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Ängste
Ängste
Maria steht am Fenster und betrachtet die verschneite, morgendliche Stadtlandschaft.
Osman raschelt in der Küche herum. Die Kaffeemaschine gibt gewohnte Geräusche von sich. Nackt, wie sie ist, steigt Maria unter Osmans Decke, saugt seinen Geruch begierig in sich auf, genießt die Restwärme seines athletischen, sportlichen Körpers, inhaliert die Mischung aus Schweiß und Aftershave. Tief in ihr wird eine sexuelle Erregung, eine Explosion erzeugt, wie sie nur so und nur zu dieser Stunde sein kann. In ihren Gedanken bewegt er sich bereits ganz in ihr.
Leise, klagende Geräusche vernimmt er aus dem Schlafzimmer. Das Tablett wackelt, als er es ins Zimmer trägt. Sie scheint zu dösen, ihr Gesicht ist aber Ausdruck innerer Zufriedenheit und Aufgewühltheit zugleich. Er stellt das Tablett leise auf den Boden, zieht seine Jogginghose und das T-Shirt aus und legt sich zu ihr.
"Oh!", meint sie, als sie an ihm herabblickt. Ein laszives Lächeln umspielt ihre Lippen.
"Ja, oh!"
"Hmm", sie betrachtet seine Körpermitte. "Das sieht ja vielversprechend aus."
"Hmm?"
"Ja genau, hmm. Lass den Kaffee. Der ist nachher auch noch warm. Komm." Der Kuss lässt sie beide alles um sich herum vergessen.
Nach langen Augenblicken des Kostens und Genießens dringen die Geräusche und Gerüche der Gegenwart wieder in ihr Bewusstsein. Kaffee, frische Croissants. Und der geplante Tagesablauf, der sie heute nach Hamburg führen wird. Osman richtet sich auf, lächelt sie an, streichelt ihr blondes, langes Haar, Strähne für Strähne. Schließlich steht er auf und legt das Tablett mit dem Frühstück sanft auf ihre Decke.
"Osman?"
"Hmm?"
"Weißt du, wann der Zug fährt?"
"Na so ich schätze mal, ungefähr ..."
"Das ist nicht dein Ernst, oder?"
"Viertel vor zwölf, glaub ich."
"Glaubst du?"
"Maria, hier sind die Tickets." Er schnappt sie vom Nachttisch und wedelt ihr damit vor der Nase herum.
"Idiot! Aber dass heute der richtige Tag ist und dass Mustafa am Samstag heiratet, glaubst du auch, oder weißt du es?"
"Ja, heute ist Donnerstag, und es ist der richtige Tag. Glaub ich zumindest."
"Und Osman, wir müssen uns heute früh beeilen. Es hat geschneit heute Nacht. Da fährt der Bus bestimmt nicht so pünktlich."
"Ja, mein Schatz."
"Bist du schon mal Zug gefahren?"
"Gib mir mal bitte die Butter."
"Hast du meine Frage nicht verstanden?"
"Hmm?" Er schnappt sich die Butter, ohne sich zu bedanken. Maria stutzt, denn sie merkt, dass ihn irgendetwas beschäftigt.
"Ist was?"
"Wieso, was ist?"
"Das frag ich dich."
"Nichts."
"Ach, natürlich. Nichts. Wie immer." Sie reagiert etwas lauter, als sie eigentlich möchte.
"Maria, musst du so rumzicken jetzt? Das war vorher so schön", gibt Osman gereizt zur Antwort.
Bedächtig schlürft sie Milchkaffee aus ihrer Tasse. "Osman, ich zicke nicht." Sie merkt, dass Osman überreizt reagiert, und möchte ihm etwas auf den Zahn fühlen.
"Tust du doch."
"Nein", sagt sie bestimmt.
"Lass den Quatsch!", schleudert er ihr aufgebracht entgegen. Er steht auf und räumt das Frühstücksgeschirr in die Küche. Fahrig stellt er beide Teller zu weit an den Rand des Spülbeckens, sodass diese herunterfallen und in tausend Stücke zerbrechen.
