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Höhenangst

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22.01.2013
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Höhenangst

„ … es ist das Kaninchen!“

(Die Ritter der Kokosnuss, Monty Python)


Nein, wahrlich kein schöner Anblick! Schon möglich, dass es irgendwann einmal angesagt sein würde, deutlich älter auszusehen als die Jahre es hergaben. Dass tiefe Falten und eine ungesunde Gesichtsfarbe vor allem männlich-markant wirken würden. Bis es soweit war, wollte Jan lieber nicht mehr in den Spiegel schauen. Die Tränensäcke unter seinen matten Augen rissen es auch nicht raus. Er seufzte. Seit ihn vor drei Jahren Freunde, Nachbarn, Kollegen und sogar seine Frau im Stich gelassen hatten, ging es abwärts – und das sah man ihm an.
In den ersten Monaten nach der Trennung hatte er sich noch an Gedichten versucht. Doch jeder Reim spuckte Blut, nichts als weinerliches Wimmern war dabei herausgekommen. Gesehen hatte Sabine keine dieser Verzweiflungstaten, zum Glück. Eine Peinlichkeit weniger.

Lilly und Louisa, seine Zwillinge, siebzehn und süß, waren seit Wochen nicht mehr da gewesen. Meist hatten sie Besseres vor, und wenn sie doch einmal vorbeischauten, waren Stöpsel in ihren Ohren oder sie tippten Worttorsos in ihre Smartphones. Ihm war so gut wie nichts von seinem alten Leben geblieben, und nichts von seinem neuen war besser. Nichts außer Sandy. Bei ihr zu sein tat gut und war etwas anderes, als Fernseher, Radio und Computer gleichzeitig laufen zu lassen, um die bösartigen Stimmen in seinem Kopf zu übertönen. Jan gab sich einen Ruck, nahm den Haustürschlüssel, zog die Tür hinter sich zu und machte sich auf den Weg zu ihr. Die Vorfreude jetzt war das erste gute Gefühl heute!

Bei seinem Anblick wenig später hüpfte Sandy an ihm hoch wie ein Gummiball, alles an ihr verströmte Freude und Zuneigung, die ihn wie eine weiche, tröstliche Wolke umgab. „Ach, Kleine!“ Zart strich er ihr über das hellbraune Fell und einen Moment später waren sie unterwegs. Jammerschade, dass er sie nicht immer bei sich haben konnte, doch seit der Trennung lebte er in einer Mietwohnung, und dort waren Lebensretter wie sie nicht erlaubt. Waldspaziergänge zu den Öffnungszeiten des Tierheims waren das, was das Leben ihnen zugestand.

Beide genossen die laue Frühlingsluft, den Duft feuchter Erde, den Hauch von Frische durch das junge Grün ringsum. Was den Hund anging, sicher noch ein paar Wohlgerüche mehr. Jan entspannte sich. Seine Schritte wurden leichter, während sie unbemerkt von ihrer üblichen Runde abkamen. Sandy hatte diese aufregende Witterung eines Kaninchens aufgenommen und gab die Richtung vor, Jan folgte ihr. Nach und nach verirrte er sich dabei wieder in seinen Gedanken: Warum nur hatte er in kurzer Zeit so viel verloren? Wie hatte Sabine ihn nach den ganzen gemeinsamen Jahren so problemlos abstreifen können? Wieso trauerte er ihr immer noch an jedem einzelnen Tag hinterher? Er verstand sie nicht, sich nicht, er verstand im Grunde dieses ganze beschissene Leben nicht mehr.
Gerade als seine Stimmung wieder zu kippen begann, berührte ihn Sandys Schnauze leicht. Erst jetzt bemerkte er, dass er die Gegend hier gar nicht kannte. Es dämmerte inzwischen, aber ein Stück weiter wurde der Wald lichter. Wenig später sah er zögernd in einen Steinbruch hinunter, dessen gelbe Felswände steil vor ihm abfielen. Jetzt war ihm klar, wo sie waren. Vom Steinbruch hatte er gehört, ein paar Jugendliche nutzten ihn abends regelmäßig für Schießübungen und Saufgelage. Nun, da er wusste, in welche Richtung sie sich zu halten hatten, wollte er keine Zeit verlieren. Der Hund sollte in einer Stunde zurück sein, außerdem verursachte der Abgrund vor seinen Füßen ihm Übelkeit und Schwindelgefühle.
Vorsichtig ging er rückwärts, während er Sandy zu sich rief. Nicht, dass die Kleine noch zu einer Zielscheibe für orientierungslose Teens wurde! Aber obwohl sie einen Moment zuvor noch bei ihm gewesen war, hatte das umliegende Gebüsch sie verschluckt.

„Glaub‘ ich ja nicht, der Seidler!“, rief da eine Stimme hinter ihm. So spurlos, wie Sandy verschwunden war, so plötzlich war eine Gruppe von zehn oder zwölf älteren Jugendlichen aufgetaucht. Sie kamen näher, zwangen ihn, in der Nähe des Abgrunds zu bleiben. Eine Dunstwolke aus Alkohol, Rauch und Schweiß schlug ihm entgegen.
„Hey Alter, was machst denn du hier? Wartest auf uns, was?“, sagte ein großgewachsener, kräftiger Typ mit Tattoos auf seinem kahlrasierten Schädel, die bis in sein Gesicht hinein wucherten.
Jan kannte niemanden wie ihn, und doch kam er ihm bekannt vor. War es möglich … ja, das musste Dennis sein. Dennis, dem er vor Jahren in Geschichte eine Fünf gegeben hatte – und die war geschmeichelt gewesen. Nie hatte der seine Hausaufgaben gemacht, dafür die Stunden geschwänzt wie kein Zweiter. Sein einziger Beitrag zum Thema Nationalsozialismus waren ein paar brandneue Judenwitze gewesen.
„So sieht man sich wieder, Alter!“ Dennis drehte sich zu den anderen um.
„Leute, wegen dem Sack bin ich mal sitzengeblieben. Hey, seht mal, der zittert ja!“, stellte er erfreut fest.
Jan zitterte tatsächlich. Die Nähe zur Kante hinter ihm, der Mob vor ihm, von Sandy keine Spur - ihm wurde endgültig schlecht. Da bemerkte er in der Gruppe ein bekanntes, kaum verändertes Gesicht. Die großen braunen Augen, umrahmt von langen Wimpern, gaben ihm ein Aussehen, das Mädchen wohl als ‚niedlich‘ bezeichnen würden. Er schien nicht so ganz zu den Anderen zu passen. Weiche, fast mädchenhafte Züge, lockige braune Haare, ein etwas ängstlicher Blick. Jan ging einen Schritt nach vorne: „Hallo Sandro!“, sagte er mit der ruhigsten Stimme, die er zustande bringen konnte.
„Wie geht’s dir denn?“
Der Junge zuckte leicht zusammen: “Geht Sie nichts an, Mann!“

