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Blut, Asbach und andere Normalitäten

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Blut, Asbach und andere Normalitäten

So sah es also aus. Beim Töten hatte ich jedenfalls meine Ruhe. Und nun steckten sie mich in die Ausschlachtung. Das Töten war zwar kein sauberes Geschäft, aber ich stand dort alleine in der Box, abgetrennt durch eine Edelstahlkippe vom Rest des Fließbandes. Ich hatte es nur mit Rindern, Kühen und Bullen zu tun, die in der Regel völlig sorglos ihren letzten Gang antraten. Jetzt war ich mitten im Schlachtbetrieb. Von morgens sechs Uhr bis abends um sechs, zwölf Stunden rot-weißes Fleisch vor meiner Nase.

An irgendeinem der vielen Dienstage ging ich in die Umkleide, zog meinen weißen Overall an, setzte die weiße Mütze auf den Kopf, schlupfte in die wunderbaren Gummistiefel und stapfte über den Hof zur Schlachthalle. An der Glastür stoppte ich kurz, blickte ins Glas und stellte fest, dass ich wie ein Idiot aussah. Aber egal; ich betrat den Vorraum. Dort hingen zwei Schleifböcke an der Wand. Die Metzger standen Schlange. Jeder wollte seine Messer schärfen. Ich murmelte ein »Guten Morgen« und erreichte die gekachelte Schlachthalle. Der Meister sah mich und wies mir meinen Arbeitsplatz zu. Ich sollte bis zur Mittagspause die Rinderhälften von den großen Haken auf Eurohaken umhängen. Um das bewerkstelligen zu können, fuhr ich mit einem pneumatischen Lift, den man per Fußpedal bedienen konnte, in luftige Höhen; in einem Gitterkorb stehend. Direkt vor mir war die Umhängung von Standard- auf Eurohaken an der Decke montiert. Ich lehnte mich an den Gitterkorb und wartete auf die halbierten Teile.

Fünf Minuten später ging es los. Nach der Tötung wurden sie jeweils an beiden Hinterläufen auf Haken gehängt, hochgezogen und abgestochen. Der Kopfschlächter drückte ihnen seine Klinge in den Hals, schnitt von links nach rechts, beschaute sich sein Werk jedes Mal, und betätigte den Knopf. Danach wurden die vier Läufe mit der Säge gekürzt. Die Haut wurde geritzt, angekettet, und mit einer Motortrommel vom Körper gezogen. Den Kopf trennte man ab und übergab ihn dem Feinmechaniker, der die Hörner abflexte, die Augen heraus trennte, die Kopfhaut abzog, das Paket mit dem Unterkiefer an einen Haken hing und schlussendlich das Band freigab. Der restliche Körper durchlief inzwischen die Öffnung. Ein Metzger schnitt den Wamst auf, von oben nach unten, eine Ladeschaufel fuhr automatisch drunter; dort fielen die Innereien hinein, wurden nach hinten befördert, und von einem kleinen Italiener nach zwei Kriterien zerlegt - Sauerei und Essbares. Dinge wie Pansen und so weiter, all das wurde gesammelt und zur Weiterverarbeitung geleitet. Der große Körper wurde zersägt, die Nieren entfernt, Fett abgeschnitten und in eine Bodenöffnung geworfen. Der daueralkoholisierte rumänische Tierarzt drückte völlig desinteressiert seinen großen blauen Stempel auf das Fleisch, bezifferte es, klebte Strichcodezettel drauf, und ließ das Band weiterlaufen. Nun kamen diese riesigen Fleischstücke in eine große Dusche.

Jetzt kam ich an die Reihe. Die Hälften legten sich in die Kurve, baumelten hin und her, wurden durch eine Sperre gestoppt und ich holte einen Eurohaken, legte ihn in die Kranaufhängung und gab per Knopfdruck die Sperre frei. Es zischte, das Teil kam angeschossen, ich quetschte den Haken hinein, drückte auf den Aufwärtsknopf der Fernbedienung und versuchte den großen Haken rauszuwursteln. Ich merkte sehr schnell, dass das Gewicht der Rinderhälften das Herausdrehen des großen Hakens zu einer gefährlichen Arbeit machte. Eine Sekunde nicht aufgepasst, schon hatte man sich die Hand gequetscht oder ein Finger war ganz ab. Die zwei Haken verklemmten sich sehr oft gegeneinander unter dem Gewicht, oder ich musste die Hälfte mit der rechten Hand drehen, während die linke die Aufhängung hielt und der linke Fuß das Fußpedal bediente. Ich zog an diesem großen Haken, drückte ihn nach vorne, nach hinten, nach oben und nach unten. Alles war glitschig und ließ sich kaum packen, der Haken flutschte endlich raus, entglitt manches Mal dem schmierigen Handschuh und fiel auf den Boden.

