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Klara sprüht gegen die Beschissenheit

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23.08.2013
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Klara sprüht gegen die Beschissenheit

Wir werden die Schweine schon die Liebe lehren, sagt Klara und schüttelt die Spraydose. Und Klara schüttelt sie so entschlossen, dass das Klacken zwischen den Altbauten schallt und ich mir vorstelle, wie die Bewohner dieser aufgeräumten Häuser, von dem Gepolter aus dem Schlaf gerissen, unzufrieden brummen, die Leselampen anknipsen, Brillen auf ihre Nasen setzen und an die Fenster treten, um von dort aus zu sehen, wie eine junge Frau im grünen Sommerkleid, vom Lichtkegel einer Laterne umzingelt, auf das Frontfenster einer Großbankfiliale, ohne die Dose einmal abzusetzen, ein riesiges rotes Herz sprüht.
Was machst du da?, frage ich Klara, was machst du denn da?, frage ich sie, obwohl ich ja genau sehe, was Klara da macht und Klara sieht mich an mit ihren wahnsinnig klaren Augen, auf denen man sich keinen Schleier vorstellen kann, sieht mich an und fragt mich entrüstet, ob ich denn keine Zeitungen läse. Ich muss auflachen, obwohl mir überhaupt nicht zum Lachen ist, wenn ich an die Nachbarn denke, die in diesem Moment an den Fenstern ihrer Altbauwohnungen stehen und im Schatten neben der jungen Frau nun auch einen Mann erkennen – ob er denn keine Zeitungen läse.
Doch, liebe Klara, will ich ihr sagen, und ob ich das tue, Zeitungen lesen, ich habe Zeitungen schon gelesen, liebe Klara, da hast du dir noch Donald Duck-Bildchen angeschaut. Du – die Micky Maus-Heftchen, ich – die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Schon mit achtzehn Jahren hatte ich die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter den Arm geklemmt und mit mir herumgetragen, obwohl ich sie damals als so öde, so unerträglich langweilig empfand.
Aber das will ich Klara nicht sagen, nicht so, also sage ich nur: doch.
Und da fragt mich Klara, ob ich, wo ich doch ein Zeitungsleser bin und überhaupt einen aufgeklärten Eindruck mache, nicht wisse, was diese Bank, an deren Fensterscheibe sie dieses schöne rote Herz soeben sprühte, in den letzten Jahren veranstaltet habe. Ob ich denn nicht mitbekommen hätte, dass man genau jene Bank wegen Geldwäschegeschäften, statt ihr die Lizenz zu entziehen, zu einer absolut lächerlichen Strafe von zwei Milliarden Dollar verurteilt habe, einem Betrag, der gerade mal den Quartalsgewinn dieser Bank aus eben jenen Geldwäschegeschäften darstelle.

Quartalsumsatz, sage ich.
Was spielt das für eine Rolle, sagt Klara.

Drogengeld, sagt Klara, Blutgeld, sagt sie, Mafiafinanzen, darum handele es sich doch in Wahrheit, und den Entscheidern, der Politik, dem Weltkapitalismus überhaupt, ihnen allen seien diese schlimmen Dinge so scheißegal, dass sie, statt diese Bank aus dem Verkehr zu ziehen, statt die Verantwortlichen für immer in Gefängnisse zu stecken, sie alle mit einer unfassbar lächerlichen Strafe davonkommen lassen. Und ob ich denn wisse, dass man in den USA, wo diese ganze Sauerei sich abgespielt habe, für den Besitz von ein paar Gramm Marihuana jahrelang im Gefängnis sitzen muss. Das sei doch ungerecht, oder? Das sei doch so verdammt ungerecht, diese Ungerechtigkeit sei doch nicht zu ertragen.
Da muss man doch was machen, sagt Klara, aber was kann ich schon tun. Ich bin doch völlig hilflos, sagt Klara, da ist diese widerwärtige Beschissenheit überall auf der Welt und ich kann nichts dagegen unternehmen. Man muss sich ja schon schämen, darüber zu reden, sagt Klara, weil man einen dann als verblendeten Weltverbesserer belächelt, sagt sie, und schlimmstenfalls am Kopf tätschelt wie ein linkes Kind, mit dem das Herz durchgeht.
Sie könne sich auf Demos die Lunge auskotzen, sagt Klara, könne sich in allen Kommentarspalten aller Zeitungen der Welt über diese furchtbare Beschissenheit auslassen, aber das interessiere keine Sau, niemanden, der was an dieser Misere ändern könnte, interessiere, was sie, Klara, da zu sagen habe – also komme sie hierhin und sprühe ein Herz aufs Fenster. Natürlich sei das bloß eine zahnlose Verzweiflungsaktion, ein Tropfen auf den heißen Stein, das weiß ich selbst, sagt Klara.
Und ich sehe Klara an, sehe diese aufrichtige Wut, glaube Klara, dass ihr diese Beschissenheit tatsächlich weh tut im Herzen, dass sie nicht bloß redet und schmiert, weil wir uns gerade auf der Party so fröhlich betrunken haben und sie sich verrückt und verwegen geben möchte, revolutionär, nehme Klara alles ab, was Klara sagt, verdächtige sie keiner Pose, keiner Künstlichkeit und kann, von dieser aufrichtigen Empörung beeindruckt, meines sonst zuverlässigen Zynismus' beraubt, überhaupt nicht mehr an die Nachbarn denken, die gerade, am Fenster stehend und uns beobachtend, die Polizeinummer wählen, sondern denke daran, was denn eigentlich mit mir los ist. Wo ist denn meine Empörung geblieben, frage ich mich, wohlwissend, dass auch ich betrunken bin, frage mich, warum sehe ich die gleiche Beschissenheit, die Klara sieht, warum lese ich die gleichen Nachrichten, die Klara liest, und warum regt sich in mir nichts mehr, wo doch in Klara ein regelrechter Sturm tobt. Warum wütet in dieser zierlichen, blonden Frau, die mit ihren verwuschelten Haaren so unglaublich ... unseriös aussieht, warum wütet in ihr ein Tornado und in mir rührt sich gar nichts. Warum.
Warum zucke ich bloß mit den Schultern und denke mir, ach, das Urteil kommt ja nicht wirklich überraschend, man habe ja gleich gewusst, dass die Bank systemrelevant ist, so eine systemrelevante Bank kann man nicht einfach dicht machen. Warum habe ich mich denn schon so an diese ganze Beschissenheit gewöhnt. Wo sind eigentlich meine Emotionen geblieben. Ist es denn wirklich so, dass man mit nur zweiunddreißig Jahren schon gelernt hat, seine Energie nicht auf ineffiziente Gefühle zu verschwenden, nicht auf Dinge, die mit einem selbst nichts zu tun haben. Oder ist man gar mit Gefühlsbulimie oder einer ähnlichen Krankheit infiziert, die so schwer ist, dass man sich auf dem besten Weg befindet, daran zugrunde zu gehen. Oder bin das einfach nur ich.
Das alles frage ich mich und sehe in die stechend klaren Augen dieser zwanzigjährigen Frau, die ich erst heute kennenlernte, erst vor einigen Stunden, und die mich von der Geburtstagsparty eines Schulfreundes nach draußen rief, einerundeumdenblockdrehen.

Klara reicht mir die Dose und fragt mich: Willst du das ausmalen?

Ich nehme die Dose und weiß nicht, ob ich das ausmalen will, ob ich mich an dieser Aktion beteiligen soll, ich, Herr Rechtsanwalt Nils Thelen, Doktor der Rechtswissenschaften, ob ich dieses Herz ausmalen, Mittäter dieser Sachbeschädigung werden will, dieser süßen und sinnlosen Sachbeschädigung; das weiß ich alles nicht, aber was ich genau weiß, ist, dass wenn ich mich weigere, dieses Herz auszumalen, wenn ich nicht an Ort und Stelle auch meine Hände gegen die allgemeine Beschissenheit des Systems erhebe, ich Klara nie wieder sehen werde.
Und während ich mich frage, ob ich denn Klara wiedersehen sollte, mich frage, wie das denn alles weitergehen soll, mit Klara, mit Jana, mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Nils Thelen, höre ich die Dose in meinen Händen klacken, höre wie das Klacken durch die ganze Nachbarschaft schallt, spüre, wie es die Stille der Dunkelheit zerfetzt und denke nicht mehr an die Nachbarn, nicht mehr an die Polizei und auch nicht mehr an die Beschissenheit des Systems, sondern sprühe die rote Farbe auf die Fensterscheibe, dieser, für schlimme Dinge verantwortlichen Bank und kann mich dabei nicht an Klaras Villa-Kunterbunt-Zahnlücke sattsehen, die Klaras Lächeln mir anvertraut.

Es ist sechs Uhr morgens, als ich nach Hause gehe, durch die in ihrem Schlaf ebenmäßig atmenden, niemals schnarchenden Straßen Lindenthals streife, alle sich mir bietenden Umwege mit Dankbarkeit einschlage, den Geschmack Klaras zorniger Lippen auf meinen Lippen goutierend, den Geruch Klaras unseriöser Haare in meiner Nase bewahrend. Was jetzt passieren wird, tut mir leid.
Ich öffne die Tür. Ich ziehe die Schuhe aus. Auf Zehenspitzen gehe ich in die Küche und trinke drei Gläser Wasser. Ich kann mir morgen keine Kopfschmerzen erlauben. Ich schleiche ins Schlafzimmer, bleibe am Eingang stehen und sehe wie Janas Brust sich ruhig hebt und senkt. Ich knöpfe mein Hemd auf und lege es in den Wäschekorb. Ich streife meine Jeans ab, falte sie und lege sie zu den anderen in den Schrank. Ich stehe neben dem Bett und warte. Ich warte. Ich warte.
Jana atmet. Sie liegt auf dem Rücken, kerzengerade, und hat ihre Hände auf dem Bauch gefaltet. Vor sieben Jahren fand ich Janas Art zu schlafen einfach nur süß. Jetzt, wo ich neben ihr stehe und der Gleichmäßigkeit ihrer Atemzüge lausche, denke ich, dass in dieser Art zu schlafen, Nacht für Nacht, die Hände auf dem Bauch gefaltet, genau sieben Stunden kerzengerade auf dem Rücken zu liegen, dass genau darin Janas ganzes Wesen steckt. Janas gesamter Charakter drückt sich in dieser Haltung aus, denke ich neben Jana verharrend, ihre ganze Zuverlässigkeit, ihre Zielsicherheit, ihr Pragmatismus. Ich weiß, wenn ich Jana von Klara erzählte, davon, wie wir ein Herz auf das Fenster einer Großbankfiliale sprühten, davon, wie wir uns über die Beschissenheit des Systems unterhielten, davon, wie wir von der Polizei wegrannten, über die Bahngleise kletterten, uns in einem Hauseingang versteckten und dort, nachdem wir wieder unseren Atem fanden, stundenlang auf der Treppe knutschten und redeten und knutschten, ich weiß, wenn ich Jana davon erzählte, würde sie einen kühlen Kopf bewahren. Sie würde einen kühlen Kopf bewahren und mich lächerlich finden. Sie würde es mir nicht sagen, aber sie würde mich ganz und gar lächerlich finden. Sie würde es ihren Freundinnen erzählen und auch ihre Freundinnen würden mich lächerlich finden, lächerlich und peinlich.
Jana würde sich mit mir an den Esstisch setzen wollen, uns einen Kaffee kochen und mit mir überdiesachereden wollen. Sie würde die Situation analysieren, sie würde die Dinge haarscharf zertrennen, sie würde alle meine Beweggründe an die Oberfläche zerren und mich fragen, ob ich es denn tatsächlich ernst meinen könne. Da seien immerhin zwölf Jahre Unterschied, zwischen mir und Klara, würde Jana sagen, ob ich mir denn nicht vorstellen könne, es nicht zumindest in Erwägung zöge, dass, sobald die rosarote Brille abgefallen ist, ich mich doch ein wenig langweilen würde, mit einem dermaßen ... jungen Mädchen.
Seit wann bist du denn überhaupt so ein Revoluzzer geworden, würde sie mich fragen.
Jana würde zugeben, es könne schon sein, dass unsere Beziehung ein wenig eingeschlafen ist und es mit dem Sex auch schon mal besser geklappt hat, aber, würde Jana räsonieren, das sei nun mal der gewöhnliche Lauf des Lebens, so verhalte es sich eben in langjährigen Partnerschaften, so was passiere an jeder Ecke, dafür habe man andere Dinge.
Jana würde mich ausreden lassen, würde verständnisvoll nicken und ich würde wissen, dass sie im Grunde bereut, keinen Notizblock zur Hand zu haben, um meine Argumentation stichpunktartig zu erfassen. Am Ende, wenn alles gesagt worden wäre, ohne dass nur einer von uns je die Stimme gehoben hätte, würde Jana sagen, sie wolle mich nicht halten, ich könne selbstverständlich tun und lassen, wonach mir ist, sie habe die Sache bloß aus einer Vernunftsperspektive beleuchten wollen und eigentlich, wenn sie es sich recht überlege, sei auch sie noch lange nicht sicher, ob sie mich denn zurück nehmen will. So würde es sein.

