die Unsicherheit und den Schmerz der Enttäuschung so weit hinter sich gelassen hat, dass sie darüber echt nur noch mit amüsiert hochgezogener linker Augenbraue lächeln kann. Das ist natürlich auch ein Thema, der distanzierte Blick, aber aufregender zu lesen ist meistens doch ein Text, der einen ein bisschen ins Drama der Heranwachsenden mitnimmt, ohne das zu verniedlichen.
Trotzdem ein sehr schönes Debut.

lg,
fiz

P.S.: Hab grad Deine Antwort an Jo gelesen, wo Du meinst, zu viel Naivität kann auch nerven. Aber Naivität entsteht ja auch nur durch den erwachsenen Blick auf die wirklich echten Nöte des Teenagerdaseins. Klar bringt der Leser diesen Erwachsenenblick schon mit, aber ich find es trotzdem gut, wenn Texte es schaffen, ihre jugendlichen Protagonisten ernst zu nehmen, dem Leser noch mal nahe zu bringen, dass das was im Rückblick so banal wirkt, zu seiner Zeit ganz einzigartig, neu und weltbewegend war. Und Deine Protagonistin ist ja vielleicht unerfahren, aber nicht doof. Also mit der kann man auch schon so einiges machen, ohne dass die Erzählerin sich so über sie stellen und alles einordnen muss. Und klar ist das ne schreiberische Monsteraufgabe, aber nur an sowas wächst man.

 

Hallo Asadi,

ich nochmal. Vielleicht habe ich mich da ungeschickt ausgedrückt. Mir ist schon klar, was du damit bezwecken möchtest, nur denke ich, in dieser Erzählperspektive kommt das halt sehr vom Autor; das hat ja auch offshore schon geschrieben. Das liegt wahrscheinlich am Konzept des Textes, dieser Eindruck entsteht durch die Distanz zum Erzählten. Wenn die Protagonistin sich auf literarische Texte bezieht, ist das natürlich vollkommen okay. Für mich geht das in dieser Konstellation leider nur nicht vollends auf - das meinte ich.

Bezüglich des Sex. Ich weiß, was du meinst. Generell finde ich es schwierig, gut über Sex zu schreiben. Ich kann auch deinen 50 shades Einwand gut verstehen. Du hast der Figur ja bereits dieses Suspekte gegenüber einer Schilderung sexueller Handlungen mitgegeben: Sie zweifelt ja selbst an der Sagbarkeit dieses Ereignisses (so habe ich es zumindest gelesen), Sie sagt, es gibt zwar Adjektive, aber sie war vom Ereignischarakter überrumpelt. Das finde ich eine tolle Haltung - so ist es ja tatsächlich, alles andere fügt sich ja erst in deiner Erinnerung zusammen. Dann würde ich es aber konsequent machen und auch tatsächlich diesen Ereignischarakter versuchen darzustellen, und diesen auch irgendwie zeigen. Nicht den Sex an sich, sondern eher, was dadurch mit ihr passiert. Oder klingt das jetzt total bescheuert, ich weiß nicht?:D

Gruss, Jimmy

 

Lieber JuJu,

ich freue mich über Deine Antwort besonders, weil ich den Text schon auch so verstanden wissen wollte, wie Du ihn verstanden hast. Die Traumwelten, der Bruch an der Realität usw. Auch das Mädchen selbst, die will ja selbst Geschichten erleben, die erzählenswert sind, die sie ihren gleichaltrigen Freundinnen aber nicht erzählen kann. Aber ich wollte sie auch nicht bloßstellen als naiv, das ist sie vielleicht, aber für ihr Alter auch wiederum nicht. Dieses Zwiespältige, mir gefiel das so besser.
Schön, dass Du es gerne gelesen hast. Ich habe übrigens auch sehr gerne Deine Hannah gelesen, aber da fiel mir wirklich nichts mehr zum Kommentieren ein, was nicht schon die anderen geschrieben hätten ;)
Herzlichen Dank auch an Dich!

Hallo federleicht,

für die Zeichensetzungsfehler möchte ich mich entschuldigen. Ich weiß, so was stört beim Lesen, ich setze mich da später noch einmal dran und mach mich auf die Suche.

Wie schön, dass die Geschichte so gut bei Dir ankam, das freut mich natürlich sehr. Ich mag das auch, wenn sich Beobachtungen eher beiläufig ergeben, schön, dass das anscheinend funktioniert hat.

Vielen Dank für Deinen Kommentar!

Liebe fiz,

also mit der Plagiat-Sache hast Du Recht, die gefällt mir auch nicht mehr, die nehme ich später raus, wenn ich die Fehler korrigiere. Ich dachte, man bräuchte etwas, was die Auflösung der Komplizenschaft begründet, aber eigentlich muss man das auch nicht erklären. Man kann sich ja selber denken, dass die 17-Jährige einfach älter wird und es dann merkt, dass er vielleicht doch nicht der einzige und der größte ist.

Wie gesagt, vielleicht setze ich mich irgendwann noch einmal an den Text und gehe stärker in die Innenansicht der 17-Jährigen. Aber dafür muss ich mich erst einmal noch ein bisschen erproben, das kann ich jetzt noch nicht, fürchte ich.

Gut, dass der Text Dich nicht berührt, daran kann ich jetzt nichts ändern, aber ich verstehe Deine Kritik. Schön, dass Du wenigstens zwischen drin was zu lachen hattest.
Lieben Dank für Deine Einschätzung!


Lieber jimmy,

ich glaube, ich versteh jetzt besser was Du meinst. Hab das Wort prüde wohl vorschnell in den falschen Hals gekriegt :)
Hm, ist schwierig, finde ich. Zu schreiben, ich kann es nicht wirklich beschreiben und dann versuchen, es zu beschreiben. Den Akt selber, den kann man beschreiben, aber der ist ja nicht das Spannende. Und dann dieses Gefühl. Irgendwie ist das ja dann doch nicht so toll, wie alle sagen, aber dann doch schon irgendwie, weil man jetzt dazu gehört, zu den Leuten, die Sex haben und erwachsen sind und man weiß, wie der Hase läuft und so. Enttäuschend und überwältigend zu gleich. Ich dachte eigentlich, das hätte ich so geschrieben. Was es mit ihr macht, das wird aber nicht klar, da hast Du Recht.

Danke, dass Du Dir noch einmal Zeit genommen hast für meinen Text!

Gruß, Asadi

 

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