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Die Reise von Mr. und Mrs. M. auf der linken Seite des Lebens

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21.08.2014
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Die Reise von Mr. und Mrs. M. auf der linken Seite des Lebens

Die ersten Tage in London sind nicht sehr ereignisreich. Wir machen die üblichen touristischen Dinge, die Touristen halt so machen.

Das Abenteuer beginnt am Samstag, den 9. August 2014 um 9.00 Uhr. Wir mieten ein Auto. In England ein Auto zu mieten ist nicht so einfach.

Man benötigt zwei Ausweise mit Lichtbild und drei Dokumente (davon ein Kontoauszug und eine Kreditkartenabrechnung) in welchen die Adresse ersichtlich sein muss.
Wir reisen mit unserer Stromrechnung an. Die Kreditkartenhuerde können wir leider nicht nehmen, da unsere Kreditkarte eine Prepaid Karte ist und somit gibt’s keinen Kontoauszug. Der Name ist jedoch auf der Karte und die gute Dame akzeptiert uns dann doch noch.

In Antizipation der Schwierigkeiten des Linksverkehrs schließen wir noch jede Versicherung ab die uns angeboten wird.

So nun ist es soweit der Wagen, ein Hyundai „irgendwas mit 5 Türen“ wird vorgefahren und inspiziert. Alles in Ordnung wir können los.
Mrs. M. steigt ein und ist über das Vorhandensein eines Lenkrades und einiger Pedale etwas verwundert.
Mrs. M. erkennt ihren Irrtum und wechselt Platz. Ich steige ein, richte linken und rechten Außenspiegel, Innenspiegel, Klimaanlage, Sitzposition und gebe unser erstes Ziel „Brighton“ ins GPS ein. Unser GPS wird von Apple-Maps betrieben und wir nennen die nette Dame die uns die Anweisungen gibt von diesem Augenblick an „Apple Tussi“.

Apple-Tussi meint „nach 10 Meter links abbiegen und nach 300 Meter beim Kreisverkehr die 3 Ausfahrt Richtung $%3$?? nehmen“.

Kein Problem. Ich lege mit der linken Hand den Gang ein und wir fahren weg. Nicht ganz, Motor stirbt ab. Schwer mit dem 3. Gang wegzufahren. Neuer Versuch, nun klappt’s. Nach 100 Meter macht’s BOOM und ich habe mit dem linken Vorderreifen den Randstein mitgenommen. Mrs. M. schaut zweifelnd und ich beginne leicht zu transpirieren.
Nach 250 Meter macht’s BOOM BOOM und ich habe mit meinem linken Außenspiegel den rechen Außenspiegel eines Mercedes mitgenommen. Mrs. M. beginnt unerklärlicherweise an meinen Fahrkenntnissen zu zweifeln.

Ich bleibe etwas entnervt stehen und beginne stärker zu transpirieren. Ich sage zu Mrs. M. „Bieg den Spiegel wieder gerade“, da klopft es an mein Fenster und draußen steht ein Engländer mit indischem Migrationshintergrund und schaut mich wütend an. Ich mach das Fenster auf und er meint ganz ruhig: „You hit my Mirror“. Ich stelle mich etwas dumm (nicht sehr schwer) und meine, ich weiß nicht was er will. Er meint: „Your wife just put your mirror back“ OK, er hat recht, ich muss ihn leicht berührt haben. Ich steige aus, wir besichtigen den Spiegel. Kein Schaden. Er entschuldigt sich bei mir für die Unannehmlichkeiten die er mir bereitet hat. Kein Problem, ich bin ein verzeihender Mensch. Mrs. M. ist nicht ganz so verzeihend.

Die Verzweiflung in mir wird grösser. Das Fahren auf der linken Seite raubt mir den Verstand. Alles in mir wehrt sich links zu fahren, aber das ist nicht das größte Problem im Großen Britannien.