Ich stehe neben dem Bett, höre zu, wie Jana atmet und warte. Worauf ich warte, weiß ich nicht. Ich weiß, es wäre das Beste, einen Rucksack zu nehmen, dort das Nötigste für die erste Zeit zu verstauen, Jana einen Zettel zu schreiben und zu meinen Eltern zu fahren. Doch ich merke, wie müde ich nach dieser Nacht bin, wie mir die Augen zufallen, denke an die Unmengen an Arbeit, die morgen auf mich wartet, an Dinge, die dringend erledigt werden müssen, an all das denke ich, während ich Janas kerzengeraden Körper betrachte, dann lüpfe ich die Decke, lege mich darunter und schließe die Augen. Dann werden wir eben morgen reden. Vielleicht.

 
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Servus randundband

Ob ich denn nicht mitbekommen hätte, dass man genau jene Bank wegen massiver Verwicklungen in Geldwäschegeschäfte, ja wegen Ermöglichung dieser Geldwäschegeschäfte überhaupt, statt ihr die Lizenz zu entziehen, zu einer absolut lächerlichen Strafe von zwei Milliarden Dollar, einem Betrag, der gerade mal den Quartalsgewinn dieser Bank aus eben jenen Geldwäschegeschäften darstelle, verurteilt habe.

Das kann doch nie und nimmer eine Geschichte werden, dachte ich nach dem ersten Absatz, und diese Formatierung, also die ist doch unprofessionell, die passt doch nicht zu randundband, und überhaupt, was soll diese Aufzählung von Binsenweisheiten?

Ist es denn wirklich so, dass man mit nur zweiunddreißig Jahren schon gelernt hat, seine Gefühle ökonomisch zu verwalten, geradezu eine Kosten-Nutzen optimierte Gefühlswirtschaft zu betreiben, schon gelernt hat, die Energie nicht auf ineffiziente Emotionen zu verschwenden, auf Dinge, die mit einem selbst nichts zu tun haben. Oder muss man schon ein echtes Gefühlsdefizit verzeichnen, ist man gar mit Gefühlsbulemie oder einer ähnlichen Krankheit infiziert, die so schwer ist, dass man sich auf dem besten Weg befindet, daran zugrunde zu gehen. Oder bin das einfach nur ich.

Das ist doch nur larmoyantes Räsonieren, das wird bestenfalls ein sozialromantisches Pamphlet, dachte ich mir und während sich schon die ersten sarkastischen Sätze für einen Kommentar in meinem Kopf zu bilden begannen („Werde erst mal fünfundfünfzig, randundband.“ usw.), merkte ich, was für eine ungeheure Sogwirkung der Text mittlerweile auf mich entwickelt hatte. Weniger meine persönliche Betroffenheit - immerhin bin ich selbst gerade dabei, die Fackel meiner Empörung über die Absurditäten der Menschen und der Welt an meine halbwüchsigen Söhne weiterzureichen, und mich selbst sozusagen aufs Altenteil der resignativen Illusionslosigkeit zurückzuziehen - sondern in erster Linie diese Endlossätze, diese quasi Atemlosigkeit der Sprache waren es, die mich immer mehr in den Text hineinrissen. Und je weiter ich las, umso mehr begriff ich den Text als echte Geschichte, als spannende Geschichte, als das schmerzhafte Psychogramm eines Mannes und als das Psychogramm einer Ehe, als ein Tragödie über das Leiden an der Welt und über das Scheitern an den eigenen Ansprüchen.
Wie sehr hätte ich es dem Erzähler vergönnt, dass er letztendlich seinen Rucksack packt und sich noch einmal auf die Suche nach den verlorenen Idealen seiner Jugend macht.
Aber wer tut das schon?
Ich finde die Geschichte toll, randundband. Ob sie jetzt fiktiv ist oder tendenziell autobiografisch, ist mir herzlich egal. Mir erscheint sie aufrichtig, seelenvoll und wahrhaftig. Und so dermaßen traurig, dass sie durch all die Gedanken, die sie in mir auslöste, mir beinahe den Abend verdorben hätte.
Aber nur beinahe. Ich geh jetzt nämlich auf ein resignatives Bier. Oder zwei. Und dann schreibe ich meiner Geliebten einen vermutlich nachdenklichen, aber dennoch schönen Brief.
Pff.

offshore

 
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Lieber randundband,

ich bin um deine Geschichte herumgeschlichen bisher, der Titel, der ziemlich lange erste Satz hatten mich zunächst abgeschreckt. Aber beim 2. Anlauf und nach den ersten Sätzen fand ich's klasse! Die Klara in mir schüttelte die Sprühdose mit, der promovierte, gestresste Herr Rechtsanwalt ließ sich anstecken und verknallte sich dabei, die sachlich-logische Jana würde, wenn sie sich denn überhaupt damit beschäftigte, alles aus einer kühlen Distanz heraus analysieren. Die Drei finden sich doch eigentlich in jedem von uns, oder? Und die ersten Beiden, vor allem Klara, haben es nicht leicht in Zeiten, in denen 'Gutmenschen' belächelt werden, ja, dieser Begriff fast schon sowas wie ein Schimpfwort ist.
Ohne die Klaras dieser Welt wäre die noch viel dunkler, vielleicht - zumindest was unsere Spezies betrifft - schon gar nicht mehr da! Und bei all' den Ungerechtigkeiten, Systemfehlern usw. gibt es ja auch das Andere, soziale Abfederung, mehr Gleichberechtigung, mehr Umweltschutz, zumindest für manche Recht auf Asyl ... gäbe es alles nicht ohne Klaras! Schöne Geschichte mit Nachdenklichkeitsfaktor, habe ich sehr gerne gelesen! Eine Winzigkeit:

(D) das sei doch so verdammt ungerecht,
.

Viele Grüße,

Eva

 

Allererster Endruck - und nur ganz kurz, weil ich nach einer Nacht voller Wachen gegen die Beschissenheit nun wie der arme zerrissene Rechtsanwalt zum Job muss.
Erstens: Der Titel ist super. Ich liebe den schon jetzt.
Die Idee, die drei Personen, das gefällt mir alles verdammt gut. Auch das Ende. Obwohl es ja nicht nur klar war, dass er vielleichten wird, sondern weil man als Leser selbst Herzchensprüherei gegen Banken nicht für eine wirkliche Alternative hält. Und der Text mit seinem Loblied der Aufmüpfigkeit ja auch sehr vage bleibt. Die Kritik am System durch Klara ist ja eher kindlich. Und die Charakterisierung des Systems als beschissenes, das reißt jetzt niemanden vom Hocker, der an Wirstschaftverhältnissen oder politischen Entscheidungen eine ernsthafte, auf das Praktische zielende Kritik hat. Aber als Gefühl, als Aufmüpfgkeit, als Trotz, nicht alles für normal zu halten - da ist das schon ein sehr gelungenes Stimmungsbild.
Aber da wäre ich schon mittendrin in einer Unterhaltung, angeregt durch deine Geschichte über den Inhalt und was die Klara da antreibt und ob das was taugt und überhaupt wie man sein Leben gestalten soll und o es nicht Zeit ist, das Ruder rumzureißen.
Deine Geschichte bietet eine Menge lose Enden, die man gedanklich verknüpfen möchte, aber das führt jetzt zu weit.
Sprachlich möchte ih aber auch was dazu sagen. Da geht für mich ein ziemlicher Riss durch den Text. Ab (etwa) Mitte bis Ende ist ein schöner flow entstanden durch dieAneinanderreihungen. Es ist eine Atemlosogkeit, die durch den Inhalt getragen wird und den Inhalt umgekehrt intensiviert.
Am Anfang (und zwar über eine weite Strecke ist das aber leider immer wieder mal gar nicht so. Da empfand ich die Wiederholungen und Satzkonstruktionen als anstrengend und überambitioniert. Ich komme vermutlich erst morgen dazu, aber ich möchte dir das gerne an Beispielen zeigen, wo es echt tierisch ruckelt. Und diese Stilmittel eben überdeutlich als Stilmittel wahrgenommen werden.
Als Beispiel dieser Satz.

Doch, liebe Klara, will ich ihr sagen und ob ich das tue, Zeitungen lesen, ich habe Zeitungen schon gelesen, liebe Klara, da hast du noch in deinen Micky-Maus-Heftchen die Donald Duck-Bilder angeschaut. Als du noch in den Micky-Maus Heftchen die Donald Duck-Bilder angeschaut hast und die Wendys nach Glitzerbildchen durchforstet hast, als du noch über die Liebe&Zärtlichkeit Seiten der Bravo gekichert hast, schon da habe ich mir die Frankfurter Allgemeine Zeitung gekauft und sie gelesen, gelesen, obwohl ich sie schrecklich langweilig fand.
Da klappt der flow nicht. Und solche Stellen gibts eben noch mehr.
Aber leider muss ich jetzt mal eben das System unterstützen gehen.

Also bis morgen, lieber randundband. Ich schreib dir noch genauer, was mich da stört.
Trotz Kritik den Anfang betreffend, eine schöne Geschichte, die ich gerne gelesen habe.
Ciao Frau Novak grüßt.

 
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Mir gefällt die Geschichte äusserst gut, auch wenn ich - wie Frau Novak, die das später noch mit Beispielen unterstreichen wird :p - im ersten Teil nur zäh vorankam und zu Beginn dein Stilmittel sich als solches zu stark in den Vordergrund drängt.

und Klara sieht mich an mit ihren wahnsinnig klaren Augen,
Hier würde ich jetzt grosse Augen bevorzugen, wirkt unschuldiger und beisst sich weniger mit ihrem Namen.


uns beobachtend[, ]die Polizeinummer wählen
Braucht hier glaub ich kein Komma.


Ich streife meine Jeans ab, falte sie und lege sie zu den anderen in den Schrank.
Wer macht denn so was? Die getragene Hosen zu den frischen legen, ui, wenn das Jana sieht ... :D

Ja, eine feine Dreiecksgeschichte, die so eigentlich keine ist, möglicherweise nur ein Gedankenexperiment, und doch so greifbar real geschildert, dass sie mich immer mehr mitriss. Klara, mit den grossen Augen, aufrichtig überzeugt, mit Herzen gegen die Beschissenheit das richtige zu tun. Er, durch Alkohol benebelt, das Gefühl nach zart keimender Liebe mit dem Wunsch nach ein paar Streicheleinheiten verwechselnd, begibt sich auf die dunkle Seite, um den kurzen Moment des neuen Glücks nicht zu verlieren. Versucht das süsse Nachklingen durch lange Umwege durch die Stadt krampfhaft festzuhalten und wird am Ende mit der Realität konfrontiert, wie er da vor dem Bett steht und wartet. Und wartet und die Tragweite seiner unpopulären Entscheidung abwägt. Jana, die aufrechte, die kalte, die pragmatische. Seine grosse Liebe? Sicher auch mal, vor Jahren. Doch jetzt kümmern ihn ihre Gefühle nicht mehr, jetzt kümmert ihn nur noch sein eingespieltes Leben, sein vertrauter Alltag, bitte ja keine Konflikte in persönlichen Dingen.

Jana ist zwar bestimmend, aber ist sie nicht auch vielleicht einsam, hat resigniert und sich mit der Situation abgefunden, beherrscht das arrangierte Eheleben, und rechtfertigt die Vorzüge bei ihren Freundinnen?
Einen Moment steht er kurz davor, aus seiner Komfortzone auszubrechen, doch die fortgeschrittene Müdigkeit wirft ihn zurück, der Bauch ist bereits eingenickt, der Kopf folgt ihm dankbar, morgen gibts zum Glück viel Arbeit ...


