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Noch lebst du

Seniors
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14.08.2012
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Noch lebst du

Noch lebst du, Vinc, noch ist’s nicht vorbei mit dir - das waren die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, als ich erwachte. Die üblichen morgendlichen Gedanken. Mein Mund war trocken und mir war, als steckten Stahlnägel in meinem Schädel. Eine kratzige Zunge leckte über spröde Lippen, Herrgott, ich bekam die Augen einfach nicht auf, Herrgott, ging's mir elend. Herrgott, ich war noch keine fünfzig und ich pfiff aus dem letzten Loch.
Es gelang mir nicht, den Kopf zu heben. Ich spürte ein Ziehen an der linken Wange, als klebte sie irgendwo fest. Es fühlte sich an, als läge sie auf ... verdammt, ich hatte keine Ahnung, worauf ich da lag. Mein Kissen war das jedenfalls nicht.
Ich blinzelte, schaffte es endlich, ein Auge zu öffnen, und starrte geradewegs auf eine rosige Spalte, keine zehn Zentimeter vor meinem Gesicht. Ein Mund? Herr im Himmel, das träumte ich doch. Schließlich bekam ich auch das zweite Auge auf und ließ meine Blicke wandern. Langsam dämmerte mir der ganze Schlamassel, in dem ich da steckte. Mein Kopf lag auf einem … ja, auf einem Schenkel, einem wunderbar glatten Frauenschenkel. Glitzernde Schlieren zogen sich darüber, wie Silberadern, wie Spuren von Schnecken. Endlose Augenblicke verweilte ich in Betrachtung dieses Bildes, vollkommen reglos lag ich da und der Geruch, der mich umfing, ließ mich stumme Schreie in den Himmel schicken. Vorsichtig löste ich meine Wange von ihrem Lager, ich ging dabei so behutsam ans Werk, als wäre dieses Bein ein schlafendes Kind, und das zauberhafte rosige Ding schien mir dabei zuzuzwinkern. Vielleicht grinste es mich auch schelmisch an, keine Ahnung. Ich setzte mich auf und betrachtete minutenlang das Wunder, ich bemühte mich redlich, dieses Wunder in seinem ganzen Ausmaß zu begreifen … Elsie lag da in meinem Bett, schlafend, leise atmend, gänzlich nackt und zum Heulen schön. Die Haut rings um ihre Scham funkelte wie von Morgentau benetzt und mir stellten sich sämtliche Härchen auf, vermutlich schnitt ich sogar Fratzen.
Draußen brach der Tag an. Die Sonne warf ihre ersten Strahlen über die Welt und mein Verstand stand in Flammen. Leise erhob ich mich, deckte Elsie mit dem Laken zu und taumelte in die Küche. Ich stellte Kaffee auf, ließ kaltes Wasser in die Spüle laufen und steckte gut eine Minute den Kopf rein. Allmächtiger, womit hatte ich dieses Wunder verdient?

Als ich mit dem Kaffee in der Hand in den Garten trat, empfing mich ein Morgen, der mir beinahe den Atem verschlug. Das nächtliche Unwetter hatte der Hitzewelle endgültig den Garaus gemacht und die Luft war von kristallener Reinheit. Ich atmete tief durch, lehnte mich an den Apfelbaum, steckte mir eine Zigarette zwischen die Lippen und schnupperte bei der Gelegenheit an meinen Fingern.
Ich blickte um mich. Die Pflanzen wirkten nach dem Regen wie ausgewechselt. Ringsum glitzerten die nassen Bäume und Sträucher in der Sonne und darüber dehnte sich ein endloser Himmel. Ich war knapp dran, auf die Knie zu sinken. Aber ist es eine Schande, bisweilen schwach zu werden und die Augen zusammenzukneifen, wenn einen das Wunder der Welt blendet? In der letzten Zeit waren die Freuden in meinem Leben nicht eben dicht gesät, die standen nicht gerade Schlange vor meiner Tür. Die Momente solchen Glücks warteten nicht mehr an jeder Ecke auf einen wie mich, mittlerweile konnte ich die an den Fingern abzählen. Ich hatte genug hinter mir, um mir jeden Zipfel davon zu schnappen, wenn ich einen erwischte. Hochmut war ein Vorrecht der Glücklichen, für uns anderen war das Leben vor allem ein Glücksspiel, man verlor stets mehr, als man gewann, soviel hatte ich längst kapiert. Spätestens damals, als Lauras Wagen unter diesen LKW geraten war.
Ich fühlte mich leicht wackelig auf den Beinen, das schon, aber gegen so einen Morgen war mein Brummschädel ein Klacks, so einem Morgen stand es wahrhaftig zu, ihm ein kleines Opfer zu bringen.

