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Goldgerahmt

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10.09.2014
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Goldgerahmt

Ich bin Franzose. Und ich bin Patriot. Ich liebe alles, was Frankreich stark, stolz und schön macht. Am meisten jedoch liebe ich die Frauen. Sie sind meine Obsession. Glücklicherweise bin ich in der Lage, frei über meine Zeit verfügen zu können.
Wochentags führt mich mein Parcours zum Fluss hinunter. Junge Frauen genießen hier ihr Leben, indem sie das schönste Kind unter der Sonne in einem sehr modernen Kinderwagen spazieren fahren oder indem sie joggen, raffiniert angetan mit als Sportkleidung ausgewiesener Mode, die ihre schon auf hundert Meter gut wahrnehmbaren Vorzüge überflüssigerweise noch einmal unterstreicht und mit drei Ausrufezeichen versieht. Und die viele makellose Haut beim Sonnenbad! Ständig verrutscht irgendetwas, wenn sie sich cremen oder wenden oder ihre Sonnenbrille suchen. Wie gern möchte ich beim Suchen behilflich sein, doch mein Jahrgang darf hier nur auf den Wegen bleiben und sich auf das Flanieren beschränken. Das ist die Tragödie meiner angesammelten Jahre: Erst so spät im Leben wird mir – und wohl auch jedem anderen Mann – bewusst, was für ein beinahe himmlisches Wesen eine Frau doch eigentlich ist! Denn es sind keineswegs nur das schöne Gesicht und die herrlichen Brüste und der dralle Po, nein, es sind auch die wunderbar geformten Schultern, der verführerische Hals, der modellierte Rücken, die Schenkel, die Waden, die Füße, sogar die Zehen – nicht anders die schlanken Arme und Hände mit diesen filigranen Fingern, mit dezent lackierten Nägeln, bei deren Anblick mich lustvolle Erinnerungen überkommen.
Weiter führt mich mein Weg über die immer wieder beeindruckende Brücke mit den vier steinernen Bögen ins Herz der Stadt. Im ältesten Teil, dem weiten Kreis um die Kathedrale, quirlt das Leben. Hier ist das Geld. In gut sortierten Geschäften finde ich die köstlichen Weine aus dem Umland, auch Deftiges und Feines von ebendort.
Oft besuche ich die Städtische Bibliothek.
Lesen bedeutet mir wenig, ich erlebe lieber. Aber um meinen Schatz zu sehen - um die Dreißig mit einer hübschen Figur, mit wunderbaren Augen und Lippen, mit einer göttlichen Haut und feuerroter Kapuze aus leuchtendem Haar - muss ich immer wieder nicht gelesene Bücher zurückbringen und mich erneut von ihr, möglichst ausgedehnt, beraten lassen. Von ihrem Beratungspult gehe ich dann an irgendeinem Regal vorbei, schnappe mir vier, fünf dicke Bücher und eile zur Registratur, damit meine stille Liebe nicht sieht, dass ich ihren Empfehlungen leider auch heute nicht nachkomme. Aber ich will wirklich nur ihre Stimme hören, gleich was sie sagt, in ihre Augen schauen, die durch die modische Brille noch ausdrucksvoller wirken, und ihr Parfüm inhalieren, denn das zieht mich magisch an. Ihr Duft ist unvergleichlich. Eine wunderbare Frau, und nur der disziplinierende Gedanke an mein Alter hält mich davon ab, mich ihr zu Füßen zu werfen und ihr meine Verehrung und Liebe zu gestehen.

