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Der letzte Song

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11.12.2014
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Der letzte Song

Jemand knipste den Fernseher ein. Dort lief ein Zeichentrickfilm. Ein Kinderfilm. Ein niedliches Kätzchen stand dort im Sand und schaute auf den Boden. "Hey, bist du nicht Sabi, die Bewohnerin des Meeres?"
Auf dem Boden lag eine Qualle. Sie sah gar nicht gut aus. Die Ränder waren ausgefranst und sie schimmerte grün. "Ja," sagte Sabi. Aber ich kann dort nicht mehr leben."
Das Kätzchen fragte erstaunt: "Gefällt es dir dort nicht mehr? Du hast doch das ganze große Meer für dich alleine."
"Mir geht es nicht gut."
Das Kätzchen schaute nach hinten zu dem Fuchs und sagte: "Wir müssen Sabi helfen. Ihr geht es nicht gut."
Sabi verdrehte die Augen und hustete. Grüner Rauch kam aus ihrem Mund. Dann machte sie die Augen zu und ihre Zunge hing heraus.
Das Kätzchen hob Sabi vorsichtig auf. Sie hob sie so hoch wie es ging, damit sie alle Tiere sehen konnten, und sie sagte: "Sabi ist tot."
Der junge Koala fragte: "Aber wenn Sabi nicht mehr im Meer wohnt, wer wohnt überhaupt noch dort?"
Die alte Schildkröte sagte: "Im Meer lebt jetzt niemand mehr." Das Äffchen hinter ihr schlug mit zwei Stöcken ein Trommelwirbel auf ihrem Panzer. Dann legte er einen Adagio vor. Also einen langsamen, ruhigen Takt.
Ganz vorne, am Strand sagte ein kräftiger Tiger im vorgegebenen Takt: "Niemand lebt im Meer," und die Krabbe neben ihm mimte ein Echo dazu: "Niemand lebt im Meer."
Ein bunter Schmetterling fragte eine Eidechse: "Aber wenn jetzt niemand mehr im Meer lebt, wofür ist das Meer noch da?" Die Eidechse zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es dort früher sehr viel Leben gab. Aber das ist lange her." Und sie stimmte in den Song mit ein: "Niemand lebt im Meer." Und die ganze vordere Reihe am Strand stimmte mit ein: "Niemand lebt im Meer."
Es sammelten sich immer mehr Tiere, die alle zum Horizont schauten. Es war ein kleiner Horizont und rund wie ein Ball. Bis ganz nach hinten türmte sich der Müll. Es gab keine Bäume mehr und kein Gras.
Ein kleiner Wurm fragte: "Und wo ist die Sonne hin?"
Neben dem Wurm stand ein Eichhörnchen. Es sagte: "Schau, kleiner Wurm. Wir brauchen die Sonne jetzt nicht mehr. Es ist genau so, als wenn du aus dem Haus gehst. Dann brauchst du in deinem Zimmer auch kein Licht mehr. Oder?"
"Nein," sagte der Wurm, und das Eichhörnchen sagte: "Siehst du, deswegen brauchen wir die Sonne auch nicht mehr."
"Das verstehe ich nicht," beschwerte sich der Wurm und neben ihm sang ein Pony: "Niemand lebt im Meer."
Und es wurden immer mehr Tiere, die mit einstimmten. Die Melodie war nicht fröhlich, aber sie war auch nicht traurig. Es war eine sehr einfache Melodie, bei der jeder mitsingen konnte.
Eine junge Ziege sagte: "Und warum stinkt es hier so?"
Der Hund zeigte nach vorne und sagte entsetzt: "Babu!"
Babu war ein Stinktier. Es drehte den Kopf zu ihnen nach hinten und sagte: "Diesmal war ich es nicht." Dann schaute es zum Meer. Zumindest auf das, was einst das Meer war. Und das war nur eine kleine, grüne Pfütze. Mit Blasen, die daraus aufstiegen. Und wenn sie platzten trat grüner Staub hervor. Babu sang mit: "Niemand lebt im Meer." Jetzt sang schon die ganze vordere Reihe, und die Reihe dahinter und noch eine Reihe weiter. Und ein Orchester stimmte mit ein.