Sehr gern gelesen, hat mich nachhaltig unterhalten,
Gruss dot

 
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Hallo ernst,
Erstmal vielen Dank für den Kommentar.

Das kann doch nie und nimmer eine Geschichte werden, dachte ich nach dem ersten Absatz, und diese Formatierung, also die ist doch unprofessionell, die passt doch nicht zu randundband, und überhaupt, was soll diese Aufzählung von Binsenweisheiten?
Hmm... Kannst du mir bitte sagen, was du mit der unprofessionellen Formatierung meinst? Ich würd das gerne professioneller gestalten, aber ich weiß nicht so recht was du meinst.
Die Binsenweisheiten, ja. Da tat ich mich am Anfang sehr schwer mit, sowas hinzuschreiben. Ich glaube, wenn ich das persönlich bei irgendjemandem lesen würde, müsste ich auch mit den Augen rollen. Aber ich habe das einfach gebraucht, um Klara zu charakterisieren. Mir war der eigentliche Gehalt, der Erkenntnisgewinn für den Leser da nicht wichtig, damit kann man ja niemanden überraschen, aber das Klara so denkt, dass sie das noch so aufregt, das hielt ich für sehr plausibel und hoffte, da würde der Leser mitgehen.
Das ist doch nur larmoyantes Räsonieren, das wird bestenfalls ein sozialromantisches Pamphlet, dachte ich mir und während sich schon die ersten sarkastischen Sätze für einen Kommentar in meinem Kopf zu bilden begannen („Werde erst mal fünfundfünfzig, randundband.“ usw.),
Ob sie jetzt fiktiv ist oder tendenziell autobiografisch
O je, das larmoyante Räsonieren ist der wohl autobiografischste Teil darin, ganz sicher nicht die Beziehung zur Jana, na ja. Also, vllt bin ich da in der Entwicklung hinterher, aber mich hat der Gedanke, den du mir ankreidest, oder, besser gesagt, das Gefühl, erst vor kurzem so richtig getroffen. Ist tatsächlich auch von einer ganz jungen Frau ausgelöst worden, die dann zufällig in die gleiche Runde geraten war wie ich. Und sie saß dann da zwischen den ganzen Anwälten anfang dreißig und hat sich dann über Dinge aufgeregt, über die sich natürlich niemand mehr anfang dreißig aufregt. Sie war bei der Antifa und ging ständig auf Demos, sowas halt und man hat es halt komplett gesehen, wie ernst es ihr ist. A ja, sie sah auch gut aus. Und bei den Leuten drum herum und grade auch bei mir selbst, habe ich dann so eine Nachsicht feststellen müssen, man war schon interessiert und so, aber eben auch so distanziert. Und ich hab dieses Gefühl dann nach Hause mitgenommen und mich immer wieder gefragt, wie das denn jetzt sein kann, warum mich das alles nicht rührt, was dieses Mädchen so wütend macht. Ich dachte nicht, dass es larmoyant rüberkommt. Ich war nur ehrlich schockiert und dachte, was ist denn da los. Das war so eine gefühlte Erkenntnis hinsichtlich einer Sache, die ich vorher nur theoretisch gewusst habe.
Na ja, ich dachte dann, es wäre plausibel, dass sich jemand, der betrunken ist, für einen kurzen Moment von der Ausstrahlung und Enthusiasmus einer schönen, jungen Frau mitreißen lässt und sich diese Fragen stellt.
diese quasi Atemlosigkeit der Sprache waren es, die mich immer mehr in den Text hineinrissen.
Das ist schön. Ich dachte, hier müsste man die Atemlosigkeit herstellen, weil die ganze Geschichte für den Erzähler auch ein Rausch gewesen ist, freut mich, dass es bei dir funktioniert hat. Novak sagt, da ruckelt es am Anfang, ich sehe das irgendwie im Moment noch nicht, aber werde versuchen, da noch was zu machen.
Und je weiter ich las, umso mehr begriff ich den Text als echte Geschichte, als spannende Geschichte, als das schmerzhafte Psychogramm eines Mannes und als das Psychogramm einer Ehe, als ein Tragödie über das Leiden an der Welt und über das Scheitern an den eigenen Ansprüchen.
Wie sehr hätte ich es dem Erzähler vergönnt, dass er letztendlich seinen Rucksack packt und sich noch einmal auf die Suche nach den verlorenen Idealen seiner Jugend macht.
Aber wer tut das schon?
Es freut mich, dass der Text dich doch noch erreichen konnte. Es ist schade, dass er so lange gebraucht hat, ich befürchte, das wird mehr Leute abschrecken.
Ob das nun eine Tragödie ist, weiß ich nicht, diese Ehe auf jeden Fall, der Rest, na ja. Tragödie ist doch nur eine Tragödie, wenn man sie als solche empfindet, oder? Die Beschissenheit wird den Nils bald nicht mehr beschäftigen, er wird die Aktion als albern abtun und das wars.
Ursprünglich sollte die Geschichte auch weitergehen, der Nils sollte tatsächlich abhauen und ihm sollten ein paar andere Dinge zustoßen, aber ich fand das irgendwie realistischer, hier aufzuhören. Außerdem wollte ich auch erstmal sehen, ob diese Erzählstruktur funktioniert.
bin ich selbst gerade dabei, die Fackel meiner Empörung über die Absurditäten der Menschen und der Welt an meine halbwüchsigen Söhne weiterzureichen, und mich selbst sozusagen aufs Altenteil der resignativen Illusionslosigkeit zurückzuziehen
Nicht zurückziehen, ernst.
Vielen Dank für deine Zeit und deine Gedanken,
Liebe Grüße,
randundband
ich mach später weiter

 

randundband schrieb:
offshore schrieb:
... dachte ich nach dem ersten Absatz, und diese Formatierung, also die ist doch unprofessionell, die passt doch nicht zu randundband,
Hmm... Kannst du mir bitte sagen, was du mit der unprofessionellen Formatierung meinst? Ich würd das gerne professioneller gestalten, aber ich weiß nicht so recht was du meinst.

Vergiss es, randundband, ich wollte damit ja nur meinen allerersten Leseeindruck schildern, und der hat sich dann ja ohnehin sehr schnell relativiert. Zu Beginn hat mich die Form der direkten Rede irritiert, zwar kursiv gesetzt, aber ohne Anführungszeichen und Zeilenumbrüche. Ich hab das dann aber eh bald als bewusstes Stilmittel erkannt.
Überhaupt scheint mir, dass du meinen Kommentar nicht ganz so positiv wahrgenommen hast, wie ich ihn meinte. Also noch einmal, randundband, für mein Empfinden ist das ist eine wirklich gelungene Geschichte.

offshore

 

Bistu eigentlich der erste,

lieber rand & band,

der mich meinen eigenen Prinzipien (eine Stunde/ Tag max. im Internet) untreu werden lässt? Zum Donnerdrommel noch einmal!

Eine drei-Personen-Komödie im Konjunktiv in dessen buchstäblicher Übersetzung als „der (Satz)verbindung dienlicher Modus [so der Duden Bd. 7]“, in einer Welt außer Rand und Band, ein-drei-Personen-Kammerspiel unterm Schädel des Icherzählers, zwischen der frischen, hell, glänzenden (so die Bedeutung des Namens Klara) Bekanntschaft und der, na ja, schlafenden Jana, seinem angetrauten Eheweib, dessen Anwesenheit unsern Helden dazu bringt, Bügelfalten zu beachten. Kurz –

lieber randundband –

der nahezu vollendete Konjunktief. Nacktes Vergnügen, ohne dass das Entkleiden entgleiten würde …

Paar Flüschen (davon – wie zu erwarten - eine einzige im ehelichen Schlafzimmer …):

Doch, liebe Klara, will ich ihr sagen[,] und ob ich das tue, Zeitungen lesen, ich habe Zeitungen schon gelesen, liebe Klara, da hast dir noch Donald Duck-Bildchen angeschaut.
Hier wäre zunächst das Komma nachzutragen, das den „übergeordneten“ (Dudendeutsch, bei dem sich das Haar eines Anarchosündikalisten wie mir sträuben muss) Satz „will ich ihr sagen“ von dem abtrennt, was er ihr sagen will.
Im abschließenden Part
… da hast dir noch Donald Duck-Bildchen angeschaut.
fehlt was,
vorzugsweise ein „du“ …

Hier ist mal die Endung geschlabbert

… als verblendeten Weltverbesser[er] …

… warum lese ich die gleichen Nachrichten, die Klara liest[,] und warum regt sich in mir nichts

& da sind wir schon im Schlafzimmer (keine Angst, ich schau na ja nix weg)
…, sowas passiere an jeder Ecke, …
So was immer auseinander, da ein verkürztes „so etwas“

Gruß

Friedel,
der jetzt When I'm Sixty-Four säuselt ...

 

Hallo Eva,
vielen Dank für deinen Kommentar. Hab mich sehr über das Lob gefreut.

Die Klara in mir schüttelte die Sprühdose mit, der promovierte, gestresste Herr Rechtsanwalt ließ sich anstecken und verknallte sich dabei, die sachlich-logische Jana würde, wenn sie sich denn überhaupt damit beschäftigte, alles aus einer kühlen Distanz heraus analysieren. Die Drei finden sich doch eigentlich in jedem von uns, oder?
Das ist eine schöne Sichtweise und da ist viel Wahres dran, denke ich. Ich kann auch jede dieser Personen verstehen, wirklich sympathisch ist mir aber die Klara. Da ist diese Heftigkeit, die natürlich kindlich ist, aber auch mehr oder weniger echt. So ganz ohne Pose kommt so was nie aus, glaube ich. Man sieht sich ja schon von der Seite. Aber Klara tut es in jedem Fall für eine gute Sache, obwohl es da sicher reifere Formen von Protest gibt. Mit dem Rechtsanwalt kann ich vor allem im ersten Teil gut fühlen, so wie Klara sich verhält, das würde ich auch als ansteckend empfinden. Ich hab das schon oben geschrieben, vor kurzem hatte ich eine Begegnung mit jemanden, die mit Klara viele Ähnlichkeiten hatte und ich war im Nachhinein erschrocken, wie gleichgültig mir bestimmte Dinge geworden sind.
Und dann ist für ihn Klara ein frischer Wind, ganz anders als seine gewöhnliche Welt. Und getrunken hat er auch noch. ;)
Na ja, Jana ist nüchtern und kennt ihn. Sie durchschaut natürlich, dass er sich einfach nach einem Abenteuer gesehnt hat und dann vieles aus Verknalltheit verwechselt hat.
Ohne die Klaras dieser Welt wäre die noch viel dunkler
Auf jeden Fall. Aber es wäre tatsächlich unfair, die ganzen guten Dinge, die es hier gibt, zu leugnen und alles für beschissen zu erklären.
Danke nochmal für deine Zeit, Eva.

Liebe Novak,
wie schön, von dir zu lesen. Ich werde mit der ausführlichen Antwort bis zu deinem angekündigten Kommentar warten, dann können wir uns sehr gerne über den Sinn und Unsinn von Herzchensprühen gegen das System unterhalten.
Bin den Text jetzt nochmal auf sprachliche Sachen durchgegangen und ein bisschen was gestrichen, vor allem die Stelle, die du zitiert hast, überarbeitet und noch wo ein wenig. Aber ich wart einfach mal ab, wo du mich zusätzlich der Überambitioniertheit überführen wirst.