Und sonntags ist Museumstag!
Manche Leute geben vor, den Charakter eines Menschen durch das Lesen seiner Handlinien oder die Deutung seiner Handschrift feststellen zu können. Ich dagegen lese vieles klar und deutlich aus dem Gang eines Menschen. Natürlich interessiert mich besonders der Gang einer Frau.
Nichts kann meinen Kennerblick verwirren, denn ich schaue nicht so sehr auf die Schönheit der Beine, nicht auf die Höhe der Absätze, genauso wenig auf die Marke der Schuhe, selbst die roten Sohlen imponieren mir nicht. Bei den Strümpfen allerdings trennen sich die Welten:
Jene ohne Naht sind brave Exemplare, ebenso ihre Trägerinnen. Erspähe ich aber ein tolles Bein in einem Nahtstrumpf, schießt mein Puls nach oben und die Schläfen pochen wie Trommeln beim Zapfenstreich. Ich muss mich setzen.
Aber dieser verflixte Gang - der hat es mir wirklich angetan!
Dabei will ich nichts von der Dame. Gar nichts. Außerdem besteht sie nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Ölfarbe und Terpentin. Goldgerahmt.
In Öl gefangen, bewegt sie sich selbstverständlich keinen Millimeter von der Stelle, doch ich sehe: Es ist Mai, die Bäume über ihr, eine Art Allee, sind Akazien. Sie blühen weißlich, schon den Honig andeutend, den sie uns schenken wollen.
Ihr eleganter Sommerhut, hinten mit breiter Krempe den weißen Hals schützend und vorn kühn aufgeschwungen, als ob sie dem Leben neben der hohen Stirn noch zusätzliche Angriffsfläche bieten wolle, gefällt mir sehr - weil ein frühsommerlicher Spaziergang unter blühenden Akazien fast eine Gotteslästerung wäre ohne dieses schicke Zubehör. Die Sonne-Schatten-Situation in einer Allee mag es beinahe überflüssig erscheinen lassen - wie auch den zartgelben Sonnenschirm im Ladyformat, fast selbst eine kleine Sonne. Für mich aber sind das keine belanglosen Details, sondern es sind stilvolle Accessoires von allergrößter Wichtigkeit!
Denn es ist leider Tatsache, dass seit langer Zeit weder auf den Avenuen dieser Welt noch auf den nostalgischen Ruderbooten, die auf Schlossteichen und Seen dümpeln, auch nicht beim Champagnerfrühstück auf den Terrassen der Grand Hotels die gutgewachsenen wunderschönen Damen diese, das ganze Sommerbild bereichernden eleganten Hüte tragen. Warum nicht? Wo sind sie? Warum wird uns das Jahr für Jahr vorenthalten?
Das aber trübt nicht mein Verhältnis zum Mai und zum Weib und zur Welt. Die goldgerahmte Dame geht auf eine Weise, die ihre Vorzüge geradezu hinausschreit. Ihre Hüfte überhöht im Schwung den Reiz ihres perfekten Körpers. Mein Herz rast.

Ich erhebe mich von dieser gestifteten Bank. Ein bronzenes Schildchen sagt mir, wer von den Honoratioren es nötig hatte, seinen Namen wenigstens als Spender eben dieser Bank der Nachwelt zu überliefern. Ich habe mich wohl zu ungestüm aufgerichtet, so dass mir ein wenig schwindelt. Aber die Ursache dieses ungewöhnlichen Gefühls ist wohl doch dieses famose Bein, im Strumpf mit Naht, und diese Hüfte mit dem eindeutigen Schwung, der sagt: Nimm mich! Nimm mich, noch hier – auf der Stelle!
Mein Gang ist noch zögerlich, ich weiß nicht so recht, ob ich ein Held der Liebe oder ein Idiot der Liebe bin.
Diese Frau muss wunderschön sein! Der Maler stand hinter ihr. Er hat sie gemalt, wie nur ein die Frauen bewundernder Mann eine Frau malen kann.
Wer so zu gehen versteht, hat viel natürliches Talent, ist schön und sexy. Ein Maler, der das in Farbe erzählt, ist vielleicht weniger schön, doch ganz bestimmt intelligent und mit den richtigen Sensoren ausgestattet.
Die alten Inder haben es schon gesagt: „Wenn Dir eine Frau von hinten gefällt, gefällt sie Dir von vorn noch hundertmal besser.“ Ich will mich nach vorn pirschen – vielleicht gelingt es mir. Ich räuspere mich, denn jetzt muss ich die schöne Frau ansprechen. Ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll, ich werde mich tot stellen und sie muss mich durch Mund-zu-Mund-Beatmung ins Leben zurückholen. Dabei raunt sie mir ins Ohr: „Du verdammter Analphabet, kapierst Du denn gar nichts?“ Sprühende Wunderkerzen tanzen vor meinen Augen, es blitzt und funkt, ihre Rundungen werden zu Befehlszeichen, ihre Lippen sind aus meiner Position zwar nicht erkennbar, doch ich weiß: Sie schreien feuerrot nach Liebe, nach mir, nach Liebe mit mir. Dieser Akazienduft bringt mich um den Verstand. Ich sehe große Brüste mit den zwei wundervollen magischen Punkten. Ich nehme meine Hand wahr, wie sie sich der Königin nähert und in diesen geheimen Grotten mit ihrer vollen Zustimmung eine unglaubliche Verklärung unserer Sinne auslöst. Nur uns gibt es noch und nur die Liebe ist unser Code, unser Schlüsselwort.

