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Schlaflos

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18.11.2014
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Schlaflos

Die Stadt liegt unter einem grauen Nebelschleier. Meine Füße tragen mich ohne erkennbares Ziel durch die Gegend, vorbei an dreckigen Plattenbauten und eingestürzten Häusern. Überall lauert der Verfall: um mich herum und in mir drin. Menschen gehen an mir vorbei, jeder geht seinen Weg… doch wie sieht mein Weg aus? Ich weiß es nicht. Kalt klatscht mir der Nieselregen ins Gesicht, durchnässt mich, lässt mich erschauern. Durst. Müde. Schlaf. Wie Blitze zucken Gedankenfetzen durch mein Gehirn. Träge schleppe ich mich in den nächsten Supermarkt, kaufe mir ein paar Flaschen Bier und mach mich auf den Heimweg.
Während ich durch die Straßen schleiche, trinke ich die ersten zwei Flaschen Bier. Kühl rinnt das Gesöff meine Speiseröhre hinunter. Nach einer Weile erblicke ich in der Ferne meine Wohnung. Mühsam schleppe ich mich die Stufen hoch, schließe die Tür auf und betrete meine winzige Wohnung. Die Wohnungstür fällt lautstark ins Schloss. Es gibt keinen Grund leise zu sein, hier wartet nur die triste Einsamkeit auf mich. Ich ertaste den Lichtschalter zu meiner Rechten, fahles Licht durchflutet die Zweiraumwohnung und der Anblick meiner Wohnung lässt mich fast kotzen. Tapeten lösen sich allmählich von den nikotinvergilbten Wänden, die Möbel sind abgenutzt und kaum noch als solche zu erkennen. Langsam lasse ich mich auf mein Sofa fallen, trinke eine Flasche Bier, gefolgt von einer Zweiten, einer Dritten. Was ist schiefgegangen? frage ich mich, wann ging alles den Bach runter? Neben mir auf dem Sofa liegt ein altes Fotoalbum. Während ich darin blättere, wie fast jeden Tag, überkommt mich das altbekannte Gefühl der Trauer. Ich sehe mich selbst mit meiner Frau und unserem Sohn vor dem Brandenburger Tor. Ich sehe uns Eis essen, Fußball spielen, baden… ich sehe uns lachen. Glücklich. Ja, ich war mal glücklich. Doch die Erinnerungen an diese Zeit kommen mir irreal vor; sie gehören nicht zu meinem Leben, vollkommen unmöglich. Die alles umfassende Stille frisst sich in meinen Kopf, lässt mich kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Unaufhörlich zerrt etwas an meinem Bewusstsein, ein letztes Aufbäumen eines ansonsten reglosen Verstandes. Ich bin gefangen in meinem eigenen Körper. Doch wer, wenn nicht ich selbst, hat den Schlüssel?
Müde. Schlaf. Die Entscheidung ist gefallen, es gibt kein Zurück mehr. Wie in Zeitlupe bewege ich mich ins Badezimmer und sehe mein Spiegelbild im Badezimmerschränkchen. Ein fremder Mensch starrt mir entgegen, emotionslos, mit einem maskenhaften Gesichtsausdruck. Nachdem ich meine Hände den Schrank öffnen sehe, greife ich wie von geistesfremder Hand geleitet nach den Schlaftabletten, schließe den Schrank und schlurfe anschließend wieder in die Wohnstube.
Müde. Doch bald kann ich schlafen. Ein fast schon aufrichtiges Lächeln verzerrt meine Mundwinkel: Bald werde ich meine Familie wiedersehen können.

 

Hallo Refizuhl,

gerade bei einem so kurzen Text ist das Sprachliche, ausgefeilte Sätze, sehr wichtig. Ich finde, das machst Du ganz gut.
Du beschreibst einen verzweifelten, desillusionierten Mann, der seine Familie verloren hat(Unfall?) und der keinen Sinn mehr im Leben findet. Zum Schluss bringt er sich um. Das sehe ich doch richtig?
Ich finde, Du hättest ruhig noch mehr Hintergrundinfo liefern können, was ist wirklich passiert? Wie hat der Prot es geschafft, bis hierhin zu kommen, warum bringt er sich jetzt erst um?

An vielen Stellen ist mir das eindeutig zu depressiv, man wird erschlagen von der ganzen Tristesse. Wie mit dem Holzhammer.

Kalt klatscht mir der Nieselregen ins Gesicht - Träge schleppe ich - Mühsam schleppe ich- die triste Einsamkeit ...
da wäre weniger vielleicht mehr.