Hallo dot,
auch dir einen großen Dank für deinen Besuch und die netten Worte.

auch wenn ich - wie Frau Novak, die das später noch mit Beispielen unterstreichen wird - im ersten Teil nur zäh vorankam und zu Beginn dein Stilmittel sich als solches zu stark in den Vordergrund drängt.
Zäh vorankommen ist schlecht. Ich werde jetzt noch warten, was Frau Novak sagt oder vllt noch jemand und lege da die Axt dran. Hier bei dem Stil lasse ich auf jeden Fall gerne mit mir reden, weil ich mit diesen Mitteln noch nicht so wirklich viel geschrieben habe.
Hier würde ich jetzt grosse Augen bevorzugen, wirkt unschuldiger und beisst sich weniger mit ihrem Namen.
Ich verstehe das, aber groß kommt mir halt so naiv vor, als würde ich Klara denunzieren. Ich dachte eigentlich auch, es würde sich nicht beißen, sondern eher einen schönen Widerhall erzeugen. Also Klaras Augen müssen jetzt einfach klar sein, das geht nicht anders. ;)
Wer macht denn so was? Die getragene Hosen zu den frischen legen, ui, wenn das Jana sieht ...
Ja, hmm, ist das so schlimm? Also ich lege eine Hose nicht nach jedem Tragen in die Wäsche, aber ich habe zum Glück auch keine Jana. Jetzt fühle ich mich ganz schlampig. Aber was mir dann tatsächlich zu bedenken gibt, dass er auch das Hemd nach dem Tragen auf den Kleiderbügel hängt, das geht natürlich nicht. Ich wollte mit diesen Sachen nur die Automatismen zeigen, die ihn zuhause wieder einholen, aber mit dem Wäschekorb kriege ich das auch hin, denke ich. Da mache ich mich mal morgen ran.
Ja, eine feine Dreiecksgeschichte, die so eigentlich keine ist, möglicherweise nur ein Gedankenexperiment, und doch so greifbar real geschildert, dass sie mich immer mehr mitriss. Klara, mit den grossen Augen, aufrichtig überzeugt, mit Herzen gegen die Beschissenheit das richtige zu tun. Er, durch Alkohol benebelt, das Gefühl nach zart keimender Liebe mit dem Wunsch nach ein paar Streicheleinheiten verwechselnd, begibt sich auf die dunkle Seite, um den kurzen Moment des neuen Glücks nicht zu verlieren. Versucht das süsse Nachklingen durch lange Umwege durch die Stadt krampfhaft festzuhalten und wird am Ende mit der Realität konfrontiert, wie er da vor dem Bett steht und wartet. Und wartet und die Tragweite seiner unpopulären Entscheidung abwägt. Jana, die aufrechte, die kalte, die pragmatische. Seine grosse Liebe? Sicher auch mal, vor Jahren. Doch jetzt kümmern ihn ihre Gefühle nicht mehr, jetzt kümmert ihn nur noch sein eingespieltes Leben, sein vertrauter Alltag, bitte ja keine Konflikte in persönlichen Dingen.

Jana ist zwar bestimmend, aber ist sie nicht auch vielleicht einsam, hat resigniert und sich mit der Situation abgefunden, beherrscht das arrangierte Eheleben, und rechtfertigt die Vorzüge bei ihren Freundinnen?
Einen Moment steht er kurz davor, aus seiner Komfortzone auszubrechen, doch die fortgeschrittene Müdigkeit wirft ihn zurück, der Bauch ist bereits eingenickt, der Kopf folgt ihm dankbar, morgen gibts zum Glück viel Arbeit ...

Ja, Mensch, du hast es wirklich gut erfasst. Da kann muss man nur noch hinzufügen, dass er sich ja tatsächlich Gedanken über die Beschissenheit macht, aber wohl vor allem durch Klaras Heftigkeit und Attraktivität sowie durch Alkohol losgelöst. Das finde ich eigentlich ziemlich traurig. Na ja. Aber ansonsten, sagst du das schon sehr richtig, es wird ihm sehr schwer fallen, die eingefahrenen Pfade zu verlassen. Es läuft alles ja, er weiß, was er mit Jana hat und teilt wohl auch in ganz vielen Punkten ihren Pragmatismus. Und dann so ein Aufbruch, ein persönliches Wagnis, das ist unbequem. Obwohl ich denke, dass man mit Anfang dreißig noch nicht bis zur Unbeweglichkeit verwurzelt ist, aber in meiner Umgebung bekomme ich schon mit, wie man sich auch mit Beziehungen arrangiert, die nicht so optimal laufen.
Jana, ja, ich fürchte, ich habe sie selbst viel strenger gesehen als du und jetzt ärgere ich mich darüber. Du hast aber vollkommen recht, man kann mit Jana sehr wohl Mitleid haben, die ist auch in einer Scheißsituation.
Danke für deinen Kommentar, dot. Nachhaltige Unterhaltung klingt auf jeden Fall besser als zähes Vorankommen. :)

ernst nochmal,

Vergiss es, randundband, ich wollte damit ja nur meinen allerersten Leseeindruck schildern, und der hat sich dann ja ohnehin sehr schnell relativiert. Zu Beginn hat mich die Form der direkten Rede irritiert, zwar kursiv gesetzt, aber ohne Anführungszeichen und Zeilenumbrüche. Ich hab das dann aber eh bald als bewusstes Stilmittel erkannt.
Überhaupt scheint mir, dass du meinen Kommentar nicht ganz so positiv wahrgenommen hast, wie ich ihn meinte. Also noch einmal, randundband, für mein Empfinden ist das ist eine wirklich gelungene Geschichte.
Danke für die Klarstellung, jetzt weiß ich Bescheid. Ich hab vor Kurzem dann nach einer langen Phase der Ablehnung dann doch zu Thomas Bernhard gefunden und er arbeitet sehr viel mit diesen kursiven Hervorhebungen, eigentlich vor allem in der indirekten Rede. Das hat mich richtig beeindruckt, er erzeugt damit einen Wahnsinnsflow und ich wollte hier auch so ein paar Elemente einfließen lassen. Da ist auch die direkte Rede reingerutscht.
Und ich habe deinen Kommentar auf jeden Fall als positiv aufgefasst, doch doch, aber mir lagen die Kritikpunkte schon sehr am Herzen, deswegen hatte ich mich auch mehr auf sie fokussiert. Ich hatte auch die Befürchtung, dass ich jetzt nach meinem mimosenhaften Rückzug aus dem Maskenball eher sachte angefasst werde und hab versucht den lobenden Worte weniger stark zu gewichten.
Aber ich freue mich natürlich total, wenn dich die Geschichte so traurig gemacht hat. Keine Smileys, oder?

Hallo Friedel,

der nahezu vollendete Konjunktief. Nacktes Vergnügen, ohne dass das Entkleiden entgleiten würde
haha! hahaha! Ich glaubs gar nicht. Sind jetzt der Konjunktiv und ich tatsächlich Freunde? Novak hat mir das mal genau erklärt nach einer Geschichte, wo es weniger glatt lief und deinen Blog-Eintrag habe ich auch gelesen. Ich bin jetzt mal vorsichtig stolz auf mich.
zwischen der frischen, hell, glänzenden (so die Bedeutung des Namens Klara)
Klara ist im Moment mein absoluter Lieblingsfrauenname.
dessen Anwesenheit unsern Helden dazu bringt, Bügelfalten zu beachten
Ja ja, Bügelfalten sind pfui.
Danke für die Korrekturen, Friedel, werden morgen alle eingearbeitet.

Ganz liebe Grüße an alle,
randundband

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, ich weiß, hat furchtbar lang gedauert. Und bevor deine schöne Geschichte völlig nach unten durchrutscht, schreib ich mal lieber was zum Kampf gegen die Überambitioniertheit. :D
Und dabei hast du den Satz, der mich am meisten aufregte, eh schon vereinfacht. Ist viel besser jetzt.

Zum Inhalt aber erst noch mal. In deiner Geschichte geht es ja nicht darum, was man denn wirklich oder ernsthaft tun könnte, wenn die Machenschaften einer Bank einen aufbringen, da wäre Herzchen sprühen tatsächlich unpassend. Sondern du wolltest das Missverhältnis thematisieren, das man empfindet, wenn man älter wird, gelernt hat, sich anzupassen, und plötzlich merkt, womit man plötzlich einverstanden ist und wofür man lauter gute Gründe findet, Gründe eben, sich anzupassen und nicht aufzumucken.
Und das hast du finde ich sehr schön dargestellt in deiner Geschichte. Diesen einen Moment, in dem man feststellt, ohje, ich hab längst gelernt, alles für normal zu halten, was andere, oft sind das ja die Jüngeren aufbringt. Ich hab gelernt, den Nacken zu beugen im übertragenen Sinn.
Das gefiel mir in deiner Geschichte und ich fand es sehr logisch und menschlich, wie sie dann endet.
Von daher nimm meine Witzeleien da nicht ganz ernst, Herzchensprühen gegen das System ist tatsächlich eine sehr naive, gutgläubige und kindliche Form, seinen Unmut zu zeigen, aber es geht ja hier nicht um mich alte Dame, ich käm ja noch nicht mal die Leiter hoch, sondern es geht um die Klara mit den schönen Augen, und zu der passt es.
Ich guck mal nach dem Rest.

Wir werden die Schweine schon die Liebe lehren, sagt Klara und schüttelt die Spraydose so entschlossen, dass das Klacken zwischen den Altbauten um uns herum schallt und ich mir vorstelle, wie die Bewohner dieser aufgeräumten Häuser, von dem Gepolter aus dem Schlaf gerissen, unzufrieden brummen, die Leselampen anknipsen, Brillen auf ihre Nasen setzen und an die Fenster treten, um von dort aus zu sehen, wie eine junge Frau im grünen Sommerkleid, vom Lichtkegel einer Laterne umzingelt, auf das Frontfenster einer Großbankfiliale mit roter Farbe ein riesiges Herz sprüht, ohne die Dose einmal abzusetzen.
Ich finde den Satz gut, aber du verlierst zwischendrin aus meiner Sicht immer wieder mal die Blickrichtung, indem du eine zusätzliche Beobachtung, Exaktheit einflichst, die von der ursprünglichen Blickrichtung, in die du deine Leser losgeschickt hast, ablenkt. Ich weiß auch nicht, wie ich das besser erklären soll, ich weiß noch nicht mal, ob das immer so stimmt oder nur mein persönlicher Novakgeschmack ist, aber ich hab mir mal den Stil von Zsusa Bank angeguckt und mich gefragt, warum man die so leicht versteht, obwohl die Sätze hinbringt, die über eine halbe Seite gehen, und dennoch haben die Sätze eine Sogwirkung. Und ich denke, der gelingt es, immer diese Blickrichtung beizubehalten, sie schiebt nicht fortlaufend unterbrechende Nebensätze ein, die plötzlich einen ganz anderen Sachverhalt benennen, sondern schreibt immer nach vorne.
Weiter hinten machst du das dann auch so, aber am Anfang liegt es für mich daran, dass du entweder die Blickrichtung verlierst, oder unsinnige Wiederholungen machst, die für mich keinen Nährwert habe. Und naja, du weißt auch, dass man sich gerade bei dem letzteren dann sehr im Bereich des persönlichen Geschmacks befindet. Daher guck einfach mal, was dir einleuchtet.