Mit all der Intensität und Unbändigkeit habe ich nicht gerechnet. Ein Energiestrom grausamster Stärke durchzittert uns, wir hängen, kleben aneinander. Ihre Lippen können sich nicht entschließen, mich hier oder dort zu verhätscheln und auch meine Lippen fänden tausend Ziele. Doch das uns Männer immerzu begleitende Unzulänglichkeitsgefühl ist auch heute dabei - im tragischen Verbund mit den für immer eingebrannten Erinnerungen an Blamagen und Selbstüberschätzungen vergangener Zeiten. Ein Jammer ist das, ein gewaltiger.
Eh bien – in höheren Regionen ist die Luft dünn. Meine Bleifüße und die leidigen Rückenschmerzen sind ein Fluch und ich muss – so schwer es mir auch fällt - vieles für später zurückstellen.
Meine Superfrau liegt schwer atmend auf dieser billigen Auslegeware. Dieses Museum ist städtischer Besitz. Ihre Lippen sind arg verschmiert und ich bin der einzige Mensch auf Erden, der weiß, warum. Ich drapiere ihre Stola dergestalt, dass Leute, die ihre Qualitäten nicht so genau kennen wie ich, keinen Anstoß nehmen können an diesem entblößten Wunderkörper und den verlangend offenen Lippen. Jetzt fasse ich sie, beherzt und gierig, mit sensibler Hand überall dort an, wo sie es am liebsten hat. Kräftiger fasse und streichle ich, schneller und zuverlässiger. Sie blickt mich an mit irren Augen und ich bin soweit, diesen Blick erwidern zu können.