"So ein Mist! Daran bist du schuld." Er kann seine Emotionen nicht mehr beherrschen und ist den Tränen nahe. Mit Schaufel und Besen kehrt er mühsam die Scherben zusammen. Als Maria die Geräte wieder aufräumt, merkt sie, dass beide Griffe feucht sind.
Schweiß, denkt sie. Woher? Sie geht alle Möglichkeiten durch. Wärme? Kann nicht sein, meine Wohnung ist maximal neunzehn Grad warm. Osman stammt ja nicht aus Grönland. Vielleicht würden Grönländer hier schwitzen, aber keine Südeuropäer. Fieber? Kann auch nicht sein, Osman ging es vorher noch ganz gut. Hmm! Ein wohliger Schauer durchfährt ihren Körper, lässt sie nochmals für kurze Zeit an vorhin denken. Und man schwitzt eher, wenn das Fieber sinkt. Stress? Kann auch nicht sein, wir fahren nachher weg. Angst. Angstschweiß. Wir fahren nachher weg, wiederholt sie leise murmelnd. Kann es das sein, Angst? Wenn ich ihn frage, wird er es überspielen. Ich werd' mal seinen Vater anrufen.
Zwei Stunden später schließen sie die Wohnungstür hinter sich zu, bepackt mit allem Notwendigen für vier Tage in Hamburg und dem Hochzeitsgeschenk für Mustafa und seine Braut.
An der Bushaltestelle setzen sie sich Hand in Hand auf die Bank und stellen ihre Gepäckstücke vor sich auf den Boden.
"Alles klar, Osman?"
"Ja." Osman betrachtet so intensiv einen Punkt vor sich auf dem Boden, als ob sich dort eine Granate befände, die jeden Augenblick detonieren könnte.
"Osman, ich habe vorhin mit deinem Vater gesprochen."
"Worüber?"
"Über deinen Unfall mit der Straßenbahn."
"Aber das ist doch schon mehr als zehn Jahre her." Er beginnt zu zittern. Sein Blick hat sich nicht bewegt, er betrachtet immer noch die imaginäre Granate auf dem Boden. "Es war schrecklich damals. Ich war mit meiner Mutter in der Stadt einkaufen. Auf dem Rückweg nahmen wir die Straßenbahn. Ein paar Jungs balgten rum, aber mehr so aus Spaß. Einer rutschte gegen mich, ich verlor den Halt und knallte auf die Schienen. Die Bahn hatte mich dann nur ganz leicht erwischt, der Fahrer hatte scharf gebremst und einen Schock bekommen. Ich nur ein paar Kratzer und blaue Flecken."
"Aber was passierte dann?"
"Dann kam alles auf einmal. Polizei, Krankenwagen. Und dann auch mein Schock."
"Den du bis heute nicht überwunden hast." Maria küsst ihn zärtlich auf den Mund, streichelt seinen Arm.
"Ja. Gut, dass du bei mir bist." Er nimmt sie in seine Arme, greift dann aber wieder nach ihrer Hand. Der Bus kommt und er verstärkt den Druck. Sie spürt den Schweiß, die Hitze und ein stärker werdendes Zittern, das sich auf sie überträgt. Es ist ein anderer Osman als der, den sie heute morgen so sehr befriedigend erlebt hatte. Sie sieht ihn jetzt als einen empfindlichen, hilfsbedürftigen Osman. Ein Osman, der seine Ängste ihr anvertraut und der sich in ihre Obhut begeben hat. Er braucht Hilfe und Schutz.
"Du bist das beste Mädchen der Welt!", flüstert er ihr ins Ohr.
"Danke!", antwortet sie ihm auf dem gleichen Weg und streichelt ihm liebevoll eine Haarsträhne aus der Stirn.
Der Hauptbahnhof empfängt sie mit einem Konzert verschiedener Klänge exotischer Musikgruppen, wieder jenem bekannten Duft frischen Gebäcks, Wolken tragenden Stimmengewirrs, sowie dem schrillen Kreischen bremsender Züge und dem tiefen Brummen abfahrender Diesellokomotiven. An der großen Anzeigetafel lesen sie, dass ihr InterCity wegen des erneuten Wintereinbruchs zwanzig Minuten Verspätung hat und erst in einer knappen Stunde erwartet wird.
