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Ein Jahr

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13.12.2014
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Ein Jahr

Svea

Eisblau. Die Farbe seiner Augen zog mich in ihren Bann. Ich hatte ihn schon oft gesehen, geheimnisvoll und still. Doch niemals hatten wir einander angesehen, wir waren beschäftigt gewesen mit unseren Leben und ich hatte nicht im Traum daran gedacht, dass unsere Wege sich einmal kreuzen würden. Doch ich war dort und er war es auch. So nahm unsere Geschichte ihren Lauf. Wir lernten uns am 1.März kennen. Unsere Blicke kreuzten sich und irgendetwas war da, etwas das uns beiden gefehlt hatte, wir hatten nur nichts davon gewusst. Normalerweise war mein Leben gegliedert und geplant. Normalerweise hatte ich keinen Platz für andere. Doch an diesem einen Tag hatte ich Platz für den fremden Jungen im Buchladen. Denn mit Vincent ist nichts normal, mit ihm ist alles ein wenig anders. Besonders.

Vincent

Sie war immer das Mädchen von nebenan gewesen. Sie wohnte ein paar Straßen weiter, ich hatte sie oft auf dem Fahrrad vorbeifahren sehen. Ich kannte weder ihren Namen, noch wusste ich sonst Etwas über sie. Bis zu diesem einen Tag, dem 1.März. Unsere Blicke trafen sich und sie lächelte mich an. Ich erwiderte ihr Lächeln. Und so kamen wir ins Gespräch, damals, an diesem Samstagmittag in einem kleinen Buchladen. Wir redeten einfach nur, eine Stunde zwischen Bücherstapeln und dem Geruch von frisch bedrucktem Papier in der Nase, zwei weitere in einem winzigen Café, einem Kakao nach dem anderen vor uns auf dem runden Tisch stehend. Ich glaube ich verliebte mich damals noch im Buchladen in Svea. Sie war einfach plötzlich da, in meinem Leben und ich liebte sie. Ich frage mich oft, was passiert wäre, wenn ich mich damals entschieden hätte, ihr Lächeln zu ignorieren. Oder wenn ich in einen anderen Buchladen gegangen wäre. Ich glaube, wir wären uns trotzdem begegnet, irgendwann. Svea und Vincent. Vincent und Svea.

Svea

Der Frühling begann und mit ihm unsere Zeit. Es dauerte nicht lange und wir kannten uns in- und auswendig. Bald kam ein Kuss. Unser Kuss. Unsere Liebe wuchs, langsam aber stetig. Und ich blühte mit ihr. Bei Vincent konnte ich sein, wie ich wirklich war. Ich musste nie nachdenken, was ich sagte oder tat, es gab kein Richtig und kein Falsch, kein Links und kein Rechts, kein Oben und kein Unten. Es gab nur Vincent und mich, scheinbar auf ewig. Manchmal stolperten wir, doch wir halfen uns immer wieder auf und reparierten, was zerbrochen war. Wir konnten kaum atmen ohne einander. Alles war intensiver mit ihm und ich war süchtig danach. Wir liefen barfuß durch den kühlen Tau am Morgen und tanzten lachend im Frühlingsregen. Überall wo wir zusammen waren ließen wir kleines Stück unserer Geschichte, unserer Seelen zurück. Wir waren der Prinz und die Prinzessin der Welt.

Vincent

Svea war meine Vorspeise, mein Hauptgang und mein Dessert in einem. Sie war die Erde auf der ich ging und die Luft die ich atmete. Wenn ich mit ihr zusammen war, dann fühlte ich. Sie zeigte mir die Welt aus neuen Blickwinkeln. Sie war das Stück, das gefehlt hatte. Natürlich war sie nicht das erste Mädchen, das ich küsste. Doch was war ein Kuss schon wert, wenn er nicht von Svea war? Wenn wir am See saßen und zu ihrer Gitarrenbegleitung sangen, lauschte uns die Welt und wenn wir abends fröstelnd mit Wolldecken den Sternenhimmel bestaunten, lauschten wir ihr. War unsere Liebe jemals lauwarm gewesen, so wurde sie langsam aber sicher glühend heiß. Ich war erfüllt von diesem wunderbaren Geschöpf, von meiner Nixe, meiner Piratin, meiner Schneekönigin. Meiner Seelenverwandten. Ich liebe Dich, ich liebe Dich, ich liebe Dich.

