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Hoffnung

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10.02.2000
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Hoffnung

Ein Gewitter kündigte sich an. Knapp oberhalb des westlichen Horizonts versank alles in wunderbarem Anthrazit. Ich zündete eine Zigarette an und drehte das Fenster ganz herunter. Vor mir riss der Wind Lücken in die Wolkenpracht, das Licht der Sonne schob sich wie flüssiges Bernstein hindurch. Schon bald die Hochstraße über das Kalker Industriegebiet, die langgezogene Rechtskurve, und war auf der Zoobrücke. Der Rhein, sommerlich träge trug er die Schiffe auf seinem fließenden Körper. Dann die Frau, gerade im Begriff, über das Geländer der Brücke zu steigen. Ich trat in die Eisen, etwa fünfzig Meter weiter kam ich zum Stehen. Warnblinker an. Ich stieg aus und kletterte über die Leitplanke auf den Bürgersteig. Nichts wie hin! Außerhalb des grünen Geländers stand sie schon, die Hände nach hinten gedreht, ein viel zu großer Parka flatterte im Wind.
»Kann ich helfen?!«
Langsam drehte sie den Kopf.
»Hau ab!«
Ich stoppte.
»Bleib stehen!«
»Bin nicht taub!«, rief ich ihr zu, »außerdem steh ich ja schon ...«
Sie schüttelte den Kopf, blickte in die Tiefe. Ich suchte die entsprechenden Bojen auf dem Wasser.
»Vergessen Sie das!«, probierte ich mein Glück »Funktioniert nicht! Sie landen im Rollstuhl oder werden nur nass!«
Sie sieht mich an, als wäre ich der Irre hier, dann wieder aufs Wasser.
»Ich bin doch nicht bekloppt!«, schrie sie in den Wind. »Das ist tief genug!« Und wieder schaute sie mich an. Vielleicht, um sich durch meinen Anblick von der Richtigkeit ihres Vorhabens zu überzeugen. »Ich warte auf ein Schiff und springe dann aufs Deck«, erklärte sie dann.
»Kennen Sie sich mit Schifffahrt aus?«, erwiderte ich und zog die Lucky Strikes aus der linken Hosentasche, das Feuerzeug aus der anderen. »Offenbar nicht, denn sonst sähen Sie, dass Sie außerhalb der Fahrrinne stehen. Schauen Sie auf die Bojen da unten? Die grünen Bojen sind links, die roten rechts. Falls unter Ihnen tatsächlich etwas auftauchen sollte, dann nur ein Regattaruderer.«
Ich versuchte krampfhaft, eine Zigarette anzuzünden. Der Wind wurde stärker. Dann endlich!
»Ein Klugscheißer, was!?«, brüllte sie.
»Warum springen Sie nicht einfach?«, schlug ich vor, inhalierte tief und blies den Rauch in den Wind. »Mit dem Kopf voraus! Brechen sich das Genick … oder tauchen tief ein, bleiben im Schlamm stecken mit den Füßen. Ich kenn das! Hab ich auch schon mal erlebt!«, schrie ich unvermittelt und wackelte mit dem Kopf hin und her. »Die Augen zur Oberfläche gedreht, den letzten Luftblasen nachgeschaut und hops!«
»Oh Gott, ein Arschloch!«, sagte sie Richtung Wasser.
»Na dann ...«, erwiderte ich, drehte mich und stiefelte langsam zum Auto. Ich war keine zehn Meter weg, da hörte ich sie rennen und schnaufen.
»Warte, du Arschloch!«
Ich ging weiter. Autos fuhren hupend an uns vorbei oder zeigten den Finger. Sie wirkten ausgelassen.
»So warte doch!«
Ich blieb stehen und blickte zum Horizont auf die drohende Wolkenbank. Sie fraß das Tageslicht wie ein ausgehungerter Hund einen hingeworfenen Fleischberg. Die Frau kurvte keuchend um mich herum, blieb vor mir stehen und haute mir energisch eine runter.
»Danke. Es wird ein Gewitter geben«, bemerkte ich.
»Gott, was ein Arschloch!«, stellte sie fest. Dann knickte sie ein und wäre fast umgekippt, wenn ich ihr nicht unter die Arme gegriffen hätte. Tatsächlich war in der Ferne nun auch ein Martinshorn zu vernehmen. Darauf hatte ich keine Lust, also schleppte ich sie zum Auto, stopfte sie mehr schlecht als recht auf den Beifahrersitz, rannte auf die Fahrerseite, stieg ein und gab Gas.

»Krieg' ich 'ne Zigarette?«, fragte sie nach einigen Minuten.
»Sicher doch.«
Ich hielt die Schachtel hin, registrierte ihre zitternden Finger, konzentrierte mich wieder auf den Verkehr. Von der Zoobrücke auf die Rheinuferstraße nach Süden, am alten Hafen vorbei in den Ubier-Ring. Sie schmiss die Kippe aus dem Fenster.
»Ich hab das Auto mit Aschenbecher gekauft«, belehrte ich sie und erntete einen strafenden Blick.
»Wo fahren wir hin? Bist du einer von den Perversen? Frauen aufgabeln, dann ein paar Spiele mit ihnen machen?«
»Aufgabeln …«, wiederholte ich amüsiert. »Ich wurde an der Brücke aufgehalten, setze aber meinen Weg fort, um nun etwas zu essen. Ich hab Hunger. Sie können gerne mitkommen. Bis zum Chlodwigplatz können Sie überlegen. Da parke ich.«
»Hör auf mich zu siezen.«
»Okay.«

Ich spürte ihren Blick an meiner Schläfe, während ich einem drängelnden Taxi die Vorfahrt nahm. Unter dem Severinstor entdeckte ich einen Parkplatz. Während des Einparkens sah sie sich nervös nach allen Seiten um, als wäre ich ein Fahrschüler. Ich stellte den Motor ab.
»Also, du kannst mitkommen oder es bleiben lassen.«
Wir stiegen aus, standen uns gegenüber, das Autodach dazwischen, schauten uns an. Sie rührte sich nicht vom Fleck und ich verschloss den Wagen.
»Komm«, forderte ich sie auf, »etwas im Magen gibt Kraft für den nächsten Versuch.«
»Es ist ein Arschloch«, sagte sie, schüttelte den Kopf, dann gingen wir Richtung Platz, am Merzenich vorbei, über den Ring.
»Wo gehen wir hin?«, fragte sie.
»Zu Mama.«
»Zu Mama?«
»Eine Griechin, Alteburger Straße. Da gibt's den besten Gyros, einen Riesenteller, alles sehr günstig. Außerdem einen Fernseher und jede Menge Ruhe.«
Wir liefen den Ring runter, ich zündete eine Zigarette an, reichte sie ihr und nahm ebenfalls eine. Plötzlich blieb sie stehen.
»Wie heißt du eigentlich?«, wollte sie wissen.
»Heinrich.«
»Heinrich? Und weiter?«
»Konstantin.«
»Heinrich Konstantin … das klingt okay.«
»Und wie ist dein Name?«
»Claudia.«
»Also schön, Claudia. Lass uns was Festes einwerfen.«
Vor dem Eingang von Mama standen ein paar Leute und kämpften mit ihrer Pytta. Wir gingen hinein.
»Nabend.«
Die Griechin schmiss den Laden zusammen mit ihren zwei Töchtern. Sie war eine richtige Mama. Nichts und niemand machte ihr Angst oder konnte sie beeindrucken. Um die Vierzig, schon ein bisschen mollig geworden, herb, attraktiv und ein ungeheuer schnelles Mundwerk.
»Was kriegt ihr?«, fragte sie.
»Zwei Gyros mit allem Drum und Dran, zum hier essen, und zwei Rotwein.«
»Wird gemacht.«
Ich steuerte den hinten gelegenen Speiseraum an. Zwei Gäste, Männer, dem Äußeren nach vielleicht vom Johanneshaus. Insgesamt fünf Tische standen darin. Wir setzten uns an den hinteren. Gleich darauf kam eine der Töchter, stellte den Wein griffbereit, legte das Besteck vor uns hin und verschwand wieder.

Mein Blick wanderte vom Kühlschrank neben dem Durchgang, auf dem ein Fernseher thronte und RTL II zum Besten gab, zu Claudias Gesicht. In diesem Halbdunkel, das uns und alles andere erfasste, war dieses Gesicht eine Art leuchtende Fläche. Mir war nicht klar, ob es das Raumlicht verursachte oder das Leuchten aus ihrem Inneren kam. Vielleicht aus den Augen, die jetzt etwas offener wirkten, mit leicht veränderter Farbe.
»So, bitte, zwei Gyros mit allem Drum und Dran.«
»Vielen Dank.«
Mama hatte sich uns unbemerkt genähert, stellte die Teller ab und ging. Es duftete herrlich. Eine Gabel voll Fritten verschwand in Claudias Mund. Ihre Lippen waren gefurcht, rau, doch ungemein voll, die Unterlippe sogar noch ein wenig voller. Sie stoppte eine zweite Ladung Pommes auf halbem Weg.
»Hättest du mich wirklich springen lassen?«
Die Frage traf mich unvorbereitet.
»Was soll ich darauf antworten, Claudia? Keine Ahnung …«, ich war aus dem Konzept. »Es ist natürlich dein Leben … was hättest du getan?«
»Angehalten und versucht, dich davon abzubringen«, erklärte sie mit fester Stimme.
»Was jeder Mensch täte, nicht wahr? Alles rhetorische Fragen und Antworten. Die Situation zeigt, was passiert oder nicht.«
Sie nickte. Gedankenverloren, so war mein Eindruck. Ich gabelte das Gyros in mich rein.
»Wenn ich nun gesprungen wäre? Was hättest du getan?«, bohrte sie weiter, was mich ein wenig der Verzweiflung näher brachte, denn ich hielt Ehrlichkeit für sehr wichtig. Meine Antwort ließ auf sich warten und das tat Claudia. Offenbar ahnte sie, dass ich einen Schritt aus mir heraustreten müsste.
»Ich habe eine Heidenangst vor Wasser, zumal vor solch schnell fließenden, nicht sonderlich sauberen Flüssen«, gab ich zu. »Ob ich diese Angst hätte überwinden können …«, verlegen stocherte ich in meinem Fleisch herum, »… ich weiß nicht. Und ich bin heilfroh, dass es nicht so weit gekommen ist.«
Sie fixierte mich. »Du bist nicht cool«, stellte sie fest.
»Nein, natürlich nicht.«
»Tut mir leid, dass ich dich so beschimpft habe.«
Claudia trank den Rotwein halbleer, schüttelte sich kurz und aß weiter. Unsere Teller wurden leerer, wir schwiegen, kauten, tranken. Zumindest ich lauschte immer wieder den leeren Worthülsen aus dem Fernseher, die beiden Männer am vorderen Tisch schnarchten vor ihren leeren Bierflaschen.