Ich gewöhnte mir an zu singen. Ich sang laut. Denn der Lärm in der Halle war unbeschreiblich, dazu der Dampf, der sich innerhalb von einer halben Stunde bildete. Das Fleisch war noch warm, draußen war es kalt, und so sammelte sich der stinkende Nebel unter dem Dach - dort wo ich arbeitete. Ich ließ das Fleischteil nach oben fahren, hängte es an die Rohrbahn, die zum Kühllager führte, und musste nun die Aufhängung lösen. Leider waren manchmal die Knochen im Weg, also hieb ich auf diese Knochen ein, drückte, fluchte und schrie, bis sie nachgaben. Doch zum Verschnaufen kam ich nicht. An der rechten Rohrbahn bildete sich ein Stau. Ich beschloss, schneller zu werden, aber ich merkte bald, dass das auf Kosten der Sicherheit ging. Nach einer Stunde setzte die Hakenbeförderung an der linken Bahn aus. Ich musste also jedem Rinderteil einen großen Schubs geben, damit es die nachfolgende Transportkette erreichte. Das kostete Kraft und Zeit; ich sang noch lauter.

Der Nebel nahm zu. Ich vernahm Schreie, Flüche und Unbekanntes. Es drang wie Geisterbahnstimmen an meine Ohren. Die Verursacher waren nicht auszumachen. Die Welt bestand nur noch aus Gestank, Nebel, Schreien, Förderlärm und mich - so schien es. Ich dachte an Pause. Ja, ich dachte an eine schöne Pause, einen Becher Kaffee in der Hand, eine Zigarette im Mund und Ruhe, frische Luft. Das baute mich auf. Ich gewöhnte mir an, den Hälften, die da so baumelnd auf mich zukamen, Namen zu geben. Ich begrüßte Karl oder Fritz oder Arschloch. Ich wünschte ihnen Glück für den weiteren Verlauf ihrer Zerlegung. Na ja, dachte ich mir, es hatte Vorteile. Ich ging dazu über, sie zu beschimpfen. Sie antworteten nicht. Zwischendurch sang ich wieder ein paar Lieder. Wunderbar, es gab schlimmere Arbeiten. Eine Sirene holte mich aus meinen Gedanken. Pause.

Ich sah zur rechten Rohrbahn. Dort hingen noch sieben Hälften. Die mussten noch weg, in den Kühlraum. Ich rechnete kurz. Zehn Minuten würde ich dafür brauchen. Die Pause ging fünfzehn Minuten. Mir blieben also etwa acht Minuten zur Erholung, denn die Metzger waren schnell, sie würden ja nach fünfzehn Minuten mit ihrer Pause fertig sein und sofort wieder loslegen. Ich riss mich am Riemen und schaffte die Dinger in sieben Minuten, fuhr nach unten, zog die Handschuhe aus, wischte mir übers Gesicht und steuerte auf den Kaffeeautomaten zu.
Draußen angekommen, zündete ich mir eine Zigarette an, zog tief durch und genoss jede Sekunde. Früher hätte ich niemals geglaubt, dass man den wenigen Minuten, die man hatte, eine solche Ruhe abgewinnen konnte. Doch im Laufe der Jahre lernte man, die kurze Zeit, die sie einen in Ruhe ließen, zu genießen. Vor dem Kaffeeautomaten traf ich den Feinmechaniker.

»Was machst du denn jetzt?«, fragte er.
»Ich arbeite an der Umhängung.«
»Ach du großer Gott«, war seine Reaktion.
»Warum „ach du großer Gott“?«
»Scheißarbeit. Im Moment machen wir 35 die Stunde. Wart‘s mal ab, bis das neue Band fertig ist, dann machen wir 75. Dann kommst du nicht mehr nach. Wenn dann mal die ersten zehn auf dem Boden liegen, wirst du wissen, was ich meine.«
»Davon hat mir vorher keiner was gesagt.«
»Das sagen sie einem nie.«
Na prima, dachte ich, trank meinen Kaffee leer, entzündete noch eine Zigarette und ging zurück.
Die Metzger standen wieder vor den Schleifböcken. Ich ging schnurstracks aufs Klo. Das Klo war direkt neben der Kopfschlachtung. Es war dunkelgrün gekachelt, und vor jedem Pissoir drückte sich eine große Blutlache auf dem Boden rum. Das kam von den Kopfschlächtern, die hier drei Minuten pinkelten und denen dabei das Blut von ihrer Gummischürze und den Stiefeln rann. Man stand in diesen roten Lachen und pinkelte seinen gelben Urin in das weiße Becken, das an einer dunkelgrünen Wand hing. Ein wahrhaft expressionistischer Eindruck. Dazu kam der widerliche Gestank, einer Kombination aus Pisse, Blut und Schweiß. Ich schüttelte ab und ging wieder in die Halle.