Svea

Mit Vincent erlebte ich den schönsten Sommer meines Lebens. Wir waren Tag und Nacht zusammen. Wir redeten, lachten, küssten, stritten, liebten. Wir lebten. Was im Frühling lauwarm gewesen war, war nun glühend heiß. Ein „Ich liebe Dich.“ und ein Kuss zwischen süßer Eiscreme und sonnengebräunter Haut. Vincent nahm mich auf den Gepäckträger seines alten, roten Fahrrads und wir fuhren zusammen an den Strand. Wir suchten uns eine kleine Düne und saßen dort, wortlos, stundenlang. Unsere eigene kleine Welt aus Sand, Wind und dem Klang des Wassers und der Möwenschreie. Unsere Finger ineinander verschränkt saßen wir dort, während der salzige Wind mit meinen Haaren spielte und sie Vincent ins Gesicht wehte. Doch wir rührten uns nicht, bis die Sonne verschwand, wir hatten Angst, alles würde zerbrechen, wenn wir uns bewegten. Wir wollten nicht aufwachen aus unserem Traum. Vincent und Svea. Svea und Vincent.

Vincent

Im Sommer hatte ich Feuer gefangen. Unser Lachen perlte von den Dünen ab wie das Wasser von unserer sonnencremebeschmierten Haut. Wir redeten über Alles, worüber man reden konnte. Wir lachten über alles, worüber man lachen konnte. Wir dachten über alles nach über das man nachdenken konnte. Wir lebten so intensiv, wie man leben konnte. Und wir liebten so pur und bedingungslos, wie man lieben konnte. Der Sand, den die Gezeiten mit sich nahmen und weit wegtrugen, an Orte von denen wir träumten, trug unsere Namen. Wir liefen am Morgen los ohne Ziel, wir hielten uns an den Händen und waren überall und nirgendwo. Doch jeden Abend kehrten wir zurück und kamen zur Ruhe, zwei rastlose Wanderer, alleine zu zweit. Manchmal setzte Svea sich auf den Gepäckträger meines alten Fahrrads und ich fuhr so schnell, dass ihre Haare um ihr Gesicht züngelten und mir der Wind in den Ohren pfiff. Wir malten unser Leben in den schönsten Farben, die wir finden konnten. Künstler und Muse.

Svea

Zusammen mit der Kälte streckte auch der Tod seine Finger nach uns aus. Ich bekam die Diagnose an einem Samstagmittag. Meine Welt ergraute und meine Gedanken verschwammen. Es war nur noch ein Wort in mein Gedächtnis gebrannt. Ein Name. Sein Name. Vincent. Niemals durfte er mich leiden sehen, ich wusste, er wäre mit mir krank. Und plötzlich stand ich am Ende der Welt und um mich herum bröckelte alles. Meine Gefühle waren ausgelöscht. Es gab nur noch die kalte, schwarze Leere, die sich in mir ausbreitete. Ich schrieb die Worte in die Luft, die ich sagen würde, die mein letztes Glück verjagen würden. Ich sah Vincent in die Augen, als ich die Worte laut aussprach und unsere Glaskugel zersplitterte in winzige Scherben. Ende. Von der Krankheit durfte er nicht wissen, ich musste ihn von ihrer moderigen Schwärze fernhalten. Und so nannte ich ihm keinen Grund, nichts woran er festhalten oder worüber er nachdenken konnte, ich nahm einfach einen Hammer und zerschlug alles, was wir je hatten. Seine Tränen schimmerten und funkelten in seinem Gesicht. Ich wünschte, ich hätte alle unsere Augenblicke eingesammelt und sicher verstaut, damit ich sie jetzt wieder hervorholen könnte. Doch es war zu spät. Es war vorbei.