So vor ungefähr fünf Jahren, da hatten Sandros Augen noch geleuchtet, wenn sie sich trafen. Jan hatte ihm bei den Schularbeiten geholfen, ihm nebenher noch ein paar Selbstverteidigungsgriffe gezeigt, damit er von den Schlägertypen der Schule in Ruhe gelassen wurde. Erst als wegen ihrer häufigen Treffen Gerede aufkam, hatten sie damit aufgehört. Die Verabredungen waren auch überflüssig geworden, Sandros Schulleistungen hatten sich ausreichend verbessert. Und jetzt stand er hier bei den Typen, vor denen er sich damals gefürchtet hatte. Jan erkannte inzwischen auch ein paar der anderen Jungs, mittlerweile eher Männer.

Betont lässig kam Dennis auf ihn zu. „Mach mal Platz, alter Mann“, sagte er und berührte ihn dabei leicht mit seinem Zeigefinger an der Brust. Die einzige Richtung, in die Jan sich hätte wegbewegen können, waren so etwa acht Meter abwärts. Dennis grinste: „Spaß, Alter, Spaß, schließlich kannst du nicht fliegen, oder? Du verstehst doch Spaß?“ Die Anderen lachten, kamen näher, bildeten wie zufällig einen Kreis um ihn und fingen an, Jan ein wenig hin und her zu schubsen. Nicht angenehm, aber zumindest ein Stück weiter weg vom Abgrund.
"Ey, das macht dem echt Spaß, merkt ihr das? Hat's halt gern mit so netten Jungs wie uns zu tun."
"Total gern, oder Sandro? War überhaupt krass drauf, wisst ihr das noch? War ein Kinderschläger, der Typ!"
"Und jetzt schlagen wir zurück, Bruder!" Einer begann zu treten.
"Das ist für den, den der verprügelt hat. “
„Eine Lüge!“, versuchte Jan zu sagen, es kam nur eine Art Flüstern heraus. Der Kleine damals hatte Nachsitzen bei ihm gehabt, wollte abhauen, war an eine Tischkante gestürzt und hatte sich mit heftig blutender Platzwunde geistesgegenwärtig im Sekretariat gemeldet: „Herr Seidler hat mich geschlagen!“ Zuhause hatte Sabine ihn zweifelnd angeschaut, so, als ob sie ihm das tatsächlich zutrauen würde.

Die Tritte wurden heftiger, die Kante kam näher.
„Warum haben die dich denn rausgeschmissen, wenn du so’n Unschuldslamm bist?“
Wie sollte er erklären, dass seine Verträge immer wieder auf ein Jahr befristet gewesen waren? Und nach diesem Vorfall, ‚ungeklärt‘ nannten die das, gab es einfach keinen neuen mehr. Gar kein Problem, zumindest nicht für das Schulamt. Die Sache wurde bekannt, auch seine Arbeitslosigkeit, andere Gerüchte um ihn kamen auf, schließlich lebten sie in einer Kleinstadt. Selbst Sabines blaue Flecken und die bald darauf folgende Trennung wurden zum Gesprächsstoff. Seither hatte sich für ihn alles geändert.
Aus dem Kreis war inzwischen ein Halbkreis geworden, direkt hinter seinem Rücken befand sich der Felsabsturz. Jans Knie wurden wieder weich, das Schwindelgefühl stärker.
„Sandro, sag mal was! Warst du nicht sein Liebling?“
„Halts Maul, du Spinner! Der war echt zum Kotzen, mir wird jetzt noch schlecht bei seiner Visage!“
Noch während er sprach, ging Sandro plötzlich nach vorne und stieß Jan so heftig, dass er den Halt verlor.

Wieso eigentlich hatte er so eine unglaublich große Angst vor dieser Höhe, vor jeder Höhe gehabt? Das Fallen, das Anschlagen seiner Schulter, seiner Beine an der Felswand, Vorsprünge, die seinen Fall leicht bremsten, das jähe Ende des Sturzes auf dem fast weichen Boden - das alles passierte so unglaublich schnell, war nur von einem kurzen, heftigen Erschrecken begleitet und fast im selben Moment wieder vorbei. Jan sah sich dort unten liegen, das rechte Bein verdreht, in die zunächst noch offenen Augen fiel ein wenig von der nachrutschenden, aufgewirbelten Erde. Er hatte keine Schmerzen, da war auch keine Panik und keine Traurigkeit. Nichts, außer einer wunderbaren Leichtigkeit. Es ging ihm gut, so gut wie niemals zuvor - und es würde noch besser werden. Sein Körper blieb nicht allein, nur das hielt ihn noch. Sandy schnupperte an seinem Hals und legte sich dicht zu ihm. Das war lieb von der Kleinen, ganz bestimmt. Aber er wollte nicht bleiben. Könnte sein Körper schnell genug auskühlen, dann wäre er bald völlig frei.