Da bricht der Goldrahmen um diese schöne Frau und hätte mich fast verletzt. Das teure Glas wird zu hässlichen Scherben. Der Akazienhonig klebt fürchterlich. Ich bin sehr verwirrt. Meine euphorische Hochstimmung stürzt ab wie eine Tontaube durch den Volltreffer eines geübten Schützen. Sie zerstiebt in unzählige Moleküle, von denen ein jedes immer noch schwer genug ist, um wie Hagel niederzugehen. Ich muss mich schleunigst in Sicherheit bringen.
Ein unsichtbarer Pförtner öffnet lautlos die große Glasschiebetür und schließt sie auch gleich wieder hinter mir. So stehe ich im Vestibül. Eine Riesenhalle aus Chrom, Glas und Granit. Auf der einen Seite stehen lange, rotbespannte Bänke unbenutzt in elegant gekrümmten Linien, auf der anderen befindet sich die Garderobe.
Und die Garderobière - was tut sie an diesen schönen Tagen?
Bei Betrachtung der tausend leeren Haken und der dazugehörigen Garderobemarken sage ich ziemlich unoriginell: „Bonjour, Madame. So müsste es das ganze Jahr hindurch weitergehen: Keine Kundschaft, doch das Gehalt bleibt das gleiche wie bei riesigem Andrang mit Regenmänteln und Winterjacken?“
„Ah oui, Monsieur, das wäre schön.“
Ich glaube, sie stammt aus Frankreich in der Karibik. Martinique, Guadeloupe oder so.
„Erraten, mein Herr. Stimmt. Martinique.“
Sie lehnt, leicht nach vorn gebeugt, am Garderobentisch, auf die Ellbogen gestützt und hat das Kinn auf die gefalteten Hände gelegt. Schöne große Augen röntgen mich und bleiben freundlich. Eine faszinierende Frau: in der Mitte des Lebens stehend, jetzt lümmelnd, heiter mit dieser von uns immer beneideten Mentalität der Kreolen, sicher eine tapfere Mutter, lebenstüchtig und klug. Ich kenne dieses Geräusch, wenn an einem Relais diese metallenen Widerstände ihren Geist aufgeben. Es gibt ein stumpfes Klick oder Klack und dann ist der Widerstand ruiniert.
Widerstandslos gehe ich wie in Trance hinter den Garderobentisch - unendlich langsam, als ob diese Situation zwischen Wahr und Traum durch zu hastiges Tun blitzschnell zerstört werden könnte. Ich schwebe wie im schwerelosen Raum, wo man zuschauen kann, was die eigenen Füße machen, und höre mich sagen: „Madame, wenn jetzt doch Kundschaft käme, was ich aber nicht annehme – dürfte ich Sie dann unterstützen?“
Ihre Antwort ist ein kurzer schriller Piepser, amüsiert, wie mir scheint. Meine Marionettenhände werden - ohne die üblichen Schnüre von oben - von Madames Magnetismus ferngesteuert. Ich umfasse mit aufgerissenen Sinnen synchron, beidhändig mit höchster Anspannung, wie beim Bombenentschärfen, zögernd und fragend ihre Brüste. Es ist grabesstill. Bei der Erschaffung der Welt herrschte die gleiche Atmosphäre. Wie in Zeitlupe richtet sie sich auf, legt ihre Hände auf meine und drückt ihren Körper mit der Urkraft unserer Bestimmung gegen mich. Meine Lippen erobern ein Stück ihres Halses und nach Stunden oder Tagen ein weiteres Stück. Ihr Duft macht mich handlungsunfähig und hyperaktiv zugleich. Endlich weiß ich, warum ich auf der Welt bin! Die tausend Stufen zum Tempel der Erkenntnis hätten es mich nicht gelehrt.
Plötzlich tauchen Schatten irgendwelcher Leute auf. Noch bevor wir ihre Stimmen vernehmen können, werden meine gierigen Hände entschlossen umfasst und wir flüchten in herrlicher Übereinkunft zu einem dieser von den französischen Gewerkschaften hart und mühevoll erkämpften Sozialräume.

 
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Lieber josefelipe,

dein Stil, deine Art mit Wörtern Bilder, Szenen zu malen gefällt mir sehr. Ebenso mag ich die einzelnen Bilder dieser Geschichte, dies hier zum Beispiel:

Ihr eleganter Sommerhut, hinten mit breiter Krempe den weißen Hals schützend und vorn kühn aufgeschwungen, als ob sie dem Leben neben der hohen Stirn noch zusätzliche Angriffsfläche bieten wolle, gefällt mir sehr - weil ein frühsommerlicher Spaziergang unter blühenden Akazien fast eine Gotteslästerung wäre ohne dieses schicke Zubehör.
aber mit dem gesamten Bogen, den du spannst, komme ich nicht wirklich zurecht. Da bewundert er einmal die Frauen an sich, die hübschen jedenfalls, erfreut sich bei jedem Spaziergang an deren weiblichen Vorzügen und ist ein wenig deprimiert über sein eigenes Alter (und die sich daraus ergebend kleiner werdenden Möglichkeiten in dieser Hinsicht).
Dann geht er zur Bibliothek, wo 'sein Schatz' (den Ausdruck finde ich nicht ganz passend, da jede Erwiderung seiner Gefühle fehlt, aber der Prot. ist ja eh etwas wirr) berät und verleiht. Aha, denke ich, sie ist etwa dreißig, zu jung für ihn, aber er kann dennoch nicht anders als sie zu lieben. Schön der Satz
Eine wunderbare Frau, und nur der disziplinierende Gedanke an mein Alter hält mich davon ab, mich ihr zu Füßen zu werfen und ihr meine Verehrung und Liebe zu gestehen.
.
Dann das nächste Bild, diesmal wirklich ein Bild, goldgerahmt. Er 'liebt' die von hinten gemalte Frau und dann geht seine Phantasie mit ihm durch. Auch das schilderst du sehr ansprechend, aber für mich ist da ein Bruch zur Szene davor, obwohl der Prot. hier ebenso etwas in die äußere Hülle hineininterpretiert.
Ach, und dann noch die Garderobiere, da wird mir das Ganze langsam zu viel. Wir willkürlich liebt er denn, dieser von dir geschilderte Mann, und wo endet in der Geschichte die Realität, wo beginnt die Phantasie? Ich bin zu verwirrt, um ganz und gar begeistert zu sein, obwohl mich viele Mosaiksteine deiner Story sehr beeindrucken.