»Ich möchte gehen«, sagte sie plötzlich.
»Ja, natürlich.«
Claudia drückte den Stuhl mit den Knien zurück und erhob sich. Ich griff nach dem Fünfziger in der Hosentasche, ging zügig hinaus an die Theke, bezahlte, inklusive ordentlichem Trinkgeld und verließ Mamas Gyros-Restaurant. Claudia folgte und stellte sich vor mich.
»Ich wollte nicht, dass du mich einlädst«, protestierte sie und zückte einen Zwanziger. Ich schüttelte den Kopf und bot ihr eine Zigarette.
»Na gut«, gab sie nach. »Wenn du schon Spendierhosen anhast … fährst du mich nach Hause?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ja. Warum nicht? Wohin geht es denn?«
»Gereonswall.«
»Gar kein Problem. Liegt im Prinzip auf meinem Weg.«
»Wo wohnst du?«, hakte sie neugierig nach.
»Stammstraße, in Ehrenfeld.«

Auf dem Weg zum Gereonswall rauchte sie die Luckys leer und redete kein Wort. Ich hörte Beatles, nahm die Nord-Süd-Fahrt, Turiner Straße und bog am Eigelstein ab. Wie verhext erwischte ich am Tor umgehend einen Parkplatz.
»Das muss an dir liegen«, feixte ich, »schon zum zweiten Mal heute einen Parkplatz. Du bringst Glück.«
»So?« Sie sah mich von der Seite an. »Das wüsste ich aber, dass ich Glück bringe.«
»Aussteigen. Ich hol mir drüben im Kiosk noch eine Stange Luckys.«
Wir stiegen aus, Claudia folgte mir wie ein herrenloses Hündchen. Ich blieb stehen und drehte mich um.
»Warum läufst du nicht neben mir? Bin ich zu schnell?«
»Nein, aber …«, sie schwieg.
»Meine Güte, das kann ich überhaupt nicht leiden, dauernd jemanden hinter mir zu haben, mit dem ich reden oder ihn ansehen möchte. Also …«
Ich ging weiter, bewusst langsamer. Mit schnellen Schritten schloss sie auf. Nebeneinander gehend bogen wir in den Gereonswall, querten ihn und verschwanden im Pützken, dem Kiosk am Eck. Ich orderte eine Stange Luckys und stellte erstaunt fest, dass es schon wieder eine Preiserhöhung gegeben hatte. Zähneknirschend legte ich 36 Mark auf den Tisch. Draußen starrte Claudia auf die Zigaretten. Ich riss die Stange auf und nahm fünf Päckchen raus.
«Halbe-halbe?«
»Okay. Danke.«
Sie griff sich die Zigaretten und sah mich an, unsicher, fast panisch. Mit einem Mal begann sie stark zu zittern.
»Du willst jetzt nach Hause?«, fragte sie zögerlich.
»Hatte ich vor«, bestätigte ich.
»Kann ich mit?«
Ich zog beide Augenbrauen hoch und atmete tief ein.

Es klackte vernehmlich, als ich in der Stammstraße die Wohnungstür öffnete. Claudia schlich hinter mir herein, vergaß die Tür zuzumachen, suchte schnurstracks die Toilette, fand sie und verschwand darin. Also Türe zu, Schuhe aus. Nichts auf dem Anrufbeantworter und der Briefkasten war freundlicherweise ebenso leer gewesen. Ich ging in die Küche, entkorkte eine Flasche Beaujolais, nahm die beiden einzigen Weingläser und setzte mich ins Wohnzimmer. Erst jetzt fiel mir auf, wie erschöpft ich eigentlich war. Beidhändig rieb ich ein paar Mal übers Gesicht. Dann schenkte ich die Gläser halbvoll und legte Zappa auf, Over-Nite Sensation. Es knisterte und Camarillo Brillo stürzte aus den Boxen. Claudia tauchte im Türrahmen auf.
»Gott, was ist denn das für schräge Musik?«
Sie bog um die große Couch herum, setzte sich gegenüber in den Sessel, und bevor ich antworten konnte, schnappte sie sich das Glas.
»Ist der für mich?«
Ich nickte.
»Das ist Frank Zappa«, erklärte ich und reichte ihr das Cover. Zappa-Cover sind in der Lage, zu verwirren. Sie legte es nach kurzer Betrachtung auf den Tisch.
»Hab ich schon mal irgendwo gehört. Ich dachte, der macht Schlager oder so was?«
»Jesus, Maria und Josef«, rutschte es mir heraus. Sie trank ihr Glas auf einen Zug leer und zündete sich eine Lucky an.
»Also keine Schlager«, deutete sie meinen Ausruf.
»Nein. Keine Schlager. Aber vielleicht nicht ganz die richtige Musik für dich. Was würdest du denn gerne hören? Mal sehen, vielleicht hab ich es ja?«
Sie drückte die Unterlippe vor und dachte nach.
»Vorhin im Auto hattest du Beatles auf der Kassette. Das gefällt mir.«
Ich erhob mich und ging zum Wandregal.
»Um Gottes Willen«, hörte ich ihren erstaunten Ausruf. »Das sehe ich ja jetzt erst. Sind das alles Platten?«
»Ja. Was möchtest du von den Beatles? Eher die frühen Jahre? Oder magst du lieber die späten Sachen hören?«
»Früher, später, ist mir egal.«
Ich drehte mich zu um und sah gerade noch ihren verlegenen Blick. Vielleicht fing ich am besten mit A Hard Days Night an. Vorsichtig schob ich Zappa in die Hülle und legte die vier Jungs aus Liverpool auf. Draußen rumpelte es plötzlich gehörig. Das Gewitter erreichte Köln.

Claudia stürzte den Wein in sich hinein, dass jedem Weinhändler das Herz aufgegangen wäre.
»Darf ich dich etwas fragen, Claudia?«
»Du willst wissen, warum ich jetzt hier bei dir sitze und nicht daheim?«
»So ungefähr …«
»Du fragst dich, ob ich dich nicht angelogen habe und gar nicht am Gereonswall wohne.«
Ich bewegte leicht den Kopf hin und her.
»Der Gedanke kam mir, ja.«
Sie sah mich an wie ein Metzger das noch unzerteilte Stück Fleisch vor sich.
»Mein Freund wohnt dort. Es ist seine Wohnung.«
Sie drehte ihren rechten Ohrring unentwegt mit dem Zeigefinger um einen imaginären Mittelpunkt.
»Okay. Du hast ne Beziehung. Ihr wohnt zusammen am Gereonswall. Aber du willst nicht mehr dort hin zurück.« Ich sah sie fragend an. »Richtig?«
»Ich kann nicht mehr dahin zurück.«
»Ihr habt euch verkracht?«
Sie zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette, die bis zum Filter abbrannte, drückte sie aus und stand auf. Sah mich fest an. Ich ahnte, was käme.
»Claudia! Warte …«
Mit einer schnellen Bewegung zog sie Pullover und Trägershirt aus, riss sich den BH runter und drehte sich um. Ich wollte von der Couch aufspringen, verharrte aber mitten in der Bewegung. Träge fiel ich zurück. Ihr Rücken sah aus wie der von Kirk Douglas in Spartacus. Striemen, hellrote, rosafarbene, teils offene Striche. Blaue Flecken dazwischen. Ich starrte auf diesen Rücken und ebenso schnell zog sie die Hose und Unterhose aus, Blutergüsse auf Hüfte und Hintern kamen zum Vorschein. In allen Farben schillernd. Es nahm mir den Atem. Meine Kehle schnürte sich zu. Ich rannte ins Bad.

Mit meinem blauen Bademantel kehrte ich zurück. Claudia saß in Unterhose auf dem Sessel, zog an der nächsten Zigarette und starrte an die Decke.
»Bitte! Zieh den Bademantel über!«
Ich drehte mich weg und sie nahm ihn mir ab.
»Ich kann nicht zurück. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja«, krächzte ich mit geschlossenen Augen.
»Du kannst dich umdrehen, Heinrich.«
Ich holte tief Luft und setzte mich auf die Couch. Bis zum Ende der Platte sagten wir nichts. Als der Tonarm in Ruhestellung fuhr und es klickte, stand sie auf, ging die paar Schritte zum Wandregal und stöberte in den Platten, zog Cream heraus und drehte sich um.
»Ich bin schwanger«, offenbarte sie mir tonlos.
»Was? Schwanger?!«
»Ja.«
»Aber … du wolltest euch beide töten?«
Mein Blick fixierte einen Kalenderdruck von Dalis zerrinnender Zeit an der Wand gegenüber. Ein wundervolles Gemälde. Dann spürte ich ihre Hand auf meiner Schulter.
»Kann ich nicht hier bleiben? Ich hab keine Ahnung, wo ich hin soll.«

Mit quietschenden Rollen schob ich das Gästeklappbett in mein Büro, drückte die Hälften auseinander und bezog es.
»Du musst nicht hier schlafen. Ich kann hier schlafen«, meinte sie, im Türrahmen stehend.
»Schon gut. Ich muss noch ein wenig arbeiten und kann dann gleich hier pennen, ohne dich zu stören.«
»Okay.«
Sie verschwand im Badezimmer. Völlig erschöpft ließ ich mich auf den Bürostuhl fallen. Was sollte ich bloß mit Claudia machen? Wegen mir könnte sie in meinem Schlafzimmer in Untermiete wohnen. Dem Vermieter wäre eine Freundin-Story ohne Probleme aufzutischen. Mietvertrag erweitern, ein wenig mehr Geld. Alles nichts, über was man sich Sorgen machen musste. Aber da war noch ihr Typ, der Vater des Kindes. Ich an seiner Stelle gäbe dieses Kind samt Mutter nicht so ohne weiteres auf. Und Köln ist zwar eine Großstadt, aber im Herzen ein Dorf. Wenn der Typ suchte, würde er sie finden.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich ein mehrfaches Blitzen vor dem Fenster, gleich darauf der Donner. Dann erschien Claudia wieder im Türrahmen
»Ich habe deine Zahnbürste genommen, weil ich keine andere gefunden habe. Ist das schlimm?«
»Nein«, schüttelte ich den Kopf. »Ist völlig okay. Morgen besorg ich Dir ein paar Sachen zum Anziehen und was man so fürs Bad braucht.«
Mir kam ein Gedanke.
»Hast du am Gereonswall noch wichtige Papiere? Etwas, was mit deinem Baby zu tun hat? Versicherungen? Deine Geburtsurkunde und so?«
Sie nickte.
»Wir werden das besorgen müssen. Was macht dein Typ denn so arbeitsmäßig?«
»Der ist bei der Feuerwehr.«
»Feuerwehr? Berufsfeuerwehr Köln? Auf welcher Wache?«
»Feuerwache zwei, am Militärring in Marienburg.«
»Hm …«, ich überlegte. »Feuerwehr heißt Nachtdienst, Tagdienst, nicht wahr?«
»Ja, klar. Warum?«
»Hast du einen Schlüssel zu der Wohnung?«
»In meiner Hose.«
»Hast du seinen Dienstplan im Kopf?«
»Ja, natürlich.«
Ich lächelte sie an.
»Sehr gut.«

Mein Blick fiel auf den kleinen Wecker rechts vom Monitor. Schon halb eins. Wie nebenbei registrierte ich durch das gekippte Fenster den gleichmäßigen Dauerregen. Claudia schlief hoffentlich und ich konnte mich noch ein wenig meiner Arbeit widmen. Vor zwei Wochen schmiss ich meinen alten Rechner weg und war nun stolzer Besitzer eines 386er. Damit lektorierte ich Texte. Allerlei, vom Roman zum Fachbuch. Aber es gelang mir heute nicht, mich zu konzentrieren. Was sollte ich mit Claudia tun? Ich stand auf, um nach ihr zu sehen. Langsam öffnete ich die Schlafzimmertür und spähte ins Zimmer. Das Lämpchen auf dem Schränkchen warf ein dunkelgelbes Licht auf das Bett. Mein Bademantel lag zusammen geknüllt davor, Claudia auf dem Bauch, die Decke bis zum Hals gezogen. Und da lag noch jemand. Drei Monate alt oder was hatte sie gesagt? Ein kleines Menschlein. Schon jetzt gefangen in Furcht und Bitterkeit. Ich schloss die Tür und schlurfte müde in die Küche. Ich entdeckte den Gedanken wieder, den ich vorhin hatte. Der Kerl hatte weder ihren Hals, das Gesicht noch die Beine malträtiert. Das wäre ja sichtbar gewesen. Ich nahm an, dass durchaus Besuch in deren Wohnung kam, Kaffee trinken, Kumpels. Da wäre es unpassend gewesen. Aber warum hatte sie das überhaupt so lange mitgemacht? Und wie lange war eigentlich „lang mitgemacht“? Ich schüttelte den Kopf und legte mich aufs Gästebett.