Am Felsabbruch standen die Jugendlichen. „Du Vollidiot, was hast du gemacht?“, brüllte Dennis. „Man, der ist vielleicht tot!“
„Na und?“ Sandros Stimme klang kühl. „Lass uns hier verschwinden!“
„Nein, ich ruf Hilfe, vielleicht ist noch was zu machen!“
„Spinnst du?“

Es wurde dunkel, Sandy blieb und er mit ihr. Später kam ein Krankenwagen, schon von weitem sah er das Blaulicht, fast gleichzeitig tauchten Polizisten auf, die eine widerstrebende Sandy mit sich nahmen. Er wurde verarztet, zurückgezwungen, und jetzt erst spürte er Schmerzen. Heftige Schmerzen, die kaum auszuhalten waren, bis ihn eine sanfte Dunkelheit auffing. Sein letzter Gedanke war, dass er es nicht geschafft hatte zu gehen.

„Ich muss gehen, kann ja nicht ewig hier sitzen, kommt ihr mit?“
„Wir bleiben lieber noch, vielleicht wacht er auf.“
„Macht euch keine zu großen Hoffnungen, seit Tagen …“
„Schon gut, Mama. Wir bleiben, nur noch ein bisschen.“
„Gut, aber zum Abendessen seid ihr zuhause!“
„Schon klar.“
Vorsichtig blinzelte Jan in grelles Licht, um ihn herum piepste es, der Geruch von Desinfektionsmitteln mischte sich mit einem Rest von Sabines Parfüm.
Mühsam drehte er seinen Kopf und schaute in verweinte Augen.
„Schau mal, Papa wacht auf, ich wusste es!“, flüsterte Louisa.
„Ja.“ Lilly drückte ihm fast im selben Moment einen leichten Kuss auf eine der wenigen freien Stellen in seinem Gesicht.
„Ruf Mama zurück!“
„Ach, lass. Dafür ist später noch Zeit.“

In den nächsten Stunden gelangten mehr Sätze in sein Bewusstsein, nicht alle verstand er ganz.
„Wenn die Operationen gut verlaufen, bleibt Ihnen höchsten ein weniger bewegliches Knie.“
„Mama will mit diesem Holger nach München ziehen, aber wir wollen hier bleiben!“
„Auf eine längere Reha müssen Sie sich allerdings einstellen.“
„Bitte, Papa, dürfen wir bei dir bleiben? Das wär dir doch auch lieber, oder?“

Seine Welt drehte sich wieder einmal. Komplett. Wenn sie ein Zimmer untervermieteten, vielleicht könnte er dann zurück ins Haus? Vielleicht sogar Sandy zu sich holen?
Wie auch immer, er hatte keinen Grund mehr, sich vor irgendetwas zu fürchten.

 

Hallo Eva,

das ist eine sehr schöne Geschichte, hat mich echt gepackt. Mit Jan hast Du eine wirklich tragische Figur erschaffen.
Es ist wahrscheinlich Absicht, dass man nicht so genau erfährt, ob er diesen Jungen beim Nachsitzen vielleicht geschubst, ob er womöglich diesen Sandro sexuell belästigt, eventuell gar seine Frau geschlagen hat?
Und dann, an diesem angstgeladenen Steinbruch, schlägt die Vergangenheit gnadenlos zu, in Form dieser (rechten) Jugendgang. Nein, da will man wirklich nicht in seiner Haut stecken.
Die Botschaft ist für mich: eine Angst zu überwinden, etwas zu wagen, ins kalte Wasser zu springen. Oftmals entsteht daraus sogar etwas Besseres. Obwohl dieser Schritt in diesem Fall ja nicht ganz freiwillig war;).

Ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind. Du setzt Deine Dialoge alle hintereinander, nicht in die nächste Zeile. Das finde ich nicht so schön zum Lesen.

Und der Schluss...
Den Schluss finde ich, im Hinblick auf den Rest des Textes, ein bisschen zu lieblich/kitschig. Ich glaube, da solltest Du etwas verknappen und nur ein bisschen Positives durchscheinen lassen.

Was immer gewesen sein mochte, seine Zukunft war offen. Es gab neue Chancen für ihn. Und auch, wenn er die gar nicht gewollt hatte: Er würde sie nutzen!
Für meinen Geschmack ist das zu viel des Guten. Ich würde nach Abgründen. schließen.

Doch, hat mir sehr gut gefallen.

Schöne Grüße,
Kerkyra

 

Hallo Kerkyra,

vielen Dank für deine Gedanken! Ich habe einiges aufgegriffen davon.
Ja, da bleibt viel im Ungewissen, wie es ja auch bei realen Gerüchten ist. In meiner Phantasie hat er Sandro nicht sexuell belästigt (sonst hätte der sich vermutlich nicht in seinen schulischen Leistungen steigern können), aber es war ein wenig zu nah zwischen den beiden, auch durch die Verteidigungsgriffe, und das hatte zu Gerede geführt, die vor allem der Junge zu hören bekam damals. Spätere dumme Sprüche, ein vielleicht sehr weiches Äußeres, eigene innere Impulse, die Sandro massiv wegdrücken muss in sich - all das könnte zu seinem Stoß geführt haben.
Und ob in der dramatischen Trennungssituation zwischen Sabine und Jan einmal etwas aus dem Ruder lief? Wer weiß.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Tipps!

Grüße von
Eva

 

Hallo Eva

Scheu vor dem Blick in den Spiegel, lösten die Einstiegssätze bei mir glücklicherweise nicht aus, trotz reifem aber Dank ansehnlichem Äusseren. :D Identifikation, welche Leser in Geschichten instinktiv suchen, bedingt sich natürlich nicht an einem einzelnen Bild, mehr in der gesamten Komposition. Der erste Abschnitt vermag dazu bereits einiges zu transportieren und die Lebenssituation des Protagonisten wie auch dessen Gefühlslage mit poetischen Anflügen zu skizzieren.
Nach diesen klärenden Gedanken wagte ich mich eingestimmt und neugierig in den Lebensabschnitt von Jan vertieft einzutauchen, um an diesem mir fremden Geschehen teilzuhaben.