Maria hatte im Internet die Werbung für ein Medikament gelesen, das Wirksamkeit gegen Panik-Attacken versprach. Schnurstracks steuert sie deshalb mit Osman im Schlepptau auf die große alte Apotheke in der Bahnhofshalle zu. Der Apotheker ermahnt Osman eindringlich, sich an die Dosierung in der Packungsbeilage zu halten.
Sie setzen sich auf eine der freien Holzbänke und lauschen den durch die Luft schwirrenden Ansagen.
"Jetzt wollen wir mal sehen, wie dir zu helfen ist." Maria holt den Beipackzettel aus der Tablettenschachtel und studiert ihn eingehend. "Die nimmst du jetzt sofort." Sie knickt eine runde blaue Tablette heraus und gibt sie Osman in die Hand. "Wart, ich geb dir Wasser." Sie holt eine Flasche aus dem Rucksack und gibt sie ihm. Er schluckt die Tablette klaglos, aber mit einer sehr zweifelnden Miene.
So vergeht eine ganze Weile. Die Granate liegt wieder vor Osman auf dem Boden, und er betrachtet sie wie immer eingehend und konzentriert. Eine der vielen Stimmen kündigt jetzt ihren Zug an, was in Osman offenbar ein inneres Beben auslöst. So, als ob die Granate explodierte.
"Ich will heim," gibt er kläglich von sich. "Ich hab keine Lust auf die Hochzeit, ich hab mich eh mit Mustafa verkracht." Osman bewegt seinen Oberkörper auf und ab, fast wie die Männer beim Gebet in einer Moschee. Er rückt nach links und rechts und wird bleich im Gesicht. "Und außerdem ist mir schlecht. Ich will heim", schrie er förmlich.
"Nichts da, du bist topfit. Du drückst dich jetzt nicht. Das wäre vollkommen falsch. Du willst doch nach Hamburg."
"Will ich nicht." Er ist den Tränen nahe und schüttelt sich.
"Doch, du willst. Wir haben die Tickets, und die lassen wir nicht verfallen. Und denk an die Ehre der Familie!" Ein letzter Versuch ihrerseits, die Ehre der Familie ist ihm doch immer wichtig. Er schaut sie hilfesuchend an.
"Maria, ich ..."
"Ja?"
"Ach, mir ist so schwindlig." Wieder dieser Blick auf die Granate. Sie scheint doch noch da zu sein.
Mit einem dumpfen, leisen Dröhnen schiebt sich der elegante InterCity vor ihnen an den Bahnsteig.
"Osman, das Schwindelgefühl ist ganz normal bei Ängsten. Und denk dran: Alles wird gut."
"Ja", sagt er nur, küsst sie kurz und besteigt dann nach ihr den Waggon.
"Mir ist schwindelig, meine Beine schwanken. Und mein Magen tut weh."
"Ja, und deine Hände schwitzen unheimlich. Osman, das ist alles ganz normal. So, hier sind unsere Plätze. Du fährst vorwärts." Als sie sich setzen, schließt er seine Augen. Sie möchte ihm auf jeden Fall helfen, mit seinen Ängsten umzugehen, sie zu begreifen und ihn bei seinem Kampf gegen diese Ängste zu unterstützen.
"Alles läuft ab wie im Film. Ich bin irgendwie nicht ganz bei mir."
"Aber ich bin bei dir. Atme ganz bewusst langsam ein und aus. Konzentrier dich auf deinen Atem. Ganz bewusst und langsam. Und jetzt versuch, dich auszuruhen." Er beruhigt sich tatsächlich allmählich, sodass sie jetzt vorsichtig seine schweißnasse Hand loslassen kann. Sofort verschränkt er seine Arme vor der Brust und betrachtet wieder die Granate. Er bemerkt nicht einmal, wie sich der Zug nun sanft in Bewegung setzt. Das Bahnhofsvorfeld, die Vorstadt, wo er wohnt, der Hafen, große Industriekomplexe, schließlich die Villenvororte, die mit Raureif überzogenen Wiesen und Felder, für all das hat er keinen Blick.
