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Hauptsache Bewegung

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19.08.2014
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Hauptsache Bewegung

Meine Lieblingsfrau schüttelte den Kopf. Sie sah mich eindringlich an und wiederholte dann nochmal:
„Wir bekommen auf keinen Fall einen Hund! Wer muss sich am Ende darum kümmern? Und wer geht mit ihm Gassi? Das bleibt dann alles an mir hängen. Was ist, wenn wir mal in Urlaub fahren wollen? Flugreisen kannst Du gleich vergessen und in neun von zehn Hotels lassen sie uns nicht rein“.
Vor einigen Jahren habe ich Parkinson bekommen. Gut fünf Jahre bin ich dann noch weiter arbeiten gegangen, dann ging es nicht mehr. Seit nunmehr zwei Jahren war ich Frührentner. Landläufig sagt man ja auch Schüttellähmung dazu, aber wesentlich stärker ist die Beeinträchtigung durch Muskelsteifheit und der Verlangsamung der Bewegungsabläufe.

„Ich habe nur noch zwei Geschwindigkeiten: Langsam und Stopp“, scherze ich immer, wenn die Sprache darauf kommt. Um die Beweglichkeit möglichst lange zu erhalten bekam, ich von meinem Arzt regelmäßig Krankengymnastik verschrieben sowie die Empfehlung mich möglichst viel zu bewegen. Tanzen, Wandern, Fitnessstudio und Schwimmen waren nur einige Vorschläge.
Ich schwimme wie ein Stein: Nicht weit, aber tief. Außerdem ist nächste Hallenbad fast 30 Kilometer entfernt. Im Fitnessstudio strampelten reihenweise schwitzende Frauen in Neonshirts auf den Ergometern und lasen dabei konzentriert die neuesten Nachrichten über die Adelshäuser Europas. Im restlichen Raum waren die Geräte aufgebaut. Mit wichtigen, ernsten Mienen wanderten hier, mit einem Handtuch als Schal geschmückt, immer wieder in den zahlreichen Spiegeln die Proportionen von Bizeps und Trizeps kontrollierend, die meist männlichen Muskelsportler von Maschine zu Maschine und drückten, hoben oder zogen die sorgfältig eingestellten Gewichte. Das war nicht meine Welt. Adelsgeschichten interessieren mich nicht und eine ernste Miene halte ich nicht lange durch.

Tanzstunden haben wir auch genommen, aber nach einer halben Stunde fingen meine Beine an eigene Schrittfolgen zu entwickeln und wenn ich sie dann wieder in den richtigen Move zwingen wollte, fingen sie aus Protest an zu zittern. Meine Lieblingsfrau erklärte mir sehr direkt:
„Wenn wir Foxtrott tanzen, wirst Du nach einer Weile immer langsamer und dann gehst zu langsamem Walzer über.“ Sie hatte Recht, zwei unterschiedliche Tänze bei einem Paar führen regelmäßig zu Kollisionen mit den anderen Kursteilnehmern.

Wandern – Spazierengehen. Das habe ich mir zwei- bis dreimal wöchentlich vorgenommen. Und gemacht. Eine knappe Stunde rund ums Dorf. Anfangs begleitete mich meine Lieblingsfrau. Dann hatte sie keine Lust mehr. Meine Laufgeschwindigkeit sei suboptimal, sie kenne das Dorf nun auswendig und die Hausarbeit muss auch noch gemacht werden. So kam der Gedanke an einen Hund auf.
Ein Hund würde jederzeit willig und freudestrahlend mit mir raus wollen. Natürlich müsste er nicht so langsam tippeln wie ich, er könnte ja vorlaufen und auf Zuruf zurückkommen. Auf der Hauptstraße würde er brav an der Leine neben mir gehen. Und auf den abgelegenen Feldwegen würde ich ihm ein Stöckchen werfen, das er dann begeistert holt und zurückbringt. Ich könnte ihm kleine Kunststücke beibringen und, und, und… Der Hund ist schließlich des Menschen bester Freund.