Man hörte die tiefe Stimme des Rhinozeros heraus: "Niemand lebt im Meer." Dann noch eine tiefe Stimme vom alten Maalik, einem sehr alten Maulwurf. Etwas weiter stand ein niedliches Küken. Auch das hatte eine sehr, sehr tiefe Stimme. Da bekam es einen Klaps von seiner Mutter. Dann räusperte sich das Küken, schüttelte sich und sang in hellem, klaren Ton: "Niemand lebt im Meer. Niemand lebt im Meer."
Der Elefant sagte: "Aber warum hat keiner bemerkt, dass das Meer stirbt."
Die Eule daneben sagte: "Wir haben es alle gewusst. Nur hatten wir es auf dem Sofa sehr bequem. Wir haben unsere Welt eingetauscht. Gegen die Bequemlichkeit."
Der Löwe sagte: "Ich will keine Bequemlichkeit mehr. Können wir das nicht zurück geben?"
Und die Eule sagte: "Das geht nicht. Der Tausch ist vollendet."
Der Löwe stimmte ganz leise mit ein: "Niemand lebt im Meer." Und die Melodie war so einfach, das hunderte Tiere sangen und sie alle schauten auf, zum Horizont.
Der kleine Wurm meldete sich und fragte: "Hat das Lied eigentlich noch eine zweite Strophe?"
Und die Schildkröte sagte: "Ja." Nach einem Trommelwirbel auf ihren Panzer wurde es auf einmal ganz still. Alle Tiere warteten auf den neuen Text. Und die Schildkröte sagte: "Die zweite Strophe können wir aber nicht singen."
Die Klapperschlange zischte: "Warum? Warum können wir das nicht?"
"Weil es niemanden mehr gibt, der den Text aufsagen kann."
Und alle Tiere waren auf einmal verschwunden. Zurück blieb eine Welt getragener Schuhe, eine Welt geleerter Flaschen und einer Erde, die hohl und staubig war. Dazu ein grünes Meer, voller grüner Blasen, die wenn sie platzten, grünen Staub verteilten. Der Rhythmus des Songs verstummte. Zurück blieb ein sanftes Pfeifen des Windes.
Da kletterte ein Käfer auf eine leere Plastikflasche. Er trommelte mit einem winzigen Stöckchen gegen den Flaschenboden und stimmte so den alten Takt wieder an. Und er sang die zweite Strophe: "Niemand lebt auf Erden. Niemand lebt auf Erden. Niemand..." So lange, bis ein Gehstock ins Bild kam. Das war so ein Gehstock mit einem rund gebogenem Griff. Und dieser Gehstock zog den kleinen Käfer aus dem Bild. Jetzt war auf dem Bildschirm niemand mehr zu sehen. Nur die Berge aus Müll. Hinter der Kamera hörte man: "Hey, Kleiner! Du kannst das nicht singen. Es ist doch niemand mehr da, der das singen kann."
Die fröhliche Stimme des Käfers erklang: "Niemand lebt auf ..." irgendjemand hielt ihm den Mund zu. Augenblicklich kehrte Ruhe ein. Und die Sendung war zu Ende.
Ein kleiner Junge knipste den Fernseher aus. Dann lief er zum Fenster und sah hinaus. Er sah dorthin, wo einst das Meer war. Dann blickte er zum Horizont, durch Berge von Müll und senkte seine Augen. Er fragte: "Hey, Papa! Wird bald die Sonne ausgehen?"
Sein Papa saß am Tisch und kaute. Es war eine langsame, runde Bewegung seines Mundes. Vor ihm lag eine angebissene Scheibe Brot, mit etwas Schokoladencreme darauf. "Ich weiß es nicht, mein Sohn. Ich weiß es nicht."
Da begann der kleine Junge das Lied aus der Kindersendung zu summen. Und sein Papa summte mit.
Und dann sah man, dass die beiden überhaupt nicht in einem schönen, gemütlichen Wohnzimmer saßen. Es war nur ein Stück davon. Der Rest der Wohnung fehlte, war herunter gebrochen, war zerstört. Das Haus und alles um sie herum. Und je weiter weg man schaute, um so größer wurden die Berge aus Müll und Zerstörung. Es gab keine Bäume mehr, kein Gras und keine Tiere. Und es gab auch sonst nichts, wofür die Sonne noch scheinen sollte.
Deswegen wurde es dunkel.
So dunkel, dass man überhaupt nichts mehr sehen konnte. Aber man hörte es noch leise summen. Die Melodie, die so leicht zu merken war. Und dann sangen sie zu zweit die letzte Strophe. Ein aller letztes Mal.
ENDE