Zugegeben, gestern Abend hatte ich mehr getrunken als sonst, ach zum Teufel, in Wahrheit war ich bereits besoffen, als Elsie auftauchte.
Da stand die doch tatsächlich plötzlich vor meiner Tür und blickte mich mit großen Augen an, während ich mich an den Türrahmen klammerte wie ein Schiffbrüchiger an eine Planke, meine Fingernägel rissen Splitter aus dem Holz, kein Witz, gleich haut’s mich um, dachte ich, gleich legt’s mich auf die Fresse, was machte denn die hier?
„Du?“
Ob ich mich noch an sie erinnere, fragte sie mich, und ich, ich versuchte sie anzulächeln und ich musste dabei wohl dreingeblickt haben wie der letzte Schwachkopf, aber … ja, wie soll man denn lächeln, wenn man gleichzeitig mit den Zähnen knirschen muss, machte die Witze, meinte die das ernst?
„Ob ich mich an dich erinnere? Machst du Witze? Meinst du das ernst?“
„Na ja, äh, … war ja nicht gerade gestern … willst du mich nicht reinlassen?“
Und genau in diesem Augenblick, eben als ich ihr sagen wollte, das passe mir momentan leider überhaupt nicht in den Kram, wirklich jammerschade, so ein blödes Pech, eben als ich fieberhaft darüber nachdachte, welch haarsträubenden Zinnober ich ihr auftischen könnte - du wirst es nicht glauben, Elsie, ich hab die Windpocken ... nein, einen Stromausfall, nein, einen verdammten Wasserrohrbruch, das Wasser steht mir bis zum Hals, buchstäblich - was ja nicht einmal gelogen wäre, ja, genau in diesem Augenblick blies mir der Abendwind eine Handvoll ihres Duftes in die Nase. Die volle Ladung, als machte er sich ein Späßchen mit mir, der Wind. Äolus, dieser heimtückische Arsch.
„Äh, natürlich, klar, komm rein.“
War das tatsächlich ich, der das eben gesagt hatte? War ich vollkommen irre?
„Aber nicht erschrecken, Elsie, sollte ich kurz ohnmächtig werden. Oder tot umfallen.“
Und sie war reingekommen, scheu lächelnd und mit diesem versonnenen Blick, der mich schon vor acht Monaten schier um den Verstand gebracht hatte. Ob ich mich an sie erinnere … heilige Scheiße, hatte die eine Ahnung!
Ich lotste Elsie zum Sofa und machte uns zwei Bier auf. Dabei zitterten meine Hände, dass ich Angst hatte, die Flaschen zu zerdeppern.
„Weißt du, ich wollte dir nur das Buch zurückgeben.“
„Ach was, das hatte doch keine Eile.“
„Und weil doch deine Adresse drinsteht. Da dachte ich mir, ich bring’s dir einfach vorbei … Geht’s dir gut, Vinc?“
„Ja, ja … Magst du was essen, Elsie?“
„Was? Nein, danke. Wirklich nicht.“
„Wunderbar, ich mach dir schnell ’n Sandwich.“
Und schon war ich in der Küche verschwunden. Ich riss den Kühlschrank auf und kratzte eine Handvoll Eis aus dem Gefrierfach. Ich rieb mir das Eis ins Gesicht und in den Nacken, und die Grimasse, die ich dabei zog, hätte wohl dem hartgesottensten Mistkerl die Haare zu Berge stehen lassen. Mit klammen Fingern angelte ich mir den Gin aus dem Eisfach und genehmigte mir einen Schluck. Dann schnappte ich mir aufs Geratewohl ein paar Dinger aus dem Kühlschrank und schmiss alles auf einen Teller. Oliven, ein Stück Käse, eine verschrumpelte Grapefruit, ein Gläschen Dijonsenf, ein paar Schokokekse, ein Salatblatt, noch ein Salatblatt, ein Büschel Petersilie - ich war wie von Sinnen, ich war auf dem besten Wege, vollkommen überzuschnappen. Reiß dich zusammen, Vinc, reiß dich um Himmels Willen zusammen. Das ist nur eine Frau. Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare, ich rubbelte mir mit den Händen übers Gesicht, ich fletschte die Zähne, ich kippte den ganzen Krempel in den Mülleimer. Ich nahm noch einen Schluck vom Gin.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, bemerkte ich, dass die Luft im Raum schon begonnen hatte, sich zu verändern. Ich stellte mich ans Fenster, wandte Elsie den Rücken zu und starrte in den Garten. Ich biss die Zähne zusammen.
Seit der Sache mit Laura war mir ja keine Frau mehr ins Haus gekommen, nicht eine, also nicht, dass sich in den zwei Jahren nichts ergeben hätte, meine Güte, ich war ein Mann und kein Mönch, aber in meine Bude hatte ich keine gelassen. Allein der Gedanke, dass Lauras Geruch verschwinden, gar vom Duft einer anderen Frau getilgt werden könnte, machte mich halb verrückt. Deshalb hatte ich ja auch nie ihre Sachen weggegeben, nach wie vor hingen ihre Klamotten im Schrank und das Badezimmer platzte aus allen Nähten. All ihre Shampoos und Cremes lagen da noch herum, all die Tiegelchen und Flakons, die Lotionen und Öle, ihre Lippenstifte und Parfumfläschchen und Haarbürsten, an denen zu riechen ich mir nicht versagen konnte, wenn die Nächte besonders schlimm waren. Mein Gott, ihr Morgenmantel. In dem vergrub ich bisweilen das Gesicht und raufte mir dabei die Haare.
„Du hast mich nie angerufen, Vinc.“
Wie hätte ich auch sollen? Sie telefoniere nicht besonders gerne, hatte sie gesagt, damals vor acht Monaten, als wir uns frühmorgens vor dem Raymonds verabschiedeten. Deshalb hatte ich gleich nach dem Nachhausekommen den Zettel mit ihrer Telefonnummer verbrannt, besoffen wie ich war. Auf der Stelle nämlich hätte ich sie sonst angerufen, oder spätestens zu Mittag. Ob ich sie treffen könne, hätte ich sie gefragt, ja, heute schon, gleich, sofort, nicht erst irgendwann. Ich hatte das Zettelchen angezündet und zugesehen, wie es in der Spüle vor sich hin gloste, während ich darauf wartete, dass der Kaffee fertig wurde. Dann trank ich schwarzen, bitteren Espresso, rauchte Zigaretten und ging die Wände hoch. Lieber Himmel, ich war mir vorgekommen wie ein bescheuerter Siebzehnjähriger, ich dachte, ich müsste durchdrehen.
Immerhin glaubte ich, mir ihre Adresse gemerkt zu haben. Und wenn es etwas gab, das ich gut konnte, dann war das Briefeschreiben. Das bildete ich mir zumindest ein, und ich versuchte mir auszumalen, dass ich mir das Wunder vielleicht herbeischreiben könnte. Ja, wie ein Wunder war Elsie mir erschienen an jenem Abend im Raymonds.
„Hast du mir zugehört, Vinc? Du hast mich nie angerufen. Warum?“
„Ich hab dir geschrieben, Elsie.“
„Was hast du?“
„Briefe geschrieben.“
„Was für Briefe? Was redest du da?“
„So zwanzig, dreißig werden es wohl gewesen sein, schätze ich mal.“
„Du hast mir Briefe geschickt?“
„Das hab ich nicht gesagt. Aber geschrieben habe ich sie … nicht der Rede wert eigentlich.“
„Was ist nur los mit dir, Vinc?“
Ich merkte, wie mir die Lage entglitt, wie das Eis, auf dem ich mich bewegte, immer brüchiger wurde. Sollte Elsie verschwunden sein, wenn ich mich jetzt umdrehte, sich klammheimlich aus dem Staub gemacht haben, wäre ich nicht wirklich überrascht, ich könnte es ihr nicht verübeln. Wer sucht schon freiwillig die Gesellschaft eines Mannes, der am Boden liegt, der schon längst ausgezählt ist. Ich drehte mich nicht um, unverdrossen starrte ich in den Garten, noch ließ ich ihr die Chance, einfach abzuhauen.
Mittlerweile war es beinahe Nacht draußen. Der Wind war kräftiger geworden und rüttelte an meinem Apfelbaum und die Wolken im Westen wurden immer wieder von Wetterleuchten erhellt. Das leise Donnergrollen bildete ich mir nicht ein.
„Setz dich zu mir, Vinc. Bitte.“
Ich riss meinen Blick vom Garten los und drehte mich endlich um. Elsie war noch da.