Der Lärm nahm zu, der nächste Schwung Tiere kam. Ich erklomm mein Podest, fuhr nach oben und richtete mir die kleinen Haken in Griffweite zurecht. Da kamen sie wieder. Karl, Otto, Hans, Fritz und Arschloch. Mein linker Handrücken war inzwischen infolge mehrerer leichter Quetschungen ziemlich angeschwollen. Mein rechtes Handgelenk lag in den letzten Zügen, denn ich hatte an die hundert Hälften gedreht. Aber es ging weiter. Sehr schnell füllte sich der Raum unter der Decke mit Nebel und Gestank, dieselben Schreie, Flüche. Einmal, als ich kurz über die Maschine nach hinten blickte, sah ich durch den Nebel den kleinen Italiener, der die Innereien sondierte, wie er ein wabbeliges Gelumpe nach einem Kollegen warf. Es traf nicht, landete auf dem Boden und wackelte noch zehn Sekunden vor sich hin.

Ich betätigte den Knopf, es zischte, ich hängte um, sondierte meine Quetschung, die langsam wuchs, versuchte die Aufhängung anders zu halten, und erwartete sehnsüchtig die Mittagspause. Ich fragte mich immer wieder, ob ich nicht gehen sollte. Man wusste ja, was man sich wert war, oder? Sie wollten mich fertigmachen, dessen war ich mir sicher. Der Meister blickte ab und an zu mir hoch, legte einen unbestimmten Blick in seine Augen und ging weiter. Ich lächelte dann immer, und sagte ihm, dass alles klar wäre. Und doch ging mir dieser Gedanke nicht aus dem Kopf. Wie viele Idioten wie mich gab es wohl, die irgendeine Arbeit machten, und nicht wussten, wofür?

Nach einer langen Zeit kam die Mittagspause. Es war wieder derselbe Ärger. Während die anderen schon ihren Kaffee schlürften, machte ich meine Bahn leer und es fehlten mir wieder an die zehn Minuten. Ich besorgte mir diesmal zwei Becher voll Espresso, ging in den Pausenraum, setzte mich zwischen die Metzger und genoss die körperliche Ruhe. Es war angenehm, den Reden der Kollegen zuzuhören. Es waren zwanzig Mann, davon hatten achtzehn keinen Führerschein mehr. Ihre Hemden, ihre Hosen, ihre Unterarme, das Gesicht - alles war blutverschmiert; es machte ihnen nichts aus. Mir ebenso wenig. Schließlich war es der Saft des Lebens.

Die Pause dauerte eine halbe Stunde. In dieser Zeit leerten die Jungs anderthalb Kästen Bier. Doch etwas genial Neues sah ich auch hier. Ich hatte schon hier und da gearbeitet, und überall traf man auf wundervolle Problemlösungen. Die Metzger hatten alle Gummischürzen an, die mehr oder weniger zu groß waren. Beim Motorsägenmann war die Schürze, aufgrund körperlicher Masse, zu eng. Sie saß sehr knapp auf seiner Brust, und in diese Enge klemmte er sich eine Flasche Asbach. Ein guter Liter Asbach Uralt. Er schraubte den Verschluss ab, steckte einen Gummischlauch in die Flasche, nahm den Gummischlauch in den Mund, sog daran, und ging zur Arbeit. Er hing sozusagen an der Infusion. Ich fand das umwerfend praktisch - Not machte erfinderisch.

Der Meister kam und teilte mich einer neuen Aufgabe zu. Die Umhängung übernahm ein Rumäne, denn der ekelte sich vor Innereien. Man trug mir auf, in der ganzen Halle die verwertbaren Kutteln einzusammeln, an Gitterrahmen zu hängen, dann die Gitterrahmen mit dem Fahrstuhl in die Weiterverarbeitung zu verfrachten. Kutteln machten mir nichts aus, die Arbeit war wesentlich einfacher und bequemer. Ich stellte also jedem Ausschlacht-Team leere Kisten vor die Füße und nahm die vollen mit. Den Inhalt spießte ich auf die mit Haken bewehrten Edelstahlgitter und beförderte sie in den ersten Stock.