Es ist eine auf den ersten Blick traurig anmutende, letztlich aber erfrischende Geschichte, die in den Übergängen der Handlungen wortspielerisch zu überraschen vermochte.
Als Sandy ins Spiel kam, erwartete ich in Gedanken ahnungsvoll vorauseilend, eine für Jan bestimmte neue Flamme. Auf den Hund zu kommen, wäre ja nicht ferngelegen, doch entzog sich da meiner Vorstellung dieser treue Begleiter von Menschen.
Die ersten Worte, welche Jan wieder vernahm, ordnete ich voreilig erst den Jugendlichen zu, der Meinung, das Blaulicht habe er als Halluzination wahrgenommen. Doch nein, es sind Sabine und die Töchter, welche sich am Spitalbett einfanden.
Diese Szenenwechsel wirkten mir dadurch gelungen konstruiert und erlaubten mir so nicht, sie als Leser vorausblickend bereits zu durchschauen.

Im Schlussabsatz überstürzen sich die Ankündigungen etwas. Hier sähe ich eine mögliche Lockerung darin, wenn zwischen dem von Ärzten und den Töchtern Gesagtem sowie seinen daraus abgeleiteten Erwartungen, eine klarere Abgrenzung sich auftäte, das idealisierte sich als seine Hoffnung die wieder keimt einbringt. Es würde das lieblich/kitschige, wie Kerkyra es wahrnahm, mehr egalisieren und dem Stück einen stärker real wirkenden Ausgang schenken.

Schmunzeln musste ich über die von Jan empfundene Wirkung des Absturzes, sein Gefühl von Befreiung, wie wenn eine Desensibilisierung erfolgreich verlaufen wäre. Ich halte dies für eine tragbare Komponente von wahrscheinlich verschiedenen Möglichkeiten. Selbst empfinde ich Abgründe stets wie ein Sog, deren Grenzen es zu beachten gilt, wenn man nicht mit dem Leben spielen will. :)

Eine kurze aber feine Geschichte, deren Ende ich als Leser gerne noch etwas hinausgezögert gesehen hätte. Aber es ist alles gesagt, was diese Fiktion abdecken musste.

Gern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Eva,

ich habe den Text gelesen und lange darüber nachgedacht.

Er ist gut, und du hast auch diese Abwärtsspirale gut gezeigt; dann seine Schüler, das ist ein gutes Setting. Manchmal ist es mir aber zu viel, zu voll. Der Kahlschädel und die Judenwitze, das ist nah am Klischee, finde ich jetzt. Ich habe es auch so gelesen wie Kerkyra, mit dem vermuteten Mißbrauch. Das liegt nah und ich finde, du solltest dir da diese Dynamik, wenn sie schon vorhanden ist, einfach behalten. Der Leser deutet das ohnehin, wie er möchte.

Mit fehlt bei der Szene mit den Schüler das Aggressive, und auch einen Grund. Ich meine, würden sie tatsächlich so reagieren? Und wenn ja, warum? Ich finde, das kommt nicht raus. Klar, man könnte sagen, Gruppenzwang und so, und Sandro muss sich auch beweisen vor den anderen, aber das ist mir zu einfach. Du könntest das auch besser darstellen mit Dialogen. Wie sie sich reinsteigern, das würde mir logischer vorkommen. Waren die eigentlich berauscht? Das würde dann eher passen. So ist mir das zu fix.

Bester Absatz ist der nach dem Sturz, der ist formidabel. Wie das beschrieben wird, das ist sehr einfühlsam und gut zu lesen. Das irgendwie geartete Happy End finde ich, das passt auch. Bei mir wär er sicherlich gestorben, aber so passt es auch. Fast zu viel des Guten - auch hier würde ich eine knappere, dichtere Schilderung bevorzugen, nicht auserzählen, was genau passiert mit Reha und so, sondern einfach nur skizzieren, andeuten. Das würde ich mir, so als Tendenz, für den ganzen Text wünsche, eine eher sparsamere Sprache, und mehr Dialog, der dann die beschreibenden Teile ersetzt.

Gerne gelesen!

Gruss Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber sehr ansehnlicher Anakreon,

ja, Sandy taugt nicht umsonst auch zum Frauennamen, dahin sollte der Leser sich erstmal denken :). Für einen Schluss, so wie du ihn vorschlägst, fehlt mir die Geduld. Ich finde, nicht ganz unbegründet, denn dieses wiederum plötzliche Umschlagen seiner gesamten Lebenssituation und -sicht wollte ich eben auch 'plötzlich' und knapp schildern.
Dass du über die Nahtoderfahrung Jans schmunzeln musstest, finde wieder ich erheiternd. Ja, die Schweizer, immer für eine Überraschung gut! Die Schilderung hat übrigens Anleihen an den Beschreibungen einer - inzwischen tatsächlich verstobenen - Tante von mir genommen (auch wenn sie damals nirgendwo runtergefallen war).

Selbst empfinde ich Abgründe stets wie ein Sog, deren Grenzen es zu beachten gilt, wenn man nicht mit dem Leben spielen will.
Geht mir auch so, Anakreon.
Vielen Dank für deine Anmerkungen und schön, dass du's gerne gelesen hast!

Liebe Grüße,

Eva

 

Lieber Jimmy,

danke für's Lesen und Kommentieren!

Der Kahlschädel und die Judenwitze, das ist nah am Klischee, finde ich jetzt.
womit du bestimmt Recht hast, weil es aber fast genau so einen - na gut, er heißt jetzt nicht Dennis - jungen Mann gibt (der ist übrigens gar nicht 'rechts' ist, sondern einfach nur gern provoziert - gehört vermutlich zu seinem Lebensgefühl), mag ich da nicht dran drehen. Und letztlich ist es ja jener Dennis, der - vermutlich gegen den Gruppendruck - Hilfe ordert in der Geschichte, da widerspricht er für mein Gefühl dem Klischee wieder.
Ob Missbrauch oder nicht, das liegt letztlich beim Leser. Ich lasse das offen, nur für mich, in der Rolle des Lesers, ist es das nicht. Das schreibe ich aber mit Absicht nicht in den Text, damit jeder seine eigenen Vermutungen anstellen kann.
Mit fehlt bei der Szene mit den Schüler das Aggressive, und auch einen Grund. Ich meine, würden sie tatsächlich so reagieren? Und wenn ja, warum? Ich finde, das kommt nicht raus. Klar, man könnte sagen, Gruppenzwang und so, und Sandro muss sich auch beweisen vor den anderen, aber das ist mir zu einfach. Du könntest das auch besser darstellen mit Dialogen. Wie sie sich reinsteigern, das würde mir logischer vorkommen. Waren die eigentlich berauscht? Das würde dann eher passen. So ist mir das zu fix.
Damit liegst du so was von richtig ... ich brauche sicher etwas Zeit dafür, aber da muss noch was passieren und erklärbarer werden in der Geschichte, und das werde ich auch noch einbauen.
Ja, mehr Dialoge wären sicher gut, bloß, das Formulieren von ebendiesen finde ich extrem schwierig. Wenn ich es besser beherrsche, dann wird es auch mehr davon geben.
Dass es dir insgesamt nicht schlecht gefallen hat freut mich sehr! Danke nochmals für deinen Blick auf die Story,