Zum ersten Satz: Die Klara sagt was, schüttelt die Sprühdose, wir als Leser gucken drauf auf die Dose, hören sie mit dem Rechtsanwalt klackern, und zwar besonders laut und sind dann immer noch bei der Dose und ihrem Klackern und kommen darüber zu seinem inneren Bild, dass die Leute zurückschauen und wieder auf Klara gucken und auf ihre Spraydose und jetzt kommt die eigentliche Enthüllung, nämlich das, was die Klara mit der Spraydose gesprüht hat. Das ist ja nicht nur ein langer Satz, sondern auch eine lange Augenreise. Ich finde dowas geht und ist auch ganz spannend, aber da sollte man aufpassen, dass man nicht durch Einwürfe, den Blick woanders hinlenken, den Kontakt verliert. Bei dem Einwurf um uns herum, lenkst du aber ganz explizit den Blick weg von dem Schallen der Dose, das durch die Altbauten verstärkt wird, weg, und der Leser guckt jetzt um sich herum. Das heißt er ist weg von der Dose. Wir lassen den Blick schweifen, dabei ging es doch um Klaras Aktion mit der Spraydose.
Genauso ist das mit dem Blick zurück zu Klara, da unterbrichst du die Blickrichtung erneut, lässt den Blick nicht wieder direkt zu Klara gehen und der Dose, sondern man landet in dem Lichtkegel und nicht gleich bei der jungen Frau. Dann ist das Wort "umzingelt" amS zudem nicht so geeignet, obwohl ich genau weiß, was du damit meinst. Den letzten Teil des Satzes würde ich glaube ich ganz weglassen. Denn das riesige Herz sollte schon am Schluss stehen. Das ist ja Anfangs- und Zielpunkt der kleinen Augenreise, die du die Leser hier hast machen lassen. Man könnte den letzten Satz vorher einschieben, aber weiß selbst noch nicht genau, wie ich das finde. Ich denke aber es geht, weil der Blick wieder über die Frau zu der Dose gelangt ist.
Jedenfalls würde das für mich so klingen:

Wir werden die Schweine schon die Liebe lehren, sagt Klara und schüttelt die Spraydose so entschlossen, dass das Klacken zwischen den Altbauten schallt und ich mir vorstelle, wie die Bewohner dieser aufgeräumten Häuser, von dem Gepolter aus dem Schlaf gerissen, unzufrieden brummen, die Leselampen anknipsen, Brillen auf ihre Nasen setzen und an die Fenster treten, um von dort aus zu sehen, wie eine junge Frau im grünen Sommerkleid auf das Frontfenster einer Großbankfiliale mit roter Farbe ein riesiges Herz sprüht.
oder mit dem eingeschobenen Satz halt so:
Wir werden die Schweine schon die Liebe lehren, sagt Klara und schüttelt die Spraydose so entschlossen, dass das Klacken zwischen den Altbauten schallt und ich mir vorstelle, wie die Bewohner dieser aufgeräumten Häuser, von dem Gepolter aus dem Schlaf gerissen, unzufrieden brummen, die Leselampen anknipsen, Brillen auf ihre Nasen setzen und an die Fenster treten, um von dort aus zu sehen, wie eine junge Frau im grünen Sommerkleid auf das Frontfenster einer Großbankfiliale mit roter Farbe, ohne die Dose einmal abzusetzen, ein riesiges Herz sprüht,

Das ist nicht viel, was raus müsste, macht dir deinen Fluss nicht kaputt, aber du lenkst nicht den Leser ab.

Was machst du da?, frage ich Klara, was machst du denn da?, frage ich sie, obwohl ich ja genau sehe, was Klara da macht und Klara sieht mich an mit ihren wahnsinnig klaren Augen, auf denen man sich keinen Schleier vorstellen kann, sieht mich an und fragt mich entrüstet, ob ich denn keine Zeitungen läse.
Das erste Fette ist mir einfach zuviel, sehe keinen Nutzen darin, du willst seine Fassungslosigkeit durch die Wiederholung zeigen, aber da würde ich das ein bisschen anders lösen, lass ihn weiter sprechen, aber den Wortlaut ein bisschen abgeändert und vielleicht sogar gesteigert.
Mit dem Schleier weiß ich auch wieder genau, was du meinst, trotzdem finde ich das Bild nicht so toll. Vielleicht fällt dir was Besseres ein. Klara und klare Augen, ich hab erst gestrampelt wie dot, als ich das las, aber dann hat es mir doch gefallen.

Ich muss auflachen, obwohl mir überhaupt nicht zum Lachen ist, wenn ich an die Nachbarn denke, die in diesem Moment an den Fenstern ihrer Altbauwohnungen stehen und nun auch sehen, dass im Schatten neben dem Lichtkegel sich ein Mann befindet – ob er denn keine Zeitungen läse.
nun auch den Mann im Schatten (neben der Frau) sehen.
Dass-Sätze klingen oft unnötig verkomplizierend. Die Zunge stolpert über die vielen dass und das, und dann musst du ja auch noch das "sich" unterbringen, ohne es falsch zu platzieren, ich finde es oft besser, die einfachere Variante zu wählen, wenn du eh schon lange Satzmuster gewählt hast. Beim Nachsatz "ob er denn keine Zeitungen läse", weiß ich nicht so genau. Den schreibst ja hier noch einmal wegen seiner Fassungslosigkeit. Also ja, bin mir einfach nicht ganz sicher. Würd ihn lassen, wird sich schon einer melden, wenn ers doof findet.

Doch, liebe Klara, will ich ihr sagen KOMMA und ob ich das tue, Zeitungen lesen, ich habe Zeitungen schon gelesen, liebe Klara, da hast dir noch Donald Duck-Bildchen angeschaut. Du – Die Micky Maus, ich – die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Schon mit achtzehn Jahren hatte ich die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter den Arm geklemmt und mit mir herumgetragen, obwohl ich sie damals als so öde, so unerträglich langweilig empfunden hatte.
Hinter Micky Maus würde ich Heftchen einfügen, weil man sonst denkt, Klara sei eine Micky Maus, "Die" kannst du dann dafür weglassen. Die Wiederholung des Zeitungsnamens muss hier nicht sein und statt empfunden hatte, würde ich empfand wählen. Denn dass das früher war, ist durch den Satz davor schon klar.


Und da fragt mich Klara, ob ich, wo ich doch ein Zeitungsleser bin und überhaupt einen aufgeklärten Eindruck mache, nicht wisse, was diese Bank, an deren Fensterscheibe sie dieses schöne rote Herz soeben sprühte, in den letzten Jahren veranstaltet habe. Ob ich denn nicht mitbekommen hätte, dass man genau jene Bank wegen Geldwäschegeschäfte, statt ihr die Lizenz zu entziehen, zu einer absolut lächerlichen Strafe von zwei Milliarden Dollar verurteilt habe, einem Betrag, der gerade mal den Quartalsgewinn dieser Bank aus eben jenen Geldwäschegeschäften darstelle.
Bei dem Satz hier kann ich jetzt nicht mehr, bin ziemlich müd, aber der rumpelt finde ich auch noch ein bisschen.
Aber die Mafiageschäfte und Geldwäsche, die würde ich direkt hinter veranstaltet habe schreiben, sonst verlierst du wieder den Fokus. und dann kämen erst die lächerlichen Strafen.

Drogengeld, sagt Klara, Blutgeld, sagt sie, Mafiafinanzen, darum handele es sich doch in Wahrheit, und den Entscheidern, der Politik, dem Weltkapitalismus überhaupt, ihnen allen seien diese schlimmen Dinge so scheißegal, dass sie, statt dieser Bank die Lizenz zu entziehen, statt die Verantwortlichen für immer in Gefängnisse zu stecken, sie alle mit einer unfassbar lächerlichen Strafe davonkommen lassen. Und ob ich denn wisse, dass man in den USA, wo diese ganze Sauerei sich abgespielt habe, für den Besitz von ein paar Gramm Marihuana jahrelang im Gefängnis sitzen muss. Das sei doch ungerecht, oder? das sei doch so verdammt ungerecht, diese Ungerechtigkeit sei doch nicht zu ertragen.
Auch da finde ich das Fette ein bisschen ruppig. Den Anfang würde ich unterbringen in dem Satz vorher, wenn du eh die Geldwäsche nennst und würde hier lediglich mit Klaras Anklage weitermachen, dass es eben keinen kümmere.
Außerdem wiederholt sich die Lizenzentzieherei.
Und das Dingens mit dem Marihuana, naja, da war ich unsicher, ob das als Gegenbeispiel für die Ungerechtigkeit der Juristerei so ein kluges Beispiel ist, aber nee. lass mal, vielleicht denkt so ein Mädchen wirklich so.
Die Entscheider, da finde ich einfach das Wort nicht so gut.

Und da fragt mich Klara, ob ich, wo ich doch ein Zeitungsleser bin und überhaupt ein aufgeklärter Mensch, nicht wisse, was diese Bank, an deren Fensterscheibe sie dieses schöne rote Herz soeben sprühte, in den letzten Jahren veranstaltet habe? Geldwäschegeschäfte seien das gewesen, Drogengeld, Mafiafinanzen. Und dafür habe man sie zu einer absolut lächerlichen Strafe von zwei Milliarden Dollar verurteil, einem Betrag, der gerade mal den Quartalsgewinn dieser Bank aus eben jenen Geldwäschegeschäften darstelle.

Quartalsumsatz, sage ich.
Was spielt das für eine Rolle, sagt Klara.

Blutgeld, sagt sie, darum handele es sich doch in Wahrheit, Blutgeld, und der Politik, dem Kapital, ihnen allen sei das so scheißegal; statt dieser Bank die Lizenz zu entziehen, statt die Verantwortlichen für immer in Gefängnisse zu stecken, ließen sie alle mit einer unfassbar lächerlichen Strafe davonkommen. Und ob ich denn wisse, dass man in den USA, wo diese ganze Sauerei sich abgespielt habe, für den Besitz von ein paar Gramm Marihuana jahrelang im Gefängnis sitzen müsse. Das sei doch ungerecht, oder? das sei doch so verdammt ungerecht, diese Ungerechtigkeit sei doch nicht zu ertragen.

So ähnlich könnte das dann klingen.

So - jetzt muss ich aber echt Schluss machen, ich bin ein wenig weitschweifig und jetzt rennt mir die Zeit davon.
Machs gut und bis demnächst.
Viele Grüße von Novak

 

Nabend randundband

Ich halte mich mal recht kurz, weil es schon spät ist und ich glaube, dass im Großen und Ganzen auch schon beinahe alles gesagt wurde, was gesagt gehörte. Mir hat die Geschichte verdammt gut gefallen. Ich muss zugeben, dass mich der Titel etwas abgeschreckt hat (habe irgendwie nicht ans sprayen gedacht, weswegen ich ein seltsames, philosophisches Bild der Geschichte im Kopf hatte - sorry für die Oberflächlichkeit ;) ) und ich deswegen erst offshores Kommentar las, bevor ich mich an die Geschichte gewagt habe.
Das Thema, das du hier anschneidest gefällt mir sehr gut und ich finde, dass man regelmäßig an derartige Dinge wie Banken, Großkonzerne etc denken sollte, aber das ist ein riesiges Diskussionsthema und ich möchte jetzt hier auch kein Essay darüber schreiben, um meine Meinung dazu überzeugend rüberzubringen. Es hat bei mir auf jeden Fall genau den richtigen Nerv getroffen.
Deine Charaktere finde ich auch äußerst überzeugend, vor allem, weil ich mich gerade in einem Alter (ist es davon abhängig?! Keine Ahnung...) befinde, in dem meine innere Klara gegen den immer mächtiger werdenden inneren Nils kämpft und deine Geschichte diesen Konflikt sehr gut darstellt. Und jeder von uns hat wahrscheinlich schon unzählige Janas kennengelernt...
Und das Beste zum Schluss: Dein Stil hat mich sofort in den Bann gezogen. Ich habe da jetzt kein Kennerauge, weswegen mir eventuelle Kleinigkeiten, die andere Leser bemerkt haben, nicht aufgefallen sind, aber schon ab dem ersten Satz sind meine Augen über den Bildschirm geflogen, "Atemlosigkeit" wurde in einem anderen Kommentar genannt und ich finde, dass es das ziemlich gut trifft. Du hättest mir hier wahrscheinlich vom Paarungsverhalten irgendeiner Stockente erzählen können und ich hätte den Text trotzdem ohne Pause durchgelesen. Passiert mir selten so was...
Hoffe, dass da noch mehr Dinger in der Richtung von dir kommen werden.

lg zash

 

Hallo randundband,

ich habe die Kommentare nicht gelesen, also frischer Leseeindruck.

Ich denke, dies ist mein zweitliebster Text von dir. Moderner Thomas Bernhard-sound, also so in die Richtung, sprachlustig, ohne aufdringlich zu wirken. Da findest du immer mehr zu einem eigenen Rhythmus, zu einem eigenen Klang, das ist unglaublich rund auch geworden, und es liest sich sehr schön.

Ich finde diese Juxtaposition, er der Anwalt, sie die junge Revoluzzerin, die ist gut verortet, die passt auch zu diesem an sich sinnlosen Akt. Am Ende fragt er sich ja auch irgendwie selbst: Ist das, diese Liebelei, ist das nicht auch sinnlos? Er kehrt in sein altes Leben zurück. Vielleicht. Das ist ein groés Thema, finde ich. Mich interessieren diese Dinge, Großbanken etc, auch nicht mehr so wie früher. Früher war ich überzeugter Kommunist. Mein Vater sagte immer, wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer aber mit 40 immer noch Kommunist ist, hat kein Gehirn. Viel von Klaras Energie speist sich ja gerade aus der Ohnmacht, und ich finde, da ähneln sich beide, Nils und Klara, sie ähneln sich in einem gefangen-sein, aber es ist ja auch immer irgendwie ein gefangen-sein wollen. Denn natürlich kann man etwas ändern. Man kann boykottieren und tauschen und Konten vermeiden und das alles, so wie man in einer Beziehung auch etwas ändern kann, Gewohnheitsbrecher undundund, es scheitert wie sooft am Lauf der Dinge, am Lauf des Lebens, dieser gleichförmige Motor.

