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Auf der falschen Seite

Monster-WG
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10.09.2014
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Auf der falschen Seite

Das Restaurant liegt, stets gern zu Diensten, auf der stillen Seite am Fluss, an der prächtigen schönen Donau. Die Küche ist zuverlässig gut, besonders die Fischsuppe. Bedienung und Wein sind vorzüglich, am Wochenende gibt es Zigeunermusik. Jetzt aber, mitten in der Nacht, sind die Lichter gelöscht, die Ober haben wie immer korrekt abgerechnet - von dieser Ausnahme mit der Goldkette einmal abgesehen.
Vom Restaurant, unter dessen letzten Gästen sie waren, sind es ungefähr drei Minuten zu Fuß bis hierher, zur Straßenbahnhaltestelle. Es ist schon spät und so brennt eine einsame und nicht besonders schöne Laternenfunzel schon seit Stunden hier an den Gleisen und jetzt über ihren Köpfen.

Ein schon seit längerem mit Frau Lea befreundetes Ehepaar, das Herrn Harry auch mit Frau Lea bekannt gemacht hatte – erst telefonisch und heute Abend auch persönlich - hatte die beiden kurz nach sechs Uhr mit ihrem bejahrten Peugeot zum Restaurant chauffiert, um dann weiterzufahren zu ihrer Datscha in den Hügeln zwischen Buda und Hüvösvölgy. Sie hatten sich gegenseitig noch einen schönen Abend gewünscht und es war auch anzunehmen, dass sich die guten Wünsche erfüllen würden.

Leider stehen nun Frau Lea und Herr Harry schon länger an dieser Haltestelle und warten auf die nächste Bahn. Sie würden sich gern setzen, doch es gibt keine Sitzgelegenheit. Es gibt keine Bank, kein Mäuerchen, keinen dicken kurzen Betonsockel, wo man sich ein wenig niederlassen könnte.
Herr Harry hat mal in einem älteren Film gesehen, wie ein Pfiffikus das Ohr dicht an die Schienen legte, um so zu erfahren, ob der erwartete Zug sich nähert. Aber das waren Eisenbahnschienen und die lagen in Amerika. Trotzdem reizt ihn diese Idee, hier vor Frau Lea diesen männlichen Auftritt vorzuführen, der ja zugleich, neben seiner Besorgtheit, auch von viel Praxis und Welterfahrung künden würde. Frustrierend ist leider der Gedanke an seine Steifheit und Korpulenz, denn diese ungewohnte Turnübung würde er wohl nur mit mächtigem Geschnaufe und knirschenden Gelenken hinkriegen.
So nimmt er Abstand von diesem Vorhaben und vertieft sich zum wiederholten Male in den an einem Eisenpfosten angebrachten Fahrplan, aus dem er aber nicht so richtig schlau zu werden scheint. Die Beleuchtung ist sehr schummrig und deshalb kann er die ausgedruckten Fahrzeiten nicht entziffern. Doch so oder so – es will nichts geschehen. Hätte er die Lea schon vor vierzig Jahren kennengelernt, dann hätte er sie notfalls auf Händen nach Hause getragen, aber das hat an diesem späten Abend keinerlei Bedeutung.
Es wird empfindlich kühl und Frau Lea zittert ein wenig. Er muss sie vor einer Erkältung bewahren, denn er fühlt sich verantwortlich für diese unerfreuliche Situation. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihr sein Jackett um die Schultern zu legen und ihr statt tröstender Worte, denen er selbst keinen Glauben schenken könnte, einige Male aufwärmend über den Rücken zu streichen. Ein echtes Streicheln erscheint ihm in dieser misslichen Lage unangebracht; sie kennen sich ja erst seit heute.
Möglicherweise kommt überhaupt keine Bahn mehr in dieser Nacht. Und morgen nicht und übermorgen nicht. Vielleicht ist die ganze Strecke stillgelegt worden und Herr Harry weiß es nur nicht?
Er beginnt jetzt selbst ein wenig zu bibbern, denn die Nacht ist kalt geworden. Und er hat ja nur noch Hemd und Weste an. Zu aller Unbill zieht ein böser Wind auf, Regen ankündigend.
Leider ist die Ankündigungszeit sehr knapp bemessen und es beginnt tatsächlich zu regnen. Es ist ein kalter Regen, der auf die beiden hernieder geht.
Frau Lea hat die Augen zusammengepresst, ihre Lippen sind verkniffen. Ein farbloser Mund, wie mit dem Lineal gezogen. Hart und bitter. Da hat sie sich ja einen tollen Kavalier herausgesucht! Großspurig und beredt, eine Idee zu laut, eine Idee zu leutselig und gönnerhaft.
Nicht genug, dass sie schon mit ihrem letzten Geld die Restaurantrechnung bezahlen musste, weil er trotz bemühten Suchens seine Kreditkarte nicht finden konnte. Für den noch offenen Restbetrag musste sie auch noch ihre goldene Kette als Sicherheit hinterlegen. Und Geld für ein Taxi blieb durch dieses Debakel auch nicht übrig.

Die Regenschauer nehmen an Heftigkeit zu. Sie prasseln auf die beiden Ungeschützten, es wird lebensgefährlich kalt.
Ringsum ist Leere, wiewohl rötlicher Lichterschein eine Art Himmelszelt bildet. Völlig unbeteiligter Lichterschein, von Hochhäusern drüben auf der anderen Seite, von riesigen Reklametafeln, drüben auf der anderen Seite, von den Autos, noch so spät oder doch schon so früh unterwegs – auf der anderen Seite.
Frau Lea und Herr Harry sind eindeutig auf der falschen Seite.
.

