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Buchhandlungs-Blues
An einem Herbsttag gehe ich in die Buchhandlung. Nicht in ein kleines Geschäft, sondern in die Filiale einer großen Kette. Über drei Stockwerke thront sie an der Binnenalster, von hier oben kann ich im Licht des vorwinterlichen Winterschmucks die ersten Glühwein-Menschen sehen.
Ich erinnere mich, warum ich nicht gern hier bin. Zu voll, zu laut, der Geruch frischer Druckerschwärze verursacht Schwindel. Aber ich will gucken. Gucken, was sich so verkauft. Mein Ziel ist die Abteilung für Fantasy-Literatur, irgendwo ganz hinten.
Ich umwinde kurzgeschorene Mitvierzigerinnen im Bannkreis des Historik-Romans, passiere die Jack Wolfskin-Spießer am Regal für Schwedenkrimis und lande schließlich in meiner Zielbox. FANTASY steht in großen Lettern über dem Bord, darunter:
Wolfgang Hohlbein.
Ich beginne zu zählen. Unglaublich, wie viel dieser Mann noch schreibt. Unglaublich, wie viele das noch lesen. Ganze Generationen von Nachwuchsautoren in den Sand gesetzt, weil Hohlbein gewälzt und für gut befunden.
Ich wende mich ab und gleite weiter über Buchrücken. Ganz schön viele Männernamen. „Vielleicht ist das wie beim Kochen“, sagt der Teufel auf meiner rechten Schulter. „Wie viele Sterneköchinnen gibt es denn?“
„J. K. Rowling“, sagt der Engel auf meiner linken Schulter. Aber die steht woanders.
Klassiker.
Von den Covern schimmern mir Titel entgegen: Die Elfen strahlen neongrün, Elfenwinter protzt in ultramarin und Elfenlicht glüht scharlachrot. Daneben: Die Orks. Nichts unter 300 Seiten.
„Sechzig Jahre nach Tolkien“, denke ich und setze mich in einen Sessel am Rand der großen Scheibe, die mich von den Glühwein-Menschen trennt. Zielgruppenbeobachtung, auch das gehört dazu.
Spärlich tröpfelt die Zielgruppe ein. Sie ist genauso männlich wie die Namen auf den Buchrücken. Schulterlanges Haar mit Kinnbart, große Gürtelschnallen. Multifunktionsklamotten, Karohemd. Vermutlich kein Liebesleben, dafür große Rucksäcke. Ich stelle mir vor, was ich darin finden würde, und lande bei: Ersatzturnschuh, Sammelkartenspiel und Fantasy-Roman. Je greller das Cover, umso schwärzer das Outfit. Sie gucken verstohlen und greifen nach den Orks- und Elfen-Büchern.
Als sie wieder weg sind, nehme ich die Bücher und blättere darin. Viel Ork, viel Elf, viel Schwulst.
„Sechzig Jahre nach Tolkien …“
Ich komme bis Seite 20, dann verliere ich den Überblick. Wieso sind alle Elfennamen gleich?
„Kann ich Ihnen helfen“, bimmelt es mich von rechts an und ich sehe ein Namensschild mit Frau dahinter. Ich lege das Buch zurück und denke über meine Antwort nach.
„Haben sie Howard? Robert E. Howard?“
Sie schaut verständnislos und ich füge hinzu: „Na, Conan der Barbar und so ...“
Sie lächelt und ich folge ihr in die englischsprachige Abteilung. Zufrieden zeigt sie auf ein Buch.
„Immerhin“, denke ich und bin versöhnt. „Sechzig Jahre nach Tolkien.“