Meine Lieblingsfrau setzte noch einmal an:
„Im Haus habe ich dann überall Hundehaare und der Garten liegt voll Hundekot. Es reicht schon, wenn der Nachbarshund ständig sein Geschäft bei uns erledigt.“
Bei dem Stichwort „Nachbarshund“ kam mir eine Idee.
„Unsere Nachbarn haben doch einen Hund. Mit dem geht jeden Tag der kleine Max Gassi“, sinnierte ich „ Man könnte ja mal fragen, ob ich gelegentlich mit dem Hund laufen könnte. Dann hätte Max ab und zu dienstfrei und ich eine Begleitung“.
„Paloma heißt sie“, ergänzte meine Lieblingsfrau. “Das wäre eine gute Idee, sprich mal mit den Nachbarn“.

Gesagt, getan. Die Mutter von Max war von meinem Anliegen angetan – der achtjährige Max auch, denn der Ausgang mit dem Hund war für ihn oft eine lästige Pflicht. Paloma war ein Mischlingshund, etwas größer als ein Terrier, mit glattem, weißem Fell und von der Gestalt her war ein wenig Golden Retriever mit drin. Die Nachbarin erklärte:“ Sie ist achtzehn Monate alt und noch sehr verspielt. Paloma ist total auf mich fixiert, geht aber mit Max auch mit. Richtig erzogen ist sie noch nicht“. Das hätte mir zu denken geben müssen! Wir vereinbarten, dass ich zunächst einige Male mit Max gemeinsam Paloma ausführen sollte, damit sich das Tier an mich gewöhnen konnte. Paloma hatte einen freundlichen Charakter, sie bellte so gut wie nie und war gegenüber anderen Hunden nie aggressiv.

Zum ersten Ausgang holte mich Max bei mir zu Hause ab. Wir wanderten los und gingen zu einem Feldweg hinter unserer Wohnsiedlung. Stolz hielt ich Paloma an der Leine. Sie lief mal vor uns, mal hinter uns, mal rechts und mal links. Das kam mir nicht richtig vor. Endgültig überzeugt, dass hier etwas schief lief, war ich, als wir an einem abzweigenden Weg anlangten. Ich wollte geradeaus Richtung Wald, Paloma zerrte energisch nach rechts. Max beschied mir:“ Das ist der Weg, den Paloma gewöhnt ist. Wir müssen jetzt hier abbiegen“! Entsetzt widersprach ich: „ Der Hund muss dahin gehen, wo wir hinwollen und nicht umgekehrt!“ Allerdings musste ich frustriert erkennen, dass Max Recht hatte. Paloma blieb wie festgewachsen stehen – nur in die ihr genehme Richtung war ein Weiterkommen möglich. Als kompromissbereiter Hundeleinenfesthalter und auch weil andere Spaziergänger entgegenkamen gab ich nach. Man will sich ja nicht blamieren, die höhere menschliche Intelligenz würde sich auf Dauer schon durchsetzen. Mir fiel ein, dass Hunde ja auch Kunststückchen beherrschen sollen. Nachdem ich etwa ein halbes Dutzend Mal vergeblich ein Stöckchen geworfen hatte und Paloma mich ebenso oft freundlich, intensiv aber inaktiv anschaute, beendete ich diesen Teil des Trainings und ging konzentriert dazu über, die grundlegenden Kommandos, wie „Sitz“ und „ Platz“ in das Gesicht von Paloma zu sprechen. Sie schaute mich freundlich, intensiv aber inaktiv an. Als ich schließlich aufgab und weitergehen wollte, setzte sie sich brav hin.

Für den nächsten Ausflug wollte ich vorbereitet sein. Im Zoogeschäft musste man quer durch die Aquaristik-Abteilung laufen, bevor man in das Katzen- und Hundeparadies gelangte. An den Schauaquarien blieb ich verzückt stehen und bewunderte die bunte Vielfalt. Der Verkäufer fragte: „Möchten Sie Fische kaufen?“
„Nein, nein. Ich brauche Leckerlis für einen Hund“, gestand ich. Neben verschieden Hundekeksen und Schweineohrstreifen erwarb ich noch schwarze Plastikbeutel für das, was hinten wieder rauskommt und erhielt auch jede Menge Ratschläge, wie man seinen Hund beim Gassi gehen überlisten kann. Zum Beispiel jedes Mal, wenn der Hund an der Leine zieht, sofort die Richtung zu wechseln. Dieser Ratschlag hat bei einer Reihe von Spaziergängern, welche uns bei unserem nächsten Ausflug beobachtet haben zu großer Heiterkeit geführt.