Der Kreisverkehr: Jeder hat mich vor dem Kreisverkehr fahren gewarnt, aber ich hab es mir in meinen kühnsten Träumen nicht so schlimm vorgestellt.
Es gibt außerhalb Londons praktisch keine Ampeln. Alle Kreuzungen sind mit Kreisverkehren geregelt. Aber nicht so nette, schöne und übersichtliche wie bei uns. Nein, die sind 2,3,4,5,6 spurig, 2,3,4,5,6, Ausfahrten und sind rund oder oval, ich glaube wir sind sogar ein paar eckige gefahren.

Außer auf den großen Autobahnen (und davon gibt’s nicht viele) gibt es auf den 4spurigen Straßen KEINE Ausfahrten. Man fährt zum Beispiel auf einer 4 spurigen Autobahn, plötzlich gibt’s einen Kreisverkehr und auf der anderen Seite (gleiche Straße) ist es auf einmal eine Straße wie zwischen Lutzmannsburg und Minihof.

Täglich nehme ich zumindest einen Spiegel und zwei bis drei Randsteine mit. Mrs. M. sitzt nur mehr mit versteinertem Gesicht neben mir und hebt ihre linke Hand zum vermeintlichen Schutz, wenn ich wieder jemandem ein bisschen zu nahe komme.
Niemals mehr werden die Worte „Pass auf, pass auf, pass auf“ in 6 Tagen öfter herausgestoßen. An zweiter Stelle landet der „Radlfoahrer, Radlfoahrer, Radlfoahrer“. Auch Rooooobert!!!! ist sehr beliebt.

Ein Wort zur Apple-Tussi. Sie macht ihre Aufgabe eigentlich recht brav, jedoch sind ihre Englischkenntnisse sehr beschränkt. Sie spricht die Namen der Straßen und Orte so aus wie sie geschrieben werden. An Anfang war das sehr belustigend, bis wir uns ertappten, dass wir nunmehr so sprechen wie sie: Bournemouth ist nun Burnemutt, Portsmouth ist nun Porttmutt, Newquay ist nun Newkwai und Penzance ist nun Penzanke. Zu diesem Städtchen kommen wir noch später.

Unsere Reise führt praktisch ereignislos (mit kleinen Ausnahmen) von Brighton nach Arundel (sehr schöne mittelalterliche Stadt mit toller Burg), weiter nach Portsmouth. Hier machen wir einen kurzen Halt, um die alte historische Hafenanlage zu besichtigen.
Wir kommen um 16.35 Uhr – geschlossen um 16.30 Uhr. Kein Problem, kurze Pause in einem Pub in dem wir eine halbe Stunde ignoriert werden, dann geht‘s durstig weiter nach Southhampton.
Ich möchte ein Zimmer in Southhampton reservieren. Geht nicht. T-Mobil teilt mir mit, dass ich nicht genug Guthaben habe, um diesen Anruf zu tätigen.
Ich habe in London eine Sim mit 1000 Minuten, 1000 SMS und 2 GB an Daten für 20 Pfund gekauft und habe bis zu diesem Zeitpunkt vielleicht 10 Minuten telefoniert.

Gut, wir fahren ohne Reservierung nach Southhampton. Ich gebe Apple-Tussi die Adresse eines Hotels in der Nähe des Hafens. Los geht’s.
Um zirka 7:30 Uhr kommen wir in Southhampton an und Apple-Tussi gibt uns Anweisungen die uns gefühlsmäßig immer weiter vom Hafen wegbringen. Sie führt uns in sehr steiles Gebiet. Mittlerweile beginnt es zu regnen und die Dunkelheit setzt ein. Dies ist für mein Sehvermögen kontraproduktiv. Die Straßen werden immer enger und verwinkelter und eigentlich kann ich nichts mehr sehen.
Es wäre natürlich sehr hilfreich, wenn ich meine Brille dabei hätte. Ich weiß ganz genau wo sie auf unserem Wohnzimmertisch liegt.