 

Hallo Perry Paine,
erst mal Willkommen hier, wir kennen uns ja noch nicht.
Ich geb dir nur einen Eindruck, der im Moment auch noch recht vorläufig ist. Bin mir selbst noch nicht sicher.
Was mir ganz gut gefällt, weil es mal was anderes ist, das ist dieses Rein- und Rauszoomen in den Fernseher und dann weg von dem Haus, in dem der Vater mit dem Sohn lebt auf die völlig zerstörte Gegend.
Ansonsten bleibt bei mir aber leider kein Nachhall für deine Geschichte. Ich weiß nicht, woran das liegt. Vielleicht daran, dass die Botschaft so offensichtlich ist? Daran, dass man diese offensichtliche Botschaft schon Hunderte von Malen gehört hat? Ich weiß es selbst nicht ganz genau, denn man hat ja vieles schon Hunderte von Malen gehört und dennoch wird man immer wieder mal gefesselt. Vielleicht ist es einfach eine Geschmackssache, dass ich bei Geschichten es vorziehe, mich identifiszieren oder Anteil nehmen zu können. Und das gelingt mir mit deiner Geschichte gar nicht.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass du stilistisch noch einiges zulegen könntest. Da sind viele Wortdoppler drin, z. B. das Wörtchen "dort". Oft sind die Sätze recht kurz und nach dem gleichen Prinzip aufgebaut, so dass dies eintönig wirkt. Vielleicht könnte man auch mal das ein oder andere wunderbare Sprachbild einbauen, vieles wirkt so wie in den Fernseher geguckt und nacherzählt.
Wenn ich aber mal von meinem inhaltlichen Geschmack absehe: Deine Intention ist klar, ich finde es auch eine neue Herangehensweise, die du gewählt hast, und das ist erst mal vielversprechend. Vielleicht sind es etwas viele Tierchen, die da auf dem Meeresboden rumkrakeelen? Vielleicht könnte man das ein bisschen abkürzen? So dass dein Vorhaben eben zugespitzter, pointierter wirkt? Ich denke, das würde auf keinen Fall schaden.

Ansonsten gibts im Text auch noch eine Reihe von Grammatik- oder Schusselfehlern, das ist natürlich nicht gut. Ich mach mal eine Auswahl, bei Bedarf mehr, aber zuviel Zeit will ich erst mal nicht reinstecken für den Fall, dass die dann doch umsonst ist.

Jemand knipste den Fernseher ein.
Jemand knipst den F. an. Aber vorziehen würde ich stellt den F. an. Denn der F. ist ja keine Lampe.

Dort lief ein Zeichentrickfilm. Ein Kinderfilm. Ein niedliches Kätzchen stand dort im Sand und schaute auf den Boden.
Im übernächsten Satz hast du schon wieder "dort". Ist irgendwie dein Lieblingswort. Die würde ich alle rausschmeißen. Wiederholungen klingen, wenn sie nicht ganz bewusst und sprachgestaltend eingesetzt werden, nicht gut.

Dort unten lag eine Qualle. Sie sah gar nicht gut aus. Die Ränder waren ausgefranzt und sie schimmerte grün. "Ja," sagte Sabi. Aber ich kann dort nicht mehr leben."
ausgefranst

Das Kätzchen fragte erstaunt: "Gefällt es dir dort nicht mehr? Du hast doch das ganze große Meer nur für dich alleine."

Das Kätzchen hob Sabi vorsichtig auf. Sie hob sie so hoch KOMMA wie es ging, damit sie alle Tiere sehen konnten, und sie sagte: "Sabi ist Tod."
Mensch - tot muss das heißen. Der Tod, aber wie ist jemand? tot!

Der junge Koala fragte: "Aber wenn Sabi nicht mehr im Meer wohnt, wer wohnt überhaupt noch dort?"

Die alte Schildkröte sagte: "Im Meer lebt jetzt niemand mehr." Das Äffchen hinter ihr schlug mit zwei Stöcken ein Trommelwirbel auf ihrem Panzer. Dann legte er einen Adagio vor. Also einen langsamen, ruhigen Takt.
einen Trommelwirbel
Wenn du deinen Lesern aus irgendeinem Grund nicht zutraust, dass sie wissen, was ein Fremdwort heißt, dann lass es einfach weg und schreib nur die deutsche Übetragung. Klingt sonst gar nicht gut.