Die Geschichte beantwortet das nicht, gibt keine Antworten, wie und ob und überhaupt, und das ist konsequent. Es ist so, wie es ist. Man kann, wenn man will, denn Nils lässt sich ja auch auf das Herz ein, sprüht da gegen die Wand, und dann sackt aber die Gewißheit tiefer, und das ist der Punkt, wo man hart gegen sich selbst sein müsste, wo er tatsächlich den Rucksack packt und fuck off! sagt.

Ja, hat mir sehr gefallen.

Gruss, Jimmy

 

Liebe Novak,
danke für deinen Kommentar und die ganze Zeit und Mühe, die du in meine Geschichte investiert hast.

Obwohl es ja nicht nur klar war, dass er vielleichten wird, sondern weil man als Leser selbst Herzchensprüherei gegen Banken nicht für eine wirkliche Alternative hält. Und der Text mit seinem Loblied der Aufmüpfigkeit ja auch sehr vage bleibt. Die Kritik am System durch Klara ist ja eher kindlich. Und die Charakterisierung des Systems als beschissenes, das reißt jetzt niemanden vom Hocker, der an Wirstschaftverhältnissen oder politischen Entscheidungen eine ernsthafte, auf das Praktische zielende Kritik hat. Aber als Gefühl, als Aufmüpfgkeit, als Trotz, nicht alles für normal zu halten - da ist das schon ein sehr gelungenes Stimmungsbild.
Das gefiel mir in deiner Geschichte und ich fand es sehr logisch und menschlich, wie sie dann endet.
Als ich anfing, die Geschichte zu schreiben, war es mir noch nicht wirklich klar, ob er vielleichten wird. Ich hatte das Ganze ursprünglich viel länger angelegt, da geisterte eine andere Geschichte mit ähnlicher Thematik in meinem Kopf, die jemandem aus meinem Bekanntenkreis passiert ist und die ich vllt irgendwann schaffe zu erzählen. Aber dann war ich bei der letzten Szene mit dem Rucksack angekommen und da wurde mir klar, dass das hier enden muss. Dieses Ende hat mich selbst traurig gemacht.
In deiner Geschichte geht es ja nicht darum, was man denn wirklich oder ernsthaft tun könnte, wenn die Machenschaften einer Bank einen aufbringen, da wäre Herzchen sprühen tatsächlich unpassend. Sondern du wolltest das Missverhältnis thematisieren, das man empfindet, wenn man älter wird, gelernt hat, sich anzupassen, und plötzlich merkt, womit man plötzlich einverstanden ist und wofür man lauter gute Gründe findet, Gründe eben, sich anzupassen und nicht aufzumucken.
Und natürlich geht es hier im Kern nicht um die Kritik an dem System, ich glaube, politische Texte gut zu schreiben, ist verdammt schwierig. Das ist alles nur ein Aufhänger, um dieses Gefühl darstellen zu können, dieses Missverhältnis, von dem du sprichst, das ist etwas, was mich in letzter Zeit beschäftigt hatte. Ich fand diese Gleichgültigkeit auf einmal ziemlich erschreckend. Ich hab das schon irgendwo geschrieben, dass ich tatsächlich vor einiger Zeit einer solchen Klara begegnet bin und mich dann ihre Heftigkeit total mitgenommen hat. Und da fragte ich mich auch, ob ich genauso fühlen würde, wenn diese Frau nicht so attraktiv gewesen wäre. Ich dachte mir, dass sich da vieles vermischt und ich fand dieses diffuse Gefühl, von dem ich nicht genau wusste, was es denn losgelöst hat, ziemlich interessant. Jedenfalls, das möchte ich noch erzählen, hatten Freunde von mir beschlossen, letztes Wochenende auf diese Anti-Nazi-Demo in Hannover zu fahren. Das ist ganz unabhängig von dieser Geschichte gewesen, die haben sie noch gar nicht gelesen. Na ja, das ist natürlich anders als diese Kapitalismusanklage, aber es ist immerhin eine politische Betätigung und ich hab mir gedacht, fährst du einfach mit. Wir sind da also hin, das sind von Köln immerhin drei Stunden Fahrt und liefen da herum und haben gegen Nazis protestiert und die Antifa wollte es natürlich nicht dabei belassen und dann gabs auch ordentlich anti-kapitalistische Parolen und gegen Deutschland überhaupt, da hat sich irgendwie alles vermischt. Und ich bin da stundenlang mitmarschiert und fühlte mich eigentlich die ganze Zeit total deplatziert. Die waren alle so wütend und aufgebracht und ich bin so seltsam ruhig und unbeteiligt geblieben, ich weiß auch nicht. Mir war nur kalt und ich hatte Kopfschmerzen. Dabei mag ich ja wirklich keine Nazis. Ja, so ist das gewesen und am Ende habe ich mich über diese Gleichgültigkeit ziemlich geärgert. Ich hoffe, das wird mit dem Alter nicht noch schlimmer.
Deine sprachlichen Anmerkungen bin ich sehr aufmerksam durchgegangen, ich schätze die Mühe, die du dir gemacht hast, sehr sehr. Einige Sachen habe ich übernommen, einige Sachen so gelassen. Dieses Nachvorneerzählen, von dem du sprichst, das ergibt viel Sinn, das werde ich mir auf jeden Fall merken. Gerade bei den ersten Absätzen wollte ich aber durch die Blickführung zeigen, dass Nils das ganze Geschehen auch immer von der Seite beobachtet, eben sich selbst auch immer von außen sieht und da musste ich das dem Leser zumuten, diese Schlenker zu machen.
Dieses "umzingelt", da habe ich lange überlegt, aber ich will es behalten, weil mir persönlich das Bild gefällt. Ich denke, das spiegelt so ein bisschen Klaras Situation wider. Einige Wiederholungen habe ich gestrichen, diese Lizenzentzieherei zum Beispiel, aber bei manchen Sachen denke ich, dass eine Wiederholung zu der Intensivierung beiträgt und ich hoffe letztlich, dass hier vieles Geschmackssache ist.
Na ja, also die ganzen anderen sprachlichen Sachen, die du ansprichst, ich finde das total schwierig zu erklären, warum sie mir vom Klang besser gefallen. Ich kann das gar nicht so richtig analysieren, deswegen fällt es mir schwer, zu deinen Anmerkungen vernünftig Stellung zu beziehen. Ich hab auf jeden Fall über alles sehr genau nachgedacht, was du gesagt hast, aber ich muss bei einigen Punkten einfach nach meinem Gefühl gehen.
Also, liebe Novak, vielen Dank nochmal für deinen Kommentar und deine Gedanken und es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat.
Ganz liebe Grüße,
randundband

zash, jimmy, ich mach später weiter

 

Hallo zash,
danke für deinen Kommentar. War natürlich schön zu lesen.

Ich muss zugeben, dass mich der Titel etwas abgeschreckt hat (habe irgendwie nicht ans sprayen gedacht, weswegen ich ein seltsames, philosophisches Bild der Geschichte im Kopf hatte
Hmm.. Das ist echt komisch. Mir haben jetzt mehrere Kommentatoren gesagt, dass sie mit dem Titel ein Problem hatten, dabei finde ich den selbst total super.:D Philosophisch sollte der eigentlich nicht klingen. Aber schön, dass du trotzdem hineingefunden hast.
Das Thema, das du hier anschneidest gefällt mir sehr gut und ich finde, dass man regelmäßig an derartige Dinge wie Banken, Großkonzerne etc denken sollte, aber das ist ein riesiges Diskussionsthema und ich möchte jetzt hier auch kein Essay darüber schreiben, um meine Meinung dazu überzeugend rüberzubringen. Es hat bei mir auf jeden Fall genau den richtigen Nerv getroffen.
Deine Charaktere finde ich auch äußerst überzeugend, vor allem, weil ich mich gerade in einem Alter (ist es davon abhängig?! Keine Ahnung...) befinde, in dem meine innere Klara gegen den immer mächtiger werdenden inneren Nils kämpft und deine Geschichte diesen Konflikt sehr gut darstellt. Und jeder von uns hat wahrscheinlich schon unzählige Janas kennengelernt...
Ja, mir ging es hier im Grunde weniger um eine grundsätzliche Kritik an den Banken oder Großkonzernen, das sind ja recht offensichtliche Dinge, die ganz viele Leute nicht gut heißen. Ich wollte vielmehr mit der unterschiedliche Rezeption dieser Vorgänge arbeiten, die ja irgendwie auch Ausdruck dieser coming of age Geschichte ist. Und als zweiten Strang eben die Parallelen zu einer Beziehung ziehen, von der ich glaube, dass sie gar nicht so untypisch ist heute. Dass es bei dir den richtigen Nerv trifft, ist natürlich toll. Ich frage mich auch, ob es eine Sache des Alters ist oder eben einer Phase, ob diese Geschichte einen anspricht. Bin mir sicher, dass ich nach einigen Monaten viel Abstand dazu gewinnen werde und mich das auch alles wieder viel weniger rührt. Das merke ich auch ganz krass bei meinen Texten, dass ich sie nach einer bestimmten Zeit gar nicht mehr richtig mag. Wenn die Gedanken einmal durchdacht und die Emotionen durchgefühlt sind, kommt mir das später immer wie kalter Kaffee vor. Na ja. Aber im Moment war es eben das Richtige für mich zu schreiben. Da hatte ich irgendwie einen guten Draht zu den Figuren.
Und das Beste zum Schluss: Dein Stil hat mich sofort in den Bann gezogen. Ich habe da jetzt kein Kennerauge, weswegen mir eventuelle Kleinigkeiten, die andere Leser bemerkt haben, nicht aufgefallen sind, aber schon ab dem ersten Satz sind meine Augen über den Bildschirm geflogen, "Atemlosigkeit" wurde in einem anderen Kommentar genannt und ich finde, dass es das ziemlich gut trifft. Du hättest mir hier wahrscheinlich vom Paarungsverhalten irgendeiner Stockente erzählen können und ich hätte den Text trotzdem ohne Pause durchgelesen. Passiert mir selten so was...
Hoffe, dass da noch mehr Dinger in der Richtung von dir kommen werden.
Das ist schön. Ich werde jetzt auf jeden Fall mehr mit diesem Stil arbeiten, habe ich mir jedenfalls vorgenommen. Vllt kommt auch eine Stockentengeschichte dabei raus.
Danke für deinen Kommentar, zash.