Das hilft natürlich auch nichts. Auch nicht die Beschimpfungen die ich Apple-Tussi zukommen lasse. Sie ignoriert mich nun. Ich glaube sie mag mich nicht mehr, vielleicht hat sie mich überhaupt nie gemocht. Wir sind nun bei einem riesigen Fußballstadion, mitten in der Einöde angelangt. Ich glaube nicht, dass wir hier den Hafen finden. Apple-Tussi schweigt beleidigt. Sie weiß nun, dass auch sie keinen Schimmer mehr hat wo wir sind.
Mrs. M entdeckt durch die Büsche die Reklame eines Holiday Inn. Wir steuern darauf zu und bekommen wirklich das letzte, hochpreisige Zimmer.

Der Rezeptionist sagt uns, dass eine Meile von hier ein kleines Einkaufszentrum ist, um das Notwendigste einzukaufen, was wir auch tun. (Ein Rückspiegel, zwei Randsteine)
Dies war der erste Tag auf Englands Straßen.


Sonntag, 10. August 2014

Nach dem gestrigen Debakel bleibt uns keine Wahl, Apple-Tussi muss gehen. Wir feuern sie „on the spot“ und heuern die Dame von Google Maps, ab nun Google-Tussi genannt.

Google-Tussis Englischkenntnisse sind nicht viel besser als Apple-Tussis, sie gibt jedoch die Entfernungen in Fuß und Meilen an, was die Sache nicht unbedingt erleichtert.
Nun heißt es: „Bitte biegen Sie in 250 Fuß rechts ab, in 100 Fuß, JETZT ABBIEGEN…………die Route wird neu berechnet“ – da ich bereits übers. Ziel hinausgeschossen bin.

Wir fahren nach Stonehenge: Für Mrs. M. ein Haufen alter Steine, für mich ein historisches Ereignis. Nach der Besichtigung ist auch Mrs. M. begeistert. Nicht begeistert ist sie von meinem Vorschlag, ein Bild von ihr, vor einer nachgebauten Behausung der Ureinwohner zu machen und auf Facebook mit folgenden Worten zu posten.
„Eine alte Hütte und die Behausung der Erbauer von Stonehenge“

Wir fahren nach Bournemouth. Sehr schöner Pier, viele, voll verschleierte Engländerinnen mit arabischem Migrationshintergrund, die im eiskalten Meer herum plantschen.
Wir fallen zu Mittag in ein nett aussehendes Lokal ein und haben eines der besten kulinarischen Erlebnisse unseres Trips.
Von da geht’s weiter nach Plymouth. Wunderschöne kleine Stadt. Wir stehen an der Stelle, an der die Pilgrims ihre 9 Wochen Cruise nach Plymouth angetreten sind. (Man fragt sich schon wieso die armen Narren, die ja eigentlich geflohen sind und ein neues Leben anfangen wollten, ihren Siedlungen die gleichen Namen gaben – Masochismus?)

Während unseres Spaziergangs durch die Innenstadt fällt uns ein kleines, bummvolles Seafood Restaurant auf in dem gerade ein Tisch frei wird. Vis a vis ist ein anderes Restaurant, dass uns aber ein bisschen besser gefällt und wir gehen in dieses. Hinter uns mehrere andere Leute. Wir warten auf den Kellner, der uns zu einem Tisch bringen sollte. Es kommt auch einer und er teilt uns mit, dass es Sonntag ist und sie um 7.00 schließen.
Mrs. M. stürzt aus dem Lokal und schießt in das andere kleine und bekommt tatsächlich den letzten Tisch. Die anderen Leutchen kommen zu spät. Loser. Schulterklopfen - Gratulation
Wir bestellen und das Lokal beginnt sich zu leeren. Als unsere Vorspeise ankommt sind wir alleine im Lokal. Auch die sperren am Sonntag vorzeitig zu.
Das Essen ist das grauslichste was wir in England je vorgesetzt bekommen haben.


Montag, 11. August 2014

Ob ich mich von diesem Tag jemals erholen werde, steht in den Sternen. Als allererst hauen wir heute Google-Tussi raus und kehren reumütig zur Apple-Tussi zurück. Anfangs klingt sie ein bisschen verschnupft aber das legt sich im Laufe der ersten Stunden. Sie hat sicherlich ihre Fehler erkannt und versucht sich nun zu besseren.