„Das hast du alles für mich geschrieben, Vinc?“
Nahezu eine Stunde hatte Elsie gelesen, und ich tigerte währenddessen durch den Garten oder lag in einem Liegestuhl auf der Terrasse, ich hatte ein Bier getrunken, den Himmel betrachtet und das Gewitter beschworen. Ich war hin und her geflitzt wie ein Bekloppter, ich hatte mich dabei ertappt, mit der Stirn am Stamm des Apfelbaumes zu lehnen und mir auf die Lippe zu beißen. Und ich hatte nachgedacht. Ich hatte darüber nachgedacht, ob es etwas Lächerlicheres gibt als einen Mann, der auf dem Boden liegt, ich hatte darüber nachgedacht, ob ich in meinem Leben da noch jemals dahinterkäme, ich hatte darüber nachgedacht, wie lange mir das Leben noch auf die Eier gehen wollte. Über lauter so Scheiß hatte ich nachgedacht. Aber im Ernst jetzt, die meiste Zeit lag ich lediglich im Gras und starrte in den Himmel.
Und jetzt stand Elsie über mir, den Packen Papier in der Hand, und selbst die Dunkelheit konnte mir nicht verbergen, dass sie geweint hatte. Sie kniete sich neben mich.
„Vinc. Ich wusste das nicht …“
Ein Blitz zerriss den Himmel. Und ein Donnerschlag. Und in dieser winzigen Sekunde gleißender Helligkeit sah ich die Tränen in ihren Augen und ich konnte erkennen, dass ihre Wangen gerötet waren, ich sah den Schimmer auf ihrem Haar und den Diamantsplitter in ihrem Ohrläppchen und den Glanz auf ihren Lippen und das kleine Muttermal neben ihrem linken Mundwinkel und die Gänsehaut auf ihren Schultern, ich sah das tatsächlich alles, ich sah das alles gleichzeitig, das bildete ich mir nicht ein, nein, ich meinte sogar, den Duft an ihrem Hals zu sehen und den Duft ihrer Haare und den Duft unter ihren Achseln und den Duft zwischen ihren Beinen. Als schleuderte ihr Körper Funkengarben. Es war ein Augenblick reinster Klarheit, ich sah das alles wirklich und plötzlich überfiel mich die Gewissheit, doch noch einmal aufstehen zu können.
Und ich streckte die Arme nach Elsie aus.
Und in diesem Moment brach das Gewitter los.
Und Windstöße wirbelten die Briefe durch die Luft.
Und Elsie stürzte sich auf mich.

 

Tashmetum schrieb:
Ich fand die Geschichte toll!
Na bitte. Auch wenn du sie ein wenig anders gelesen hast, Tashmetum, als es in meiner Absicht lag:

aber ich habe mir so gedacht - und in diesem Fall würde ich nicht sagen, dass etwas fehlt; obwohl du es nicht explizit schreibst oder beschreibst-, dass der Protagonist wirklich todkrank ist und deswegen so überwältigt reagiert.
Also "in meiner Welt" steht darin, dass er sie ganz toll findet, dass er sich vielleicht auf den ersten Blick in sie verliebt hat, dass sie eigentlich zusammen gehören, ABER
... aber, dass sie nicht zusammensein können, weil er todkrank ist und sie nicht mit seiner Krankheit belasten kann und will ...

Dass Vinc todkrank ist, wird eigentlich an keiner Stelle des Textes angedeutet. (An einem Kater, auch wenn er noch so schlimm ist, ist noch keiner gestorben.)
Aber wenn du mit dieser melodramatischen Lesart glücklich bist, sei sie dir gegönnt.

Sie ist nicht wirklich überraschend, weil wir ja seit dem Anfang wissen, dass zwischen Protagonist und Frau etwas laufen wird.
Ich frage mich, warum Du den Anfang nicht ans Ende stellst.
Ganz einfach, weil (wieder einmal) diese Geschichte ganz ungeplant entstanden ist. Ich begann mit der morgendlichen Aufwachszene und die erscheint mir noch immer als ein perfekter Einstieg, na ja, und der Rest hat sich dann halt einfach ergeben. Also ich mag die Dramaturgie der Geschichte schon sehr gerne.
Deine Änderungsvorschläge habe ich einer wohlwollenden Prüfung unterzogen und sie dann allesamt verworfen. Ich bin ein sturer Hund. Nein, Moment, fächelte habe ich durch blies ersetzt. (Warum du an der Stelle das Präsens einforderst, blieb mir allerdings ein Rätsel.)

Vielen Dank für dein Lob, Tash


Lady Morphia schrieb:
Dein Stil ist dein Stil, und das ist deine Sache. Aber ich tu mir schwer mit dem bundesdeutschen "Möse", "Fresse", "Blödmann", "sternhagelvoll" , "Klacks" etc. in dem ansonsten doch österreichischen Text, da hätte ich wenigstens "Muschi", "Maul", "Trottel" , "besoffen" und "nichts" genommen, das harmoniert besser finde ich.

Du weißt, wie sehr ich die genuine österreichische Alltagssprache liebe und verwende, Lady Morphia, selbst meinen Söhnen konnte ich vermitteln, dass z.B. Erdäpfel, Paradeiser oder blunznfett einfach coole Wörter sind.
Aber wenn ich schreibe, denke ich quasi auf einem anderen Niveau. Möglicherweise spielt da auch das Hochdeutsch, Mit dem ich in meinem Elternhaus aufgewachsen bin, eine Rolle. (Mein Vater war gebürtiger Sudetendeutscher) Und sicherlich bin ich in meinem Stil einfach auch geprägt durch meine Lektüre, und klar, ich hab auch Lieblingsautoren, an deren Sprache ich mich bewusst oder unbewusst orientiere, einfach weil sie mir gefällt. Also pures Österreichisch kann und will ich gar nicht schreiben, auch wenn ich z.B. Wolf Haas wahnsinnig gern mag, aber der macht sprachlich irgendwie sowieso sein ganz eigenes Ding.
Oder ich will’s mal so sagen: ich bemühe mich in meinem Stil halt neben Literarizität auch um eine gewissermaßen offshorsche Sprache.