Als ich vom Bäcker kam, saß Claudia im Bademantel in der Küche an einem fertig gedeckten Tisch.
»Guten Morgen, ihr beiden«, lächelte ich sie an. »Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen?«
Sie nickte nur wortlos, ohne mich anzusehen. Als ich hinter ihr vorbei ging, um die Brötchen auf die Ablage unter dem Fenster zu legen, die Tüte raschelte, ich mich unbewusst räusperte, zuckte sie zusammen, rutschte vom Stuhl und kauerte sich wimmernd auf dem Küchenboden zusammen. Ich stand starr und sah fassungslos zu ihr hinunter. Die Arme vor dem Gesicht gekreuzt. Mein Herz raste, pochte wie wild. Schnell legte ich die Brötchen weg und rutschte am Küchenschrank hinab, saß einen Meter von ihr entfernt auf dem Küchenboden und fing an zu reden.

»Ich bin es nur, Heinrich. Ich hab Brötchen geholt für uns. Für dich und mich. Und da ich nicht wusste, was du so magst, hab ich der Verkäuferin gesagt, sie solle von jeder Sorte eins einpacken. Stell dir vor, jetzt haben wir sechzehn Brötchen.«
Claudia zitterte, der Bademantel war hochgerutscht und ich sah die Beine. Fleckenfrei. Gott, was ein Arschloch. So konnte er sie mit ins Kino nehmen, blau geschlagen, die wunderhübschen Waden passten gut in einen Rock. Ich hasste ihn schon jetzt.
»Ich hab mir gedacht, wir gehen nach dem Frühstück rüber in die Venloer Straße und machen mal so einen richtigen Einkaufsbummel. Klamotten ohne Ende, bisschen Waschzeug, eine Tasche, kleiner Rucksack und so. Warst du schon mal in der Venloer? Da gibt es alles.«
Ich stand auf und setzte mich an den Tisch.
»Und jetzt komm, Claudia. Ich bin es nur, Heinrich. Du bist hier in Sicherheit. Nichts und niemand wird dir etwas tun …«
Das Telefon klingelte.
»Bin gleich wieder da.«
Ich lief in den Flur und hob den Hörer ab.
»Konstantin? Ah, Servus! Wie isset? Auch gut, danke. Ja, hab ich, dreieinhalb Zoll Diskettenlaufwerk, kein Problem. Und bis wann soll das fertig sein? Sechs Wochen? Ist okay. Falls ich länger brauche, melde ich mich.«
Ich legte auf und ging zurück in die Küche. Claudia saß am Tisch.
»Ich hab deine Kaffeemaschine gefunden, aber keine Ahnung, wie das Ding funktioniert«, meinte sie trocken. Keine Bemerkung über ihren Zusammenbruch. Als wäre es nicht geschehen.
»Kein Problem. Ich mach dir einen.«

Es war eine Gaggia Classic, die ich mal in Mailand günstig erstanden hatte.
»Möchtest du ihn stark oder noch stärker?«
»Stark, bitte.«
»Wie wäre es mit einem Milchkaffee? Ich tu den Espresso in eine Schale und gieße aufgeschäumte Milch darüber.«
Sie nickte.
Sorgfältig bereitete ich den Milchkaffee zu. Hinter mir klickte ein Feuerzeug.
»Claudia?«
»Hm?«
»Bitte versteh mich nicht falsch, aber dein Zigarettenkonsum und wie du den Wein gestern gekippt hast … ich meine … du wirst Mama, und …«
Es war ein Fehler. Sie begann zu schluchzen, ihr Teller klapperte. Ich stellte den Milchkaffee beiseite und drehte mich um. Ein Ellenbogen auf dem Tisch, den anderen auf dem Teller, verbarg sie das Gesicht in den Händen, die Zigarette gefährlich nahe an ihren Haaren. Ich beugte mich rüber, nahm ihr die Lucky weg. Am liebsten hätte ich sie in die Arme genommen, aber das traute ich mich nicht. Ich zog einmal kräftig an der Kippe, dann drückte ich sie aus. Claudia stand auf und verließ die Küche. Ich hörte die Couch ein wenig knarzen im Wohnzimmer. Entschlossen schnappte ich den Milchkaffee und ging ihr nach.

Da saß ich nun, vor der Couch auf dem Boden und versuchte auf dem Dali etwas Neues zu entdecken. Claudia lag ausgestreckt auf den Polstern, ein Kissen auf ihrem Bauch haltend. Der Milchkaffee wurde kalt. Ich trank einen Schluck und fand, dass er ziemlich gelungen war.
»Claudia. Jetzt hör mal zu. Spitz die Ohren, ich habe einen Plan.«
Ich drehte meinen Kopf zu ihr, versuchte ihren Blick einzufangen. Sie musterte mich mit wässrigen Augen.
»Mh?«
»Heute Nacht konnte ich sowieso nicht arbeiten, dazu war ich zu aufgewühlt. Also hatte ich Zeit zu überlegen. Und das hab ich getan. Ich denke, dass ich eine gute Idee habe.« Ich drehte mich vollends und ging auf die Knie. So dicht vor ihr, dass mir ihr angenehmer Geruch in die Nase stieg. »Ich habe einen Freund in der Bretagne. Robert. Angefangen hat es mit einer Brieffreundschaft in der achten Klasse. Nach seinem Militärdienst hat er eine Schreinerlehre gemacht, eine Gärtnerlehre dran gehängt, geheiratet, und dann ziemlich günstig einen verlassenen, heruntergekommenen Bauernhof in der Bretagne gekauft. Inzwischen haben die beiden zwei Kinder und nehmen immer andere Kinder aus sozial schwachen Familien aus Paris auf. Meistens wohnen bei ihm drei oder vier. Er bekommt ein wenig Kohle vom Staat, bringt sie wieder in die Spur, sie gehen dort zur Schule, und alle zusammen bewirtschaften den Hof.«
Ich machte eine Pause und lächelte Claudia an, die mir aufmerksam zuhörte.
»Es ist wunderschön dort. Unweit von Quimper, fast am Atlantik. Und jetzt mein Plan: Ich rufe Robert an und frage, ob du bei ihm wohnen kannst. In der Zeit deiner Schwangerschaft. Du kannst sogar dein Kind dort bekommen, denn Jeanne, Roberts Frau, ist Hebamme. Das ist nahezu perfekt. Dort wird dich niemals jemand finden, und schon mal gar nicht …«, ich stockte, «… du weißt schon.«
Claudia musterte mich mit unruhigen Pupillen, als würde sie meinen Kopf bis ins letzte Detail erfassen wollen.
»Ich … wie soll ich denn das bezahlen? Essen, Unterkunft … ich hab nichts.«
»Doch. Du hast dann mich, Robert, Jeanne und es«, ich deutete auf ihren Bauch. »Und das ist viel. Das wird deine kleine Familie sein. Wie du schon sagtest: Du hast nichts. Vor allem nicht hier. Dort hast du Wärme, Frieden, Geborgenheit. Hier nur Angst. Egal wo du dich bewegst, du wirst dich immer umsehen, ob er nicht irgendwo hinter dir ist. Oder?«
Mit Schwung presste sie sich das Kissen aufs Gesicht und schluchzte hinein. Ich ließ sie eine Zeitlang in Ruhe, dann legte ich meine Hand an ihren Kopf und kraulte sie vorsichtig.
»Sei mutig!. Es wird nichts Schlimmes passieren. Dort kannst du leben, frei sein. Und dort kannst du dein Kleines zur Welt bringen. Wir kaufen nachher alles Wichtige, ich rufe Robert an, dann fahren wir los.«
Nach einiger Zeit nahm ich ihr vorsichtig das Kissen weg.
»Nicht, dass du noch daran erstickst. Dann könntest du nicht den Atlantik sehen und Roberts Bauernhof, mit seinen Ziegen, Schafen, drei Milchkühen, den lästigen Hühnern und einem störrischen Esel.«
Claudia drückte ein Lachen durch ihre Tränen. Ich zog die Hand von ihrem Kopf.
»Mach weiter, bitte.«
Ich schluckte einen Kloß hinunter, nickte und strich durch ihre Haare.
»Kann ich dort auf dem Hof arbeiten?«
»Aber natürlich. Melken, Eier einsammeln, Kartoffeln hacken und ernten, bestimmt alles, was du willst und kannst. Vielleicht sogar Robert helfen, die Kinder wieder zu Kindern zu machen, damit sie keine Scheusale werden.«
Claudia blickte zur Decke. Raufaser, weiß mit Nikotinanteilen.
»Also gut. Ich bin einverstanden.«
Sie kam hoch und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Dann stand sie auf und ging ins Bad.

»Heinrich?«
»Ja?«
»Ich habe kein Geld. Das weißt du, oder?«
Wir standen in der Venloer Straße und ich lugte gerade auf den Zettel, den wir gemeinsam geschrieben haben. Claudia zog an einer Lucky und erntete einen bösen Blick von mir.
»Okay«, seufzte sie und schmiss die Kippe auf den Boden.
»Natürlich hast du kein Geld. Mach dir da mal keine Gedanken drum. Ich verdiene genug mit meinem Job und gebe es sowieso nicht aus, außer für Schallplatten oder scheißteure Computer. Ich fahre nie in Urlaub, außer mal ein paar Tage zu Robert. Ich hab keine Freundin, muss keinen Unterhalt zahlen, die Wohnung ist billig. Was soll ich also mit dem Geld machen? Ist nur Geld, mehr nicht. Und jetzt gehen wir hier rein.«
Es war irgendein Kleiderladen für die junge Frau von heute. Uninteressant für mich, aber Claudia gingen die Augen über. Dementsprechend dezimierten wir den Bargeldbetrag in meinem Geldbeutel. Ich riet ihr, einige warme Kleider zu kaufen, denn der Atlantik war nicht der wärmste Kamerad und seine Winde meist kühl. Und ich war glücklicher Besitzer eines Kombis, Opel Kommodore, von einem alten Herren direkt aus der Garage heraus gekauft. Nach vier Stunden war der Kofferraum voll.
»Wahnsinn«, sagte ich und nahm Claudia die Lucky weg, bevor sie sie anzünden konnte.
»Wir machen einen Deal, Claudia. Du hörst auf zu rauchen und ich höre ebenfalls auf zu rauchen, solidarisch. Das ist fair. Und wenn dein …«, ich stupste sie mit dem Finger auf ihren Bauch, »Baby kommt, dann wird das Verlangen hoffentlich weg sein.«
»Ich kann dich aber nicht kontrollieren, wenn du wieder hier bist und ich am Ende der Welt.«
»Ich verspreche es dir. Ganz einfach.«
Für eine kleine Ewigkeit haftete ihr Blick fest auf mir und ich erlaubte mir, ihre Schönheit zu akzeptieren. Dann nickte sie.
»Okay. Ich glaube dir.«

Als ich bei Robert anrief, traf ich mitten in ein Wespennest. Stimmengewirr. Jemand verlangte nach abgekochtem Wasser im Hintergrund. Robert erklärte nicht mir, sondern irgendwem, wo die neuen Strohballen lagen.
»Robert? Allô! Robert!«
»Gueule!«
»Qu'est-ce que ...?«, rief ich überrascht.
»C’est bougrement difficile … putain!«
Ich nahm den Hörer vom Ohr und sah kurz in die Küche. Claudia wühlte in ihren neuen Kleidern. Entschlossen hielt ich die Muschel vor meinen Mund.
»Robert! Ich bin es! Heinrich! Henry! Verdammt!«
Kurze Stille im Lautsprecher, Stimmen aus dem Off.
»Einrisch?«
»Oui, mon ami.«
»Entschuldige. Hier geht es drunter und drüber! Was gibt es denn?«
»Ich habe hier jemand der Hilfe braucht. Wirkliche Hilfe. Der muss hier weg.«
»Okay. Einfach her bringen.«
Im Hintergrund hörte ich eine laute Stimme nach Robert schreien.
»Einrisch, ich muss auflegen. Die Kuh kalbt, aber es will nicht so recht klappen. Komm einfach her.«
Er legte auf und ich starrte noch einige Sekunden auf den Hörer.
»Also dann los«, sagte ich zum Telefon.
Claudia stand plötzlich hinter mir. Vorsichtig legte sie ihre Hand um meine Hüfte. Ich zuckte ein wenig zusammen.
»Was war denn da los?«
»Roberts Kuh kalbt. Es ist hektisch. Er meinte: Einfach herkommen.«
Ich grinste sie an.
»Hat dein … du weißt schon … nicht zufällig Tagdienst?«

Claudias Jetzt-Ex hieß Wolfram. Ein schrecklicher Name, wie ich fand. Laut ihrer Aussage begann sein Dienst um 19 Uhr. Wir fuhren mit Fernglas zum Marienburger Golf-Club, tranken einen Kaffee im Klubhaus, dann gingen wir spazieren und schlugen uns gegenüber der Feuerwache in das Wäldchen. Ich reichte ihr die Optik.
»Es ist jetzt kurz vor sieben. Wenn du ihn siehst, gib Bescheid.«
Wir warteten. Während ich mir vorkam wie in einem schlechten Agentenfilm, stierte Claudia fast regungslos in die Linsen. Ab und zu drehte sie sich ein wenig, um die Wache komplett abzusuchen. Kurz vor sieben kamen einige Privatfahrzeuge, andere fuhren weg. Dann plötzlich setzte sie das Glas ab und sah mich an. Sie schloss ihre Augen und drehte sich um. Schnell nahm ich ihr das Fernglas aus der Hand und sah hindurch. Ein dunkelhaariger Mann ging schnell auf das Verwaltungsgebäude zwischen den beiden Fahrzeughallen zu, zog die Tür auf und verschwand darin.
»War er das?«, flüsterte ich. Sie zitterte und hielt sich die Hände vors Gesicht. Offenbar war er es. »Ganz ruhig, Claudia. Er wird uns hier nicht sehen. Zu viele Äste, Blätter, Unterholz. Wir warten jetzt noch eine halbe Stunde, um uns zu vergewissern, dass er nicht nur eine Krankmeldung vorbei bringt. Dann fahren wir in den Gereonswall. Okay?«
Sie nickte, das Gesicht immer noch hinter den Händen verborgen.