Wir fahren nach Penzance das, laut Reiseführer seinen natürlichen, ursprünglichen Charme gewahrt hat. Es ist ein Drecksnest, in netter Lage, mit lauter unnötigen Geschäften und Millionen von Leuten.

Das wichtigste anPenzance ist, dass man leicht nach Mousehole kommt. Mrs. M. besteht auf einen Besuch, da es ein liebliches Städtchen, wie aus einem Kindermaerchen sein soll.
Mousehole entpuppt sich als Mousetrap. Es ist sehr schwer beschreibbar. Der Ort liegt auf vielen, sehr steilen Hügeln. Man muss sich die Straße in den Weingarten in Lutzmannsburg vorstellen, nur viel steiler und 1000-mal so lang. Links und rechts jedoch Häuser und parkende Autos und GEGENVERKEHR. Ich transpiriere.

Das Ganze ein einziges Labyrinth. Pausenlos fahr ich an andere Autos an, Kontakte mit diversen Rückspiegeln werden nicht mehr gezählt, ich fahr in den Straßengraben und will nur raus aus dieser Hölle. Wir bleiben an einer geeigneten Stelle stehen und ich teile Apple-Tussi mit, dass sie uns sofort rausholen soll. Apple-Tussi führt uns nur tiefer ins Labyrinth und gibt dann komplett auf. Wir haben kein Signal mehr. Mausloch ist ein Handyloch.

Auf uns allein gestellt, versuchen wir zu fliehen. Es wird immer steiler und enger. Ein BMW kommt uns entgegen. Er bergab, wir bergauf. Wir haben Vorfahrt, er rührt kein Ohrwaschel. Ich weiche links aus, fahre mit dem linken Vorderreifen in einen Graben.

Mrs. M steigt aus um mich einzuweisen. Die Bremsen glühen bereits, durchdringender Gestank von verbranntem Gummi. Ich fahre zurück, nach vor, zurück nach vor, an einen Gartenzaun, zurück, nach vor. BMW ist vorbei. Will nach vorne fahren, habe noch Rückwärtsgang drinnen, fahre auf hinten stehenden Wagen auf. Bremsen kreischen, Gestank nach verbranntem Gummi wird unerträglich. Mrs. M. weigert sich, wieder in den Wagen zu steigen. Ich schreie sie an. Sie muss einsteigen, da ich nie mehr wieder auf dieser Straße stehenbleiben kann. Die Großglockner Hochalpenstrasse ist ein flaches Bauwerk gegen diesen Alptraum. Ich transpiriere jetzt sehr heftig.

Wir fragen einen Einheimischen nach dem Weg. Der sagt uns, in 3 Meilen kommen wir zu einer normalen Straße. Mrs. M. fragt ihn, ob es die ganzen 3 Meilen so weiter geht. Er meint, es wird ein bisschen schlimmer. Wir kämpfen uns weiter. Ich überlege, das Scheissauto stehen zu lassen, Enterprise anzurufen und ihnen mitzuteilen, wo ihre Kiste steht und von nun an den Bus und die Bahn zu nehmen. Mrs. M. Meint, ich soll mich nicht so hysterisch anstellen, es wohnen ja überall Leute und die parkenden Autos werden ja auch irgendwann gefahren. Auch werden die Möbel und anderen Einkäufe der Einheimischen nicht mit Lamas geliefert.

Für eine Strecke von insgesamt 4 Meilen haben wir eine und eine halbe Stunde benötigt. Mein Haar ist nun nicht mehr grau. Es ist weiß mit leichten dunklen Strähnchen. Ich bin 10 Jahre gealtert und mit Mrs. M. die mich in diese Falle gelockt hat, rede ich nicht mehr.
Apple-Tussi taucht aus ihrem Schoenheitsschlaf auf und assistiert wieder. In diesem Moment habe ich eigentlich von allen drei Damen auf dieser Reise die Schnauze voll.