Und noch was zu Muschi vs Möse (Manuela hat‘s ja auch erwähnt):
Ist echt schwierig, da ein gutes Wort zu finden. Ich hab bei der (ohnehin nur einmaligen) Verwendung des Begriffes Möse echt lange herumüberlegt und bin nach wie vor nicht hundertprozentig sicher, ob er an der Stelle passt. Aber Möse war halt einfach das vertretbarste Wort für mich. Muschi z.B. geht gar nicht, das ist ein absolut unerotisches Wort für mich, das klingt für mich einfach nur nach Kindergartensprache.
Rosige Spalte zu schreiben war absolut passend und naheliegend, weil es genau der visuellen Wahrnehmung von Vinc in dieser Situation entspricht. Er sieht genau das: eine rosige Spalte. Bei der nächsten Erwähnung allerdings wurde es schon schwierig, weil ich ja in Vinc‘ Sprachduktus bleiben musste. Wie bezeichnet er das Ding für sich? In welchen Begriffen denkt er daran?
Sicher nicht Muschi, dafür ist er zu erwachsen, außerdem ist er doch auch schrecklich poetisch. Fotze ist eindeutig zu vulgär, das urwienerische Fut erst recht. Was bleibt dann noch? Die Vagina, das Geschlecht, die Vulva, die Scheide? Das klingt halt alles so furchtbar nach medizinischen Lehrbüchern.
Und über so peinlich absurde Wortschöpfungen aus der einschlägigen Erotkliteratur wie z.B. Lustgrotte, Honigtöpfchen usw., brauchen wir sowieso nicht reden.

Die Leidenschaft kommt gut rüber, und schön langsam etablierst du dich als Romantiker, ob dus willst oder nicht.
Na ja, eigentlich hab ich kein Problem damit.

Vielen Dank, Lady Morphia.


Servus Apfel van Cooper

Apfel van Cooper schrieb:
Da bekam ich irgendwie den Eindruck, als wäre Vinc schon 80 Jahre alt, das war etwas verwirrend, weil gegen Ende hin wirkt er eher wie ein desillusionierter versoffener Mittdreißiger oder so.
Das mit Vinc‘ Alter hab ich mittlerweile geändert, das wird jetzt schon gleich zu Beginn erwähnt.
willkommen hier, Apfel, und vielen Dank für deine lobenden Worte.
(Cooler Nick übrigens)


Morphin schrieb:
Wenn Poesie sich verdichtet, entstehen Textsonnen und wärmen mich.
Das will ich jetzt einfach mal unkommentiert so stehen lassen. (In Fettdruck)
Danke, Heiko


Fortsetzung folgt.

offshore

 

Hallo ernst

Die Haut rings um ihre Möse funkelte wie von Morgentau benetzt und mir stellten sich sämtliche Härchen auf, vermutlich schnitt ich sogar Fratzen.

Ob vor dir schon mal jemand die Worte "Morgentau", "benetzen" und "funkeln" zusammen mit "Möse" in einem Satz verwendet hat? Ich weiß es nicht, aber es ist eine ziemlich ungewöhnliche Mischung, vielleicht sowas wie Schokolade mit Chili-Geschmack oder so. Ich finde das gut, passend hier, aber das mit den Fratzen würde ich weglassen - es schwächt den Satz in meinen Augen, wenn ich mir das vorstelle sieht es irgendwie auch komisch aus ;) -

Der Beginn gefällt mir echt gut, ich hab überhaupt ein Faible für so gefallene Figuren, die merken, dass sie am Tiefpunkt ihres Lebens angekommen sind. Ich finde, da ergeben sich immer interessante Konstellationen, stehen die nochmal auf und kämpfen, oder resignieren sie komplett und geben auf? Das Erwachen deiner Figur, das hat ja schon etwas Surreales - wie er in einem elenden Zustand aufwacht, aber direkt neben einer nackten Frau, die er "zum Heulen schön" bezeichnet. Das sind ziemlich krasse Gegensätze, so hab ich die Geschichte einer gescheiterten Existenz tatsächlich noch nie beginnen sehen. Und man merkt dann ja auch schnell, dass du nicht die Geschichte eines Scheiterns erzählst, sondern vielmehr die eines Neubeginns.

Oh Gott, ich war im Paradies aufgewacht.

Ja, den Eindruck bekommt man. Ich finde auch, die Stärken hat die Geschichte auf der sprachlichen Ebene, oder, genauer gesagt, in den Gefühlen, die zum Ausdruck kommen. Du bringst viel Emotionen in die Sätze, schreibst das sehr realistisch, man hat den Eindruck, es ist dir wirklich widerfahren, dem Autor, nicht der Figur, und das ist schon eine tolle Leistung. Vielleicht liegt es daran, wie du die Gedanken deines Prot. wandern lässt - da ist er mal philosophisch ("man verlor viel mehr, als man gewann"), dann wieder erbarmungslos ehrlich ("ich war sternhagelvoll, als Elsie auftauchte"). Auch die Sprache ist mal poetisch angehaucht - "der Abendwind bläst mir eine Handvoll ihres Duftes in die Nase" - dann wieder eher ... hm, ich sag mal bodenständig ("Äolus, dieser heimtückische Arsch") ;)
Ja, vielleicht ist es die Mischung, vielleicht auch die Verletzlichkeit, die daraus spricht, vielleicht auch die Gefühle, die viele nachempfinden können und die deshalb ein großes Identifikationspotential bieten - jedenfalls ist es eine sympathische Figur, die offenbar ohne eigenes Verschulden in große Not gekommen ist. "Mit dem Wagen gegen einen Baum gerast" - das kann vieles bedeuten, die Geschichte bleibt da vage, deutlich wird sie nur in dem großen Schmerz, der daraus resultierte - das kann man nachempfinden. Und deutlich wird sie auch mit ihrer Botschaft - das Leben geht weiter, und das ist eine immer gute und wichtige Botschaft.