Die schwarzen Plastiktüten kamen auch zum Einsatz, man will ja schließlich nicht überall Spuren hinterlassen. Solange ich mit Max unterwegs war, ging das gut. Einer hielt Paloma an der Leine fest, der andere riss eine Tüte von der Rolle, stülpte sie auf links und nahm dann das Unaussprechliche auf. Sobald ich alleine unterwegs war, war das schon eine ganz andere Aktion. Hundeleine auf den Boden legen, mit einem parkinsonbedingt zitternden Fuß darauf treten, hoffen, dass Paloma nicht gerade jetzt etwas Interessantes wittert und die Hinterlassenschaft aufsammeln. In der einen Hand die Schlaufe der Leine, in der anderen das Tütchen mit dem Sammelergebnis ging es dann weiter. Um Stöckchen zu werfen oder „Sitz“ mit dem Anreiz von Leckerlis zu trainieren hatte ich leider keine Hand mehr frei.

Nach einigen weiteren Besuchen im Zoogeschäft habe ich heute ein schönes Aquarium und bekomme anlässlich der regelmäßigen Wasserwechsel reichlich Bewegung beim Eimer schleppen.

 

Hallo Troisdorf,

Dein Text liest sich wirklich sehr, sehr angenehm und nimmt mich einladend mit auf seine Reise.
Gut geschrieben und noch dazu unterhaltsam, vielen Dank!

Liebe Grüße,
Constantin

 

Hallo Constantin,

freut mich, dass er Dir gefällt. Danke für Deine Meinung.

Gruß
Jürgen

 

Hallo troisdorf11,

vielen Dank für den netten Text! Ich fand ihn auch amüsant, aber um ihn überragend zu gestalten, könntest Du das ganze noch auf die Spitze treiben - überflüssige Sätze und Konstruktionen kürzen (und mit "überflüssig" meine ich alles, was nicht direkt auf das Ende hinarbeitet) sowie vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr auftragen. Es ist ja nett, dass der Ich-Erzähler mit dem Hund so seine liebe Mühe hat, aber eigentlich scheint er für sich ja bereits eine Lösung gefunden zu haben, er holt sich ja Hilfe in der Zoohandlung. Warum bricht er denn dann zum Schluss offenbar völlig mit dem Gassigehen? Das wird mir nicht klar.
Auch scheint mir der Ich-Erzähler etwas sehr stark auf seine Frau zu hören. Vielleicht würde es passen, eine richtige Streitszene einzubauen, bei der am Ende der (gutmütige) Ich-Erzähler freiwillig klein beigibt?

Und ist das Ende überhaupt eine plausible Lösung? Ich kann mir ein wöchentliches Eimerschleppen nicht als Ersatz für einen täglich dreimaligen Spaziergang vorstellen...

Außerdem ist mit das Fehlen von Kommata aufgefallen, das durchzieht den gesamten Text. Zum Beispiel hier:

Ich schwimme wie ein Stein: Nicht weit KOMMA aber tief
. Vielleicht möchtest Du da noch mal drüberlesen?

Viele Grüße

pesadillas

 

Hallo pesadillas, hallo Maria,

Danke für Eure Kritik. Ich werde den Text nochmal durchsehen und auf fehlende Kommata achten. Beide kritisiert Ihr den abrupten Schluss. Nach einigem Nachdenken, glaube ich, das liegt daran, dass ich den Text eher nur als "Geschichte" im Kopf hatte und nicht auf ein ausgefeilte Pointe geachtet habe.
Da werde ich nochmal dran arbeiten.

Danke für Eure Mühe

Liebe Grüße
Troisdorf11

 

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