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Der Circle von Dave Eggers

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Der Circle von Dave Eggers

Im Literaturteil der aktuellen Zeit wird der neue Roman von Dave Eggers kurz zusammengefasst: "Der düstere Prophet der digitalen Zukunft hat einen miserablen Roman geschrieben, über den alle diskutieren."

Als hätte Eggers das Drehbuch für den nächsten Tatort geschrieben. Dabei hat er einen hochaktuellen, äußerst witzigen, vor Ideen übersprudelnden, nachvollziehbaren Zukunftsthriller verfasst. Und alle diskutieren darüber. Ich werde das Gefühl nicht los, das passt den Zeit-Literaten nicht wirklich in die Sache: Ein Roman, der im massentauglichen Thrillerstil geschrieben ist und den großen Versuch wagt, ein hochaktuelles und wichtiges Thema wie Social Media anzupacken - und das auch noch mit Erfolg tut.

Die Werke, mit denen Der Circle gerne verglichen wird, sind 1984 und Schöne Neue Welt. Dieser Vergleich passt nicht nur in Bezug auf Dystopien. Was man bei Orwell und Huxley gerne vergisst: 1984 ist ein Liebesdrama. Schöne Neue Welt ist sexy. Gerade diese beiden Klassiker haben ihren Ruhm ihrer "Massentauglichkeit" zu verdanken.

Und auch wenn das vielleicht ein Tick zu weit greift: Die vernichtende Kritik an der literarischen Qualität von Eggers Roman, die in ihrer Schärfe ungewohnt krass ist, kommt fast wie ein Ablenkungsmanöver daher: Wenn Inhalte sich nicht angreifen lassen, wenn einem da die Argumente fehlen, geht man eben auf die Form los. Sonst kennt man das eigentlich aus der Politik.
Da Eggers mit diesem Roman in erster Linie ein hochpolitisches Thema ins öffentliche Bewusstsein rücken wollte, kann er diese Kritik an der Form vielleicht auch als Kompliment auffassen.

Wenn man Der Circle jetzt rein als Thriller kritisieren möchte, kann man das natürlich tun. So wie man 1984 als Thriller kritisieren könnte. Es gibt Romane mit komplexeren Figuren und natürlich auch welche, die stilistisch eindrucksvoller sind. Aber sie sind keine Social-Media-Dystopien. Sie werfen kein mahnend-satirisches Licht auf ein Weltphänomen, das uns ausnahmslos alle betrifft. Sie halten uns keine Spiegel dieser Größe vor.

Ich zitiere mal Jui Zeh. Zum Circle meinte sie: "Wir müssen uns davor verbeugen und froh sein, dass es das Buch gibt. Jeder muss es lesen." Kritik an der literarischen Qualität nannte sie "ein bisschen Pinscher-Gekläff vor der Dogge".

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und empfehle es weiter.

 

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und empfehle es weiter.
Ich auch. Die Kritik mag kleinlich erscheinen, aber Ijoma Mangold, der von der Süddeutschen kam, ist eben ein Purist, spricht gern Tacheles. Und die Kritik an der Eindimensionalität, der Schwarz-Weiß-Sichtweise ist berechtigt. Das kann man als Autor schon besser machen.

Vielleicht ist das der Schnelligkeit geschuldet, mit der Dave Eggers auf die Zeichen der Zeit reagiert: Kaum gibt es Google-Brille, schon gibt es von ihm einen Roman, der u.a. auch das zum Thema hat. Dass bei dieser Schnelligkeit auch noch gute Literatur zu verlangen, ist vielleicht zu viel verlangt.

 

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