Auch wenn dein Hauptaugenmerk sicher darin lag, die Gefühlswelt des Prot. zu beschreiben, so hätte ich doch auch ganz gern den einen oder anderen Teil dieser Briefe kennengelernt. Die Geschichte macht es sich da sehr einfach - aber ich vermute, du hattest das auf dem Radar und hast dich bewusst dafür entschieden, denn schließlich ist es ja fast "wie im Paradies", wie es ja auch im Text erwähnt wird - Elsie taucht aus dem Nichts auf, zum richtigen Zeitpunkt, sie fällt dem Erzähler um den Hals, nachdem sie die Briefe gelesen hat, rettet ihn - wie ein Engel, der zum richtigen Zeitpunkt vor der Tür steht.

Sprachlich und von den Gefühlen, die der Text transportiert, ist das wirklich sehr gut gemacht. Inhaltlich ist es für meinen Geschmack eine Spur zu glatt noch - das läuft verdächtig einfach. An einer Stelle fragt sich der Prot., warum er eine Frau wie Elsie verdient hat - und ich fragte mich das auch. Es wäre schön gewesen, wenn der Text da eine Antwort geliefert hätte.

Ach, und was die zusätzliche Szene angeht: Ich würde sie weglassen. Der Rückblick erscheint mir unpassend an der Stelle, weil du den Leser aus der Gegenwart der Geschichte rausreißt. Wenn schon Erklärungen, dann lieber über einen Dialog mit Elsie am Morgen oder in der Nacht zuvor einflechten.

Grüsse,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

„Du hast mich nie angerufen, Vinc.“

Mein Gott,

lieber ernst,

hieß es am 08.09.2014 um 13:45 Uhr noch

Eine kratzige Zunge leckte über spröde Lippen, Herrgott, ich bekam die Augen einfach nicht auf, Herrgott, ich pfiff aus dem letzten Loch,
so heißt es vier Tage und nahezu drei Stunden später um einiges aufwändiger
Eine kratzige Zunge leckte über spröde Lippen, Herrgott, ich bekam die Augen einfach nicht auf, Herrgott, ging's mir elend, Herrgott, ich war noch keine fünfzig und ich pfiff aus dem letzten Loch.

Sieht also ein hyper-moderner Gottesdienst aus …
Aber darfstu denn den Namen Deines Herrn missbrauchen?
Ein Blitz zerriss den Himmel.
Da hastu doch schon die Antwort!

Gläubige – also Menschenkinder, die das zwote Gebot scheuen und doch der Liebe ihres Schöpfers so wenig entbehren als der zur/zum Aller- oder doch Über-Nächsten - nicht gerade wie die Pest, aber doch immerhin eine Vermeidungsstrategie pflegten, schufen wunderbare Abkürzungen mit herrje und herrjemine … (Wobei mir ein Schlenker – hat jetzt nix mit diesem wundersamen Text zu tun – zur Etymologie des Frauennamens Hermine einfällt, glaubte doch alle Welt - incl. me and mey monkeye - bis gerade eben, das wäre ein weiblicher Hermann; wieder was entdeckt beim Umdieeckedenken!, es lohnt sich immer zu lesen! Hosianna!)
Der

Herr im Himmel
wird’s richten & Dir (und überhaupt) verzeihn!

Erst jetzt ist mir in den diversen Anrufungen wenn schon nicht der Mond, so doch der religiöse Charakter aufgegangen und wenn es dieses unbekannte und doch von allen verehrte höhere Wesen gibt (Böll hat es mit Dr. Murke geschaffen, warum also sollte es dergleichen nicht geben?), so wird es lächeln, denn es hat mindestens so viel Humor wie wir beide zusammen, erhoben zum Quadrat oder gar Kubus. Liebe ist buchstäblich Gottesdienst. Und selbst da bistu weiter als Luther, der ja erst einen Apfelbaum pflanzen wollte, wenn er wüsste, dass morgen die Welt zu Ende ginge … Da stößts schon uns den Kopf vor lauter Apfelbäumchen ... Oder sollte die Welt gerade ...?

Gruß

Friedel,
der welcher Dinge auch immer harret!

 

@ Novak, Friedel, Manuela, Enax, Tashmetum, markus, Fugusan, He de Be, Schwups, flammbert

Vielen Dank euch allen für euer beinahe einhelliges Lob und entschuldigt bitte, dass es mit meiner Antwort so lange gedauert hat.
Leider schaffe ich es zurzeit nicht, jedem einzelnen von euch ausführlich zu antworten, nicht bös sein, mir fehlt momentan schlicht die Zeit. (Jessas, zum Gathering muss ich ja morgen auch! Zumindest bei Novak und Schwups kann ich mich dort dann noch einmal in aller Form bedanken.)
Aber im Grunde habt ihr ja kaum was auszusetzen an der Geschichte und auch keine weiß Gott wie radikalen Änderungsvorschläge und die Sachen, die beanstandet wurden, habe ich entweder schon geändert (die späte Erwähnung von Vinc‘ Alter), oder zumindest meine Sicht dargestellt (Elsies Charakterisierung, Möse vs. Muschi).

Und dein Kommentar, markus, …

M. Glass schrieb:
Immer wieder schön, einen Poeten beim Ausrasten zuzuschauen!
… hat mich mit seiner Begeisterung und wortgewaltigen Wucht sowieso sprachlos gemacht. Gute drei Tage lang.

Vielen Dank,

offshore


Halt, eines noch:

Manuela K. schrieb:
Der Satz stimmt so nicht, da fehlt mir ein "hatte" an der richtigen Stelle […]
Vorschlag:
Nahezu eine Stunde hatte Elsie gelesen, und ich war währenddessen durch den Garten getigert, hatte in einem Liegestuhl gelegen, ein Bier getrunken, den Himmel betrachtet und das Gewitter beschworen.
Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, Manuela. Ausgerechnet du als Wienerin schlägst mir das vor? Wir sagen doch allemal „Ich bin gelegen, ich bin gesessen" usw., und nicht „Ich habe gelegen, ich habe gesessen.
Diesen Änderungsvorschlag muss ich ignorieren, Manuela, andernfalls könnte ich ja Lady Morphia nicht mehr in die Augen blicken.

 

Hi Ernst!

Natürlich schlage ich dir das vor. Auch als Wienerin. Denn willst du tatsächlich schreiben:

Ich war in einem Liegestuhl gelegen?