Zwischendurch ging ich regelmäßig zum Kopfschlächter, holte eine Kiste Rinderaugen, und brachte sie in den Keller. Ein komischer Anblick war das schon. Eine Kiste voll Augäpfel. An die zweihundert, ordentlich schwer und sie blickten in alle Richtungen. Der Kopfschlächter war ein Scherzkeks. Er stand vor seinem Plastikbrett, auf dem der Kopf lag, an dem er gerade herumschnitt, und inmitten einer dicken Blutschicht thronte sein Kaffeebecher. Er hatte eine Zigarette im Mundwinkel und erklärte mir, dass ich es am schönsten hätte. Einmal kam ich zu ihm und er war gerade dabei, mit absoluter Geschicklichkeit drei Augäpfel durch die Luft zu jonglieren.

»Prima«, sagte ich. »Glatt ne Nummer für den Zirkus.«
»Das übe ich schon zehn Jahre. Ist gar nicht einfach mit dem Gelumpe.«
»Glaub‘ ich dir.«
»Willst Du auch mal?«
»Ne, das kann ich eh nicht, hab’s schon mit Mandarinen probiert.«
»Mit Mandarinen und so nem Zeug kann ich das auch nicht. Komisch, oder? Na ja, bin halt Augenspezialist.«
Er lachte. Er lachte immer noch, als ich mich umdrehte und schleunigst das Weite suchte.
Ich brachte die Kiste in den Keller, kam wieder hoch und trabte zur Ausschlachtung hinüber. Zwei Kisten mit Nieren warteten dort bereits auf ihre Abholung. Nieren waren süße, kleine Dinger. Gefurchtes, dunkelrotes Fleisch. Die einzelnen Kammern waren sehr glatt, ließen sich gut greifen. Gerade als ich die eine Kiste aufhob, hörte ich es hinter mir zischen. Ich stand unter den zwei Ausschlachtbändern. Eines war für die Lebern, Euter und ähnliches Zeug. Das andere transportierte Köpfe mit angehängter Speiseröhre und den beiden Lungenflügeln.

Ich war gerade im Begriff, mich umzudrehen, als eine kiloschwere Leber klatschend und warm meine rechte Schläfe traf. Ich beschloss cool zu bleiben. Ein weises Lächeln auf den Lippen, begann ich, mir den Schmodder aus dem Gesicht zu wischen. Die Augen klemmte ich zu, und als ich sie gerade öffnete, zischte es schon wieder. Ich bückte mich, doch es war das andere Band. Ein Kopf mit Speiseröhre und zwei Lungen kam im Tiefflug - es klatschte wieder. Aus der Speiseröhre tropfte Blut, der Kopf war mit altem Fett überzogen, das mir nun in gelblichen Schlieren im Haar hing.
Okay, dachte ich, jetzt nur die Ruhe. Das war Absicht. Ich hörte schrilles Lachen, drehte mich und sah zwei Frauen, zwei Metzgerinnen. Die beiden bogen sich vor Lachen. Ich lächelte ebenfalls, schnappte mir die Kisten und stapfte weg. Ich stellte die Kisten vor den Gitterrahmen ab und ging Richtung Klo, um mich zu waschen, denn ich stank. Auf dem Weg dorthin, musste ich unter den gesammelten Haken durch. Nichts ahnend blieb ich kurz stehen, um Luft zu holen, dem Gestank irgendwie zu entfliehen.

Genau in diesem Moment löste sich oben ein Haken, lautlos. Es krachte auf meinem Kopf, rote, grüne und gelbe Lichtflecken tanzten vor meinen Augen, ich schwankte, lehnte mich an die Wand und hatte das Gefühl, jemand wollte mich umbringen. Der Haken lag auf dem Boden, ein Standardhaken, an die drei Kilo Edelstahl. Der Meister kam und fragte, was los sei. Ich blickte ihn an, zog den Overall aus, legte ihm die Sachen in die Hände und ging.

 

Mahlzeit!

Und hier mal eine ganz alte Geschichte. Aus dem Jahr 1993. Möglicherweise nichts für Veganer oder Vegetarier. Das Ganze spielte sich in einem sogenannten "EU-Schlachthof" ab. Die Tiere kamen aus allen Richtungen, aus Frankreich, Belgien, Italien und in den Verpackungshallen wurde daraus Fleisch für halb Europa.