Überall lauert der Verfall: um mich herum und in mir drin.
das Fettgedruckte würde ich streichen.

meine winzige Wohnung. Die Wohnungstür fällt ...
Wortwiederholungen, die sich vermeiden lassen, auch hier:
... durchflutet die Zweiraumwohnung und der Anblick meiner Wohnung lässt mich...
Gerade in einem so kurzen Text kommt das nicht gut.

So weit mal, viele Grüße,
Kerkyra

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Refizuhl
und herzlich willkommmen bei den Wortkriegern.

Leider bist du wie schon viele vor dir in die Erstlingsfalle getappt.
Ich dachte mir beim Lesen, bitte lass es keine Suizidgeschichte sein, bitte lass es keine ... und dann war es doch wieder nur eine in Selbstmitleid versinkende Reflektion eines gescheiterten Geistes mit tödlichem Ausgang. Zu oft schon gelesen, zu oft schon am Thema gescheitert.

Wie unschwer zu erkennen, hat mir deine Kurze nicht gefallen, viel zu oberflächlich, keine spannenden Wendungen und - für mich die Hauptsache - wo bleibt die Geschichte, die zu dieser grau tristen Stimmung führt?
Ich möchte seine Familie kennen lernen, sein Umfeld, seine Wünsche, seine Ängste, damit ich sein Scheitern nachvollziehen kann.
Klar, dann wird die Geschichte länger, sie wird nicht mehr einfach so runterzuschreiben sein, aber sie könnte das Interesse des Lesers wecken und unterhalten, vielleicht sogar nachhaltig.

Was ist schiefgegangen? frage ich mich, wann ging alles den Bach runter? Neben mir auf dem Sofa liegt ein altes Fotoalbum. Während ich darin blättere, wie fast jeden Tag, überkommt mich das altbekannte Gefühl der Trauer. Ich sehe mich selbst mit meiner Frau und unserem Sohn vor dem Brandenburger Tor. Ich sehe uns Eis essen, Fußball spielen, baden… ich sehe uns lachen. Glücklich. Ja, ich war mal glücklich. Doch die Erinnerungen an diese Zeit kommen mir irreal vor; sie gehören nicht zu meinem Leben, vollkommen unmöglich. Die alles umfassende Stille frisst sich in meinen Kopf, lässt mich kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Unaufhörlich zerrt etwas an meinem Bewusstsein, ein letztes Aufbäumen eines ansonsten reglosen Verstandes. Ich bin gefangen in meinem eigenen Körper. Doch wer, wenn nicht ich selbst, hat den Schlüssel?
Hier ist meiner Meinung nach die Geschichte versteckt, im Fotoalbum quasi, und da würde ich anfangen zu graben. Beim Fettgedruckten dachte ich noch kurz, aha, jetzt kommt die Wendung. Aber leider bleibt das "etwas" im Kopf des Autors.

Positiv: Der Text ist fehlerlos geschrieben, jedenfalls bin ich nirgends gestolpert.

Kleinkram:

Langsam lasse ich mich auf mein Sofa fallen,
langsam fallen geht nur in Zeitlupe, vielleicht gleiten lassen oder einfach "Langsam" streichen.

Ich sehe uns Eis essen, Fußball spielen, baden[ ]… [ich] sehe uns lachen.

Ansonsten, unbedingt weiterschreiben, du hast ja noch jede Menge Zeit, dich hier auszuprobieren.

Viele Grüsse
dot

 

Hej Refizuhl,

obwohl ich relativ schnell den Eindruck hatte, dass es nicht weiter in die Tiefe geht, hab ich Deinen Text bis zum Schluss gelesen, irgendetwas hast Du zumindest in meinem Fall nicht ganz verkehrt gemacht (oder ich bin einfach nur etwas betriebsblinder als dotslash, denn ich hab den Suizid nicht vorausgeahnt und die trübe Stimmung unbelastet genossen).

Ich schließe mich meinen Vorrednern an, insgesamt könntest Du für meinen Geschmack mehr draus machen, indem Du intensiver nachfragst und -forschst, wie es dazu gekommen ist, dass sich dieser Mensch jetzt in der Situation befindet.

der Anblick meiner Wohnung lässt mich fast kotzen.
Das wirft jetzt vielleicht kein gutes Licht auf mich, aber ich mochte den Satz. Vielleicht, weil das was Drastisches ist und sonst viel geschlichen, geschwiegen und stumm gedacht wird.

Ich wünsche Dir viel Spaß beim Schreiben - und hier auch.

Gruß
Ane

 

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