Wir fahren nach Lands End und von dort kurz nach St. Ives (wunderschön) und von dort nach Newquay ins Hotel Best Western. Das Hotel entpuppt sich als alter Kasten in dem aber schon Prinz Charles und Richard Burton geschlafen haben sollen. Na dann ist es auch für uns gut genug. Es wird uns ein Lokal empfohlen und wir essen die besten Muscheln unseres Lebens.


Dienstag, 5. August 2014

Wir fahren nach Bristol. Bristol ist eine schöne Stadt und Mrs. M. hat beschlossen, dass wir uns dort länger aufhalten werden. Wir kommen mittags an, checken ein, erkunden die Stadt und um 15.00 Uhr ist uns fad. Normalerweise machen wir an einem Nachmittag 3 bis 4 Städte. Unser Ziel ist ja England in 6 Tagen zur Gänze zu bereisen. Dann muss ich hoffentlich nie mehr wieder hierher.


Mittwoch, 6. August 2014

Heute fahren wir nach Stafford upon Avon, die Heimat von Shakespeare. Dieser Tag wird uns für immer in Erinnerung bleiben.

Zuerst geht’s jedoch nach Bath, wo wir die sehr gut erhaltene römische Therme besichtigen und ein bisschen herumspazieren. Sehr nette Stadt.

Jetzt geht’s nach Stafford upon Avon und zwei Stunden später biegen wir auf einen Parkplatz inmitten der Stadt ein.
Eine ältere Dame geht auf der linken Seite und es macht BOOM. Mrs. M. meint panisch: „Jetzt hammas, Du hast sie niedergfuehrt“.

Ich habe sie am Ellbogen angefahren. Nun transpiriere ich sehr, sehr stark und mein Blutdruck steigt ins Unermessliche. Ich bleibe stehen. Die Dame, den rechten Ellbogen haltend kommt auf uns zu.

Ich öffne das linke Fenster und sage: „ I am so sorry, I am so sorry, I am so sorry, are you OK?“ Sie meint: „With a little surgery, I will be just fine……….. No, no I am just kidding. Everything should be fine. Thank you very much for apologizing. Others would have just kept driving”

Kann man das glauben? Sie bedankt sich für meine Entschuldigung? Nach nochmaligem, mehrmaligem Versichern, dass alles in Ordnung ist, geht die Dame weiter. Ich brauche noch ein paar Sekunden um mich zu fassen, dann fahren wir weiter. Als wir erneut in die Nähe der Dame kommen, ich natürlich weit nach rechts ausweichend, hüpft sie ganz nach links an die Mauer und hebt ihre Hände in einer Aufgabegeste. Ich liebe den britischen Humor.

Wir machen eine Stadtrundfahrt,auf welcher wir vom Hygieneverhalten der damaligen Bevölkerung informiert werden.
Es wurde prinzipiell nur einmal im Jahr gebadet. Meistens im Mai. Der Hausherr zuerst, dann die Frau, dann die Kinder, dann das Gesinde, alle im gleichen Wasser. Die Kinder bekamen ein neues Gewand, welche sie dann ein ganzes Jahr, bis zum nächsten Bad, trugen.
King Henry VIII hat in seinem Leben zwei Mal gebadet. Einmal bei seiner Geburt, einmal bei seinem Tod. Jetzt wissen wir auch wieso er so viele Frauen hatte. Die konnten ihn nicht mehr riechen.

Wir machen eine Bootsfahrt auf dem River Avon, ich haue mir auf dem niedrigen Boot die Birne an und bin etwas benommen. Wir nehmen einen sehr guten späten Lunch zu uns und schlendern zum Auto zurück.
Kurz vor dem Parkplatz, mitten in der Stadt, auf dem unebenen Pflaster, auf dem schon „The Bard“ gewandelt ist, passiert es. Mrs. M. meint es ging so schnell, sie konnte einfach nichts tun.
Meine Beobachtung war eine andere. Mrs. M, links von mir stehend, knickt ganz langsam, wie in Zeitlupe, ein und haut sich auf den Bauch. Sie stützt sich mit der rechten Hand ab und kugelt durch Stafford upon Avon.
Ich versuche Mrs. M. aufzuziehen. Es geht sehr schwer. Passend zum Ort fällt mir ein: „ A Horse! A Horse! My kingdom for a Horse!