Grüße
Morphin

 

Lieber Morphin,

herbe Schilderungen, vor allem die Vorstellung, dass der Mensch sich beinahe an jede Schrecklichkeit gewöhnen kann ... So genau und nachvollziehbar geschrieben, dass mir das Blut hier praktisch am Laptop klebt. Ich weiß gar nicht, ob das eine wirkliche Geschichte ist, gut geschildert ist es allemal. Und auf jeden Fall für Leute wie mich (die seit 35 Jahren kein Fleisch mehr essen) geeignet, da weiß man doch wieder, warum :-). Das kommentarlose Gehen am Schluss gefällt mir am besten, dennoch hätte ich gerne noch den ein oder anderen spannenden Höhepunkt gelesen, die Erzählung gleitet so gleichmäßig grausam dahin.
Kleinigkeiten:

Ich vernahm Schreie, Flüche und Unbekantes.
Unbekanntes
Doch etwas genial neues
Neues

Gern gelesen wäre nicht die richtige Formulierung, gut geschrieben passt besser,

viele Grüße,

Eva

 

Servus Eva,

habe auch nicht gerne dort gearbeitet, aber ich war jung, und brauchte das Geld. :) Ich kann Dich aber beruhigen damit, dass ich mich nie daran gewöhnt habe. Am Schlimmsten war der Gestank in der Nase, der auch nach 2 Stunden Badewanne nicht wegzubekommen war.

Die Geschichte kommt im Prinzip - wie ich finde - erst am Ende, also mit dem Entschluss zu gehen. Fehler hab ich ausgebessert. Kommen bestimmt noch ein paar ...

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Grüße
Morphin

 

Hi Morphin,

ja, bon appétit! Das nächste Rinderfilet kommt bestimmt, vielleicht ist es doch besser, Vegetarier zu werden.
Ich finde, Du schilderst die Arbeitsabläufe sehr präzise, man kann sich das alles gut vorstellen. Du beschreibst sehr bildhaft, was ich gut finde.
Trotzdem hat mich die Geschichte nicht wirklich gepackt. Mir fehlt ein bisschen die Spannung. Hab die ganze Zeit gewartet, dass was passiert. Aber das ist dann schon der Schluss.

War trotzdem interessant,

Grüße Kerkyra

 

Mahlzeit Kerkyra,

danke fürs Lesen und Kommentieren. Mir ist es bei diesem Teil meines Lebens nicht möglich, eine den korrekten Formen einer Kurzgeschichte entsprechende Struktur zu bauen. Hab ich mir überlegt. Aber dann blieb ich - damals - bei der reinen Nacherzählung eines Tages.

Nun, wie umbauen? Oder überhaupt umbauen? Möglich, dass man die Tragik des Tieres noch überhöhen kann durch die Tragik des Menschen dort drin. Denn beide sind Verlierer. Das eine Lebewesen verliert sein Leben, das andere seine Empathie; sofern es sie denn hatte.

Das wäre also dann Teil 2. Schaun mer mal, aber unter all meinen Projekten steht das nicht an 1. Stelle.

Gruß
Morphin

 

Hi Morphin,

ich schreibe mal beim Lesen mit:

So sah es also aus. Beim Töten hatte ich jedenfalls meine Ruhe. Und nun steckten sie mich in die Ausschlachtung. Das Töten war zwar kein sauberes Geschäft, aber ich stand dort alleine in der Box, abgetrennt durch eine Edelstahlkippe vom Rest des Fließbandes. Ich hatte es nur mit Rindern, Kühen und Bullen zu tun, die in der Regel völlig sorglos ihren letzten Gang antraten. Jetzt war ich mitten im Schlachtbetrieb. Von morgens sechs Uhr bis abends um sechs, zwölf Stunden rot-weißes Fleisch vor meiner Nase.
Finde ich sehr gut. Ich bin echt gespannt, ich habe auch seit langem Bock, mal über das Leben eines Schlachters zu schreiben, aber habs nie gemacht. Ich bin echt gespannt, ich finde das sau interessant!

An der Glastür stoppte ich kurz, blickte ins Glas und stellte fest, dass ich wie ein Idiot aussah.
Haha. Sehr gut.

Direkt vor mir war die Umhängung von Standard- auf Eurohaken an der Decke montiert.
Also bis jetzt hast du echt viele Details eingebaut, das ist sehr gut. Auch wenn ich als Leser keine Ahnung habe, was Eurohaken sind, schafft das einfach vertrauen, dass ich mich wirklich in der Welt von Schlachtern befinde, und in keiner Fantasie von jemandem.

Nach der Tötung wurden sie jeweils an beiden
Fände es auch schön zu wissen, wie sie getötet werden? Dass sie getötet werden ist klar, aber wie? Mit so einem Bolzen, oder? Wenn du da auch ein Detail uns als Leser verrätst, habe ich das halt vor AUgen, wie sie umgebracht werden, und ich würde noch mehr mittendrin sein

Der restliche Körper durchlief inzwischen die Öffnung.
Alter, das ist super geschrieben, wie sie geschlachtet werden. Das gefällt mir irgendwie sehr gut.

Ich begann zu singen, und das laut. Denn der Lärm in der Halle war unbeschreiblich, dazu der Dampf, der sich innerhalb von einer halben Stunde bildete.
Haha. Also mir gefällt's bis hier sehr gut. Das mit dem Singen kenne ich aus der Fabrik, da ist es am Band auch so laut, dass das kein Schwein hört. Wunderbar.

