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Tausend Flüche

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29.07.2014
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Tausend Flüche

….sandte er gen China, wo er den Hersteller seiner vier „leicht zu montierenden“ Fensterrollos vermutete, die ihm soeben von der Post überbracht worden waren. Hatte der Gesetzgeber nicht bereits 2002 die Ikea-Klausel in das BGB eingefügt, die Verbraucher wie ihn vor den Tücken einer unverständlichen Aufbauanleitung schützen sollte? Offenbar hatte diese Klausel in der Praxis keinerlei pädagogische Wirkung gezeitigt, denn was er hier vorfand, war schlichtweg eine Zumutung. Anhand von drei Bildchen auf der Packung sollte er nun erkennen, welches Teil wo, wie und vor allem in welcher Richtung festgeklemmt werden sollte. Dies schien ihm ein Ding der Unmöglichkeit, zumal er die Gabe hatte, wenn es eine richtige und eine falsche Möglichkeit gab, Dinge miteinander zu verschrauben, zu verklemmen oder zu verleimen, grundsätzlich erstmal die falsche auszuprobieren. Vor ihm lagen ungefähr 20 Kleinteile aus Plastik und Metall, Schrauben und Dübel. Er begann zu verzweifeln. Schon seine Mutter hatte ihm immer und völlig zu Recht „zwei linke Hände“ attestiert und einmal mehr klang ihre Stimme in seinem Kopf nach. Dort hatte er auch gerade begonnen, den bitterbösen Reklamationsbrief an den Verkäufer zu formulieren, mit dem er ihm eine Strafanzeige anzudrohen und 3 Stunden anwaltlicher Tätigkeit a´200 Euro in Rechnung zu stellen gedachte.

Diesen hätte er sicher abgeschickt, wäre dies für ihn nicht auch eine persönliche Niederlage, eine Kapitulation vor einem Fensterrollo gewesen. So leicht wollte er sich nicht geschlagen geben und betrachtete weiterhin angestrengt das 3D-Puzzle auf seinem Tisch, steckte zusammen, was nicht zusammengehörte und baute wieder auseinander. Mittlerweile hatte er nicht nur die 20 anzubauenden Teile vor sich, sondern die sog. vormontierten Plastikstücke ebenfalls auseinandergebaut, Gott sei Dank, anders als neulich bei der Ritterburg seines Sohnes, ohne eines davon zu zerbrechen. Es gelang ihm nach ca. zwei Stunden, den Lieferzustand wieder herzustellen, nachdem er das zweite Rollo ausgepackt und in seiner Funktion analysiert hatte. Langsam entwickelte er ein Verständnis für die nach seiner Überzeugung schräge Denkweise des Konstrukteurs, zog vorsichtig den Aufhänger, den er fälschlicherweise unten angebracht und fest arretiert hatte, wieder heraus und drehte ihn. Plötzlich schien alles ganz logisch und wenn man wusste, wie es geht, war es denkbar einfach. Mit drei Handgriffen war das Ding am Fensterrahmen angeklickt und hielt! Die anderen drei Rollos waren dann Formsache und es war auch gar nicht so schlimm, dass die Rollokette in der Mitte des Fensters baumelte. Er machte das Fenster sowieso selten auf. Als alle vier Rollos hingen, zwei davon sogar mit der Kette außen, räumte er die Verpackungen zusammen und was fand er da, eingeklemmt in der kleinen Box mit den Einzelteilen? Eine genaue Montageanleitung des Herstellers aus Ingelsheim, die ihm in bestem Deutsch und kleinen Schritten schilderte, was er aufgrund seiner Hartnäckigkeit während der letzten vier Stunden selbst rausgefunden hatte. Bestätigt und stolz betrachtete er sein Werk. „Montageanleitungen“, dachte er so für sich, „sind nur was für Weicheier.“

 
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Servus Mister MGC, willkommen hier.
Ich sag’s mal ganz gnadenlos: am interessantesten fand ich den Titel. Aber die Geschichte an sich? Na ja, ist halt so die Beschreibung eines Alltagserlebnisses, allemal geeignet, sich im Schreiben und im Formulieren zu üben. Nur als Leser hab ich halt nicht sehr viel von so was, weil ich im Grunde nach fünf Zeilen weiß, was da jetzt passieren und wie das enden wird.
In den Wiener Straßen- und U-Bahnen hängt eine monatliche Illustrierte der Verkehrsbetriebe aus, drin verstreut fünf oder sechs Textchen dieser Art, so halbwitzige Anekdoten für zwei Stationen oder so, deren Lektüre man im Grunde an jeder beliebigen Stelle aufnehmen bzw. wieder abbrechen kann, was sich halt gerade so ausgeht während der Fahrzeit. Und daran erinnert mich dein Text, also der kann für mich nicht mehr als diese „Kolumnen“. Eine halbwegs pointierte Sprache und ein Thema, mit dem sich viele Menschen identifizieren und es schmunzelnd quasi abnicken können, macht für mich halt noch keine packende Geschichte aus.
Von Lektüre erwarte ich mir mehr als reinen Zeitvertreib, ich möchte schon auch ein wenig darüber nachdenken können, im besten Fall sogar davon berührt werden …

So souverän (und fehlerfrei) allerdings, wie du mit der Sprache umgehst, trau ich es dir allemal zu, dass du mir beizeiten eine richtige Geschichte erzählst. (So ich dich jetzt nicht mit diesem unfreundlichen Urteil für immer aus dem Forum vertrieben habe, was mir sehr leid täte.)

offshore

 

Hallo Ernst,
mehr als Du darin gefunden hast, war auch sicher nicht drin. Deshalb sehe ich Deine Kritik ambivalent. Ich wollte hier keine Literatur produzieren, sondern eben nur eine kleine Schmonzette. Dies ist mir ja nach Deinem Urteil gelungen. Von da her danke ich für die ehrlichen Worte, die mich keineswegs belasten.

 

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