Auch ohne “Horse” kriegen wir Mrs. M. wieder auf die Füße. Ihr rechtes Handgelenk beginnt anzuschwellen und sie kann sich nur noch hinkend durch die Gegend bewegen. Wir schaffen es zum Auto und ich bestehe darauf, in ein Krankenhaus zu fahren. Da von Mrs. M. keine Einsprüche kommen, weiß ich, dass es ernst ist.

Kurz nachdem wir den Parkplatz verlassen haben sehen wir eine Klinik für „Minor injuries“ Da fahren wir hin. Wir kommen um 17.00 Uhr an und der Doktor sagt uns: „We are closing at 5pm, go to the hospital in Warwick“
Er hat keine Adresse, gibt uns aber die Satellitenkoordinaten. Mrs. M. hat Schmerzen. Eine halbe Stunde später sind wir im Spital und die Dame am Empfang nimmt Mrs. M‘s Daten und wir beginnen zu warten.

Nach zwei Stunden untersucht ein Doktor mit indischem Migrationshintergrund Mrs. M und teilt ihr, nach dem Roentgen mit: „no broken bones“ Er gibt ihr Schmerzmittel und ich frage am Empfang was wir schuldig sind und die meinen, NICHTS.
Wir gehen und sind sehr beeindruckt vom britischen Gesundheitssystem. Wir fahren in ein nahegelegenes Hotel.

Bei einem Kreisverkehr fahr ich wieder einmal falsch ab und erkenne nach ca. 500 Meter meinen Irrtum. Ich fahre in die Einfahrt eines Privathauses und wende.
Beim Zurückfahren kommt uns ein Auto entgegen und schaltet plötzlich die Warnblinker ein. Ich bin auf der falsche Seite! Ich verreiße das Auto nach links und Mrs. M. knallt mit ihrer verletzten Hand an den Schalthebel.

Wir schaffen es überraschenderweise doch noch lebend ins Hotel. Nun, da der erste Schock etwas abgeklungen ist, merkt Mrs. M. dass auch die linke Hand etwas mitgenommen ist und der rechte Knöchel so schmerzt, dass sie nur mehr humpelnd England erforschen kann. Die rechte Hand schaut mittlerweile wie ein praller Luftballon aus.

Ich beschließe, gegen die Proteste von Mrs. M. den Urlaub abzubrechen und nach Hause zu fahren.


Donnerstag, 7. August 2014

Mrs. M. meint, dass die Schwellung zurückgegangen ist und sie mit dem Arm bereits wieder winken kann, zumindest wie die Queen und wir doch hierbleiben sollten. Ich bin nicht dieser Meinung und rufe bei der AUA an um unseren Flug umzubuchen.
Um Mrs. M. ruhig zu stellen, buche ich den Flug um 19:30 Uhr und nicht den Nachmittagsflug, damit wir noch ein bisschen in den Cotswolds herumfahren und auch noch Oxford besuchen können. Ich gebe der Dame von der AUA meine Kreditkarteninformationen und sie meint ich soll in ca. 2 Stunden meine E-Mail checken, ob alles in Ordnung ist.
Zwei Stunden später bekomme ich eine E-Mail, meine Kreditkarte ist declined und ich soll doch anrufen. Auf der Karte sind noch mehr als 1000 Euro drauf. Keine Ahnung was passiert ist. Ich flehe den Agenten an, die Reservierung bestehen zu lassen und dass ich am Schalter in bar zahlen werde.

Cotswolds sind wunderschön. Oxford uninteressant. Bis zu diesem Tage habe ich immer gemeint, dass Oxford eine Universität wie Harvard, Yale oder Stanford ist. Stimmt nicht. Es sind dutzende, unabhängige Universitäten. Man lernt wirklich immer noch dazu. Wir überlegen, uns mit einer Universität in Oxford selbstständig zu machen. University Of Mr. And Mrs. M.