viele Grüße,

Eva

 

Ich nochmal: Du hast Recht, Eva, der Dennis durchbricht das Klischee am Ende wieder, das stimmt. Dadurch bist du aber noch etwas mehr in Zugzwang bezüglich Sandro, weil du diese Eruption erklären müsstest. Nur ein Gedanke, natürlich!

Wegen den Dialogen: Ich denke, vielen trauen sich zu wenig, wirklich oral zu schreiben. Also so, wie man es tatsächlich sprechen würden. Ich versuche, bei Gesprächen hinzuhören, und es dann auch so wiederzugeben, mit allem Verschlucktem und Abgekürzten. So ist Sprache, lebendig. ;)

Gruss, Jimmy

 

Hallo Eva,
auch ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Interessant fand ich auch die Rolle von Sandy. Erst ist sie das einzige Licht im Dunkel. Dann führt sie ihn an den Abgrund und bringt ihn damit erst in diese prekäre Lage. Die sich letzlich als Rettung entpuppt. Und am Ende gibt es vielleicht die Möglichkeit, dass sie ganz zu seinem Leben dazu gehört. Auf jeden Fall ist sie so ein wohltuender Kontrapunkt zu seiner Schwermut, zu dem Desinteresse seiner Kinder und auch zu der Aggression der Jugendlichen.
Bei den Jugendlichen kam mir der Gedanke, dass sie Ausführende sind, die seine eigene Todessehnsucht in die Tat umsetzen.

Dann sind mir noch zwei Sachen aufgefallen.

Doch jeder Reim spukte Blut, nichts als weinerliches Wimmern war dabei herausgekommen.
Dieser Satz gefällt mir sehr gut, sehr plastisch, aber müsste es nicht "spuckte" heißen?

Gespräche mit seinen Töchtern halfen ihm mühsam zu verstehen, dass Sabine zwar Teil seines Lebens bleiben würde, aber Teil eines vergangenen Lebens.

Das alles ist mir für zweieinhalb Stunden nach dem Aufwachen etwas zuviel. Ich habe auch überlegt, ob man die Geschichte nicht mit dem Dialog enden lassen könnte, wenn man ihn vielleicht noch ein bisschen erweitert.

Liebe Grüße von Chutney

 
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Danke Jimmy, für's erneute Vorbeischauen! Ja, der Sandro, das könnte ich bisher nur so beschreibend erklären und das finde ich nicht so gut. Aber ich überlege weiter.
Und danke auch für den Tipp, ich werde versuchen, ihn umzusetzen.

Hallo Chutney,

ist mir auch sehr wichtig, der Hund. Und in Jans Lage, die komplizierte Lebensstrukturen, denen er ausgesetzt ist, da ist so ein direktes und liebevolles Element (ohne Vorurteile vor allem) schon essentiell, um überhaupt zu überleben.
Klar, es sollte 'spuckte' heißen, hab es verbessert :-).
Ich packe viel hinein zum Schluss, da hast du Recht. Aber für mich stimmt das so, objektiv gesehen könnte ich da aber durchaus daneben liegen.
Vielen Dank für dein Feed back, es hat mich gefreut!

Grüße aus Südhessen von

Eva

 
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Liebe Eva!

Der erste Absatz beschreibt den seelischen Zustand deines (Anti-) Helden. Beginnend beim desolaten Äußeren, dann unmittelbar der Schwenk in sein Innenleben, welches sich in Form weinerlicher Gedichte an die Außenwelt wendet. „Jeder Reim spuckte Blut“, das ist in einem Absatz, wo es um graue Haut und Tränensäcke geht, schon ein sehr starker Ausdruck. So ein Paukenschlag im Text. Aber der nächste Satz liefert die Erklärung. Die Gedichte sind genauso dem Tod geweiht wie Jan sich fühlt.
So, dann hat Jan auch noch Zwillinge, Mädchen im Teenager-Alter, was die Erklärung zu den Tränensäcken sein dürfte …

Sandy, ein Hund; Das ist eine Überraschung, irgendwie. Aber ganz ehrlich, eine (menschliche)Freundin hätte mich mehr verwirrt. Das war so mein Gedanke, als ich „Sandy“ las, wie zum Teufel kommt der an eine Sandy?

Dann kommen ein paar schmutzige Details aus Jans Vergangenheit heraus und ich als Leser in gewisse Nöte hinein. Was soll ich nun von Jan halten?
Ich finde das schon sehr tricky, wie das hier gemacht ist. Erst wird Mitleid erregt (ein alternder, von der Familie verlassener Mann) und dann kehrt sich alles scheinbar oder anscheinend um und er steht dort am Steinbruch und erhält die gerechte Strafe. Aber alles mit Fragezeichen. Da wird der Leser plötzlich zum Schöffendienst gerufen!
Beim zweiten Durchlesen bin ich drauf gekommen, dass Jan unschuldig ist. Nicht aufgrund von inhaltlicher Information, sondern wegen der Art, wie der Erzähler die Verteidigung vorbringt.