Nahezu eine Stunde hatte Elsie gelesen, und ich war währenddessen durch den Garten getigert oder in einem Liegestuhl auf der Terrasse gelegen, ich hatte ein Bier getrunken, den Himmel betrachtet und das Gewitter beschworen.

Manuela :)

 

Manuela K. schrieb:
Natürlich schlage ich dir das vor. Auch als Wienerin. Denn willst du tatsächlich schreiben:
Ich war in einem Liegestuhl gelegen?

Ja, will ich, Manuela.

Ich liege in einem Liegestuhl
Ich lag in einem Liegestuhl
Ich bin in einem Liegestuhl gelegen.
Ich war in einem Liegestuhl gelegen.
Ich werde in einem Liegestuhl liegen.
Ich werde in einem Liegestuhl gelegen sein.
usw.

Ich denke und schreibe halt österreichisches Deutsch.
Und aus.

 

Hallo Ernst,

habe die Geschichte schon vor einigen Tagen gelesen und auch einen Kommentar begonnen, dann ist mir aber das RL dazwischengekommen. Nun also, tippsel ich mal an meinem Anfang weiter. Wunderbar ist, dass die Geschichte noch immer so präsent in meinem Kopf ist. Verzeih, wenn sich was doppelt, habe die anderen Kommentare nicht gelesen.

Erster Eindruck: den Titel finde ich Murks. Liest sich so aufschreiend, solche Titel kommen ja gern von Neulingen, die Dramatik ins Forum blöken wollen.
Noch lebst du ist zwar ein guter Einstieg um in das Gefühlsleben des Prot einzuführen, aber in meiner Lesart geht es doch darum, dass dein Prot quasi den Sinn des Lebens wiederentdeckt.

Es war ein Augenblick reinster Klarheit, ich sah das alles wirklich und plötzlich überfiel mich die Gewissheit, doch einiges kapiert zu haben.
Das st für mich die Kernaussage.
und wie herrlich du das unterbringst. Ich hätt mir da ewig das Gehirn geschunden, um einen Ausdruck dafür zu finden und du knallst das einfach so hin. Punkt.Treffer. So ist es! Wahre Schönheit liegt in der Einfachheit der Dinge. Muss ich mir immer wieder sagen. Sollte ich viel häufiger schreiben.
Faszinierend an dem Text fand ich auch, dass da eigentlich wenig passiert, was aus der Schönheit rausreißt. Und dennoch habe ich den Text in mich eingesaugt und wollte unbedingt wissen, wie es weiter geht, ausgeht. Das finde ich schon ziemlich gekonnt, wenn man das schafft, ohne da groß die Dramatiktube auszudrücken. Das kommt so ganz fein am Rande und reicht vollkommen.
Das sind so Geschichten, für die ich dieses Forum so liebe. Beneidenswerte Sprache, Klarheit. Und ohne Knall am Ende. Durchflutschen, aufatmen. Jaaa.

äußerst gerne gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 

weltenläufer schrieb:
den Titel finde ich Murks.
Hmm.

Vinc schrieb:
Als ich den Kopf heben wollte, ging das nicht, ich spürte ein Ziehen an meiner linken Wange, als klebte sie irgendwo fest, es fühlte sich an, als läge mein Gesicht im Zuckerguss eines Kuchens.
Was hältst du davon, weltenläufer:

Noch klebst du
Besser?

Aber im Ernst jetzt, nach so einem Kommentar wie dem deinen, verbietet sich eigentlich jegliches Herumalbern.

Das sind so Geschichten, für die ich dieses Forum so liebe. Beneidenswerte Sprache, Klarheit. Und ohne Knall am Ende. Durchflutschen, aufatmen. Jaaa.
Wow. Das ist so einer von den Kommentaren, für die ich dieses Forum so liebe. Eine störende Sache, dann Begeisterung. Und ohne Aber am Ende. Quasi geknutscht werden, aufatmen. Jaaa.

Vielen Dank, weltenläufer

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

ernst offshore schrieb:
Noch klebst du
Besser?

Nicht dein Ernst oder? Neeiiiin! Denk noch mal neu :D

Lieber Offshore,

wat soll ich sagen, was Du nicht schon weißt, wenn Du meinen Namen unter deiner Geschichte liest. Ich weiß ... so viel Lob und Leserzustimmung rechtfertigen alles; also, ich gönne es Dir, ich freue mich auch für Dich, ganz ehrlich.

Zustimmen muss ich Manuela, wenn sie sagt: "Möse" passt nicht ins sprachliche Gesamtbild des ersten Absatzes. An der Stelle bin ich auch gleich hochgeschreckt und hab innerlich "au weia" gesagt. Das ist wie ein schwarzer Fleck im rosa Bild. Vielleicht das Wort doch dem Rest anpassen? Gibt ja nun nicht nur das eine.

Sehr schön fand ich die Beschreibung, wie er da fast durchdreht, als er begreift, sie ist da, wirklich da. Sehr, sehr schick. Ansonsten ist der Text kurz genug um ohne Spannung auszukommen. Die geht nämlich gen Null. Den Protagonisten im Verlauf der Geschichte weh tun, nicht vorher ;). Tja, und die Retterin in der Not ist ziemlich eindimensional, flache Figur, sorry. Die ist nur Retterin. Wie im Märchen die gute Fee. Vielleicht ist das ja ein Märchen, ja irgendwie es ist eines, aber in den Märchen ging es nebenbei noch um Leben und Tod, und hier ... Also für mich keine große Geschichte an die ich mich lange erinnere, sie ist halt nett zu lesen, das schon, immerhin der Grund, warum ich deine Texte regelmäßig anklicke.

Lieben Gruß, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Fliege schrieb:
wat soll ich sagen, was Du nicht schon weißt, wenn Du meinen Namen unter deiner Geschichte liest.
Ach was, sag’s einfach, Fliege, auch wenn ich ahne, was jetzt kommt.

Fliege unter meiner Pepe-Geschichte schrieb:
Der Text ist völlig in Ordnung, aber ... vielleicht solltest Du Dich mal davon trennen, es Deinem Leser schön zu machen. Nimm ihm die Decke und den Kakao weg. Und vor allem: Tue Deinen Figuren weh! Lass sie leiden! Quäle sie!