Ich gewöhnte mir an, den Hälften, die da so baumelnd auf mich zukamen, Namen zu geben. Ich begrüßte Karl oder Fritz oder Arschloch.
:D

Früher hätte ich niemals geglaubt, dass man den wenigen Minuten die man hatte, eine solche Ruhe abgewinnen konnte. Doch im Laufe der Jahre lernte man, die kurze Zeit, die sie einen in Ruhe ließen, zu genießen.
müsste das lernte nicht im Präsens stehen?

Das kam von den Kopfschlächtern, die hier drei Minuten pinkelten und denen dabei das Blut von ihrer Gummischürze und den Stiefeln rann.
die hier vor drei Minuten pinkelten ?

Man stand in diesen roten Lachen und pinkelte seinen gelben Urin in das weiße Becken, das an einer dunkelgrünen Wand hing. Ein wahrhaft expressionistischer Eindruck.
Der Humor, den finde ich super. Ist auch nicht zu viel, die Pointen passen immer zum Gesamtkontext

Ein guter Liter Asbach Uralt. Er schraubte den Verschluss ab, steckte einen Gummischlauch in die Flasche, nahm den Gummischlauch in den Mund, sog daran, und ging zur Arbeit.
Super. Ich lese das echt vergnügt. Auch das wirkt authentisch, der Alkoholismus, ich kann mir das sehr gut vorstellen.

Zwischendurch ging ich regelmäßig zum Kopfschlächter, holte eine Kiste Rinderaugen, und brachte sie in den Keller. Ein komischer Anblick war das schon. Eine Kiste voll Augäpfel. An die zweihundert, ordentlich schwer und sie blickten in alle Richtungen.
Okay. Also ich bin voll drin in der Geschichte, ich finde sie super geschrieben, sehr feine Beobachtungen, Witz, ein interessantes Milieu, das ist jetzt alles geklärt - ich hoffe, jetzt kommt noch was. Ich sehe nämlich, dass die Geschichte bald endet, und befürchte gerade beim Lesen, dass der Arbeitstag noch bisschen so weitergeht und dann ist Schluss. Das wäre sehr schade und würde mich irgendwie enttäuschen.

Der Meister kam und fragte, was los sei. Ich blickte ihn an, zog den Overall aus, legte ihm die Sachen in die Hände und ging.

So, ich bin durch. Ja ... ich hatte viel Vergnügen beim Lesen, habe ich ja schon geschrieben, das ganze Milieu, diese Figuren dort drin, was sie für Sachen treiben, wie das Arbeitsleben am Fließband von Schlachtern ist, das finde ich schon sehr interessant und auch sehr gut beschrieben/geschrieben, ich fand das sehr authentisch. Aber ... mehr passiert halt auch nicht. Zum Schluss ist der Prot tollpatschig und haut sich die Birne an und dann kündigt er ... mhm. Für mich hätte es jetzt nicht das große Drama gebraucht, aber irgendein Konflikt wäre schon schön gewesen. Das ist halt echt ein super Fundament für eine Geschichte, das hätte in alle Richtungen gehen können, mich hättest du gehabt; aber naja, dann ist es halt auch schon vorbei, ich habe das Gefühl, ich habe halt mal in dieses Arbeitsmilieu reingeschnuppert, hab einen Tag mit den Typen verbracht, der Prot hat sich dagegen entschieden, dort zu arbeiten, aber mehr Geschichte ist es halt nicht.

Ich war gerade im Begriff, mich umzudrehen, als eine kiloschwere Leber klatschend und warm meine rechte Schläfe traf.
Bis zu diesem Absatz habe ich das sehr vergnügt und interessiert gelesen, dann hätte meiner Meinung nach einfach irgendwas passieren müssen, das umgehst du halt ein bisschen, und dann ist der Text auch schon vorbei. Ich finde das bisschen schade, für mich hätte da ruhig was passieren können, keine Ahnung, ein Unfall, irgendein Konflikt, der sich aus dem Schlachterjob entwickelt.

Trotz des Endes hab ich das gerne gelesen, dein Erzählstil taugt mir.

Grüße,
zigga

 

Hallo Morphin,
Mahlzeit oder eher zum Kotzen! Toll beschrieben, dieser widerliche Teil des Alltags. Ekelig und witzig zugleich. Ich habe nur nicht ganz verstanden, was der Protagonist jetzt genau macht. Er hängt die Fleischstücke von „deutschen“ Standardhaken auf Eurohaken um. Ist das richtig? Warum nehmen die nicht gleich Eurohaken?