Jan steht mit dem Rücken zum Abgrund. Vor ihm eine Horde Killerkaninchen und weit und breit kein Bruder Maynard nebst heiliger Handgranate.
Eine neue Richtung kommt jetzt rein. Nicht nur Jan muss sich rechtfertigen und Angst haben, sondern plötzlich auch Sandro, ein Mitglied dieses bedauernswerten Haufens („Sandro, du kennst den doch? Warst du nicht sein Liebling?“). Dessen Überreaktion kommt, wie es bei Überreaktionen meistens ist, überraschend. Aber er hat in dem Moment wohl auch eine Menge zu beweisen.

Am Ende glaubt Jan, sich vor nichts mehr fürchten zu müssen. Nun ja, die Zwillinge sind immer noch Mädchen und siebzehn Jahre alt …
Ja, am Ende wird wieder fast alles Gut. Im Prinzip braucht die Geschichte diesen ganzen Ausklang nicht. Sie könnte auch damit enden: „Sein letzter Gedanke war, dass er es nicht geschafft hatte zu gehen.“ Mir hätte nix gefehlt, weil das, was mich in der Story aufgewühlt hat, da längst Vergangenheit ist. Und Jan interessiert mich als figur nicht so sehr, das ich dieses Ende brauche. Das klingt hart, ist es aber aus meiner Sicht nicht. Denn für mich ist die Geschichte in erster Linie ein Psychospiel mit dem Leser … siehe Stichwort Schöffendienst. Da ist halt das Beschäftigen mit der inneren Moral gefragt. Das ist das, was die Geschichte für mich in erster Linie leistet.
Und das macht sie gut!

Lieben Gruß

Asterix

Nachtrag:
Hey! Geiles Buch, was du da liest. Hab ich auch, kann ich nur empfehlen! :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Asterix,

zum Nachtrag: hast du ja schon :thumbsup:

Danke für deinen Kommentar und schön, dass du verstanden hast, um was es mir geht.

So, dann hat Jan auch noch Zwillinge, Mädchen im Teenager-Alter, was die Erklärung zu den Tränensäcken sein dürfte …
Am Ende glaubt Jan, sich vor nichts mehr fürchten zu müssen. Nun ja, die Zwillinge sind immer noch Mädchen und siebzehn Jahre alt …

Da stecken jede Menge einschlägiger Erfahrungen drin, so, wie sich das liest bei dir. :lol:
Aber Teens sind ja nicht auf der Welt, um ihren alten Herrschaften Freude zu machen. Die haben andere Ziele und Interessen, und das völlig zu Recht.
Aber alles mit Fragezeichen. Da wird der Leser plötzlich zum Schöffendienst gerufen!
Genau so sollte es sein, fein, dass es geklappt hat.

Ja, am Ende wird wieder fast alles Gut. Im Prinzip braucht die Geschichte diesen ganzen Ausklang nicht.
Ehrlich gesagt ist es wohl so, dass i c h das brauche, da muss sich die Geschichte halt mit abfinden.
Vielen Dank für deine Zeit und deinen freundlichen Kommentar!

Liebe Grüße,

Eva

P.S.
Vielleicht hat jemand Lust mir zu sagen, ob das Ende so ein wenig verträglicher wär? Wäre echt nett!

In den nächsten zweieinhalb Stunden gelangten ein paar Sätze in sein Bewusstsein, nicht alle verstand er ganz.
„Wenn die Operationen gut verlaufen, bleibt Ihnen höchsten ein weniger bewegliches Knie.“
„Mama will mit Holger nach München ziehen. Der kriegt da einen super Job. Du weißt doch, wer Holger ist? Ihr Neuer. Soweit ganz in Ordnung, aber wir wollen hier bleiben!“
„Auf eine längere Reha müssen Sie sich allerdings einstellen.“
„Bitte, Papa, dürfen wir bei dir bleiben? Das wär dir doch auch lieber, gib’s zu“
Seine Welt drehte sich wieder einmal. Komplett. Vielleicht, wenn sie ein Zimmer untervermieteten, vielleicht könnte er dann zurück ins Haus? Vielleicht sogar Sandy zu sich holen?
Wie auch immer, er hatte keinen Grund mehr, sich vor irgendetwas zu fürchten.

 

Liebe Eva!

Der neue letzte Absatz ist straffer und aus Jans Sicht. Das wird hier sofort deutlich, bei der alten Version wird das nur hinterhergeschoben.
Neu: In den nächsten zweieinhalb Stunden gelangten ein paar Sätze in sein Bewusstsein, nicht alle verstand er ganz.
Alt: Jan hörte die Stimmen erst leise, so, als würde hinter einer dicken Wand gesprochen, dann lauter, …

Vielleicht kannst du diese kleine Szene noch in die neue Version einarbeiten – ich meine, die sagt sehr viel aus:
„Schau mal, Papa wacht auf, ich wusste es!“, flüsterte Louisa und drückte ihm fast im selben Moment einen leichten Kuss auf eine der wenigen freien Stellen in seinem Gesicht.
„Ruf Mama zurück!“
„Ach, lass. Dafür ist später noch Zeit.“

Lieben Gruß!

 

Kann ich an Monty Python vorbei, nee ne,
und schon gar nicht an Dir,

liebe Eva,
aber keineswegs nur wegen des zwoten Satzes aus Zukunft/Konjunktiv vs. Vergangenheit – und da knack ich dran:

Schon möglich, dass es irgendwann einmal angesagt sein würde, deutlich älter auszusehen als die Jahre es hergaben
Wobei der Gegensatz sich schlicht in einem „gerade jetzt/in diesem Augenblick (hergab)“ oder dem Konjunktiv „hergäben“ auflöste - beim „wirken“ im folgenden, sich verselbständigten Nebensatz fiele das gar nicht mal auf, stünde dort „wirkten“. Es ließe sich auch schlicht umgangssprachlich (wofür die würde-Konstruktion stehen mag) als Präsens im futuristischen Kleid formulieren
Schon möglich, dass es irgendwann einmal angesagt [ist], deutlich älter auszusehen als die Jahre es hergaben.
(Die Variationen ließen sich fortsetzen, aber dass Du mir mal so’n Brocken vorsetzt, hätt ich nicht gedacht.)

