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Farbengefängnis

TJC

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20.11.2014
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Farbengefängnis

Eines Morgens als ich aus der trügerischen Illusion meines Lebens erwachte und die schattenhafte Reflektion meines Ichs im Spiegel sah, bemerkte ich, dass meine Iris, einem Plättchen gleich auf meinem Augapfel auflag. Wie im Bann befühlte ich sie, verschob sie und nahm sie schließlich heraus. Ich spürte, wie feine Äderchen abrissen und ich blickte auf die kleine, runde Platte in meiner Hand. Ihre Farbe war leicht grünlich, eher grau, und sie schwamm in einer blutigen Flüssigkeit. Als ich wieder in den Spiegel blickte sah' ich, dass sich hinter meiner Iris eine riesige Dimension voller Farben befand. Sie liefen in sich zusammen, vermischten sich und trennten sich wieder, während leise tröpfelnd das Rot aus meinem Auge floss. Mir wurde gewahr, dass ich diese Farben heraus nehmen müsste um sie zu begreifen, um sie richtig erkennen zu können, und so öffnete ich meine Augenlider um das rundliche Gebilde des Augapfels heraus zu nehmen. Mir wurde plötzlich klar, dass die Welt nur so leer und grau war, weil wir alle, jeder für sich, einen Teil der Farben in uns gefangen halten. Noch war die weiße Kugel durch einen Strang mit mir verbunden, doch trennte ich den roten Faden, der dieses Gefängnis in mich festhielt mit einem Schnitt ab. Immer mehr Rot floss aus der leeren Höhle, die das Gefängnis hinterlassen hatte. Mit gemischten Gefühlen blickte ich nun auf die Kugel in meiner Hand. Langsam, und ganz vorsichtig öffnete ich mit Hilfe eines Messers die Schichten, als auf einmal und plötzlich, ein wildes Farbengewirr aus ihm heraus drang. Erschrocken lies ich die Kugel fallen. Der Boden benetzte sich mit einem See aus Gelb, Rot und Blau. Schon bald bildeten diese elementaren Farben mannigfaltige Töne, und Nuancen, die mir bis dahin vollkommen unbekannt waren. Der Anblick des Farbgewimmels auf meinen Boden lies meinen Kopf pochen, hastig und übersättigt vom Schmerz verschloss ich mit meiner Hand die Augenhöhle und mein sich noch immer im Kopf befindendes Farbengefängnis. Ich lies mich zu Boden fallen, und wimmerte. Einige Minuten verbrachte ich so, bis ich es langsam wagte, wieder hinzusehen. Doch die Farben waren verloschen. Eine Art Fehlsichtigkeit hatte mich erfasst. Ich konnte nur noch die unterschiedlichen Schattierungen wahrnehmen, alle Farben waren verschwunden. Von meinen Empfindungen gänzlich überrascht sprang ich auf und zertrat die nun leere Hülle der Farben. Es erklang ein leises knacken. Dann vernahm ich von irgendwo weit her Stimmen und realisierte, wie graue Menschen hereinkamen und mich festhielten. Sie waren so farblos. Ich schrie und weinte, und sie injektierten mir eine Flüssigkeit. Mir wurde schläfrig und ich hörte nur noch, wie sie sagten, der Wahnsinn hätte mich ergriffen. Eine hochgradige Schizophrenie soll ihr trauriges Ende gefunden haben. Eine Störung meines Gehirns brachte mich dazu, mich selber zu verstümmeln. Doch sie hatten keine Ahnung, keine Ahnung von Allem. Sie kannten das Gefängnis nicht, sie werden die Farben niemals befreien können, auf ewig grau und trist, es gab keinerlei Hoffnung mehr für sie. Bemitleidenswert, wie sie sind, werden sie niemals von der Wahrheit kosten, während sie mich, die sie ihnen zeigen könnte, ruhig stellen werden, im ewigen Dämmerschlaf voller Neuroleptika und Beruhigungsmittel. Die Wahrheit ertränkt in Amisulprid. Clozapin. Olanzapin. Quetiapin. Risperidon. Ziprasidon und Zotepin.

 
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Hallo TJC,

bitte solche Bemerkungen immer in einen Extrapost.

Hallo! Ich bin neu hier - und deswegen versuche ich es gleich damit, eine Kurzgeschichte von mir zu zeigen. - ich weiß, dass meine Thematiken sehr speziell sind und vielleicht deswegen nicht für jederman, aber mir liegen psychiche Erkrankungen persönlich sehr am Herzen, weswegen ich mich auch intensiv mit ihnen auseinandersetze.

 

Hallo TJC

Willkommen hier im Forum.