- alles war blutverschmiert; es machte ihnen nichts aus. Mir ebenso wenig. Schließlich war es der Saft des Lebens.
Endlich mal was positives!

Jetzt fehlt nur noch, dass sich die Fleischstücke zu einem riesigen Organismus verbinden. Dieses Fleischmonster verschlingt dann die Arbeiter und wird ein Fleischkunstwerk, aus dem Menschenköpfe herausschauen.

Traurige Grüsse
Fugu

 

Geezus!
zigga
Riesen-Beitrag. Danke. Vielen Dank. Ja, als ich es schrieb, war dieser Job gerade mal zwei Wochen vorbei und ich fasste den letzten Tag so zusammen, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ein Bericht? Ja, klar. Also dieser Haken hatte 3 Kilo, fiel aus einer Höhe von 2,5 Metern auf meinen Schädel, ich war kurz davor bewusstlos zu werden und dann wurde mir der Gestank in diesem Schlachthof, den ich auch am Abend, in der Nacht, beim Aufstehen wieder roch, so richtig bewusst. Ich musste gehen, bevor ich einer von ihnen wurde.

Geschichte, also Spannungsbogen, überraschendes Ende, ja, ich arbeite im Kopf dran. Vielleicht auch Schlachthof und Erlebnis ausserhalb verbinden. Da ich momentan unter Volllast laufe, schiebe ich das noch etwas hinaus. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto eher gefällt mir der Gedanke.

Und das Töten, ja, mit Bolzenschußgerät (Rinder), Elektrozange (Schweine) oder Gas (Schweine) ist ... ja, für mich noch nicht mal Gewöhnungssache; heute. Von Beruf bin ich Landwirt und das Töten war immer dabei, täglich. Damals akzeptierte ich es. Heute kann ich es nicht mehr, werde es nie mehr machen. Ich habe es mit Absicht außen vor gelassen und ich werde es auch nicht beschreiben.
Fugusan
Lass mal was von den Drogen rüberwachsen ... :D

Die Eurohaken sind übrigens die, mit denen alle LKWs in Europa bestückt werden können, also die Hakenbahnen führen über eine Weiche direkt in die Kühlwägen oder Kühlcontainer. Der deutsche DIN-Haken konnte das damals nicht, aber bedenke: 1993! Jetzt, 21 Jahre später, wird das anders sein.

Auch Dir mein Dank fürs Lesen und Kommentieren. Fleisch ... Kunstwerk ... Monster ... ich esse schon länger kein Fleisch mehr. Als ehemaliger Landwirt kann ich Dir vor allem etwas von der Aufzucht und der Mast erzählen. Na ja, Fleischlosigkeit ist bei mir entstanden aus der Summe der Erfahrungen mit all dem, vor allem aber mit dem Tier Mensch und wie er sich verhält.

Grüße
Morphin

 

”Man gave names to all the animals
In the beginning, long time ago.”
Bob Dylan​

Ich gewöhnte mir an, den Hälften, die da so baumelnd auf mich zukamen, Namen zu geben.
Ob im Schlachthaus oder auf dem Schlachtfeld, die Bedingungen ähneln sich bis hin zum Verhalten (von Kelten und Germanen hieß es, dass sie sich vor der Schlacht besoffen und – in der Hoffnung, den Gegner einzuschüchtern, auf dass er die Füße in die Hände nähme – Lärm machten. Diese Chance hat das Getier nie, auch wenn es sich gegenüber dem Feind aufplusterte, um größer zu erscheinen. Die Idee des Menschen drückt sich in der Unterscheidung vom Tier aus, durch dessen Unvernunft Menschenwürde sich bewiese. Hinzu kommen, wie beim Präsidenten Schalke 04s Gesetzesbrüche en masse in den „Produktions-“Stätten und den Behausungen der eingeschleusten Osteuropäer, unter denen heute noch gelegentlich ein Eingeborener zu gleichen Bedingungen zu finden ist.

Hallo Morphin,

wie immer aus dem vollen Leben und von gewohnter Güte – und die Bedingungen haben sich seit Deinen Erfahrungen keineswegs verbessert.

Paar Flusen, zumeist Zeichensetzung (ohne Garantie auf Vollständigkeit), doch vorweg eine gelungene Umschreibung des Unerhörten: das unbenennbare Unbekannte

Ich vernahm Schreie, Flüche und Unbekanntes.

…, hängte es an die Rohrbahn[,] die zum Kühllager führte, und musste …
…, fluchte und schrie[,] bis sie nachgaben.
…, dass man den wenigen Minuten[,] die man hatte, eine solche Ruhe abgewinnen konnte.