Osman blättert anfangs ziemlich hektisch und unkonzentriert in seiner Fußballzeitschrift herum, dann aber scheint er über den Text das Hier und Jetzt allmählich zu vergessen.
Hinter Fulda kommt der Zug plötzlich zum Stehen. Und das nicht irgendwo, sondern mitten in einem Tunnel. Den Waggon erfüllt ein lautes Zischen. Es wird wieder leiser, aber nur, um im nächsten Augenblick in ein unheimliches, bebendes, lautes Brummen überzugehen. Plötzlich ein Schlag, dann Dunkelheit. Eine Schockstarre ergreift die Passagiere, keiner sagt ein Wort. Vollkommene Finsternis. Vorsichtige Fragen werden gestellt, die doch keiner beantworten kann. Allmählich werden einige Handys und Smartphones auf Taschenlampenmodus gestellt und erhellen mit kaltem Licht einen kleinen Kegel jeweils um sie herum. Leise Gespräche setzen nach und nach wieder ein. Gespenstisch sind Gesichter in diesen Kegeln zu erkennen.
Maria überkommt ein Grauen, Gänsehaut streicht ihr über Arme, Rücken und Beine. Ihr Smartphone ist in der Tasche. Sie ist nicht der Typ, der ständig kommunizieren muss. Sie lässt es dort, würde es wahrscheinlich eh nicht finden.
"Osman?"
"Bin hier, Baby.“
"Alles klar?"
"Wieso nicht?"
"Also, ich hab fürchterliche Angst." Sie zittert am ganzen Leib.
"Wovor denn, Baby?"
"Keine Ahnung, vielleicht, dass es nie wieder weitergeht."
"Ich bin ja bei dir," lässt sich Osman's ruhige Stimme vernehmen.
"Osman, ich muss dir was erzählen." Ihre rechte Hand sucht die seine, findet sie und drückt sie ganz fest.
"Du schwitzt ja. Na, dann mal raus mit der Sprache."
"Osman, ich hab Angst in Tunneln." Jetzt ist sie es, die den Händedruck verstärkt.
"Maria, entschuldige. Ist das dein Ernst?" Osman lacht.
"Es ist überhaupt nicht lustig."
"Doch, ist es. Ich will mich vor der Bahnfahrt drücken, weil ich wegen eines Unfalls Angst davor habe, überwinde diese Angst, und zwar mit deiner Hilfe, und du bekommst jetzt genau diese gleiche Angst in Tunneln. Baby, sorry, aber da musst du jetzt durch." Er wischt sich seine Tränen aus den Augen und greift mit beiden Händen nach den ihren.
"Jetzt haben wir noch mehr Gemeinsamkeiten. Und wir haben hier den besten Übungsraum. Du musst dich erstmal auf dein Atmen konzentrieren. Ist ganz wichtig. Ruhig und gleichmäßig atmen. Ganz ruhig." Beider Hände sind feucht, ein Zittern, ein Beben vereint sie. Maria merkt jetzt, dass Osman's bisherige Reaktionen hier im Tunnel im Grunde auch nur überspielte Angst waren. Aber ist dieses Überspielen verkehrt? Leider sind ihre Gedanken im Augenblick nicht fähig, diese Grenze zu überschreiten. Ihr Gehirn blockiert.
"Ich will hier raus," schreit sie. Osman versucht, sie zu beruhigen. "Das bringt nichts, Baby." Er spürt, dass ihr Zittern immer stärker wird. Wie kann er ihr helfen? Die Tabletten!
"Maria, wart kurz." Er tastet sich durch die Dunkelheit und holt Tabletten und Wasser aus dem Rucksack. "Hier, nimm!", er reicht ihr beides in die Hand. Sie schluckt.
"Danke." Marias ängstliches Gesicht wird von der sich einschaltenden Notbeleuchtung allmählich erhellt. Osman sitzt ihr ruhig gegenüber und hält ihre Hand. Sie lächelt ihn verkrampft an. "Voll beschissen, was?", meint sie.
"Kann man so sagen, ja."