Nein, Fliege, ich hab nicht vergessen, was du mir damals gesagt hast. Und ich hab es auch nicht falsch verstanden, glaub mir, auch wenn‘s jetzt ganz danach aussieht …

Den Protagonisten im Verlauf der Geschichte weh tun, nicht vorher
Ja, verdammt, ich hab’s eh kapiert.
Aber, was soll ich tun, Fliege, vielleicht liegt es einfach an meiner momentanen Verfasstheit, also ehrlich, seit Monaten geht’s mir dermaßen gut, ich hab dieses Jahr schon so viel Schönes erlebt, kein Witz, dass ich einfach nicht anders kann, als einen Wohlfühltext nach dem anderen rauszuhauen. Oder vielleicht ist es einfach mein Alter, das mich mehr und mehr romantisch und harmoniebedürftig werden lässt. Dieses Scheißalter, diese dumme Sau.

Zustimmen muss ich Manuela, wenn sie sagt: "Möse" passt nicht ins sprachliche Gesamtbild des ersten Absatzes. An der Stelle bin ich auch gleich hochgeschreckt und hab innerlich "au weia" gesagt. Das ist wie ein schwarzer Fleck im rosa Bild. Vielleicht das Wort doch dem Rest anpassen?

Das störte schon Betaleserin I., Manuela, Lady Morphia und jetzt auch dich. Na ja, und ich selbst war ja auch nicht richtig glücklich mit dem Ausdruck. Aber mir ist einfach kein passenderer eingefallen. Bis gestern, als ich „Liebe am Nachmittag“ las. (Danke für die Inspiration, baronsamedi.)

Elsie lag da in meinem Bett, schlafend, leise atmend, gänzlich nackt und zum Heulen schön. Die Haut rings um ihre Scham funkelte wie von Morgentau benetzt und mir stellten sich sämtliche Härchen auf, vermutlich schnitt ich sogar Fratzen.

Gefällt's dir so besser, Fliege?

Fliege unter meiner Pepe-Geschichte schrieb:
In diesem Sinne, warte ich geduldig auf einen Text von Dir, der mich nicht streichelt, sondern der mir volle Kanne eins auf die Nase haut.
Ich bin ja kein Traummännlein, Fliege. Ja, ich bin allemal alt genug, um zu wissen, dass ich irgendwann wieder unweigerlich und explizit auf die Fresse fliegen werde, unter Garantie, ja und dann, Fliege, wenn mir das Leben wieder seine hässliche Fratze zeigt, wenn es mir so richtig mit dem Arsch ins Gesicht fährt, wenn ich froh darüber sein werde, dass die Gänsehaut erfunden ist, weil ich nicht ununterbrochen mit den Zähnen klappern will, wenn ich wieder so richtig grausam leide, ja, genau dann werde ich eine Geschichte schreiben. Nur für dich, Fliege. Du wirst sie lesen und dabei Rotz und Wasser heulen und dir die Haare raufen, es wird dir schier das Herz zerfetzen und du wirst den Tag verfluchen, an dem du offshore dazu angestiftet hast, über seinen Schatten zu springen.
So wird das sein, Fliege. Und du wirst mich dafür lieben. Oder hassen.

Vielen Dank, Fliege.

 

Mahlzeit,

lass die "Möse" ruhig drin. Scham ... wer sagt denn so was? Ich denke bei "Möse" immer an "La Meuse", ein wunderschönes Flüsschen in einem wunderschönen Ardennental. Das Wort ist halt versaut worden von der Pornoindustrie. Also müssen wir es wieder auf sein literarisches Podest heben.

Wohlan,

Morphin

 

Fliege schrieb:
"Möse" passt nicht ins sprachliche Gesamtbild

Morphin schrieb:
lass die "Möse" ruhig drin. Scham ... wer sagt denn so was?
Ihr macht mich noch verrückt.
Möse ja, Möse nein.
Vielleicht sollte ich in der Kreativwerkstatt eine Thread eröffnen. „Weiß wer den perfekten Begriff für das weibliche Genital, der höchsten literarischen Ansprüchen genügt?

 
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Gefällt's dir so besser, Fliege?

Mir schon, Morphin nicht :). Ich habe mal gelesen (und fand das sehr überzeugend), bei erotischen Texten benutze die Wörter und die Sprache, die die Figur auch benutzen würde. Die zu seinem Typ passen. Für mich passt Möse nicht unbedingt zu einem hoffnungslosen Romantiker, aber Du kennst Deinen Prot. besser als ich.

wenn ich wieder so richtig grausam leide, ja, genau dann werde ich eine Geschichte schreiben. Nur für dich, Fliege. Du wirst sie lesen und dabei Rotz und Wasser heulen und dir die Haare raufen, es wird dir schier das Herz zerfetzen und du wirst den Tag verfluchen, an dem du offshore dazu angestiftet hast, über seinen Schatten zu springen.
So wird das sein, Fliege. Und du wirst mich dafür lieben. Oder hassen.

Lieben! Ganz klar. Nur hat es ab heute den bitteren Beigeschmack, dass ich weiß, Du konntest diesen Text nur schreiben, weil es Dir selbst dreckig geht. Das ist blöd. Dann will ich doch nur Wohlfühltexte lesen, weil ich nicht will, dass das Leben böse zu Dir ist.
Aber ich glaub ja, dass Du auch in einer guten Phase das Zeug hast, mir das Herz zu zerfetzen, mich Haare raufen lässt und mich zum heulen bringst. Deswegen, und nur deswegen - weil ich daran so fest glaube - nerve ich ja auch so penetrant. Und mal unter uns zwei, ich hatte auch so Nervensägen, weil ich nämlich auch niemandem weh tun wollte. Und Rick hatte die auch. Und ... Lass mich Deine bleiben :).

 

Also so mit 14 oder 15 bin ich zu Zweitausendeins in Köln und hab mir erst mal die Sammlung hier gekauft. Danach war mir klar, dass "Möse" ein durchaus zärtlicher Begriff sein kann.

 
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Möse?
In Österreich kommt dieses Wort im Sprachgebrauch so gut wie nie vor. Aber nachdem wir uns an Begriffe wie lecker, niedlich, Sahne, Tomaten und Kartoffeln gewöhnt haben, warum nicht auch an Möse? ;)

 

Weiß wer den perfekten Begriff für das weibliche Genital, der höchsten literarischen Ansprüchen genügt?“

Mach mal. Ich habe mich das auch öfter gefragt und nie getraut die Frage zu stellen, dabei ist das wichtig, weil man ansonsten immer Gefahr läuft lächerlich zu wirken. Es gibt viele Wörter dafür, aber die werden immer in so eigenartigen Kontexten geschrieben, es ist entweder humoristisch, obszön oder medizinisch. Keins davon passt in eine ernstgemeinte Geschichte.