Viele Grüße,

Eva

 

Hallo Josefelipe,

Du scheinst mir ein sehr guter Beobachter zu sein. Es gefällt mir, wie Du die Menschen in ihrem Alltag beschreibst.
Zu diesem Text: den Anfang finde ich gut, dann muss ich ehrlich gestehen, dass ich ab dem Zeitpunkt ausgestiegen bin, wo er mit der Frau aus dem Bild "anbandelt". Das ist mir dann alles etwas zu wirr.

Formal:

Als ziemlich früh ausrangierter Prokurist einer Drogeriekette, die sich dann selbst ausrangierte, bin ich Herr meiner Zeit.
diesen Satz würde ich streichen. Das muss der Leser nicht wissen.

wahrnehmbaren Vorzüge beinahe überflüssigerweise noch einmal unterstreicht
beinahe würde ich streichen.

Oft besuche ich noch die Städtische Bibliothek
noch würde ich streichen

... so um die Dreißig mit einer ...
so würde ich streichen

Und sonntags ist Museumstag!
und würde ich streichen

Im gesamten Text sind mir viele solcher Füllwörter aufgefallen, die dem Text nicht so behilflich sind. Ich habe meist dasselbe Problem in meinen Texten;).

Mehr weiß ich im Moment nicht zu sagen,

Grüße Kerkyra

 

Hola Eva,
ich danke Dir für Deinen Kommentar. Tja, die alten Herren haben's nicht leicht - und die Angetickten haben's noch schwerer. Du drückst auf die richtige Stelle, wenn Du meine Geschwätzigkeit rügst.
Ich packe zuviel hinein, wohl wahr. Furchtbar schwer hab' ich's mit dem Streichen, es tut mir in der Seele weh, auch nur eine Zeile meines genialen Textes zu vernichten. Und dabei weiß ich: In der Kürze liegt die Würze! Dieser Widerspruch wird mich über die Zeit zermalmen. Weh mir!
Deine Frage: 'Wo endet die Realität, wo beginnt die Phantasie?' kann ich leider nicht befriedigend beantworten, denn ich bin ein Mann.
Bitte sei nachsichtig.
Sei gegrüßt von
Joséfelipe

 

Hola Kerkyra,
Du schon wieder! Da bin ich doppelt erfreut, besonders seit ich weiß, dass Du einem Pulpo furchtlos ins Auge blicken kannst. Con o senza patate.
Drei Füllwörter habe ich gestrichen und der Prokurist ist auch gestorben - danke für den Tipp. Das 'Und' sonntags... möchte ich stehen lassen, weil ich finde, dass der Übergang so weicher wird. Ich hoffe, es kränkt Dich nicht allzu sehr.
Schade, dass Du keinen Spaß an den erotischen Verirrungen des Monsieur St. Pierre hattest, aber ich dachte, die Erlebnisse eines "normalen" Voyeurs würden langweilen. Da hab' ich noch etwas nachgewürzt.
Ich wünsche Dir auch im Winter viel italienische Sonne!
Einen schönen Gruß von
Joséfelipe

 
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Formidable, mon frere. Formidable!