Hallo Jimmy,
danke, dass du meinen Text kommentiert hast.

zweitliebster Text
lässt sich auf jeden Fall hören.
Moderner Thomas Bernhard-sound, also so in die Richtung, sprachlustig, ohne aufdringlich zu wirken. Da findest du immer mehr zu einem eigenen Rhythmus, zu einem eigenen Klang, das ist unglaublich rund auch geworden, und es liest sich sehr schön.
Hach! moderner Thomas-Bernhard-sound ist genau was ich wollte. Hier gabs mal vor ein paar Monaten eine Geschichte von Blaine, "Heimatroman der Nacht", hieß die, glaube ich, du hattest sie auch kommentiert. Da habe ich mich noch über diesen Stil geärgert und nicht mal zu Ende gelesen, weil ich kurz zuvor auch "Auslöschung" nach 20-30 Seiten verärgert weggelegt habe. Dann hatte Blaine mir "Holzfällen" als Einstiegsroman empfohlen und ich dachte mir, liest du das mal. Und es hat mir echt gut gefallen, das ist stellenweise wirklich großartig. Ich will das natürlich nicht nachmachen, aber so die Richtung einzuschlagen, das versuche ich grade. Mir gehen im Moment auch die ganzen Vergleiche und Bilder, die ganzen "wie" halt, mit denen ich früher viel mehr experimentiert habe, auf die Nerven.
Ich finde diese Juxtaposition, er der Anwalt, sie die junge Revoluzzerin, die ist gut verortet, die passt auch zu diesem an sich sinnlosen Akt. Am Ende fragt er sich ja auch irgendwie selbst: Ist das, diese Liebelei, ist das nicht auch sinnlos? Er kehrt in sein altes Leben zurück. Vielleicht. Das ist ein groés Thema, finde ich.
Juxtaposition, das musste ich erstmal nachschlagen. Freut mich, dass die Konstellation für dich aufgeht. Ich hatte ständig die Befürchtung, das Ganze, vor allem aber Klara überzeichnet zu haben. Schön, dass da auch kritische Leser mitgehen. Das Thema interessiert mich gerade, jedenfalls war es in den letzten Wochen so ziemlich präsent, aber sowas nutzt sich auch schnell ab, denke ich. Das ist schon eine Phasensache, aber da musste ich auch irgendwie durch.
Mich interessieren diese Dinge, Großbanken etc, auch nicht mehr so wie früher. Früher war ich überzeugter Kommunist. Mein Vater sagte immer, wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer aber mit 40 immer noch Kommunist ist, hat kein Gehirn.
Ja ja, den Spruch kenne ich. Ich merke eigentlich, dass ich mit zunehmendem Alter immer linker werde, aber eben aus rationalen Gründen, nicht mehr so richtig emotional.
Viel von Klaras Energie speist sich ja gerade aus der Ohnmacht, und ich finde, da ähneln sich beide, Nils und Klara, sie ähneln sich in einem gefangen-sein, aber es ist ja auch immer irgendwie ein gefangen-sein wollen. Denn natürlich kann man etwas ändern. Man kann boykottieren und tauschen und Konten vermeiden und das alles, so wie man in einer Beziehung auch etwas ändern kann, Gewohnheitsbrecher undundund, es scheitert wie sooft am Lauf der Dinge, am Lauf des Lebens, dieser gleichförmige Motor.

Die Geschichte beantwortet das nicht, gibt keine Antworten, wie und ob und überhaupt, und das ist konsequent. Es ist so, wie es ist. Man kann, wenn man will, denn Nils lässt sich ja auch auf das Herz ein, sprüht da gegen die Wand, und dann sackt aber die Gewißheit tiefer, und das ist der Punkt, wo man hart gegen sich selbst sein müsste, wo er tatsächlich den Rucksack packt und fuck off! sagt.

Das ist eine interessante Sichtweise, mit dem sich ähneln, so hatte ich das nicht betrachtet, aber da ist was Wahres dran. Aber gefangen sind sie schon beide, das stimmt, nur Klara eben durch ihr Herz und Nils durch seinen Verstand. Dagegen tun werden beide nichts, das stimmt schon. Wobei es wahrscheinlich ist, dass bei Klara irgendwann die Resignation einsetzt, aber das wird dann ein schleichender Vorgang. Nils wird sich kaum von seinem gut organisierten Leben trennen, er geht lieber den Weg des geringsten Widerstandes, das ist ja auch total menschlich, denke ich. Es ist auch nichts, was man wirklich beantworten kann, glaube ich, es sind alles vertretbare Positionen, nur die von Klara ist eben sympathischer.
Also Jimmy, vielen Dank für deine Zeit und deine Gedanken, ich hab mich sehr über das Lob gefreut.

Liebe Grüße an euch beide,
randundband

 

Hi randundband,

ich bewege mich ja selten aus meinem Zuhause in der Genre-Ecke heraus, aber der Titel hat mich angezogen. Der ist großartig, bitte nicht durch andere Kritiken verunsichern lassen. :)
Besonders das Wort Beschissenheit ist super - ich finde das ist eine viel bessere Zustandsbeschreibung als "das Böse". :)

Und die Geschichte ist mindestens genauso gut wie der Titel. Ich wurde nach dem Lesen richtig emotional.

Erst kam ganz furchtbares Selbstmitleid, weil ich es mit 31 noch nicht geschafft habe, meinen Gefühlshaushalt effizient zu managen, und mir die Beschissenheit immer noch wehtut, aber gleichzeitig bin ich auch schon immer viel zu artig gewesen, um so was wie Sachbeschädigung in Erwägung zu ziehen - ganz zu schweigen davon, dass Sprühdosen die Ozonschicht beschädigen. Also hab ich noch nicht mal ein Ventil für den Beschissenheitsschmerz.

Deshalb kam danach Neid auf die Klaras dieser Welt, die genug Naivität besitzen um sich nach so einer Aktion besser zu fühlen.

Das sind jetzt keine Emotionen, auf die ich besonders stolz wäre, aber ich glaube, wenn eine Geschichte derart starke Gefühle egal welcher Art hervorruft, dann macht sie etwas richtig. :)

Kleinvieh:

Schon mit achtzehn Jahren hatte ich die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter den Arm geklemmt und mit mir herumgetragen, obwohl ich sie damals als so öde, so unerträglich langweilig empand.
empfand

Ob ich denn nicht mitbekommen hätte, dass man genau jene Bank wegen Geldwäschegeschäfte, statt ihr die Lizenz zu entziehen, zu einer absolut lächerlichen Strafe von zwei Milliarden Dollar verurteilt habe
Geldwäschegeschäften

Man muss sich ja schon schämen, darüber zu reden, sagt Klara, weil man einen dann als verblendeten Weltverbesserer belächelt, sagt sie, und schlimmstenfalls am Kopf tätschelt wie ein linkes Kind, mit dem das Herz durchgehe.
durchgeht (sonst müsstest du alles konsequent als indirekte Rede schreiben)

Zynismus´
Ich glaube das ist ein Accent, du braucht ein Apostroph: Zynismus' (auf den meisten Tastaturen über der Raute # zu finden)

Oder ist man gar mit Gefühlsbulemie oder einer ähnlichen Krankheit infiziert,
Gefühlsbulimie

Hat übrigens schon jemand ein Herzchen unter diesen Text gesprüht? Ansonsten würde ich das übernehmen und morgen eine Empfehlung schreiben. :)

Grüße von Perdita

 
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Hallo Perdita,
danke für deinen Kommentar. Es war sehr schön zu lesen, dass die Geschichte dich so berührt hat. Das ist so ein gutes Gefühl, richtig gut. Und mir ist auch schon aufgefallen, welche Geschichten du eigentlich kommentierst. Dass du trotzdem zu diesem Text gefunden hast, ist natürlich noch schöner.

ich bewege mich ja selten aus meinem Zuhause in der Genre-Ecke heraus, aber der Titel hat mich angezogen. Der ist großartig, bitte nicht durch andere Kritiken verunsichern lassen.
Besonders das Wort Beschissenheit ist super - ich finde das ist eine viel bessere Zustandsbeschreibung als "das Böse".
Ja, den Titel mag ich auch, Novak sagte, sie liebt ihn sogar :D der bleibt auf jeden Fall. Und Beschissenheit war ein Wort, von dem ich überzeugt war, dass Klara es benutzen würde.

Erst kam ganz furchtbares Selbstmitleid, weil ich es mit 31 noch nicht geschafft habe, meinen Gefühlshaushalt effizient zu managen, und mir die Beschissenheit immer noch wehtut, aber gleichzeitig bin ich auch schon immer viel zu artig gewesen, um so was wie Sachbeschädigung in Erwägung zu ziehen - ganz zu schweigen davon, dass Sprühdosen die Ozonschicht beschädigen. Also hab ich noch nicht mal ein Ventil für den Beschissenheitsschmerz.

Deshalb kam danach Neid auf die Klaras dieser Welt, die genug Naivität besitzen um sich nach so einer Aktion besser zu fühlen.

Das sind jetzt keine Emotionen, auf die ich besonders stolz wäre, aber ich glaube, wenn eine Geschichte derart starke Gefühle egal welcher Art hervorruft, dann macht sie etwas richtig.

Ja, ist schwierig, denke ich, wenn die Beschissenheit immer weh tut. Es widerlegt auch schön Nils' These mit dem Abstumpfen. Das ist wirklich eine andere Sichtweise. Ich würde jetzt gerne etwas Kluges zu einem möglichen Ventil sagen, aber mir fällt überhaupt nichts ein. Ich glaube aber schon, dass ein Akt des Vandalismus, irgendeine Zerstörungsaktion gut tun kann, selbst wenn man nicht mehr naiv ist. Irgendwas löst sich da auf jeden Fall, auch wenn man weiß, dass die Handlung nichts bringt. Aber das sagt Klara ja auch, jeder weiß hier, dass das Herzchensprühen überhaupt keine Auswirkungen hat. So geht es, glaube ich, vielen Aktivisten. Aber wenn du zu artig bist, dann kann man da nichts machen ;)
Das Kleinvieh bessere ich gleich aus, danke fürs Raussuchen.
Über ein Herzchen würde ich mich natürlich total freuen.
Vielen Dank, Perdita, machs gut

 
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Hallo!

Der erste Satz ist zu lang. Vor allem, weil das halt ein richtig geiler erster Satz wäre: „ Wir werden die Schweine schon die Liebe lehren, sagt Klara und schüttelt die Spraydose.“ Das ist verdammt gut, da ist Bewegung drin und Gefahr, sofort baut sich Spannung auf – aber durch das, was danach kommt, zerfasert das völlig. Prinzipiell finde ich den Duktus dieses Erzählers ja gut, er charakterisiert ihn schön. Du erwähnst ja auch die Zeitung, er hat auch so ein Zeitungsvokabular, auch seine reflektierte Art usw. ... Einer, für den die FAZ Abenteuer genug ist. Aber das würde auch noch rüberkommen, wenn Du das ein bisschen reduzieren würdest. Das, was dann an Nebensätzen noch angehängt wird, wirkt wie eine Vollbremsung:

(...) schüttelt die Spraydose so entschlossen, dass das Klacken zwischen den Altbauten schallt und ich mir vorstelle, wie die Bewohner dieser aufgeräumten Häuser, von dem Gepolter aus dem Schlaf gerissen, unzufrieden brummen, die Leselampen anknipsen, Brillen auf ihre Nasen setzen und an die Fenster treten, um von dort aus zu sehen, wie eine junge Frau im grünen Sommerkleid, vom Lichtkegel einer Laterne umzingelt, auf das Frontfenster einer Großbankfiliale, ohne die Dose einmal abzusetzen, ein riesiges rotes Herz sprüht.

Das ist sehr, sehr zäh. Ich glaube, das liegt an der Art, wie der Erzähler diese Situation reflektiert. Was hier passiert, ist ja, ganz streng genommen, dass etwas veranschaulicht wird. Und zwar nicht das Wesentliche, dass er nämlich Angst davor bekommt, entdeckt zu werden. Hier wird, so wie dieser Satz gebaut ist, veranschaulicht, wie entschlossen die Spraydose geschüttelt wird. Und das leuchtet mir auch bei diesem reflektierten Erzähler nicht ein, das ist unglaubwürdig – und nimmt dem Einstieg allen Schwung.
Warum nicht einfach: „Sie schüttelt die Spraydose, das Klacken schallt zwischen den Altbauten und ich stelle mir vor, wie die Bewohner dieser aufgeräumten Häuser, von dem Gepolter aus dem Schlaf gerissen werden, unzufrieden brummen (...)“?

(...) warum wütet in ihr ein Tornado und in mir rührt sich gar nichts.

Weiß nicht, ob das so gemeint ist, aber es wäre natürlich ziemlich witzig, wenn diese Figur solche im Prinzip ziemlich abgegriffenen Bilder benutzt, weil die FAZ-Nachrichtenwelt ihren Sprachduktus so durchdringend infiltriert hat, dass sie ständig auf Tornados und Waldbrände usw. zurückgreifen muss. Das wäre cool, aber das sehe ich als Idee nicht durchgezogen im weiteren Verlauf.

Ist schon spät jetzt, vielleicht mache ich morgen noch mal weiter.

LG

 
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So, weiter geht’s. Noch zur Perspektive. Du hast Dich ja entschieden, diesen Erzähler ganz stark in den Vordergrund zu rücken. Wir erfahren alles durch ihn reflektiert. Auch Klaras wörtliche Rede steht ja nie für sich, wird immer mit dem „sagt Klara“ beendet - oder Klara wird ganz verdrängt und in indirekter Rede wiedergegeben. Oft ist es eine Mischung. Hier zum Beispiel:

Drogengeld, sagt Klara, Blutgeld, sagt sie, Mafiafinanzen, darum handele es sich doch in Wahrheit (...)