Wir kommen um ca. 16:00 am Flughafen an, nachdem wir vorher das Auto zurückgegeben haben. Kein Schaden am Auto. Ich kann’s kaum glauben.
Ich besorge die Tickets. Der Aufpreis ist 312 Pfund. Ich habe nur mehr 310,75 Pfund in bar und schlage vor den Rest mit Kreditkarte zu bezahlen. Das geht nicht. Entweder bar oder Kreditkarte. Nach langem hin und her geben sie mir die 1,25 Pfund aus der Kaffeekassa.

Der Flug hat unendlich Verspätung und wir kommen erst um Mitternacht in Wien an.


Freitag, 8. August 2014

Mrs. M. ist etwas auf mich angefressen, da es ihr, laut ihren Aussagen, schon viel besser geht und ich sie für nichts und wieder nichts nach Hause geschliffen habe.

Ich rufe am Morgen die Reiseversicherung an und teile ihnen unser Missgeschick mit. Die wirklich nette Dame meint, dass wir einen Aerztebrief brauchen. Wir beschließen, in die Ambulanz des Rudolfspitals zu gehen, da wir diese als nett in Erinnerung haben, als sie damals Mrs. M’s abgeschnittenen Finger wieder angenäht haben.

Ich sage zum Portier, der gemeinsam mit einem Securitytypen vor dem Eingang steht: „Meine Frau hatte einen Unfall, wo müssen wir hin?“ Beide sagen unisono: „In ein Unfallspital, aber wir dürfen Sie nicht mehr abweisen. Gehen Sie zur Chirurgie, aber die werden Sie wahrscheinlich auch in ein Unfallkrankenhaus schicken“

Was wissen diese Typen schon. Wir gehen zur Chirurgie, dort wird uns mitgeteilt, dass wir in ein Unfallkrankenhaus müssen. Habe ich doch gleich gewusst.
Wir versuchen, uns an den beiden Herren vom Eingang vorbei zu schleichen, werden jedoch entdeckt und frech angegrinst.

Die Entscheidung ist zwischen AKH und Wilhelmsspital. Da wir ja eigentlich nur einen Aeztebrief brauchen, denke ich, dass es im AKH vielleicht schneller geht.
Wir gehen also ins AKH und warten wieder stundenlang. Endlich kommt Mrs. M. dran und ist gleich wieder heraussen.

Da sie kein Röntgenbild mitgebracht hat, muss ein neues gemacht werden. Wieder warten. Roentgen - Diagnose – Armbruch (Speiche gebrochen) Wir sind nicht mehr ganz so begeistert vom Britischen Gesundheitssystem.

Nun geht alles schnell. An Mrs. M. wird ein Gips für einen Tag angebracht. Morgen Samstag bekommt sie den Fixen, den sie dann für 4 Wochen tragen darf.

Wir verlassen das Spital. Ich mit dem Wissen: „Ich hab’s ja immer gewusst“. Mrs. M. mit dem Wissen: „Mein Gott, jetzt werde ich die ganze Zeit hören, er hats ja immer gewusst“.

Für diese ganze Aufregung beschließen wir, uns mit einem Wienerschnitzel zu belohnen. Es ist jedoch Feiertag und es hat nicht viel offen. Der Brandauer in den Stadtbahnboegen ist nur ein paar Stationen entfernt. Um festzustellen welche Station, checke ich eine App, während wir die Stiegen zum Bahnsteig hinuntergehen.
Auf der vorletzten Stufe rutsche ich aus, fange den Aufprall jedoch mit meinen Knien und meinen Ellbogen auf. Ich liege auf dem Bauch, mein IPhone schlittert am Bahnsteig dahin und Mrs. M. meint: “Roooobert, was führst denn Du auf“

Ich rapple mich auf. Das rechte Knie schmerzt ganz besonders. Es wird aber besser. Wir essen ein gutes Wienerschnitzel und begeben uns auf den Heimweg.

Irgendwie haben wir es schon lustig.