Ich bin Franzose. Und ich bin Patriot. Ich liebe alles, was Frankreich stark, stolz und schön macht.
.

Was für ein Anfang, sehr schön! Der Franzose, der Meister der Liebe. Eigentlich kann jetzt nichts mehr schiefgehen ...

Tut es auch nicht und ... josefelipe, mon ami, du kannst dich entspannen und dich auf das konzentrieren, dass dir als Franzose im Leben am liebsten ist: Den Reizen der Damen erliegen, ein Gläschen Pernod geniessen und dem blauen, ausgeamteten Rauch der Gauloise betrachten, der in verschwindenden Krinkeln gen Himmel entschwindet.

Dann das:

Am meisten jedoch liebe ich die Frauen. Sie sind meine Obsession. Glücklicherweise bin ich in der Lage, frei über meine Zeit verfügen zu können.
Wochentags führt mich mein Parcours zum Fluss hinunter. Junge Frauen genießen hier ihr Leben, indem sie das schönste Kind unter der Sonne in einem sehr modernen Kinderwagen spazieren fahren oder indem sie joggen, raffiniert angetan mit als Sportkleidung ausgewiesener Mode, die ihre schon auf hundert Meter gut wahrnehmbaren Vorzüge überflüssigerweise noch einmal unterstreicht und mit drei Ausrufezeichen versieht. Und die viele makellose Haut beim Sonnenbad! Ständig verrutscht irgendetwas, wenn sie sich cremen oder wenden oder ihre Sonnenbrille suchen. Wie gern möchte ich beim Suchen behilflich sein, doch mein Jahrgang darf hier nur auf den Wegen bleiben und sich auf das Flanieren beschränken. Das ist die Tragödie meiner angesammelten Jahre: Erst so spät im Leben wird mir – und wohl auch jedem anderen Mann – bewusst, was für ein beinahe himmlisches Wesen eine Frau doch eigentlich ist! Denn es sind keineswegs nur das schöne Gesicht und die herrlichen Brüste und der dralle Po, nein, es sind auch die wunderbar geformten Schultern, der verführerische Hals, der modellierte Rücken, die Schenkel, die Waden, die Füße, sogar die Zehen – nicht anders die schlanken Arme und Hände mit diesen filigranen Fingern, mit dezent lackierten Nägeln, bei deren Anblick mich lustvolle Erinnerungen überkommen.

Uneingeschränkte Identifikation! Uneingeschränkt schön!!! Der fettgedruckte Satz: Wie wahr mon frere, wie wahr! Allein dieser Satz lohnt schon die Geschichte zu lesen, allerdings mit einer leichten Beklemmung in meiner Brust. Was hat man nicht alles verpasst im Leben, was hätte man mitnehmen können. :)

In diese Gedanken verstrickt konnte ich dem Verlauf der Geschichte nicht mehr so ganz folgen; dennoch habe ich hier und da manch wohlgeformten Satz bemerken und es verfestigte sich die Meinung, hier wieder den josefelipe in Bestform gelesen zu haben.

Merci, mon ami!

A bientot,

Freegrazer, der als Rheinländer auch so etwas wie ein kleiner Franzose ist ... :)

 
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Hallo Josefelipe!

Ob Deiner netten Kritik dachte ich mir, les ich mal was von Dir und revanchiere mir.

Also ... Ich kann mich erstmal so grundlegend Eva Luise Groh anschließen. Ich finde auch, dass Du sehr gut "zeichnest" und beschreibst, allerdings mit dem "Spannungsbogen" komm auch ich nicht wirklich zurecht.

Ein wenig hat mich Deine Geschichte an Pygmalion erinnert, wobei Deine Geschichte ja keinen Frauenfeind sondern einen Frauenfreund thematisiert.
Nichtsdestotrotz geschieht hier ähnliches, aber in umgekehrter Form. Anstatt das weibliche Geschlecht ob seiner Lasterhaftigkeit zu verdammen, wird es hier hochgelobt und selbst ein Bildnis ist vor der hochachtungsvollen, phantasiereichen Verehrung nicht gefeit.