Kurz nach halb neun parkte ich im Gereonswall, knappe siebzig Meter vor dem Wohnhaus, nachdem wir zwei Mal hoch und runter fuhren, um zu kontrollieren, ob sein Auto tatsächlich nicht hier stand. Claudia gab mir den Schlüssel, einen Zettel mit einer Liste und einer Beschreibung, wo ich was fände. Ich schärfte ihr ein, sofort zum Kiosk zu laufen, falls etwas schief ginge, dort die Polizei zu rufen oder rufen zu lassen. Sie war ein Häufchen Elend auf dem Beifahrersitz, umfasste mit beiden Händen die Oberschenkel und zitterte wie Espenlaub.
»Claudia, sieh mich bitte an.«
Es kostete sie sichtlich Kraft, ihren Kopf zu drehen.
»Alles wird gut. Ich bin nicht lange dort drin. Und sieh mich an, Einsneunzig und jahrelang Leistungssport …«
»Du kennst ihn nicht«, warnte sie mich leise. Ich nickte ihr zu und stieg aus. Hoffentlich hielt sie das durch. An der Haustür angelangt, schloss ich auf, ging zügig in den ersten Stock und öffnete ohne Zögern die Wohnungstür. Ich rechnete mit Problemen, aber alles war ruhig. Nach einem kurzen Blick in jeden Raum war ich dankbar um Claudias sehr gute Beschreibung, denn zwischen einer Müllhalde und dem Zustand hier gab es keinen nennenswerten Unterschied. Im Raum, den man als Wohnzimmer bezeichnen konnte, entdeckte ich hinter Vitrinentüren drei Ordner, auf einem stand Claudia. Ich nahm ihn an mich, zog die oberen Schubladen auf und entdeckte den Reisepass, steckte ihn ein und schon war ich fertig. Als ich in den Flur trat, fiel mir im Augenwinkel ein kleines Foto auf, das in einem geschmacklosen Metallrahmen steckte. Zwei Mädchen waren darauf, im Hintergrund ein Mann mit schütterem Haar, der an einem Motorrad schraubte. Vielleicht Claudia, dachte ich und steckte es ein. Ich überlegte, ob ich den Schlüssel hier lassen sollte, entschied mich aber dagegen. So schnell wie ich gekommen war, verdünnisierte ich mich.

Kurz vor zehn passierten wir die belgische Grenze hinter Aachen. Claudia hatte sich den Sitz ganz zurückgestellt und die Lehne flach gedreht. Sie schlief auf der Seite, zugedeckt mit meinem Schlafsack, den ich ihr mitgab. Ich sah immer wieder auf ihr Profil. Das fein gezeichnete Ohr, die hochgesteckten Haare … eine Schönheit. Nach Lüttich steuerte ich in eine Raststätte, tankte, besorgte Cola zum Wachbleiben, ein paar belegte Brötchen und ging aufs Klo. Dann fuhren wir weiter. Claudia schlief wie ein Murmeltier. Vielleicht musste sie Jahre an Schlaf nachholen, an Frieden und Ruhe. Für sich und dieses kleine Menschlein in ihr.

Belgien flog im Nu an uns vorbei und um halb zwölf fädelte ich mich schon in den PKW-Streifen an der französischen Grenze ein. Die Grenzer warfen einen müden Blick in den Wagen und winkten uns durch. Frankreich war erreicht. Als wir die Somme überquerten, streckte Claudia sich, hob den Kopf und lugte aus der Seitenscheibe. Aber außer Frankreich bei Nacht gab es nichts zu sehen. Ein paar LKWs, zwei oder drei andere Autos, mehr war nicht los.
»Wo sind wir?«
»Gerade haben wir die Somme überquert. Gleich kommt ein Autobahnkreuz. Dort biegen wir ab Richtung Amiens.«
Sie gähnte ausgiebig.
»Das sagt mir alles gar nichts. Ich war noch nie in Frankreich, und Erdkunde hab ich wohl verschlafen.«
»Kein Problem. Wir sind etwa 130 Kilometer nördlich von Paris. Wenn wir jetzt abbiegen …«, ich setzte den Blinker, »dann fahren wir exakt in westlicher Richtung auf den Ärmelkanal zu. Zunächst mal Richtung Le Havre.«
»Hm«, sie kratzte sich am Kinn. »Le Havre hab ich schon mal gehört.«
»Nördliche Normandie. Das Département heißt Haute-Normandie.«
»Aha. Was du so alles weißt. Aber Normandie kenne ich auch. Da kommt der Camembert her.«
Ich grinste in die Dunkelheit.
»Genau.«
Ich spürte ihre Hand auf meinem rechten Arm.
»Kannst du denn überhaupt noch fahren?«
»Null Problemo. Wirklich. Wenn ich im Auto sitze, vor allem nachts, und solche Strecken fahren kann, dann fühle ich mich gut. Auf der Straße, unterwegs sein, 1.000 Kilometer, das ist genau mein Fall.«
»Tatsächlich? Ich bin mit dem Idioten bestenfalls nach Bad Münstereifel zum Minigolf gefahren. Da konnte er sicher sein, dass nur alte Knacker seine hübsche Freundin musterten.«
»Er war eifersüchtig?«
»Eifersucht ist ein zu milder Begriff. Ab und zu kamen ein paar seiner Feuerwehr-Kumpels, und die Anweisungen für mich lauteten zum einen schön aussehen, zum anderen Bier und Knabberzeug auf den Tisch stellen und wieder abräumen. Und wenn sie alles leer gesoffen und gefressen hatten, begann der zweite Teil meines Jobs, nämlich abräumen und spülen, sauber machen. Dann stand er meist hinter mir und redete über seine Kumpels und dass doch dieser und jener mir schöne Augen gemacht hätte …«, ihre Stimme versiegte, sie atmete schwer ein und aus, »… und dann ging es los.«
Ich fragte nicht, was dann los ging.
»Das ist jetzt vorbei, Claudia. Für immer.«
»Macht es dir was aus, wenn ich noch ein wenig schlafe? Ich bin so müde wie schon lange nicht mehr.«
»Nein. Schlaf ruhig.«
Sie kuschelte sich wieder unter den Schlafsack und ich sah gerade noch den Hinweis auf Amiens und die nächste Abzweigung.

Es ging über die Seine, die Stadtautobahn von Rouen, weiter Richtung Caen. Nicht mehr lange, und ich würde mit Claudia einen Blick auf den Atlantik wagen, hinaus nach Westen, der Nacht hinterher. An einem Parkplatz fuhr ich kurz raus, um zu pinkeln und ein wenig zu essen. Mich verlangte nach einer Zigarette oder besser gleich drei auf einmal. Aber versprochen war versprochen. Ich streckte mich, lief ein paar Runden um das Auto, dann startete ich wieder durch. Caen, Avranches, Rennes kam schnell näher. Dort hatten die Franzosen beschlossen, das Ende der Autobahn zu setzen. Die Bretagne war autobahnfrei. Ein paar gut ausgebaute Nationalstraßen machten das wett. Ich nahm die N24 über Ploërmel und Lorient. Mein Ziel war, mit Claudia den Morgen am Pointe du Raz zu beginnen. Ich drückte aufs Gaspedal und hatte den Eindruck, durch die französische Nacht zu fliegen.

Es war 6 Uhr 35, als ich durch Lescoff fuhr und auf dem großen Parkplatz hielt. So leise wie möglich schloss ich die Autotür, gähnte und streckte mich ausgiebigst. Dann holte ich von der Rückbank die restlichen belegten Brötchen und zwei Dosen Cola. Jetzt fühlte ich mich doch recht benommen, aber als ich Claudia aus dem Wagen kriechen sah, ging es mir gleich besser. Sie kratzte sich am Kopf und wäre beinahe über den Schlafsack gefallen.
»Ach Gott, ist das kalt hier. Wo sind wir denn jetzt? Noch nicht bald da?«
»Doch. Wir sind da. Am Pointe du Raz, dem westlichsten Punkt Frankreichs. Darf ich dich zu einem kurzen Spaziergang einladen?«
»Erst muss ich mir ein paar warme Klamotten überziehen.«
Sie holte sich Pullover, Schal, dicke Jacke, Stricksocken und warme Schuhe aus der großen Reisetasche, zog alles an und über und stellte sich vor mich.
»Wir können gehen.«
»Prima.«
»Wie weit ist es?«
»Paar hundert Meter. Ich nehme die Brötchen und zwei Cola mit. Was anderes haben wir jetzt grad nicht da. Ist das okay?«
»Ja, natürlich.«
»Und würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Welchen?«
»Schließ deine Augen. Ich führe dich.«
Sie nickte, schloss ihre Augen und wickelte den Baumwollschal um ihren Kopf.
»Jetzt sehe ich nichts mehr.«
»Sehr gut.«

Der Weg war gut, wir marschierten nicht zu schnell. Claudia hatte sich bei mir untergehakt. Als wir am Gebäude anlangten, umrundeten wir es und legten die letzten Meter bis zum Ende des ausgebauten Weges zurück.
»Halt. Wir sind da, aber noch nicht die Augen aufmachen. Erst will ich wissen, was du hörst.«
»Das ist ziemlich laut hier. Ich tippe auf Wellen.«
»Warst du schon mal am Meer?«
»Als Kind, einmal.«
»Also dann, willkommen am Atlantik.«
Claudia riss sich den Schal vom Kopf, erstarrte mitten in der Bewegung. Ob ihr Blick irgendwo nach vorne auf einen Punkt im Atlantik zielte oder eher tief in ihr Inneres, war mir unklar. Eher tief in ihr Inneres. Der Wind zog und zerrte an ihr. Weit im Westen war die verschwindende Nacht zu sehen. Ich stellte mich hinter sie und drehte ihre Schultern eine Vierteldrehung nach rechts.
»Dort drüben ist Irland. Etwa 500 Kilometer von hier, und dort …«, eine Vierteldrehung zurück, »… ist Amerika. Ein wenig mehr als 5.000 Kilometer.«
Eine Bö kam angefegt und hätte sie fast umgerissen. Ich hielt sie fest an mich gedrückt.
»Riechst du das, Claudia?«, flüsterte ich in ihr Ohr.
Sie drehte den Kopf zu mir. Tränen liefen über ihre Wangen.
»Das Meer?«
»Nein. Freiheit. Hier riecht es nach Freiheit.«