Ja, so ist das mit der Gerüchteküche heutzutage, wobei die Medien keine unbedeutende Rolle spielen. Da behauptet A was gegen B und C verbreitet es weiter – und ein Körnchen Wahrheit wird sich in dem „Gerufe“ finden lassen. Denn das Gerücht stammt gar nicht aus der Küche. Im Mittelniederdeutschen wurde das Hochdeutsche geruofte als geruchte ausgesprochen und die Medien fangen das Geschrei in Schriftform ein, um es zu verbreiten. So werden Karrieren abgebrochen, die nicht alle zum Guten sich wenden wie in der Geschichte.

Aber ein paar Flusen sind noch aufzusammeln (wird weniger ...!):

„Mach mal Platz[,] alter Mann“, sagte er …
wobei es mir nicht wie ein Aussagesatz klingen will!)
Nichts[,] außer einer wunderbaren Leichtigkeit.

Hier geht mal der Numerus aus dem Ruder
Die einzige Richtung, in die Jan sich hätte wegbewegen können, war[…] so etwa acht Meter abwärts.

Hier wäre die Leerstelle einzuführen
„Du Vollidiot, was hast du gemacht?“,[…]brüllte Dennis.
hier besser das allgemeinere Pronomen „man“
„Man[…], der ist vielleicht tot!“

Wie immer gern gelesen vom

Friedel,
der schon mal vorsorglich ein schönes Wochenende wünscht

 

Lieber Asterix,

vielen Dank für deine erneuten Gedanken, ich habe jetzt so eine Kombination versucht. Ein nettes Wochenende für dich! Viele große Kleinstadtgrüße!

Lieber Friedel,

nett, dass du hier warst! Die Fehler habe ich bereinigt, bis auf " ... einzige Richtung ... waren acht Meter" weil ich meine, war(en) könne sich auch auf die Meter beziehen und nicht unbedingt auf die Richtung.
Freut mich sehr, dass du es gerne gelesen hast. Und auch für dich ein erfreuliches Wochenende!
Liebe Grüße,

Eva

 

Hallo Eva,
getreu meiner neuen Strategie, habe ich die anderen Kommentare nicht gelesen, tut mir also leid, wenn ich etwas wiederhole.
Die Geschichte ist angenehm geschrieben, flüssig, die Komposition geht auf. Ich persönlich bevorzuge es, wenn die Stimme charakteristischer ist, ein mehr an Sprache, aber hier ist diese Schlichtheit dem Stoff, den Figuren geschuldet, insofern will ich da jetzt auch nicht dran rummeckern.
Ich finds ganz schwierig, eine Meinung zu diesem Text zu bilden, weil mir persönlich die Figuren, die Umgebung, dieses Leben, was hier beschrieben ist, keine Identifikationsfläche bieten, aber ich möchte trotzdem versuchen zu ergründen, wie die Geschichte wirkt, was sie erreichen will und ob es ihr gelingt. Ich hoffe, meine Überlegungen nützen dir irgendwas.
Was erzählst du also. Was ist hier der Konflikt. Ein Mann erlebt einen Tiefpunkt in seinem Leben und wird von allen Menschen, die ihm nahe stehen, mehr oder weniger verlassen. Er verliert seinen Job, wird von der Umgebung ausgegrenzt, es geht ihm insgesamt elend, er hat nur noch diesen süßen, kleinen Hund. Das ist die Ausgangssituation, sie ist insofern sehr klassisch. Durch deine Art der Schilderung empfindet der Leser Sympathie mit Jan, er ist irgendwie ein Opfer der Umstände. Hier liegt ein bisschen das Problem. Es ist alles glatt. Man muss die Figur mögen, mit ihr empfinden, da ist eben dieser arme Kerl, man sieht ihn bloß mit einem Blick, da fehlt es an Ambivalenz, die literarisch immer reizvoll ist. Es wäre natürlich Quatsch zu behaupten, dass ein Charakter immer ambivalent sein muss, um den Leser anzusprechen, aber, wenn man sich für einen liebevollen Blick entscheidet, dann sollte man mehr Komplexität in die Figur reinbringen, dann sollte in der Betrachtung irgendein Mehr zu finden sein, eine Hintertür, eine besondere Perspektive. Wenn auch diese nicht geboten wird, dann muss der Plot originell sein, dann muss die Ausgangskonstellation derart ungewöhnlich sein, dass der Leser wissen will, was weiter passiert.
Du machst es, so wie ich das beurteile, über den Plot. Du lässt Jan spazieren, führst ihn und die Jugendlichen zusammen, es kommt zu der Eskalation und der Sturz ist auch eine Art umfassende Katharsis. Auch wohl irgendwie symbolisch, oder so. Jan wird innerlich befreit und mit der Familie stellt sich auch alles wieder ein. Happy End, sozusagen. Das finde ich alles sehr nett und man freut sich irgendwo auch für den armen Jan, aber so richtig nahe geht mir das alles nicht. Ich frage mich warum. Vllt hat er nicht genug gelitten, vllt habe ich als Leser nicht genug mit ihm erlebt, vllt hatte ich nicht genug Zeit und Motivation, um mich gegen die Jugendlichen zu stellen, weil sie, so wie sie hier gezeichnet sind, zu wenig Persönlichkeit bekommen. Die Chance wäre hier möglicherweise, die Beziehung mit Sandro tiefer auszubauen, dort mehr Uneindeutigkeit reinzubringen, vllt das ganze Geschehen am Rand des Steinbruchs intensivieren, die Figuren irgendwas tun zu lassen, was man nicht von ihnen erwartet - ich weiß es nicht. So bleibt für mich der Text zu stark in einem bestimmten Schema gefangen, dessen Struktur und Logik mich nicht mehr packen können. Das ist schade. Und Happy Ends sind leider immer ein bisschen schnulzig und wenn ich schon am Ende hach! machen soll, dann will ich vorher ein bisschen mehr gelitten haben. Ich muss bei sowas immer an die Drei-Groschen-Oper denken, wo sinngemäß gesagt wird, dass sich der Mensch schon so sehr an das Leid gewöhnt hat, dass er, um Mitleid zu empfinden, nach immer stärkerem Leid verlangt. So ging es mir auch hier. Man hat halt schon so oft von tragischen Schicksalen gelesen, von Männern, die verlassen wurden, von Kindern, die sich gleichgültig verhalten, von der Gesellschaft, die sich weggedreht hat, dass man nur dann Emotionen zu "erübrigen" bereit ist, wenn das Schicksal noch packender, noch dramatischer ist. Also so ungefähr. Ich hoffe, ich drücke mich verständlich aus.
Also, liebe Eva, ich habe das Lesen schon als angenehm empfunden, aber es hat mich leider nicht so richtig berühren können. Ich hoffe, du kannst was mit meinen Anmerkungen anfangen.
Liebe Grüße,
randundband