Möglicherweise würde es schon ausreichen, wenn Du diesen Grundgedanken, sollte es so sein, bereits zu Anfang etwas deutlicher machtest; das würde evtl. auch diesen "Bruch" Realität/Phantasie abmildern.

Ich hoffe, Du kannst was damit anfangen!


Viele Grüße

Reiki
Wuwu

 
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„In Gemäldegalerien
Siehst du oft das Bild des Manns,
Der zum Kampfe wollte ziehen,
Wohlbewehrt mit Schild und Lanz'.“​

…, ich weiß nicht so recht, ob ich ein Held der Liebe oder ein Idiot der Liebe bin.
Egal, allemal besser als ein Held der Arbeit,

Freegrazer und Reiki sei Dank,
sonst hätt ich doch diese kleine, m. E. gelungene Erzählung aus einem Heldenleben gar nicht wahrgenommen,

lieber josefelipe!

Da erscheint mir Dein Held als eine Kombination aus Heine – der jeder hübschen Nase und jedem langen Bein nachlief – und dem eher schüchternen Kleist (mancher Satz kommt der Struktur Kleist’scher Sätze nahe, ohne natürlich eine ganze Seite zu füllen). Aber wer so gekonnt über potentielle Liebesabenteuer parliert, wird wohl mit biografischer Würze arbeiten.

Oder doch nicht?

„Doch ihn necken Amoretten,
Rauben Lanze ihm und Schwert,
Binden ihn mit Blumenketten,
Wie er auch sich mürrisch wehrt.“​

Endlich weiß ich, warum ich auf der Welt bin! Die tausend Stufen zum Tempel der Erkenntnis hätten es mich nicht gelehrt.
So ist es doch auch angenehmer, den Sinn eines Lebens zu finden, gelt?

Triviales, keine bange, nix Aufregendes, selbst wenn es geradezu adjektivistische Attribute gibt, die man als gleichrangig und somit als bloße Aufzählung ansehn könnte. Sie lassen sich auch als abhängig ansehn, auf dass sie nicht durch lumpige Würmchen von Kommas getrennt werden sollten. Sie gehören halt zusammen.

Aber hier ist zwar der Beginn, nicht aber das Ende des Infinitivsatzes gezeichnet:

Ihre Lippen können sich nicht entschließen, mich hier oder dort zu verhätscheln[,] und auch meine Lippen fänden tausend Ziele.

Und eine eher entbehrliche Erinnerung:
Die alten Inder haben es schon gesagt: „Wenn Dir eine Frau von hinten gefällt, gefällt sie Dir von vorn noch hundertmal besser.“
Ein anderer, eher nordwestlich lebender Teil der Indoeuropäer kennt aber auch Sprüche wie „von hinten hui, von vorne pfui!“ &"Von hinten Lyceum, von vorne Museum."

Und zum Schluss ein Vorschlag hierzu

Glücklicherweise bin ich in der Lage, frei über meine Zeit verfügen zu können.
Warum so umständlich der Appendix
…, frei … verfügen zu können.
Um etwas zu tun (wie über seine Zeit und somit sein eigenes Leben zu verfügen), muss es überhaupt möglich sein (… zu können). Wenn man es nicht tut, bleibt es bei der Möglichkeit. Aber wenn Du darüber verfügst und es tust, brauchstu doch nicht mehr die Möglichkeit zu betonen. Vorschlag:
Glücklicherweise bin ich in der Lage, frei über meine Zeit [zu] verfügen […].