Sie umarmte mich so schnell, dass ich beinahe ein Opfer der nächsten Bö geworden wäre, zusammen mit ihr. Ich spürte ihr Schluchzen gegen meinem Pullover. Mit den Händen schützte ich ihren Kopf vor dem Wind, der meine Tränen aus den Augen trieb. Zehn, fünfzehn Minuten, standen wir dort und rührten uns nicht. Dann rollte eine Welle aus Müdigkeit durch meinen übernächtigten Körper.
»Ich bin müde. Lass uns zum Auto gehen und dort essen. Dann fahren wir zu Robert. Einverstanden?«
Claudia löste sich von mir und sah hoch. Mein Pullover war vollkommen durchnässt von ihren Tränen.
»Ich hoffe, das sind nur Tränen und nicht …«, ich deutete auf ihre Nase.
»Garantieren kann ich es nicht«, grinste sie.
Sie schnappte sich meine Hand und zog mich mit sich.
»Ich habe Hunger«, sagte sie bestimmt.
Als wir beim Auto ankamen, durchbrach die Sonne die Wolkenbänke im Osten. Wir setzten uns, aßen, nein, wir schlangen die belegten Brötchen hinunter, weich wie sie nach 800 Kilometern im Cellophan nun waren. Dazu eine angenehm warm temperierte Cola.
»Claudia?«
»Ja?«
Ich zog aus dem Fach in der Fahrertür das Foto aus der Wohnung.
»Ich kam nicht an dem Foto hier vorbei, ohne es mitzunehmen. Bist du eines der beiden Mädchen?«
Sie hörte auf zu kauen und starrte auf das Foto. Langsam stellte sie die Cola auf die Ablage und griff mit zittrigen Fingern nach dem Metallrahmen. Mit der anderen Hand zeigte sie auf das linke Mädchen.
»Das bin ich. Das rechts meine Schwester.«
»Und der Mann?«
»Unser Vater.«
Ihre Stimme plötzlich wie ausgehöhlt. Leer. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen.
»Hätte ich das nicht von der Wand nehmen sollen?«
»Schon gut«, beruhigte sie mich. »Ich …«
»Komm, lass uns fahren.«
»Ja …«

Keine zwanzig Minuten später knirschte der Kies unter unseren Reifen, den Robert auf der ganzen Hoffläche in einer dicken Schicht verteilt hatte. Ich stellte den Motor ab und stieg aus. Das erste was ich roch, waren Hühner. Ich konnte Hühner nicht ausstehen. Weiß der Teufel, warum nicht. Robert tauchte in der Tür des Stalls auf, kniff kurz die Augen zusammen und legte dann einen beeindruckenden Spurt hin. Er fiel mir um den Hals und drückte mich gegen den Kommodore.
»Einrisch! Einrisch! Endlich sehe ich dich mal wieder!«
Bevor ich etwas erwidern konnte, ließ er mich los und rannte um das Auto herum.
»Wo ist der Besuch?«
Robert öffnete die Beifahrertür, sah Claudia und ging ein Stück zurück.
»Oh, une beauté allemagne! Magnifique! Soyez le bienvenu, Madame!«
Robert griff nach Claudias Hand und zog sie mit einem Handkuss aus dem Wagen. Ich seufzte. Die Haustür öffnete sich und Jeanne trat heraus, ein Handtuch in ihren Händen. Jeanne war eine herbe, raue Schönheit, mit braunem, windgegerbtem Gesicht. Sie bedachte Robert mit einer Latte französischer Flüche, wie mit einem Maschinengewehr gesprochen. Ich grinste bis über beide Ohren. Dann kam sie her und schlug Robert das Handtuch um die Ohren.
»Geh die Kühe melken, Clochard!«
Robert lief augenzwinkernd an mir vorbei.
»Bin gleich fertig, Eeinrisch!«
Jeanne stellte sich neben Claudia, lächelte sie entwaffnend an und umarmte sie.
»Willkommen auf unserem Hof. Ich bin Jeanne. Und du bist?«
»Claudia.«
»Claudia … was für ein schöner Name. Kommt rein. Ich habe einen Milchkaffee für euch und einen reifen Camembert.«

Jeanne teilte den Käse in zwei Hälften, legte Baguettes dazu und stellte jedem eine Schale Milchkaffee vor die Nase. Sie setzte sich gegenüber, als die Tür zum Flur aufging und zwei Mädchen in die Küche traten. Sie kicherten und redeten, sahen uns und blieben wie angewurzelt stehen. Jeanne erklärte, wer wir waren und woher wir kamen. Claudia schlürfte den Milchkaffee und sah mich über den Schüsselrand hinweg an.
»Die beiden heißen Isabelle und Monique«, erklärte ich ihr.
»Sie machen sich fertig für die Schule. In zehn Minuten kommt der Schulbus und holt die Kinder von den Höfen hier draußen«, setzte Jeanne nach.
Ich leerte meinen Milchkaffee.
»Jeanne, ich muss ins Bett. Meine Batterien sind leer. Soll ich im Gästezimmer schlafen?«
»Oui, ja, leg dich ins Gästezimmer. Claudia und ich werden zurechtkommen.«
»Ist das okay, Claudia?«
»Mach dir um mich keine Sorgen, Heinrich.«
»Dann gute Nacht.«

Ich träumte auf eine Menge wirres Zeug; und alles auf Französisch. Wo war ich? In einem zähen Schlamm, der mich nur ungern ins Aufwachen entließ. Eine alte, ehemals weiß gekalkte Decke über mir, dunkle Holzbalken in regelmäßigen Abständen, und im Eck eine mittelgroße Spinne. Ich fuhr hoch. Wie ein Blitz war ich aus dem Bett und stand auf einem verblichenen Bettvorleger, das kleine Fenster mit dem brüchigen Windkreuz vor mir. Frankreich. Bretagne, in Roberts Gästezimmer und das nächste Mal würde ich im Auto übernachten. Ich sah hoch zu der Spinne, die sich von meinen Aktionen nicht beeindrucken ließ. Ich hasste Spinnen. Mehr noch als Hühner. Noch benommen stieg ich in meine Hose, zog Hemd und Pullover über und machte das Bett ordentlich, so wie ich es vorgefunden hatte, mit einem Auge auf der Spinne. Dann ging ich die schmale Stiege runter.

Isabelle und Monique saßen am großen Tisch in der Küche und schälten Kartoffeln. Ein kleiner Junge, fünf oder sechs vielleicht, bearbeitete mit einem Holzschraubendreher eine alte Lokomotive.
»Tschutschutschu«, kam es aus seinem Mund.
»Salut, mes chères enfants.«
Erschrocken fuhr der Kleine herum, sah mich, krabbelte sofort unter dem Tisch durch und quetschte sich zwischen Isabelle und Monique auf die Bank.
»Salut, Henry«, kam es gleichzeitig aus dem Mund der beiden Mädchen. Ich setzte mich vorsichtig auf einen alten Stuhl gegenüber der Kinder und grinste den Kleinen an.
»Je suis Henry«, ich zeigte auf mich. »Et toi?«
»Son nom est Bruno«, erklärte mir Isabelle.
»Bonjour, Bruno.«
Jeanne kam summend in die Küche mit einem Korb voller Eier. Sie entdeckte mich.
»Heinrich, du bist schon wach?«
»Ja. Lange genug geschlafen.«
Sie stellte sich hinter mich, drückte mir einen Kuss auf die rechte Backe und legte ein Messer auf den Tisch.
»Prima. Dann kannst du den Kindern helfen, die Kartoffeln schälen.«
»Gerne.«
Ich griff eine der Kartoffeln und fing an.
»Claudia ist mit Robert in den Intermarché nach Quimper gefahren. Sie braucht hier unbedingt Gummistiefel und Ölzeug.«
»Stimmt. Daran habe ich nicht gedacht in Köln.«
»Er hat dein Auto genommen.«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Kein Problem.«
Jeanne stellte den Korb mit den Eiern auf den Tisch, eine große emaillierte Schüssel und eine Lage Zeitungen, setzte sich neben die Kinder, dann sah sie mich mit festem Blick an.
»Heinrich … sag mir deine Intention. Warum hast du Claudia hergebracht?«
Ich begann mit einer neue Kartoffel und ließ mir ein wenig Zeit. Dann seufzte ich.
»Sie hat noch nichts erzählt?«
»Ich habe sie in Ruhe gelassen. Heute Vormittag hat sie mit Bruno gespielt. Er ist momentan unser einziges Sorgenkind hier. Robert hat Claudia den Hof gezeigt, dann hat sie noch ein paar Stunden geschlafen und nun sind sie einkaufen.«
Ich nickte.
»Okay. Aufgegabelt habe ich sie in Köln auf einer Rheinbrücke. Sie war schon jenseits des Geländers. Ich habe sie mitgenommen, weil sie nicht zu sich wollte, nicht konnte. Von da war sie ja abgehauen. Bei mir in der Wohnung riss sie sich die Kleider runter und …«, ich hob meine Hand auf Brusthöhe, »… von hier bis zur Hüfte grün und blau geschlagen. Keine Ahnung, was da sonst noch alles war und wie lange das ging.«
Jeanne sah mich weiterhin fest an. Ich hielt ihrem Blick stand.
»Sie ist schwanger«, stellte Jeanne fest.
»Ja. Sie hat es mir gesagt. Anfang dritter Monat.«
Die nächste Kartoffel war dran.
»Jeanne, du schreibst mir bitte, ohne dass Robert es mitbekommt, eure Kontodaten auf. Ich werde einen Dauerauftrag anlegen über 500 Franc für Claudia. Ich nehme an, du führst nach wie vor die Finanzen?«
»Oui.«
»Sie kann nicht mehr zurück, und ich hätte gerne, dass sie hier bei euch bleibt. Claudia kann dir helfen mit den Kindern und auf dem Hof. Und ihr Kind soll wie ein Mensch aufwachsen und nicht bei einem Arschloch. Wenn 500 zu wenig sind, gib mir sofort Bescheid.«
»Wir werden auf sie aufpassen. Du hast mein Wort.«
Wie eine Mauer bröckelte die ganze Anspannung der letzten Stunden von mir ab. Ich ließ das Messer auf den Tisch fallen und vergrub das Gesicht in meinen großen Händen, dann weinte ich. Ich hörte, wie Jeanne sich erhob. Sie küsste die Locken auf meinem Hinterkopf.
»Du bist ja verliebt, Heinrich«, flüsterte sie.

Am Abend saßen wir alle um den großen Tisch. Es gab Bratkartoffeln mit Gemüse-Omelette. Ich betrachtete jede einzelne Person am Tisch ganz genau, während ich das herrliche Essen genoss. Die roten Backen der Kinder, das Lachen in ihren Augen, Roberts impulsive Art zu erzählen, Jeannes stilles, gütiges, aber beherrschendes Wesen und Claudia dazwischen. Wie eine Blume, die unter den großen, erwachsenen Pflanzen nun auch etwas vom Licht abbekam und vorsichtig den Blütenkelch öffnete, um ihren Duft allen anderen schenken. Der Eindruck von Glück traf mich schmerzhaft und erinnerte mich an mein eigenes Alleinsein. Ich legte die Gabel weg und schlich mich hinaus vor das Haus. Es war kühl. Eine leichte Brise trug den Duft des Atlantiks heran. Nach ein paar Minuten tauchte Claudia hinter mir auf. Sie lehnte sich an mich.