So und jetzt läuft mir die Zeit davon.
Ich wünsch dir noch eine Menge Spaß hier.
Novak

 

Hallo Novak, vielen Dank für deine konstruktive Kritik. Ehrlich gesagt, habe ich die gar nicht so positiv erwartet. Da ich neu hier bin, möchte ich mich gleich mal kurz vorstellen. Ich schreibe gerade an meinem dritten Buch. Jedoch habe ich noch nichts veröffentlicht. Das versuche ich nach einigen Korrekturen und Überarbeitungen. Meine favorisierten Themen sind Liebesgeschichten und Zukunftsvisionen (schön brav getrennt voneinander). Das darf auch gerne ein wenig mysteriös sein. Ich liebe das Schreiben, was ich etwa 2-4 Stunden pro Tag auch mache (wenn ich mehr Zeit finde, gerne auch länger).

Die Kurzgeschichte "Der letzte Song" war eine Ausnahme und als Kindergeschichte gedacht. Deshalb habe ich kurze, einfache Sätze bevorzugt. Bei dem (Lieblings-) Wort "dort" muss ich dir natürlich recht geben. Das ändere ich mal ab, genau wie die anderen Fehler - vielen Dank für die Mühe mit mir. Ich lerne jeden Tag ein wenig dazu. Auch dieses Forum soll dabei helfen.

 

Hej Parry Payne,

ich finde Deine Geschichte vor allem an zwei Punkten problematisch.

Zum einen machst Du es Dir für meinen Geschmack zu einfach, wenn Du "nur" beschreibst, wie die Erde untergeht. Es wäre nachvollziehbar, wenn Dir die vermeintliche Wahrheit (oder Warnung?), die darin steckt, wichtig ist, aber spannend find ich das leider überhaupt nicht. Ebensogut könnte man die Geschichte einer x-beliebigen Person beschreiben mit: Erst wird er krank werden und Schmerzen haben und dann wird er sterben. Das mag irgendeiner Wahrheit oder nur der Wahrheit meiner Geschichte entsprechen, aber eine gute Geschichte wird das nicht. Dazu würde gehören, dass es Kämpfe, Möglichkeiten, Hoffnungen gibt.

Und weil die Geschichte ja aufzeigen will, wie alles enden könnte und sich an Kinder richtet, finde ich es fies, die mit so einer geballten Ladung praktisch im Regen stehen zu lassen und denen keine Alternative anzubieten.
(man könnte indirekt von den Kinder verlangen soweit selbst zu denken, dass sie auf die Idee kommen weniger Fisch mehr zu essen, weniger Müll zu produzieren, die Umwelt überhaupt nicht zu belasten und so weiter. Aber an der Problematik beißen sich Erwachsene die Zähen aus ... )

Die Wiederholungen, die mir anfangs noch gut gefallen haben, fand ich ziemlich schnell ermüdend, weil ich darin auch nichts gesehen habe, was sich in irgendeine Richtung entwickelt. Du könntest da einiges kürzen, ohne dass ich als das Gefühl hätte, etwas Wichtiges zu verpassen. Die Richtung ist ziemlich schnell klar.

Ansonsten frage ich mich, ob das alles Zeichentricktiere sind (bei der Katze wird es ausdrücklich gesagt) und es würde mich interessieren, warum Du die als eine Art Botschafter gewählt hast. Gleiches gilt für den Fernseher.
Ich überlege auch, ob es nicht sinnvoller wäre, einzelne Tiere und ihr Schicksal genauer zu zeigen, anstatt so viele zu beschreiben, die dann wenig Charakteristika zu bieten haben und eher unpersönlich wirkt.

Was mir als Effekt gut gefällt, ist die Sang- und Klanglosigkeit, mit der alle und alles verschwindet.

Ich wünsche Dir noch viel Spaß hier.

Gruß
Ane

 

Mein aktueller Roman befindet sich gerade in der Endphase. Deshalb habe ich nicht viel Zeit, um Änderungen an der vorliegenden Geschichte vorzunehmen. Dennoch möchte ich euch für die ehrlichen und konstruktiven Kritiken danken. Als Essenz kann ich schon mal festhalten, dass (neben der Fehlerkorrektur) die Geschickte einen Nachhall braucht, dass die Story-Wiederholungen und Wortdoppler stören und alles nicht sehr persönlich wirkt.
Daran möchte ich auf jeden Fall arbeiten und werde hier im Januar die überarbeitete Version vorstellen.
Lasst mich noch erwähnen, dass es sich bei "Der letzte Song" um meine erste Kurzgeschichte handelt. Bisher hatte ich über vierhundert Seiten Zeit meine Protas zu entwickeln. Die Kurzgeschichte ist doch ein anderes, aber interessantes Gebiet. Ich bleibe auf jeden Fall dran.

 

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