Jetzt konterkariert diese Erzählweise ja die Situation, in der sich der Erzähler befindet. Die ist ihm nämlich völlig entglitten, Klara hat ja komplett die Regie übernommen und er ist völlig überfordert. Insofern könnte man natürlich sagen, dass dieses wahnsinnig stark reflektierte Erzählen sein Versuch ist, irgendwie Kontrolle zurückzugewinnen, Distanz zu schaffen – und wenn es nur über die Wiedergabe dieser Situation ist. Das finde ich auch gut, nur ist der Erzähler hier so massiv präsent, dass er den ganzen drive, der sich hier entwickeln könnte, völlig abtötet. Da müsstest Du eine bessere Balance finden, glaube ich.
Was ich total unglaubwürdig finde, ist, wie schnell Klara ihn auf ihre Seite zieht. So ein bisschen naives Gelaber von Drogengeld und den scheiß Banken und überhaupt dem ganzen scheiß System und so, reichen aus, um einen so gefestigten Typen, der als Anwalt auch krass in diese Welt integriert ist, der gebildet ist und leidenschaftlich Zeitung ließt usw. zu überzeugen? Da gibt es keinerlei Einwände von seiner Seite?
Da bleibt dann Klara für mich auch zu sehr Klischee und zu blass, um mir diese Sogwirkung erklären zu können, die sie offenbar auf ihn ausübt. Rein erzählerisch ist da natürlich auch viel verschenkt. Warum hier nicht einen Konflikt aufbauen, der sich von der Figurenkonstellation her ja total aufdrängt.
Dann den Jana-Teil finde ich schwach, der ist angehängt und wäre einfach nicht nötig auf diese Art. Werde das jetzt aber nicht genau ausführen, ich warte erst mal, ob Du überhaupt was anfangen kannst mit dem, was ich jetzt geschrieben habe.

 
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Hallo Hal,
Danke für deinen Kommentar.

Der erste Satz ist zu lang. Vor allem, weil das halt ein richtig geiler erster Satz wäre: „ Wir werden die Schweine schon die Liebe lehren, sagt Klara und schüttelt die Spraydose.“ Das ist verdammt gut, da ist Bewegung drin und Gefahr, sofort baut sich Spannung auf – aber durch das, was danach kommt, zerfasert das völlig.
Ich hab das gestern schon gelesen, jetzt eine Nacht darüber geschlafen und ich gebe dir mehr oder weniger zähneknirschend recht. Da passiert schon ziemlich viel im ersten Satz, ich wollte hier diese rundum Blickführung haben, die Betrachtung von der Seite, die zu dem reflektierenden Erzähler passt, aber gleichzeitig auch den Duktus etablieren, den flow, dass der Leser weiß, wie es stilistisch weitergeht. Aber, das stimmt schon, da ist zu viel des Guten. Ich überleg mir noch, wie ich das löse.
Weiß nicht, ob das so gemeint ist, aber es wäre natürlich ziemlich witzig, wenn diese Figur solche im Prinzip ziemlich abgegriffenen Bilder benutzt, weil die FAZ-Nachrichtenwelt ihren Sprachduktus so durchdringend infiltriert hat, dass sie ständig auf Tornados und Waldbrände usw. zurückgreifen muss. Das wäre cool, aber das sehe ich als Idee nicht durchgezogen im weiteren Verlauf.
Nee, so witzig war ich nicht. Ich lese auch leider zu wenig Zeitung, um so einen Duktus etablieren zu können, denke ich. Ist denn die FAZ-Nachrichtenwelt so von Tornados und Waldbränden verseucht? Aber die Idee ist auf jeden Fall interessant, den Gedanken werd ich mir merken.
Die Abgegriffenheit des Bildes ist mir natürlich bewusst. Ich hab mich früher auf Teufel komm raus bemüht, unverbrauchte Bilder zu benutzen, bin davon aber mittlerweile abgerückt. Ich denke, es ist alleine wichtig, dass das benutzte Bild zum Erzähler oder eben Figur passt. Hier klang für mich der Tornado plausibel.
Noch zur Perspektive. Du hast Dich ja entschieden, diesen Erzähler ganz stark in den Vordergrund zu rücken. Wir erfahren alles durch ihn reflektiert. Auch Klaras wörtliche Rede steht ja nie für sich, wird immer mit dem „sagt Klara“ beendet - oder Klara wird ganz verdrängt und in indirekter Rede wiedergegeben. Oft ist es eine Mischung. Hier zum Beispiel:

Drogengeld, sagt Klara, Blutgeld, sagt sie, Mafiafinanzen, darum handele es sich doch in Wahrheit (...)
Jetzt konterkariert diese Erzählweise ja die Situation, in der sich der Erzähler befindet. Die ist ihm nämlich völlig entglitten, Klara hat ja komplett die Regie übernommen und er ist völlig überfordert. Insofern könnte man natürlich sagen, dass dieses wahnsinnig stark reflektierte Erzählen sein Versuch ist, irgendwie Kontrolle zurückzugewinnen, Distanz zu schaffen – und wenn es nur über die Wiedergabe dieser Situation ist. Das finde ich auch gut, nur ist der Erzähler hier so massiv präsent, dass er den ganzen drive, der sich hier entwickeln könnte, völlig abtötet. Da müsstest Du eine bessere Balance finden, glaube ich.

Das finde ich schwierig zu erklären, ich denke nie auf eine so technische Art und Weise. Der Fokus ist so stark auf den Erzähler gerichtet, weil gar nicht die äußere Interaktion mit Klara das Wesentliche ist, sondern das, was sie in ihm auslöst. Klara ist nur der Katalysator für eine Empfindung, die in ihm ohnehin schon geschlummert hat oder vllt besser gesagt, ein Funken, der eine Gedankenkette anzündet. Ich wüsste auch überhaupt nicht, wie ich da eine andere Erzähldynamik reinbringen sollte. Das würde, denke ich, dem Ganzen die Intensität rauben.
Und damit sind wir eigentlich auch beim Inhalt. Ich fürchte, meine Erzählintention ist bei dir nicht so ganz angekommen. Ich kann jetzt natürlich deine Rezeption nicht wegargumentieren, aber ich versuche mal zu erklären, wie ich das meinte.
Was ich total unglaubwürdig finde, ist, wie schnell Klara ihn auf seine Seite zieht. So ein bisschen naives Gelaber von Drogengeld und den scheiß Banken und überhaupt dem ganzen scheiß System und so, reichen aus, um einen so gefestigten Typen, der als Anwalt auch krass in diese Welt integriert ist, der gebildet ist und Zeitung ließt usw. zu überzeugen? Da gibt es keinerlei Einwände von seiner Seite?
Er war nie auf einer anderen Seite, in diesem Punkt jedenfalls nicht und er ist auch nicht auf einmal zum Revoluzzer geworden. Es ist eine ziemliche Offensichtlichkeit, dass Großbanken zum Teil böse Sachen machen. Da wird, glaube ich, niemand ernsthaft gegen argumentieren. Da gibt es ja keinen Widerstreit in den Ansichten, von wegen, nee Klara, Drogengeld zu waschen ist voll cool und das System ist total weise und gar nicht beschissen. Was sollen denn da für Einwände kommen? Der Punkt ist, dass es Nils komplett scheißegal geworden ist. Das ist eben so mit den Banken und dem System, das ist schon so eine alte Leier, mit diesen Ungerechtigkeiten kann man einen Anwalt nicht schocken, der irgendwo auch ein Teil dieses Systems ist. Er sagt ja auch selbst:
Mittäter dieser Sachbeschädigung werden will, dieser süßen und sinnlosen Sachbeschädigung; das weiß ich alles nicht, aber was ich genau weiß, ist, dass wenn ich mich weigere, dieses Herz auszumalen, wenn ich nicht an Ort und Stelle auch meine Hände gegen die allgemeine Beschissenheit des Systems erhebe, ich Klara nie wieder sehen werde.
Es ist süß und sinnlos, was Klara da macht und da ist ja auch ein ironischer Unterton drin. Aber, er ist eben beeindruckt, weil es Klara ernst ist, er mag diese Heftigkeit, er hat getrunken und Klara ist halt eine schöne Frau. Männer haben für schöne Frauen ja schon weitaus mehr gemacht, als ein Herzchen ans Fenster sprühen. Er verknallt sich, da ist auf einmal dieses Abenteuer in seinem eingespielten Leben, er lässt sich also hinreißen, das find ich total schlüssig. Hier wird ja nirgendwo von einer totalen Kehrtwende gesprochen. Das wäre ja auch ein beschissener Zeitpunkt anzufangen, Klara zu belehren, wird du erstmal 32, dann ist dir das Ganze auch egal. Und es ist ja auch sogar Quatsch mit dem Alter. Es gibt eine Streitschrift von Hessel, die heißt "Empört Euch!", vllt kennst du es ja. Da wettert der Autor sehr emotional gegen den Kapitalismus und das Finanzsystem und das macht er mit 93. So Dingen mit Zynismus zu begegnen ist halt immer easy, aber ich finde, wenn da einer vor dir steht, der ganz aufrichtig dagegen ist, das kann schon mitreißen.
Er findet das ja eben schade, dass er sich nicht mehr aufregen kann, dass ihm diese Empörung abhanden gekommen ist. In diesem ganzen Rausch finde ich es persönlich komplett nachvollziehbar. Das ist der eigentliche Konflikt, auf den ich es angelegt habe, nicht der Widerstreit von Ansichten und da sehe ich im Moment keinen Raum mehr für Ausarbeitung.
Dann den Jana-Teil finde ich schwach, der ist angehängt und wäre einfach nicht nötig auf diese Art.
Und gerade den Jana-Teil finde ich voll wichtig für diesen Konflikt. Da wird von diesem gesellschaftlichen Gedanken eine Parallele ins Private gezogen. Man ist da eben auch nicht richtig zufrieden, aber findet sich irgendwie damit ab, weil es eingespielt und bequem ist. Egal wo man ausbrechen möchte, kostet das Energie, bedeutet es eine Umwälzung, die Folgen sind nicht abzusehen, also lässt man es laufen. Der Rausch ist vorbei.
Na ja, aber vllt meinst du was anderes.
Okay Hal, ich danke dir auf jeden Fall für deinen Besuch und die Auseinandersetzung mit dem Text. Schade natürlich, dass es dir nicht so zugesagt hat, aber damit muss ich jetzt leben.
Liebe Grüße,
randundband

 
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Ist denn die FAZ-Nachrichtenwelt so von Tornados und Waldbränden verseucht?

Nee, das war nur, was mir als erstes eingefallen ist. Da müsste man sich schon mal genau schauen, was man da so alles verwenden könnte ...

Er war nie auf einer anderen Seite und er ist auch nicht auf einmal zum Revoluzzer geworden. Es ist eine ziemliche Offensichtlichkeit, dass Großbanken zum Teil böse Sachen machen. Da wird, glaube ich, niemand ernsthaft gegen argumentieren.

Ja, das habe ich irgendwie schon kapiert, ich hab mich da auch nicht gut genug ausgedrückt. Ich denke, dass wir alle unsere Ausreden entwickelt haben, um mit bestimmten Paradoxien klarzukommen. Weil wir, wenn wir wirklich konsequent wären, natürlich unser ganzes Leben auf den Kopf stellen müssten. Deshalb boykottieren wir zum Beispiel Primark - kaufen aber weiterhin bei H&M. Was das System angeht, ende/anfang 30 sind wir fast alle ein Teil davon. Und Leute wie Klara werden normalerweise von uns – im besten Fall wohlwollend – belächelt. Wir rechtfertigen unsere Passivität auch. Und wenn auch nur mit der Frage nach der Alternative. Und ganz so simpel, wie Klara das sieht, ist es halt nicht. Und jemand wie Dein Erzähler, würde sich das auch nicht so leicht auftischen lassen, glaube ich. So meinte ich das. Und davon abgesehen - es wäre halt ein Konflikt, den die Figurenkonstellation so schön hergibt. Ein bisschen Widerstand von Seiten des Erzählers würde dem Text auch noch mal ein bisschen Schubkraft geben. Und mitreißen lassen kann er sich ja am Ende - es wäre halt toll, wenn das eine Entwicklung im Text wäre. Aber, das geht jetzt vielleicht auch ein bisschen zu weit von mir. War nur so eine Idee.

 

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