»Wirst du heute noch nach Köln fahren?«
»Mh. Nachts fährt es sich einfach.«
»Weißt du, dass du ein sehr guter Autofahrer bist? Bei dir ist es so was wie ein Dahingleiten. Heute mit Robert war es eher eine Art Tiefflug.«
Ich lachte laut auf.
»Ich weiß. Er ist durch und durch Franzose. Auch beim Autofahren.«
Claudias Arm legte sich um meine Hüfte.
»Darf ich?«
»Gerne.«
»Du auch«, forderte sie mich auf. Ich hielt sie fest, vorsichtig, das Bild ihrer Verletzungen vor Augen.
»Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, Heinrich.«
»Ich bin schon in dich verliebt. Es wird stündlich intensiver.«
Sie schmiegte sich fest an mich und trat dann einen Schritt zurück.
»Aber ich will jetzt hier bleiben. Ist das in Ordnung?«
»Sehr sogar.«
»Was heißt E-S-P-E-R-A-N-C-E?«
Ich drehte mich um und folgte ihrem Blick. Über Roberts Haustür war eine gebogene Holztafel angebracht, in die jemand „Espérance“ eingeschnitzt hatte.
»Hoffnung.«

Für Grendel

 
Zuletzt bearbeitet:

Info zur Geschichte:

Es ist 2021. Die Geschichte hat ihre dritte Überarbeitung erfahren. Hauptsächlich Kürzungen. Unwesentliches hab ich raus.

Und ich habe sie - immer noch - Grendel gewidmet, weil er es verdient hat.

Morphin

 

Hallo Morphin,
ich hoffe nicht, dass ich jetzt mit meinem Komm irgendwo reinlatsche.
Aber mich hat es auch etwas enttäuscht, dass dieGeschichte langsam nach unten rutscht. Ich finde sie nämlich schön.

Eine Geschichte über eine entstehende Liebe, die auf einem zetrümmerten Leben aufbaut. Dass sie mit der Hoffnung endet, finde ich mittlerweile richtig ungewöhnlich, ich musste über mich selbst und meine Reaktion lachen, irgendwie glaubt man, alle guten Texte müssten pessimistisch oder zumndest mit einem schwermütigen Anhauch enden. Schön, dass du das mal nicht machst und diese Negativ- Erwartungshaltung durchbrichst.

Den Anfang, also das Zwiegespräch zwischen Heinrich und Claudia, mit dem er sie vom Sprung abhält und kurz danach, fand ich schon bemerkenswert. Ich hab dem Icherzähler diese paradoxe Intervention durchaus abgenommen. Aber ich fands schon auch herb. Und musste ein bisschen hin und herüberlegen, wie sowas nun wirklich gemacht würde. Egal, für die Geschichte ist das wurscht, denn ich nahm diese Attitüde dem Erzähler ab, so, als wäre es sein Weltbild. Auch die Sie-Ansprache.

Alles läuft vielleicht ein bisschen sehr glatt und der Icherzähler ist ein bisschen viel Ritter, aber wer blickt Kerlen schon ins Hirn, ich kenn welche, die würden ähnlich reagieren wie dein Heinrich.

Es ist eine schöne Geschichte mit einer angenehmen Sprache und wunderbaren, klaren Bildern.
Ja, ich weiß, kein sehr konstruktiv-kritischer Kommentanr, aber wenns denn so ist? Ich habe es halt einfach sehr gerne gelesen. Und wie beginnt man seinen Urlaub besser als mit einer hoffnungsfrohen, schönen Geschichte?

Also denn, eine schöne Zeit.
Viele Grüße von Novak

 

Mahlzeit Novak,

also zunächst mal einen schönen Urlaub wünsch ich Dir. Egal wo. Vielen Dank fürs Lesen dieser ellenlangen "Kurz"geschichte. Wie war noch das Kriterium? 30 DIN A4-Seiten? Egal ...

Wie meist in meinen Geschichten, findet sich Erlebtes darin. Diese Frau war mal ein Mädchen, das zwar nicht von der Brücke springen wollte, aber das Messer steckte schon im Handgelenk, sozusagen. Den Franzosen mit dem Hof gibt es auch, und auch die Gewalt, die eine alte Freundin erlebte und es irgendwann packte, wegzukommen.

Dass am Ende die Hoffnung bleibt, ist wichtig. Für alle. Für den Leser, wie für das Leben. Vielleicht komme ich ja jetzt in die Alterssenilität. :D

Bis die Tage.

Morphin

 
Zuletzt bearbeitet:

Das ist eine wirklich sehr sympathische Geschichte, Morphin, sehr optimistisch und wahrlich dem Titel entsprechend.
Aber (kleines oder großes aber? Such’s dir aus.): Ich weiß nicht recht, ob ich dir die Geschichte so einfach abnehmen kann.
Den Beginn finde ich ganz stark, also die Anfangsszenen, in denen sich Heinrich und Claudia einander annähern, sind wirklich toll, und wie du hier den Heinrich einführst und charakterisierst, ließ mich echt viel erwarten von dem Text. Als so ein einsamer Wolf erschien mir dieser Typ, ein bisschen sarkastisch und mit so einer cooler Hund-Attitüde.
Aber im weiteren Verlauf der Geschichte wirkt er immer unglaubwürdiger auf mich, der ist ja beinahe ein Heiliger: Er dreht sich angesichts Claudias Nacktheit verschämt um, hört so mir nichts dir nichts mit dem Rauchen auf, obwohl er bislang die Kippen stangenweise weggequalmt hat, er ist offenbar derart voll mit Gutheit, dass ihn Claudias Schicksal buchstäblich zu Tränen rührt. Versteh mich nicht falsch, Morphin, ein Mann, der weinen kann und sich dessen nicht schämt, kann ja kein wirklich schlechter Mensch sein, aber irgendwie passt mir das nicht recht zu dem abgebrühten, spöttischen Hund aus der Anfangsszene:

»Warum springen Sie nicht einfach ins Wasser? Mit dem Kopf voraus, vielleicht brechen Sie sich das Genick? Oder Sie tauchen so tief ein, dass Sie im Schlamm steckenbleiben, mit den Füßen. Die Augen zur Oberfläche gedreht, den letzten Luftblasen nachgeschaut und hops.«
»Oh Gott, ein Arschloch! Verarschen kann ich mich alleine!«
»Na dann ...«, erwiderte ich, drehte mich um und stiefelte langsam zum Auto zurück. Die Augen zum Auto gerichtet, rief ich: »Mach‘s gut!«

Und dann frage ich mich natürlich schon, warum verliebt er sich überhaupt in Claudia? Ist es ihr Aussehen? Oder genügt die schlichte Tatsache, dass sie halt eine Frau ist? Ist es die berühmte Liebe auf den ersten Blick, trifft ihn der Blitz aus heiterem Himmel quasi? Oder ist er gar so eine Art Samariter? Okay, er scheint selbst sehr einsam zu sein, vielleicht greift er einfach nach einem Strohhalm, aber irgendwie fehlt mir hier wirklich die Nachvollziehbarkeit.
Heinrich scheint ja ein intelligenter, wenn nicht gar intellektueller Mann zu sein - immerhin ist er Lektor und offenbar obsessiver Musikfan - und stellt sich ein solcher angesichts der derart desaströsen Lebenssituation einer Frau nicht automatisch die Frage, ob er es nicht mit einer einigermaßen unterbelichteten Person zu tun hat, wenn sich die jahrelang mit so einer Situation abfindet? Ich finde, die zwei sind einfach nicht auf gleicher Augenhöhe, also ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemals in eine funktionierende Beziehung münden kann. Sofern Heinrich nicht ausschließlich von einem übertriebenen (fehlgeleiteten?) Beschützerinstinkt geleitet ist, der ihn gerade hilflose, duckmäuserische Frauen besonders attraktiv finden lässt.

Na ja, und dann Frankreich:
Also die Szene, in der Heinrich Claudia an die Atlantikküste führt, ihr gleichsam den Ozean zu Füßen legt, ist natürlich wunderschön und herzzerfetzend … Aber darüber hinaus ist mir dieses heile Welt-Szenario in der Familie von Heinrichs Freund echt to much. "Baguettes und reifer Camembert, helles Kinderlachen und glückliche Haustiere", und natürlich ist Jeanne ausgerechnet Hebamme, eh klar.
Also ich weiß nicht recht, klar mochte ich die Geschichte, sie ist ja wirklich schön und seelenvoll, aber dein so augenscheinliches Bemühen um Harmonie, um das Zueinanderführen von Heinrich und Claudia um jeden Preis, lässt das alles irgendwie zu konstruiert, zu reibungslos wirken.
Mir fehlen kleine Brüche, Risse, Dissonanzen, was weiß ich in diesem gefälligen Gefüge, und seien sie noch so winzig, irgendwelche Details, die mir diese hoffnungsvolle „Reise ins Glück“ etwas lebensnaher erscheinen lassen. Vielleicht ein paar verstörende Reflexionen des Ich-Erzählers, die mich seine Selbstzweifel, seine Unsicherheit der ganzen Situation gegenüber ahnen lassen, die ihn mir mehr als Mensch und weniger als „Saint Henry“ erscheinen lassen.

Ich habe die Geschichte aber sehr gerne gelesen, Morphin, ehrlich.

offshore

PS

Camenbert
Camembert

 

Mahlzeit Ernst,

na so was, französischer Käse aus der Normandie falsch geschrieben. Ist mir 0 aufgefallen. Gleich mal geändert.

Nun zu dem ... egal. Es gibt diese Frau tatsächlich und die Form dieser Abhängigkeit. Obwohl nicht unterbelichtet, sich bewusst, was alles schief geht, und dass sie doch nur einen kleinen Schritt tun muss. Und selbst als sie es tat, waren die Jahre danach schlimm. Trotz "Freiheit". Als mir das zum ersten Mal auffiel, entdeckte ich immer mehr von diesen Abhängigkeiten, die sich doch eigentlich so schnell lösen ließen.

Den Kerl gibt es sogar auch, der so abgeklärt tut und plötzlich immer mehr von seiner Schale fallen lässt, weil er sie nicht braucht. Tatsächlich sehnt er sich nur nach Ruhe, aber sein Blick für die Menschen lässt ihn das nicht erleben. Aber ich weiß, dass er das maximale an Pragmatismus aus jeder Situation heraus holt.

Und das mit dem Verlieben, der Liebe, ja, das ist im Prinzip ein offenes Ende. Ich könnte es weiter schreiben, um zu zeigen, dass es nicht funktionieren konnte, weil ... aber egal. Und ja, Robert heißt eigentlich Bruno und war lange so was von kaputt, bevor er die Hebamme traf, resolut, dragonerhaft, aber gut für ihn und den Zusammenhalt.

Ich habe in den letzten 50 Jahren wirklich seltsame Menschen kennen gelernt. Die meisten haben mir nicht gut getan oder ich ihnen.

Was ich hier wollte, mit diesen wenigen Worten, war wirklich nichts anderes, als ein wenig auf die Hoffnung zu wetten. Zu hoffen, dass es sie gibt, die Hoffnung.

Danke fürs Lesen.

Morphin

 

Lieber Morphin,

ich habe deine Geschichte sehr gern gelesen! Sie hat mir gefallen und wenn ich jetzt lese, dass du tatsächlich die Intention hattest, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, dann verstehe ich den Hintergrund dieser Geschichte umso besser.

Ich mochte deine schöne klare Sprache schon immer und hier finde ich sie ebenfalls wieder vor. Deswegen habe ich gern deine Geschichte gelesen. Du bist einfach ein guter Erzähler.

Was mich gestört hat, ist der Plot.
Diese Geschichte ist so ein gradliniger Weg von der Brücke bis nach Frankreich ins Happy End und mit jeder weiteren Zeile habe ich mehr dahingehend gefiebert, dass nun endlich der Bruch kommt.

Wie verdammt oft gibt es Frauen, die von ihren Männern misshandelt werden und die sich in ihren aus der Beziehung losgelösten Momenten in Gegenwart von Helfern selbstkritisch und klug über ihre bisherige Situation äussern, die aber nach einer Verschnaufweile in die Hölle zurück kehren.

Wie oft gibt es hier in Deutschland Frauen, die im Frauenhaus landen und sicherlich weißt du, dass dort nicht jede Frau aufgenommen wird, und die dort Schutz und Zuspruch erhalten, um letztendlich doch nur für einen Moment gerettet zu werden. Sie kehren überwiegend alle zurück in ihre, für uns Aussenstehende, unhaltbare Situationen und manchmal schleicht sich in meinen Kopf der Gedanke, dass es genau das Gegenteil von dem ist, was wir glauben, was sie zurückzieht. Es ist der Halt, den sie dort, wenn auch in seiner fiesesten und missachtesten Form erhalten.