 
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Lieber randundband,

ich danke dir für die Beschäftigung mit meiner Geschichte!
Dass sich im Mittelteil noch zu wenig entwickelt, die Jungendlichen zu unkonkret sind, darin stimme ich dir zu. Wenn ich Zeit und Inspiration habe, werde ich daran noch basteln.

Durch deine Art der Schilderung empfindet der Leser Sympathie mit Jan, er ist irgendwie ein Opfer der Umstände. Hier liegt ein bisschen das Problem. Es ist alles glatt. Man muss die Figur mögen, mit ihr empfinden, da ist eben dieser arme Kerl, man sieht ihn bloß mit einem Blick, da fehlt es an Ambivalenz, die literarisch immer reizvoll ist.
Da glückt mir, zumindest für dich als Leser, etwas nicht, das doch beabsichtigt war. Ich wollte beim Lesen zum Grübeln bringen - was ist dran an den Unterstellungen, was nicht. Wenn ehemalige Schüler so reagieren, wenn die Ehefrau ihm Brutalität gegenüber einem Schüler zutraut, wenn sie selbst erst blaue Flecken hat und dann geht ... ich finde darin zumindest angedeutete Ambivalenz, glatt ist das in meinen Augen nicht.
Jan wird innerlich befreit und mit der Familie stellt sich auch alles wieder ein. Happy End, sozusagen.
Ja, das ist tatsächlich als innere Befreiung von einigen seiner Ängsten gedacht. Aber dass sich mit seiner Familie 'alles wieder einstellt' sehe ich nicht so. Die Frau, die er liebt, zieht mit einem anderen Kerl weit weg und ist jetzt auch nicht soo daran interessiert, wie es mit ihm weitergeht. Die Mädels haben ihn zwar lieb (vermutlich schon immer, waren aber altersadäquat mit Anderem beschäftigt) und vielleicht, falls das finanziell hinkommt, kann er ins Haus zurückziehen. Was er zurückbehält in seinem zukünftigen Leben, ist ein steifes Knie. Also, für mich persönlich wünsche ich mir komplettere Happy Ends :hmm:.
Und Happy Ends sind leider immer ein bisschen schnulzig und wenn ich schon am Ende hach! machen soll, dann will ich vorher ein bisschen mehr gelitten haben.
Also noch mehr als üble Verdächtigungen, verlassen werden, Distanz zu den Kindern, einer aggressiven Gang begegnen, dabei fast sterben ... mehr mag ich ihm ehrlich gesagt nicht zumuten.
ich habe das Lesen schon als angenehm empfunden, aber es hat mich leider nicht so richtig berühren können.

Ja, da sagst du was, das schon öfter auf meine Geschichten rückgemeldet wurde. Und ich dachte schon, es sei mir diesmal besser gelungen. Schade. Vielleicht liegt es einfach an mir selbst, ich glaube tatsächlich, dass da so eine eingebaute Grenze ist bei mir, über die ich nicht kann. Und das spiegelt sich wahrscheinlich im Text, eine gewisse Distanz vielleicht.

Nochmals lieben Dank für dein Lesen und Kommentieren!
Und ein schönes Wochenende,

viele Grüße,

Eva

 

Hallo Eva,
ich nochmal. Happy End ist vllt übertrieben, aber es geht jedenfalls in die versöhnliche Richtung. Aber sei es drum, mir geht es irgendwie vielmehr um das hier:

Ja, da sagst du was, das schon öfter auf meine Geschichten rückgemeldet wurde. Und ich dachte schon, es sei mir diesmal besser gelungen. Schade. Vielleicht liegt es einfach an mir selbst, ich glaube tatsächlich, dass da so eine eingebaute Grenze ist bei mir, über die ich nicht kann. Und das spiegelt sich wahrscheinlich im Text, eine gewisse Distanz vielleicht.
Was ich jetzt sage, hast du bestimmt schon häufig gehört, aber ich finde das halt sehr wichtig. Ich glaube, wenn man über Menschen schreibt und den Leser erreichen will, sollte man sich auch als Autor eine Blöße geben. Irgendwo muss das dann über den Erzähler reinfließen, ob es nun ein positives oder negatives Gefühl ist, jedenfalls sollte es eines sein, das zu teilen, einen Überwindung kostet. Also ich versuche es immer so zu machen. Es muss natürlich nicht immer vollkommener Seelenstriptease sein und viele Autoren schaffen auch gerade durch Distanz Intensität zu erzeugen, aber ich finde schon, dass man es merkt, wenn der Autor dem Leser durch den Text eine Art unbequemes Geheimnis anvertraut. Also vllt ist es überhaupt nicht der richtige Weg für dich oder du willst es nicht oder du machst es und ich bemerke das nicht :(, keine Ahnung, aber ich wollte das einfach mal loswerden. Hoffentlich kannst du was damit anfangen.
Liebe Grüße,
randundband

 

Lieber randundband,

Also vllt ist es überhaupt nicht der richtige Weg für dich oder du willst es nicht oder du machst es und ich bemerke das nicht
Letzteres, aber wahrscheinlich kriege ich das noch nicht so hin, dass sich das ausreichend vermittelt.
Danke für die erneute Rückmeldung!

Grüße,

Eva

 

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