„So, in holden Hindernissen,
Wind ich mich in Lust und Leid,
Während andre kämpfen müssen
In dem großen Kampf der Zeit.“
Heinrich Heine: Prolog zu den Neuen Gedichten​

Gern und mit großem Amusement gelesen vom

Friedel

 
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Lieber josefelipe,

ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen, fand sie wohlgeformt, sehr ausgewogen und sprachlich ganz fein geschliffen. Wie schon mehrere vor mir hat auch mich der erste Satz gleich hineingezogen und mir sehr gut gefallen. Vielleicht hat mir dort vor „Glücklicherweise“ ein kleines „und“ gefehlt, dieses unbedeutende Wörtchen, das ich persönlich sehr (wohl schon bisweilen zu sehr) mag, um eben Anschlüsse und Verbindungen herzustellen. Mit einem „und“ wäre mit der Eingangsabsatz noch runder erschienen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Einige der ganz feinen Beschreibungen haben mir sehr gut gefallen, wie die der gestifteten Bank oder des unsichtbaren Pförtners. Andere Begriffe, wie der „Energiestrom“ oder die „Superfrau“ fand ich nicht so gelungen.

Was mir nicht so gefallen hat ist das Ende, das liest sich für mich so:
Nach einem erotischen Tagtraum mit einer Bilderfigur in einem öffentlichen Museum geht der lüsterne Alte zu erstbesten großbrüstigen Frau und befummelt sie.
Klar, das ist die Erfüllung seiner Träume, aber irgendwie zerstört es für mich gerade den Reiz des Tagtraums mit seiner sowohl filigranen als auch deftigen erotischen Beschreibung. Durch das Ende bekommt es einen geradezu pornesquen, zumindest platten Charakter, der dem schönen Aufbau bis dorthin nicht gerecht wird.
Dass die „tapfere Kreolen-Mutter“ außerdem dadurch noch in einen Gegensatz zur der scheinbar unantastbaren Bibliothekarin „um die Dreißig“ mit moderner Brille und auch sonst allen Attributen einer modernen jungen Frau gestellt wird, will mir zumindest nicht so recht behagen ...

Es grüßt
heiterbiswolkig

 
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Salut, frère Freegrazer!

Das gibt's in keiner Apotheke! Das ist nirgendwo zu kriegen - ein Mittel, das dem unter greulich-gräulich-fadem Winterhimmel frustrierten Hobbyschreiber in Nullkommanix wieder auf die Beine hilft und ihn strahlen lässt: Das kann nur Freegrazers positiver Kommentar.
Danke schön.
Schon merkwürdig, dass die nicht mehr erreichbaren Dinge ständig an Wert zunehmen. Und das ist nur der Part der Natur. Gleich kommen noch die ärztlichen Verbote dazu; dann wird's richtig trist.

Mon cher ami d'outre Rhin - es freut mich, dass ich den Franzosen in Dir kitzeln konnte.
Ich hoffe, Du hast Dich unter Kontrolle!

Viele Grüße
von Joséfelipe

Hola heiterbiswolkig,
herzlichen Dank für Deinen gründlichen und ausführlichen Kommentar!

Du gehst so sorgfältig auf die Einzelheiten ein, dass ich Dein Leseempfinden nachvollziehen kann.

Tja, das Ende - da musste ich überflüssigerweise noch einen draufsetzen.
Nach dem Urlaub werde ich die Geschichte etwas kürzen und mich auch um das Ende kümmern.

Nochmals vielen Dank und liebe Grüße!
Joséfelipe

Hola Reiki Wuwu,
danke sehr für Deine Zuschrift.
Ja, ich müsste mich wohl noch einmal um meine Geschichte kümmern.
Mein Problem ist, dass ich lieber neu schreibe als gestrige Sachen zu verbessern. Mal sehen, wieviel Disziplin ich aufbringe.
Es hat mich sehr gefreut, von Dir mit Aufmerksamkeit bedacht zu werden - bis bald mal!
Joséfelipe

Hola Friedel,
erstmal ein Dankeschön für das reizende Gedicht
und noch eins für Deinen Kommentar.
Klingt ganz ermutigend. Dann kann ich ja weiter fabulieren.

Ja, ich habe das Gefühl, langsam geht's bergauf. Da kann ich aber auch einer Täuschung erliegen.
Wir werden sehen.
Einen schönen Gruß - und wenn Du nichts mehr von mir hörst, dann hat mich eine Lawine verschüttet.
Joséfelipe

 

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