 
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Ja, echt schwierig. Aber ich finde das ganze Thema total spannend. Das offenbart ein bisschen unser Denken, wenn man dann plötzlich kein Wort mehr finden kann, das nicht lächerlich wirkt. Das allein erklärt schon beinahe Charlotte Roches Erfolg. Das geht jetzt auch ein bisschen ins Feministische rein, es kommt aber auch ein bisschen so rüber, als würde unsere schöne geistliche Literatur sich etwas für die Realität schämen oder so, wenn man als Autor Angst hat, sich bei sowas der Lächerlichkeit preiszugeben. Wer lacht da? Das hat natürlich auch was Prüdes. Und dann immer dieses: "Pornographie sei die Köngsdisziplin der Literatur." Wer stellt da eig. die Regeln auf, frage ich mich da? Ich glaube gar nicht, dass es schwierig ist, Sexszenen zu schreiben, warum sollte das schwer sein? Das machen doch viele. Es ist halt schwer, Sex mit unserem Schreibwerkzeg zu vereinbaren, da gerät die Realität mit einer Reihe von ungeschriebenen literarischen Gesetzten in Konflikt. Es wäre eig. interessant .. also man läuft ja nicht nur Gefahr, bei "Möse" lächerich zu wirken, sondern die Liste ist viel viel länger, wenn auch diffuser, das sind auch Sachen, die wir alle längst internalisiert haben … je nach Kreis, ist das dann, glaube ich, sehr vieles, was ein bisschen zu effektheischend daherkommt, oder zu direkt, oder zu amerikanisch, oder zu dick aufgetragen, oder zu pathetisch, oder zu emotional, oder zu abgedroschen, zu sehr saftige Möse. Mich fasziniert gerade die Short List für den deutschen Literaturpreis, ich geh immer in den Buchlanden, und nehme mir immer ein anderes Buch raus, und fange an zu lesen, und ja … ich meine, ihr kennt mich ja, aber ich versuche wirklich unvoreingenommen zu bleiben, auf die Sprache zu achten und so, und ja … die fangen alle irgendwie an … da läuft eine Figur durch die Welt, an der Themse entlang, oder am Bahnhof, und sinniert ein bisschen über das Wetter und die Archtiektur, so alles schön poetisch, und dann ist immer irgendwer ein bisschen verloren, und auf der Suche nach etwas in der Vergangenheit. Oder so. Das muss ja alles gar nicht schlecht sein, wirklich nicht, das will ich ganr nicht unbedingt schlecht machen, ich frage mich halt immer, wo diese Leute herkommen, wo werden die ausgebildet, was sind ihre Einflüsse, wie kommt es, dass die alle ihre Romane so beginnen, was sind da die ungeschriebenen Gesetzte und wer liest überhaupt genug von dem Zeug, um sie zu kennnen, und warum kenne ich solche Leute nicht.
Umgekehrt gibt es das übrigens auch, da hat auch eine meiner Figuren mal über seinen Penis als "Penis" gedacht, und da hat dann hat irgendwer gemeint: Jetzt echt … passt da wirklich das Wort "Penis!? Ich denke, was Fliege sagt, dass man einfach das Wort verwenden soll, dass die Figur selbst benutzt, das ist schon auch irgendwie einleuchtend. Die Leute in meinem Umfeld sagen übrigens alle ausnamslos seit vielen vielen Jahren "Muschi", falls euch das irgendwie weiterhilft, das sagen auch die Mädels, meine ich. Da gibts nur eine, die sagt Mumu, aber alles was die sagt, ist immer ein bisschen lustig und ironisch.

P.S: Zu deiner Geschichte sag ich auch noch was, Ernst. :)

 

JoBlack Juju und ich haben dir jetzt beide gesagt, dass es heute in unverkrampftem Deutsch Muschi und Schwanz heißt. Glaub uns endlich!

 
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JuJu schrieb:
Ja, echt schwierig. Aber ich finde das ganze Thema total spannend. Das offenbart ein bisschen unser Denken, wenn man dann plötzlich kein Wort mehr finden kann, das nicht lächerlich wirkt. Das allein erklärt schon beinahe Charlotte Roches Erfolg. Das geht jetzt auch ein bisschen ins Feministische rein, es kommt aber auch ein bisschen so rüber, als würde unsere schöne geistliche Literatur sich etwas für die Realität schämen oder so, wenn man als Autor Angst hat, sich bei sowas der Lächerlichkeit preiszugeben. Wer lacht da? Das hat natürlich auch was Prüdes.

Um jetzt mal ganz konkret bei meiner Geschichte zu bleiben: Mich störte der Begriff „Möse“, den ich ursprünglich verwendete, weder deshalb, weil er mir zu „bundesdeutsch“ war, noch weil er eventuell nicht zum Sprachduktus des Protagonisten passte, sondern vorwiegend deshalb, weil er gerade in diesem ersten Absatz mir einfach zu gewöhnlich, zu wenig poetisch klang. Mit Prüderie hatte das nichts zu tun, meine Bedenken waren ausschließlich sprachästhetischer Natur (um nicht zu sagen stilistische Wichserei).

JuJu schrieb:
Die Leute in meinem Umfeld sagen übrigens alle ausnahmslos seit vielen vielen Jahren "Muschi", falls euch das irgendwie weiterhilft, das sagen auch die Mädels, meine ich.
Wegen dieser sprachästhetischen Erwägungen kam für mich auch der Begriff „Muschi“ nicht in Betracht, weil mir der einfach zu unernst, zu kindergartensprachlich klingt. Aber darüber hinaus bleibt dann halt mal keine ernstzunehmende Auswahl.

Bleibt natürlich immer noch die Möglichkeit, das Ding einfach als das Ding zu bezeichnen:

Vinc schrieb:
… und das zauberhafte rosige Ding schien mir dabei zuzuzwinkern.
Und das ist möglicherweise nicht einmal die schlechteste Lösung.


PS

JuJu schrieb:
… aber alles was die sagt, ist immer ein bisschen lustig und ironisch.
Kann’s sein, dass du fiz meinst? :D

 

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