Vor dem Kaffeeautomat[en] traf …
Ich lächelte dann immer, und sagte ihm, das alles klar wäre.
(Übrigens: Hauptsätze, die durch und verbunden sind, brauchen kein Komma. Was aber durchaus nicht zwingend gemeint ist, denn ich bin mir sicher, dass Du die Rede hervorheben willst)
…, und nicht wussten[,] wofür?
…, auf dem der Kopf lag[,] an dem er gerade herumschnitt, und
Er lachte immer noch[,] als ich mich umdrehte und schleunigst das Weite suchte.

So, jetz’n bissken Leber (mit Apfelscheiben und fast rohen Zwiebeln) nebst nem Pilsken.

Gruß & vorsorglich ein schönes Wochenende vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Morgen Friedrichard,

aus dem Nebel des Rheintals schicke ich meinen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Fehler habe ich sogleich ausgebessert. Ja, die Umstände können ja nicht besser geworden sein, denn der Fleischkonsum weltweit steigt ja weiter in unbekannte Höhen. Die Kausalitäten werden von den meisten Menschen ausgeblendet. Für mich, als ehemaligen Landwirt, ist das besonders schlimm, denn ich weiß, was mit Böden passiert, was Monokulturen sind und wie schnell sie die Landschaft verwüsten, wie viel Antibiotika und andere Medikamente wir schon 1984 täglich in unsere 1500 Mastschweine pumpten. Da kam alle zwei Wochen der holländische Tierarzt und verkaufte aus dem Kofferraum, bezahlt mit nem Bündel aus der Hemdtasche.

Aber schon 1984 hat der Landwirt für das Kilo Schweinefleisch magere DM 3,90 bekommen. Heute sind es nicht mehr. Während die Preise für Saatgut, Pacht, Diesel, Maschinen, Dünger und Spritzmittel etc. immer weiter stiegen und der Verbraucher damals für ein Kilo Schweinefleisch zwischen DM 9,90 und 19,90 zahlte, je nach Qualität. Der Gewinner war auf der einen Seite schon immer der Zwischenhandel, und auf der anderen Seite die Lieferanten der Landwirtschaft, also Pharma, Maschinenbauer, chemische Industrie.

Da dachten sich damals viele Landwirte - und bei diesem Umbruch war ich auf meinem Hof live dabei - dass es nur zwei Lösungen gäbe: a) auf den aufkommenden Bioboom setzen, zurück zur Natur, reduzieren, aber bessere Qualität oder b) Selbsthilfe durch Quantität, also mehr Tiere auf weniger Raum mit maximaler Effizienz mästen, dazu ein Zusammenschluss der Landwirte und Übernahme oder Einstieg in die Schlachtwirtschaft.

Bis auf wenige Ausnahmen wurde der zweite Weg gewählt, weil er sicherer war und mehr Gewinn versprach. Dazu mussten Böden umgewandelt werden, Brachflächen bewirtschaftet, Obstwiesen abgeräumt werden, aber bald war klar, dass der Boden für all die hungrigen Tiere nicht ausreichte. Also Zukauf von Futtermitteln aus Billigländern. Das Soja kam, denn Soja ist DER Eiweißträger in der Mast. Zuerst aus China, dann ging den Chinesen das Wasser aus und Südamerika begann die Regenwälder abzuholzen und die Pampas zu bewirtschaften.

Der Weg war beschritten, und dies ist ein faustisches Thema mit einer faustischen Fortführung, denn als man ein paar Jahre diesen Weg beschritten hatte, kam man nicht mehr raus. Ein Zurück würde so dermaßen viel kosten, dass niemand auch nur daran denken will. Die Abhängigkeiten vom Geld, dem schnellen Gewinn, dem billigen Fleisch, sind so hoch, dass man durchaus von einer "gesellschaftsweiten Sucht" sprechen kann. Reflektion ist nicht.

Das Ergebnis beginnt jetzt, in diesem Jahrzehnt. Hat die Bodenerosion erst einmal begonnen, nimmt sie exponentiell zu, ähnlich wie das Rutschen von Sand an der Düne. Rollt ein Korn langsam, dann zieht es immer schneller alle anderen mit sich. Die Grundwasserspiegel sind in weiten Teilen der Massenanbauflächen so weit abgesunken oder nicht mehr vorhanden, dass es 50 Jahre durchregnen müsste, um sie wieder auf das Niveau von 1950 zu bekommen.

Inzwischen sind wir nicht mehr bei den Ursachen, wir leben im Zeitalter der Wirkungen. Der Satz: "Ich lass mir mein Fleisch nicht verbieten" ist adäquat zu den Astronauten in der Raumkapsel, die sagen: "Ich lass mir meinen Sauerstoff nicht verbieten."

Ich wünsch Dir was.

Morphin

 

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