 

Hallo josefelipe

Ich fasse mich kurz, da Du bei „Delayed“ nicht mal auf Hinweis hin Korrekturen vornahmst, geschweige denn Dich um Verbesserungen an der inhaltlichen Form bemühtest.

Der nun vorliegende Text liest sich soweit unterhaltsam, doch ist er wiederum eine monologische Erzählweise, deren Handlung sich nicht zur Geschichte rundet, sondern schlicht die Gedanken des Protagonisten während eines knappen Zeitrahmens festhält. Als Kontrast dann nur, die Empfindungen der Frau, und diese nicht mal besonders abgehoben. Das Temperament der Frauen in Budapest habe ich da ganz anders in Erinnerung.

Du vergibst nicht nur die Chance, aus diesem Abend eine dialogisch pfiffige Geschichte zu machen, auch gäbe die Örtlichkeit an nächtlicher Faszination mehr her. Das beste Lokal für Fischsuppe liegt übrigens nicht auf der Seite von Buda, sondern von Pest.

Im ersten Satz eröffnest Du gleich mit einem Schreibfehler, was für die Leser nicht einladend wirken kann. Schau Dir mal das Restaurants an. Auch fragte ich mich, was das stets gern zu Diensten in diesem Satz soll.

Es könnte Dir helfen, das Gefühl für Geschichten zu entwickeln, wenn Du Dich damit auseinandersetzen würdest, was literarisch eine Geschichte eigentlich ist, wie sie sich aufbaut und strukturiert. Es ist nicht einfach ein Zeitabschnitt, eine Episode, die dahinplätschert, sondern eine Handlung die eine Ausgangslage hat, der sich ein Geschehen anschliesst und zu einer Wandlung führt. Dies vermisste ich hier bis auf die Ausgangslage völlig. Lies mal andere Geschichten hier und beachte daran was gelingend wahrgenommen und warum Teile kritisiert werden. Kommentier selbst auch Geschichten hier, nachdem Du Dich mit diesen Inhalten auseinandergesetzt hast. So könntest Du für Dich daraus lernen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,
zu Deinem Kommentar:
Du wirfst mir vor, dass ich nicht die von dir vorgeschlagenen Korrekturen und Verbesserungen vorgenommen habe. Im Moment gefällt es mir mehr, die Zeit für etwas Neues (und hoffentlich Besseres) zu verwenden. Ich habe eine neue Geschichte „Oktopus“ geschrieben, in der ich Kritik und Anregungen aufzunehmen versucht habe.

Zu Deinen weiteren Ausführungen:
"Schau dir mal das ‚Restaurants’ an". Das kommt ein bisschen oberlehrerhaft herüber. Meine Frau schreibt so etwas unter die Deutscharbeiten ihrer Schüler. Warum es passierte, weiß ich nicht mehr genau. Ich habe den Satz umgestellt und das Schluss-S einfach überlesen. Aber sei versichert, dass ich in den Jahrzehnten, in denen ich erfolgreich Restaurants geführt habe, an der Fassade nie ‚Restaurant’ mit ‚Restaurants’ verwechselt habe. Wir alle sind leider nicht gefeit vor solchen kleinen Fehlern.

Zum ‚Temperament’ der Frauen in Budapest: Nach den vielen Jahren, die ich jetzt in Ungarn lebe, erscheinen mir Aussagen über das Temperament der Ungarinnen meist eher 'klischeehaft'.
Und wie stellst Du Dir eine Temperamentsäußerung dieser älteren, frustrierten und im kalten Regen stehenden Frau an der nächtlichen Haltestelle eigentlich vor? Soll sie da einen Csárdás tanzen, damit der Regen abperlt?

"Das beste Lokal für Fischsuppe liegt übrigens nicht auf der Seite von Buda, sondern von Pest."
Interessant, dass Du das so genau weißt. Ich und meine ungarischen Freunde könnten das nicht mit einer derartigen Sicherheit behaupten.

Du schreibst: "…auch gäbe die Örtlichkeit an nächtlicher Faszination mehr her". Wie sollte diese Faszination aussehen? In meiner Geschichte steht die Tristesse der Situation im Vordergrund und nicht die Faszination. Die beiden stehen nicht droben auf der Zitadelle und sind ergriffen vom Donaupanorama und den Millionen Lichtern auf der anderen Seite.
Sie stehen an einer zugigen, kalten Haltestelle im Schummerlicht - irgendwo im Norden von Buda.

Meine Absicht war es auch nicht, eine "...dialogisch pfiffige Geschichte zu machen". In der beschriebenen Situation ist die Unterhaltung fast gestorben. Was ließe sich auch noch sagen?

Deine Ratschläge zum Schluss kann ich annehmen. Ich glaube auch, dass das Lesen und Kommentieren anderer Geschichten hilfreich für das eigene Schreiben sein kann.
Ich für meinen Teil möchte meine Geschichten schreiben und veröffentlichen und hoffe auf konstruktive Kommentare.

Nur noch ein Letztes: Du schreibst: "So könntest Du für Dich daraus lernen." Lernen wir nicht immer nur für uns ?


Joséfelipe

 

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