Wenn diese Claudia am Ende ihren richtigen Weg raus aus der sie vernichtenden Beziehung geht, dann fehlen in dieser Geschichte Einblicke für den Leser, die es ihm ermöglichen, wenigstens eine Ahnung davon zu bekommen, weshalb es dieses Mal klappt oder klappen könnte. Gerade, weil wir eben umzingelt sind, von genau dem Gegenteil an Erfolgen in solchen Situationen.

Du verschenkst eventuell auch eine wuchtige Chance, des Kämpfens um Claudia bei deiner Erzählung. Heinrich könnte seine Hoffnung ins Rampenlicht gezerrt sehen, könnte fürchten um seine unverbrüchliche Hoffnung, um sie am Ende irgendwie doch noch zu retten, die Claudia und die Hoffnung. Ich will dir ja gar nicht das Happy End ausreden, aber ich will dir den Weg bis dahin ein bisschen krumm und schief reden. :D

Du musst ja nicht deswegen das Thema dieser Geschichte aufgeben. Es kann bei der Hoffnung bleiben, aber es können auch Menschen Hoffnung in sich tragen, obwohl nichts klappt.

Und wenn du ehrlich bist, schilderst du in dieser Geschichte bereits, dass es nicht klappt, aber eben nicht im Vordergrund. Da sind schon jede Menge Anlagen in deiner Geschichte, auch, wenn du sie zunächst nur mit mehreren Gutmenschen und einem Opfer ausgefüllt hast.

Claudia, die sich zwar von Köln nach Quimper bewegt, verharrt in einer Art Opferrolle. Sie lässt alles mit sich geschehen, was Heinrich ihr Gutes "antut".
Sie wechselt nur die Pole, aber nicht ihren Zustand der Abhängigkeit aus.

Und Heinrich? So, wie du ihn angelegt hast, spürt man, dass er bedürftig nach so einer wie Claudia ist.
Er benötigt diese Möglichkeit, sich mit allem, was er kann und hat, einzusetzen für jemanden.
Diese beiden passen wie Zahnrad und Zahn ineinander.
Und als Leser schaut man sich solche Drehbewegungen nicht lange gern an, weil sie eine fast schon heile Welt zeigen, auf die man nicht vertraut. Und weil man dieser Welt mit Misstrauen begegnet, kann sie einem auch nichts bedeuten.

Weswegen halten wir Leser wohl all diese furchterregenden, angsteinflößenden Widerlinge in den Romanen aus, die andere Menschen vernichten, foltern, zugrunde richten?
Weil wir ganz niederträchtig betrachtet, den Thrill erleben wollen, aber um Himmels Willen nicht am eigenen Leibe. Im Geiste darf gefoltert, gequält, misshandelt werden, da stehen wir auf der Seite der Bösen.
Ein Happy End, eine gradlinige Plotentwicklung, ohne Umschweife ins Glück, das packt einen nicht, sondern irritiert, weil man vergeblich nach dem Hinweis sucht, der den Turm des Glücks ins Schwanken bringt.

Du machst dem Heinrich das Hoffen viel zu einfach.

Das wollte ich damit sagen.


Dass ich deine Geschichte trotzdem gern gelesen habe, liegt einfach daran, dass ich mich trotzdem mit ihr besser unterhalten habe als mit manch anderer Geschichte hier.

Herzlichen Gruß

lakita

 

Hi lakita, warte kurz ...

...

...

...


...

so! Bin schnell rüber in die Kirche gerannt und hab ne Kerze angezündet. Weil ... Heiko ... Morphin ... hat eine Geschichte mit GUTEM AUSGANG GESCHRIEBEN! Darauf kann nur baldestmöglich Armageddon folgen!

Ich hatte euch alle lieb ...

Du sagst es: Der Leser rechnet ja inzwischen geradezu mit einem Dauer-Mordor. Sauron hat nicht nur ein Auge, nein, er hat ne Google-Glass mit Terabit-Standleitung. Ukraine, Boko Haram, Gaza, Islamisches Kalifat, Plastikteppiche, groß wie die Färöer im Indischen Ozean ... und mein Ende, das ja eigentlich noch kein Ende ist, weil er wieder zurück fährt und sie da bleibt, ist wie eine Landung auf einer paradiesischen Insel kurz hinter Gliese 570.

Die wirkliche Claudia, die ein wenig anders heißt, ist von einer Minute auf die andere geflüchtet. Einfach weg. Aber ihr Unglück hat nie abgenommen. Es haftete an ihr wie Harz. Nach knapp zwei Jahren brach es wieder aus, das Unglück, und sie hat sich einen neuen Gewaltigen gesucht.

Denn bei dem komischen Heinrich war es einfach zu still . Sie musste weiter, weiter, immer weiter, den Fäusten hinterher, den bösen Worten.

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Ja, die Geschichte an sich ist noch nicht fertig, aber für einen winzigen Moment, war da Hoffnung.

Heiggo aus dem tiefen Süden

Danke fürs Lesen und Bussi aus Mäkämm.

 

Lieber Kerzenzünder,

zunächst herzliche Grüße aus Wandsbek an dich zurück. Dein Schlafparkplatz ist noch immer frei. ;)

Aber ihr Unglück hat nie abgenommen. Es haftete an ihr wie Harz. Nach knapp zwei Jahren brach es wieder aus, das Unglück, und sie hat sich einen neuen Gewaltigen gesucht
Was sich dann (leider) mit meiner Aussage trifft, dass ich der Ansicht bin, den meisten Frauen sei wenigstens auf Dauer kaum zu helfen.

Für mich wäre interessant, woran das liegt. Was für ein Gen haben die in sich, dass sie immer das Zerstörerische in einer Beziehung suchen und Liebe nur über diesen immensen Umweg erleben können?
Es kommt mir manchmal ein wenig vor wie eine schwere Erkrankung, wie vielleicht so eine Art Magersucht. Diese Frauen nehmen sich völlig anders wahr als ihre Umwelt es tut. Sie denken vielleicht tief in ihrem Innersten, sie hätten exakt diese Misshandlungen verdient? Ich weiß es nicht. Ich bin mir nur sicher, dass man diesen Frauen keinen Vorwurf machen darf, weil sie, obwohl es anders ausschaut, gar nicht selbst steuern können.
Das wäre mal der Stoff für eine wichtige und zugleich spannende Geschichte. Die würde ich dir zutrauen.

Die wirkliche Claudia, die ein wenig anders heißt, ist von einer Minute auf die andere geflüchtet. Einfach weg.

Oh ja, das glaube ich dir aufs Wort. Aber komm schon, Heiko, du willst mich doch jetzt nicht mit dem Argument totschlagen, dass es eben so war wie es war. Auch du wirst dich damals gefragt haben, wieso verlässt sie ausgerechnet jetzt ihren Peiniger? Was liegt dieser Misshandlung zugrunde, dass sie sich sogar umbringen will? Warum jetzt und nicht schon früher?
Du gibst mir als Leserin keine Anhaltspunkte für dieses Innere deiner Protagonistin, gerade in Bezug auf diesen Punkt. Das habe ich kritisiert und nun stopf mir nicht mein Kritikermaul mit dem Argument, es sei eben so gewesen und gut ist. :D

Ein Punkt wäre ja vielleicht, dass sie sich wegen der Schwangerschaft in einem Zustand befand, der sie ihre Lage überdenken hat lassen. Eine vielleicht aussichtslose Lage, die sie nur an Selbstmord denken lässt. Trotzdem schilderst du die Szene auf der Brücke so, dass sie eigentlich gar nicht sich etwas antun möchte, sondern nur demonstrativ um Hilfe schreit.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

MAHLZEIT!

Herzallerliebste lakita ... ich komme nicht umhin zu sagen, dass dieser Heinrich tatsächlich NICHT gefragt hat und erst mal auch nichts erzählt bekam. Das Nichtfragen hing damit zusammen, dass der Gutste schon so oft im Hochofen gelandet ist mit dem Nachfragen. Weswegen er sich angewöhnte, den Dingen Zeit zu geben. Und dass die Gutste diesen Brocken gar nicht rausbekam, so im echten Leben. Erst viele, viele Jahre später, und das dann auch ganz plötzlich, in einem Kaffee, mir nix, dir nix.

Das hab ich so oft erlebt ... der Hoffnung tut das aber - fühle ich - gar keinen Abbruch. Sie ist die Hauptperson. Und jede und jeder kann diese Hoffnung aufnehmen oder vermitteln oder mit ihr etwas gestalten. Ganz ohne Fragen, ganz ohne Wissen, einfach so. Schweigend ihr entgegen fahren. Die aufgehende Hoffnung wie die aufgehende Sonne geniessen. Ohne Worte, dann aufstehen und umdrehen.

Beispielsweise hat die Gutste noch Eltern, aber sowohl im Leben als auch in der Geschichte, hat niemals irgend jemand diese erwähnt, ohne Frage und Fragezeichen, weil es wohl nicht nötig war, weil so weit weg, weil nur noch die Geburtsurkunde an Mami und Papi erinnern. Irgendwo lebend, aber eigentlich tot.

Die Mannigfaltigkeit an Menschen ist so unermesslich, dass dies alles passieren kann, oder auch nicht. Die Hoffnung jedoch ist ohne Schublade und feste Formen am ehesten erfühlbar.

Heiggo

PS.: Schlafplatz werde ich auf jeden Fall mal nutzen, aber sparen ist angesagt.

 

Lieber morphin,

ich komme gleich zu meiner Kritik, aber ich möchte vorausschicken, dass Du mich mit Deiner (ja auch recht langen) Geschichte von Anfang bis Ende mitgenommen hast. Habe es auch wirklich gerne gelesen.

Das ganze liest sich für mich wie ein Film. Beim Lesen hatte ich die ganze Zeit so Filmszenen im Kopf. Die Zoobrücke, die hektische Baustelle am Chlodwigplatz, eine Klippe an der Antlantikküste, das Farbenspektakel auf Claudias Rücken. Das hat zum einen den Vorteil, dass die Erzählung sehr plastisch ist, dass sie einen reinzieht und man weiterliest. Aber auf der anderen Seite fehlen mir persönlich ein paar mehr Beobachtungen, die der Erzähler nur mit dem Leser teilt und die sich eben nicht in einem Bild ausdrücken lassen. So mehr von diesen kleineren Reflexionsmomenten, die würden den Protagonisten auch etwas komplexer machen. Oder ist er etwa nur ein sentimentaler Tor?

Schön fand ich, wie sich die Liebesgeschichte ganz leise entwickelt am Anfang. Auch mir hat der etwas ruppige Dialog am Anfang gefallen und dann diese kleinen Sachen. Zum Beispiel dass erst zwei Absätze später so nebenbei erzählt wird, wie gut ihr der Bademantel steht. Davon bräuchte der Text glaube ich mehr, denn gegen Ende hin fragt man sich doch, warum ein erwachsener Mann sich jetzt plötzlich in diese Frau verliebt hat. Vor allem Claudias Schönheit ist mehr behauptet als dargestellt. Also ich verstehe schon, dass plötzlich ein Wesen in Deinem Leben ist und dich fasziniert und Deinen Alltag aus dem Gleichgewicht bringt und das reicht, um verliebt zu sein. Aber was genau macht ihre Faszination aus? Oder ist sie nur Projektionsfläche für Männer, weil Männer gerne retten wollen? Die Opferrolle wurde ja auch schon erwähnt.

Dass der Text mit Hoffnung endet, finde ich hingegen wirklich schön und auch irgendwie mutig. Ist auch erzählerisch schön gemacht mit dem Schild. Ich habe die Geschichte dann auch wirklich gerne gelesen, ich bin auch sentimental genug, dass sie mich berührt hat, nur manchmal war die Grenze zum Hollywoodfilm für mich erreicht und das finde ich eigentlich schade, denn die Figuren und die Geschichte geben auch was anderes her.
Ich hoffe, Du kannst damit was anfangen.