Nach ungefähr zehn Minuten, in denen gar nichts geschieht, meldet sich eine undeutliche, schnarrende Stimme aus dem Lautsprecher. Sofort verstummen die leisen Gespräche, damit man die Wortfetzen verstehen kann. Bitten um Entschuldigung, geht in wenigen Augenblicken weiter, Blitzschlag, Überspannung, Systemausfall. All das klingt nicht sehr beruhigend. Einige Passagiere versuchen, mit ihren Smartphones Kontakt zur Außenwelt aufzubauen. Sie rutschen unruhig auf ihren Sitzen hin und her oder laufen den Gang entlang und halten die Geräte in allerlei kunstvollen Stellungen in die Luft. Es bringt aber nichts, und allmählich werden die wieder Stimmen lauter.
Maria ficht dies alles nicht an, sie hat die auf dem Boden liegende Granate von Osman übernommen und schaut sie nun ihrerseits konzentriert an. Sie versucht, nicht auf die Anderen zu achten, hält Osmans Hand ganz fest und atmet ruhig ein und aus. So vergeht über eine Stunde, in der Osman immer wieder beruhigend auf sie einredet.
Schließlich ein Ruck, und der Zug bewegt sich wieder, aber ganz langsam. Für Maria ist es wie eine Erlösung. Dann endlich erreicht der Zug Kassel-Wilhelmshöhe. Die Notbeleuchtung brennt immer noch, mittlerweile ist es später Nachmittag geworden an diesem düsteren Tag im Februar. Im Zug haben sich die Passagiere wieder etwas beruhigt, als die nächste Ansage ihnen vermittelt, doch bitte hier auszusteigen, "da der Zug wegen eines technischen Problems abgestellt wird. In Kürze fährt ein weiterer InterCity nach Hamburg ein, den sie benutzen können. Die Sitzplatzreservierungen gelten selbstverständlich für diesen Zug nicht."
"Wie auch, es wird dort eh keine Sitzplätze mehr geben!", meint Osman und erntet von Maria ein bestätigendes Kopfnicken. Erschöpft setzen sich die beiden erstmal auf ihre Koffer. Als der InterCity eintrifft, bestätigen sich Osmans Vermutungen. Überall auf den Gängen herrscht eine qualvolle Enge.
Erst in Göttingen und später in Hannover entspannt sich die Lage wieder etwas. Die Gänge werden zwar allmählich wieder passierbar, aber Sitzplätze für Maria und Osman? Fehlanzeige.
Die Fahrt über die Elbe mit einem kurzen Blick auf die beleuchteten Gebäude der Speicherstadt, eine Werft sowie die Landungsbrücken mit den Museumsschiffen verkünden die baldige Ankunft im Hauptbahnhof. Die kalte, frische Luft auf dem Bahnsteig tut ihnen gut.
"Alter, wie geht’s?" Mustafa kommt auf sie zu, seine Schwester Aishe im Schlepptau.
"Könnte nicht besser sein!", lässt Osman sich vernehmen. Maria wackeln die Ohren. Sie fällt etwas zurück, ihr Mund bleibt offen, die Augen starr auf Osman gerichtet. Aishe fällt's auf.
"Ich dachte, Osman hat Angst vor dem Zugfahren?", fragt sie erstaunt. Maria bedenkt sie mit einem leeren, fragenden Blick.
"Wie war die Fahrt?" Mustafa haut Osman kräftig auf die Schulter.
"Super, bis kurz vor Kassel. Der Zug legte eine Notbremsung hin, mitten im Tunnel. Dann hat's geknallt, und alles wurde dunkel. Mann, nichts mehr zu sehen. Nur die Displays der Handys gaben Licht. Mann, voll krass. Dann noch Maria. Wusste gar nicht, dass die im Tunnel immer Angst bekommt. Die hab ich richtig beruhigen müssen. Hat geweint, die Arme, und ich hab sie getröstet. Dann ging's weiter, aber nur bis Kassel. Dann raus aus dem Zug, hab erstmal geschaut, was zu tun ist. War voll die Hektik, hab das aber gut organisiert. Dann kam der andere Zug. Maria wäre da ohne mich voll aufgeschmissen gewesen."
"Maria, stimmt das?", will Aishe wissen.
"Naja, in gewissen Ansätzen. Osman ist eben Osman."