Den Titel fand ich nicht leid, auch den Kern der Idee, mit dem beschränkten Farbspektrum der menschlichen Wahrnehmung zu spielen, hat mir einen Reiz. Die Umsetzung fand ich dann jedoch dürftig, ein Akt von Selbstverstümmelung, der ins Nirgendwo führt. Von einer Geschichte, will sie dies denn sein, erwarte ich einen Einstieg, der mich als Leser mit einer Situation konfrontiert, die sich im Laufe der Handlung wandelt, und dem Beginn vielleicht ein neues Verständnis entgegensetzt. In diesem Abriss einer knappen Handlung erfüllt sich dies nicht.

Von der Handlung her hätte sich angeboten, dass der Protagonist seine Umwelt nicht mehr in den Farben wahrnahm, an die er sich erinnerte. Mit wenigen Skizzierungen hätte sich sein Schmerz so einfangen lassen. Daraus eine heiter verschrobene Erfahrung zu bilden, die konsequent die Realität beiseiteschiebt und durch Halluzinationen ersetzt, wäre möglich gewesen. Es bedingte jedoch auch weiter zu denken, einen Ausgang zu finden, der das Geschehen nicht einfach mit Medikamenten mattsetzt.

Du schreibst zu Deinem Essay, dass Dir psychische Erkrankungen bedeutsam sind und Du Dich damit intensiv auseinandersetztest. Nur das Bild des Protagonisten, welches Du zeichnest, zeigt nur beschränkt die Merkmale einer Schizophrenie. Selbstverstümmelung an sich kann verschiedenen Erkrankungen und Störungen zugeordnet werden, deren jede ihre eigenen Charakteristika hat.

Eines Morgens als ich aus der trügerischen Illusion meines Lebens erwachte und die schattenhafte Reflektion meines Ichs im Spiegel sah, bemerkte ich, dass meine Iris, einem Plättchen gleich auf meinem Augapfel auflag.

Trügerisch und Illusion sind gleichwertige Begriffe und gewinnen rein nichts, wenn man sie doppelt. Statt Ich wäre da Person in diesem Zusammenhang klarer, da der Begriff Ich in solchem Kontext psychoanalytisch gewertet wird und wie vorstehend als falsch empfunden wird.
Mit fachlichen Feinheiten sollte man in Geschichten dezent umgehen, da Laien in spezialisierten Gebieten allzu leicht in Fettnäpfchen treten können. Dies schliesst nicht aus, dass ein jeder Autor zu allen Themen schreiben kann, sofern Spezialitäten sorgfältig recherchiert sind oder er dann diese nur beiläufig einbringt, aber soweit wie erwähnt gesichert. Eine Aufreihung von Medikamenten liest sich da dann eher lapidar.

Was mir rätselhaft ist, weshalb Du zu Deinem Text u. a. das Stichwort Philosophisches gesetzt hast. Ein Erkenntnisgewinn liegt nicht vor und eine Wahrnehmungsstörung rechtfertigte es nicht, selbst wenn sich diese auflöste.

Vielleicht gibt Dir meine Betrachtung des Textes einen Impuls, daraus mehr zu machen als vorgelegt. Wenn Du mehr zum Schreiben lernen willst, lese in Geschichten von anderen Autoren hier und kommentiere diese, dabei lernt man zumeist auch für sich selbst. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 
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Willkommen TJC

Es ist erfreulich, dass

Clozapin. Olanzapin. Quetiapin. Risperidon. Ziprasidon und Zotepin.

bei ihr gewirkt haben. Hätte nämlich keines gewirkt und wäre sie noch immer hochgradig schizophren, wäre ihre Geschichte wohl kaum lesbar. Merkmale wie zerfahrenes Denken, abreisende oder sich fortwährend wiederholende Gedanken, Wortfindungs- und Wortbildungsstörungen sind nämlich nicht sonderlich zuträglich, wenn man erzählen will.

Insofern sollte man die Schlussaussage der Ich-Erzählerin kritisch sehen.

Clozapin. Olanzapin. Quetiapin. Risperidon. Ziprasidon und Zotepin.

Kritisch stehe ich auch der Sitte gegenüber, die Glieder einer Aufzählung durch Punkte statt mit Beistriche zu trennen.

Ansonsten fand ich die Geschichte anschaulich erzählt. Ein paar Absätze oder Abschnitte hätten sie zwar leserfreundlicher gemacht, aber vielleicht ist das halt noch ein Restsymptom ihrer Krankheit, diese Megalomanie, dieses einen großen Block schreiben ohne zu unterteilen und indem man sämtlichen Platz ausnutzt auf jeder Zeile bis an den Rand. ;)

Gruß teoma

 

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