Gruß, Asadi

 

Mahlzeit Asadi,

vielen Dank fürs Lesen. Wie in "Liebe" gilt auch hier, dass ich die Dinger jetzt erst mal ruhen lasse. Meistens dauert das bei mir so 2 - 3 Monate. Dann pack ich sie wieder aus und lese erneut. Mehr Abstand bringt auch ne andere Sicht. Dann werde ich mir auch deine Einwände noch mal zu Gemüte führen. Im Falle dieses Textes hieße es, die Geschichte dem Leser anzupassen, denn sie beruht auf Tatsachen. Aber vielleicht sind die endlosen Möglichkeiten am Menschsein und den dadurch entstehenden Situationen einfach zu viel für den Leser.

Vielleicht ist es befremdlich, Dinge einfach so zu tun, weil man so ist, wie man ist, und es eben keine Geschichte über Anders Breivik oder harten Sex oder unmittelbare, zu bestaunende Gewalt ist.

Gruß
Morphin

 

Hallo Morphin,
insgesamt fesselt mich die Geschichte schon. Es ist ein schöner Kontrast zwischen dem schlagenden Mann und dem feinsinnigen mit einem Helfersyndrom.
Dein Erzählduktus ist angenehm langsam, sprachlich leicht verständlich.
Einwand: Du erzählst sehr umständlich und verlierst dich in Nebensächlichkeiten, die den Lesefluss und das –vergnügen mindern.
Kleingkeiten

versank alles in tiefem Grau, bald Anthrazit.
In tiefem Grau reicht
flüssige Hoffnung
Hoffnung ist schon körperlos, weshalb nun die Materialisierung
Es war ein beeindruckendes Farbenspiel. Ich konnte eine kleine Träne nicht unterdrücken.
Reicht das Beeindruckend nur für eine kleine? War dann doch nicht so dolle.
Sommerlich träge trug er die Schiffe auf seinem weichen Körper.
Klingt gut, was der Vater Rhein so macht
Ich spürte ihren Blick an meiner Schläfe, während ich mich in den Chlodwigplatz einfädelte, einem Taxi die Vorfahrt nahm … und?
Satzbau unvollständig
Eine Parkplatzsuche in der Stadt ist wie Krieg - ein Mehrfrontenkrieg. Jeder ist dein Gegner, und dieses Mal gewann ich. Bremsen, kurz nach hinten geschaut, Rückwärtsgang rein - und zack, Motor aus.
Störende Nebensächlichkeit
Das Klicken der Zentralverriegelung fiel kaum auf in all diesem Lärm, den die Busse, Taxen und Straßenbahnen machten.
Störend, weil es nebensächlich ist und ablenkt.
Aus ihren Augen, die nun etwas offener vor mir lagen und die Farbe leicht geändert hatten.
Augen liegen nicht
Schaut KOMMA was los ist.
Wozu das Verschenken des Essens an den Penner?
Ich orderte eine Stange Luckys und stellte fest, dass es schon wieder eine Preiserhöhung gegeben hatte. Zähneknirschend legte ich 36 Mark auf den Tisch.
Ist das wirklich nötig? Das ist so ein Beispiel, wo für die Geschichte Unwichtiges einen nur ablenkt. Auch die Fahrt nach Frankreich ist viel zu lang beschrieben. Da geschieht nichts.
Fazit: Die an sich nette Geschichte wird von Nebensächlichkeiten verdeckt und kommt nicht so gut zur Wirkung.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

»Du sollst mich nicht siezen.«

Drängt sich mir als Eingangszitat auf

lieber Morphin,

ein schönes Gebot zu dem Dreigestirn Glaube, Liebe, Hoffnung – und ich fände interessant, wie Du nach „Liebe“ und der gelungenen Geschichte hier den „Glauben“ darstelltest, denn alle drei bilden ja nicht zufällig ein Triumvirat. Glauben meint übrigens ursprünglich „für lieb halten; gutheißen“ und drängelt sich mir halt auf.

Zudem – eher wohl ein Nebeneffekt, denn gezielt gewollt, wäre das auch der Beweis, dass „Heimatliteratur“ auch ohne Kitsch auskommt (mittendrin hier hatte ich mal das Gefühl, dass jetzt so weit wäre – aber die Befürchtung war - J sei't jepfiffen & jedankt - umsonst). Hier stutzte ich jedoch auf andere Weise:

Mir kam ein Gedanke.
»Hast du am Gereonswall noch wichtige Papiere? Etwas, was mit deinem Baby zu tun hat? Versicherungen? Geburtsurkunde und so?«
Sie nickte.
Geburtsurkunde für einen Embryo im Übergang zum Fetus?
Und ein erstes Mal stutzte ich eigentlich hier:
Es nahm mir den Atem. Meine Kehle schnürte zu.
Beim „Atem“ zunächst ein wenig – irgendwie drängelte sich „rauben“ in meine Birne, obwohl das ja auch eine Art von „nehmen“ ist, aber die geschnürte Kehle drängelt nach dem Reflexivpronomen „sich“, also korrekt
Meine Kehle schnürte [sich] zu.
Bissken Kommasetzung (bevorzugt Infinitivsätze, die nach neuerer Regelung Komma führen müssen):
Eine Frau war gerade im Begriff[,] über das Geländer der Brücke zu steigen.
Da saß ich nun, vor der Couch auf dem Boden, und versuchte auf dem Dali[,] etwas Neues zu entdecken.
Es kostete sie sichtlich Kraft[,] ihren Kopf zu drehen.
Gelegentlich beim Relativsatz, Anfang oder auch Ende
Ich löste mich von ihrem Blick und dem Sog[,] der von ihm ausging.
Zwei Männer saßen in dem kleinen Raum, der Platz bot für fünf Tische[,] und aßen
In so einer Situation hält man natürlich an und schaut[,] was los ist.«

Hier ersetzt die Konjunktion „oder“ bereits das Komma
Sie könnten sich den Arm brechen, oder einfach nur nass werden.«

Gern gelesen und mit gestärktem Sitzfleisch beendet

Friedel

PS: Die Widmung, sehn wir mal von der l-Inflation ab, Grendel –
das Ungeheuer im Beowulf?
oder weniger mythisch bezeichnet „grendel“ im ndt. „Riegel“

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Friedrichard,

vielen herzlichen Dank für Kritik und natürlich Verbesserungen. Werde sie im Laufe des Resttages übernehmen. Mit Geburtsurkunde meinte ich natürlich Claudias Geburtsurkunde, muss ich noch besser heraus stellen.

Mit Glaube, Liebe, Hoffnung liegst Du gar nicht so falsch, allerdings ist der Teil "Glaube" ein gerade entstehender Roman mit Arbeitstitel "Charis". Dauert aber noch ein wenig, bis der fertig ist.

Grendel ... das ist unser Webmaster, der sich früher so nannte. Vermutlich hat er das aus der Beowulf-Saga; hat er auch mal irgendwann erzählt, meine ich.

Bis dahin und bald.

Morphin

@WilhelmBerliner

Auch Dir einen Dank fürs Lesen. Ich fass jetzt mal einige der von dir zitierten Stellen zusammen, und bringe sie für mich - wohlgemerkt: für mich - auf den Nenner poetischer Ausdruck. Klar gibt es keine "flüssige Hoffnung" oder der Wechsel von Grau zu Anthrazit ist unerheblich für den Textverlauf.

Hm, zum einen schreib ich seit vielen Jahrzehnten Gedichte, eher lyrische Kurzprosa, angefüllt mit Metaphern; das gefällt mir. Lese ich Erzählungen oder Romane und der Autor verwendet solche Metaphern, die rein physisch Schwachsinn sind, dann liebe ich es trotzdem. Es entspricht meiner Gefühlslage, meinem Stil, meinem Verständnis von in Sprache geformter Romantik.

Was die "Nebensächlichkeiten" angeht, werde ich mir die eine oder andere nochmal vornehmen, allerdings kann ich gleich sagen, dass die Zigaretten drin bleiben, weil auch das wieder meinem Stil entspricht, über so eine Nebensächlichkeit stelle ich als Leser einen realen Bezug zu meinem eigenen Leben her. Mir gefällt das sehr gut, wenn ich Leser bin. Trotz allem werde ich die Nebensächlichkeiten, die du aufgezählt hast, noch einmal prüfen, keine Frage.

Vielleicht ändert sich mein Stil in 10 Jahren, und er ist auf jeden Fall anders, als der VOR 20 oder 30 Jahren, aber er ist ich, genau so, wie ich bin. Ich bin inzwischen weit davon weg, einen Text nach den klassischen Kriterien zu bewerten. Von mir aus, kann jeder schreiben, wie er will, Hauptsache einigermaßen korrekte Rechtschreibung (gebe ich mir immer Mühe) und man muss merken, dass der Autor mit ganzem Herzen dabei war.

Das Verschenken des Essens an den obdachlosen Mann, charakterisiert nicht nur Heinrich, sondern es ist genau das, was ich schon immer getan habe. Er ist ich, ich bin er. Da ich selbst schon einmal kurz davor war, so zu enden, und ich damals auf Knien dankbar war, um jedes Fitzelchen Nahrung, werde ich bis an mein Lebensende ebenso handeln.

Ja, auch auf der Fahrt nach Frankreich passiert eigentlich nichts, und doch finde ich - nur ich - sehr viel. Wie in einem Roadmovie, das ohne Worte die Fahrt zweier Leute zeigt, sich nur die Blicke verändern, er sie betrachtet, ihr Profil, von außen durch die Scheibe. Er merkt kaum, wie er sich ihr nähert.

Auch hier wieder ein Stück Text, wenn ich es läse von einem fremden Autor, geschähe viel in meinem Kopf, weil ich mir das gut vorstellen kann und es schon erlebt habe. Geschichte im Kopf, ausgelöst durch weniger Worte, als vielleicht üblich ist. Aber klar, es ist mein Stil, und kein Autor sollte seinen Stil an alle Einwände anpassen, weil er sonst aus dem Anpassen gar nicht mehr rauskommt.

Vielen Dank fürs Lesen und einen angenehmen Abend wünscht

Morphin

 

Hallo maria? merhaba? ...

... ich war kurz verwirrt. Ist es DIE maria? Die mit der Motorsäge? :D Scheint so. Sorry, hab gar nicht gemerkt, dass schon drei neue Beiträge da stehen ... viel los hier momentan.

Es wird dich nicht beruhigen, aber diese stoische Ruhe bringt die Menschen rundherum schon seit 50 Jahren auf die Palme. Die Strafe: Mein Ältester ist ebenso stoisch ruhig und bringt MICH ab und an auf die Palme.

Fast wärst du ausgestiegen aus der Geschichte. Kann ich verstehen. Wenn ich versuche, mir Dich vorzustellen, dann wäre ich wohl auch oder fast ausgestiegen. Geht nix über die unerträgliche Langsamkeit des Seins. Er ist tatsächlich so, dieser Heinrich. Es wurden aber nicht alle Menschen wahnsinnig mit ihm, einigen hat das durchaus geholfen.

Frankreich war übrigens null Problemo. Seit Anfang der 80er bin ich da dauernd rein und raus. je unrasierter, desto eher ne Kontrolle, aber im Allgemeinen Gesicht angucken, Pass hoch halten und durch. So modern war Europa damals schon.

Ich weiß auch nicht, ob Kritik einer Geschichte gerecht werden muss, sollte oder nicht. Geschichte ist im Prinzip Geschmack, auch Meinung, auch Lebens- und Sichtweise; und Kritik natürlich ebenso. Man sollte beides, Geschichte und die Kritik, nicht überbewerten oder zu eng sehen. So wie Menschen sich begegnen und besser schnell wieder vergessen, geht es mit Geschichte und Kritik ebenso.

Deine Worte zu "Liebe" wäre einem jüngeren Menschen sicherlich sauer aufgestoßen, einfach, weil er noch nicht so weit durchs Leben gewandert ist oder auch gar nichts dazu lernen möchte. Ich fand, du warst ehrlich. Mehr muss man nicht sein. Alles weitere ergibt sich oder auch nicht.

Also, bis die Tage und meinen stoisch ergebenen Dank an Dich.

Morphin

 

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