 

Howdy magro1960,

im Prinzip lese ich so "Reisebeschreibungen" ja ganz gerne. Hab auch hie und da geleächelt, manchmal gelacht. Das Problem war nur: Mein Lesefluss wurde zu oft unterbrochen. Ich greife mal ein Beispiel so aus der Mitte des Textes heraus:

Kann man das glauben[?], [S]sie bedankt sich für meine Entschuldigung[?]. Nach nochmalige[m]n, mehrmalige[m]n versichern, das alles in Ordnung ist, geht die Dame weiter. Ich brauche noch ein paar Sekunden[,] um mich zu fassen[,] [und/kann weg] dann fahren wir weiter. Als wir [erneut]wieder in die Nähe der Dame kommen, ich natürlich weit nach rechts ausweichend, hüpft sie ganz nach links an die Mauer, und hebt ihre Hände in einer Aufgabegeste. Ich liebe den britischen Humor.

Wir machen eine Stadtrundfahrt[,] auf welcher wir [über das][vom] Hygieneverhalten der damaligen Bevölkerung informiert werden.
Es wurde prinzipiell[e/weg] einmal im Jahr gebadet. Meistens im Mai. Der Hausherr zuerst, dann die Frau, dann die Kinder, [dann/weg] das Gesinde, [und]alle im gleichen Wasser. Die Kinder bekamen ein neues Gewand, welche[s] sie dann ein ganzes Jahr, bis zum nächsten Bad, trugen.
King Henry VIII hat in seinem Leben zwei Mal gebadet. Einmal bei seiner Geburt, einmal bei seinem Tod. Jetzt wissen wir auch[,] wieso er so viele Frauen hatte. Die konnten ihn nicht mehr riechen.

Ja, du siehst, was ich meine. Weiß gar nicht, ob es das Korrekturcenter noch gibt ...

Versteh mich also nicht falsch. Trotz allem habe ich es gerne gelesen und mir hat es gefallen. Es gehört nur gut überarbeitet.

Gruß

Morphin

 

Lieber Morphin
Vielen Dank fuer Deine sehr nette Kritik. Frage: Ist Dein Lesefluss nur durch die schlechte Ortographie, oder auch durch Durchhaenger in der Story unterbrochen worden?
Ich wuerde mich ueber Deine Antwort sehr freuen. Danke nochmals das Du es ueberhaupt gelesen hast.
Alles Gute
magro1960

 

Hall Magro,

der Stil ist ok, unaufgeregt, kurzgeschichtentauglich, aber die "Geschichte" selbst ist aus meiner Sicht ohne Spannungsbogen, dh. weitgehend aufzählend. Dinge, die während einer Reise (über die kein sehr guter Stern steht) halt so passieren. Das sind Geschichten, wie man sie nach Reisen Freunden beim Heurigen mit großem Gewinn erzählen kann, aber so eins zu eins in die schriftliche Form gebracht, ist das aus meiner Sicht noch keine Kurzgeschichte.
Vielleicht wird dieser Eindruck noch unterstützt durch das Layout. Leerzeilen sind eigentlich informationshaltig. Eine Leerzeile sollte zumindest einen Ortswechsel oder einen Zeitsprung anzeigen.
Vielleicht wurde Morphin auch durch dieses Detail immer wieder im Lesefluss unterbrochen.
Aber gelesen habe ich es dann doch mit einem Schmunzeln hie und da.

schöne Grüße aus Wien nach Wien

baronsamedi

PS: Auffällige Wörter wie "Migrationshintergrund" sollte man vielleicht nicht dreimal verwenden, außer man macht daraus einen als solchen erkennbaren Running Gag.

 

Lieber baronsamedi

Vielen Dank fuer Deine Kritik. Ich werde sie mir zum Herzen nehmen. Wie Du wahrscheinlich vermuten kannst bin ich noch ziemlich neu in diesem Genre. Aber durch Kritiken wie Deine und Morphins lerne ich. Der "Migrationshintergrund" war als Running Gag gedacht. Ist anscheinend nicht angekommen.
Danke nochmals fuers lesen und feedback

Liebe Gruesse
magro1960

 

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