Vincent

Sie kam Samstagabend zu mir. Ihre Flügel, die vor kurzem noch strahlend und majestätisch waren, waren jetzt grau und gebrochen. Mein Engel war gefallen. Sie überbrachte mir die Nachricht, die ich so sehr gefürchtet hatte, dass ich mir nie erlaubt hatte sie für möglich zu halten. Mein Engel setzte das Paradies in Brand und nannte mir keinen Grund dafür. Sie ging so schnell und leise wie sie gekommen war und ließ mich zurück, inmitten der fliegenden Asche meiner eben noch perfekten Welt, den Geschmack salziger Tränen auf den Lippen. Ich spürte, wie ich fiel, doch ich kam nicht unten an.

Svea

Der Schnee fiel langsam und ich wünschte ich könnte mit ihm auf dem grauen Asphalt schmelzen. Ohne Schmerz und ohne Abschied. Doch viel mehr als das wünschte ich mir Vincent. Ich verzehrte mich nach ihm. Tag und Nacht verschwammen ineinander wie Wasserfarben auf dem Papier. Und dann war er da. Ganz plötzlich stand er vor mir, mein wunderschöner, gebrochener Krieger. Alles verloren Geglaubte kam zu uns zurück. Und so wie wir den Sommer hatten, hatten wir den Winter. Was im Sommer knallbunt gewesen war, war jetzt weinrot und golden. Wir konnten nicht leben ohne einander, dass wussten wir. Doch bald war es Zeit für mich zu gehen. Für immer. Doch diesmal sammelte ich die Sekunden, die unbezahlbaren Sekunden, denn ich wollte sie noch einmal hervorholen können. Wir waren jetzt König und Königin. Ich liebe Dich.

Vincent

Sie war zurück und sie hatte mein Herz mitgebracht. Ich konnte es wieder in meiner Brust schlagen hören. Und wenn wir dalagen, meine Lippen an ihrem Hals, dann schlugen unsere Herzen im gleichen Takt. Dann wollte ich wieder leben. Meine Königin war zurückgekehrt. Endlich.

Svea

Als der Schmerz in meinem Körper zu groß wurde, als dass ich ihn hätte verbergen können, wusste ich, dass es Zeit für mich war. Durch meinen tränenverschleierten Blick konnte ich Finger erkennen, die etwas schrieben. Ich glaube das waren meine Finger. Alle meine Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse, Wünsche, Träume flossen durch den Stift auf das Papier. Das letzte war meine Liebe. Doch auch sie ließ ich gehen, sie mischte sich unter die anderen Dinge und bald konnte ich sie nicht mehr erkennen in dem Gemisch meiner Seele auf dem Papier. Auf meine letzte Reise nahm ich nichts mit außer unserer Augenblicke, die ich gesammelt hatte und diese waren nicht sehr schwer, sodass ich beinahe nichts zu tragen hatte. Ich war leer, denn selbst meine Seele hatte ich ihm geschenkt.

Vincent

Ich teile alles mit Dir, Vincent, nur nicht den Tod.
Ich liebe Dich
Ich rannte.

Svea

Hier stehe ich nun, am Rand der Klippe. Unter mir das Meer, grün und schmeichelnd. Es gurgelt meinen Namen. „ Ich komme sofort, ich bin gleich da.“ Und ich packe meinen Koffer aus, ich schließe meine Augen und lasse die Augenblicke frei, meinen gehüteten Schatz und der Wind packt sie und nimmt sie fort.


Vincent

Wehende Haare. Die Welt hält den Atem an. Nein. Nein.

Svea

Ich weiß, dass er da ist. Ich spüre ihn, wie er hinter mir steht. Endlich kann ich gehen. Endlich. Auf Wiedersehen, Vincent.

Vincent

Der Wind. Er erfasste alles und nahm es mit sich. Er griff sich meine Welt, meine Seele, mein Herz. Er zerrte auch an meinem Körper, an meiner Kleidung, meinen Haaren. Er wollte auch mich haben. Mein Verstand wollte mit ihm gehen, um jeden Preis. Doch mein Körper hielt stand, wehrte sich gegen mich. Salzige Tränen. Mehr nicht, mehr war nicht übrig geblieben. Der Wind hatte alles fortgetragen.

 
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Hallo MadMermaid,

wie ich sehe, bist du noch etwas einsam hier im Forum. Ich maße mir jetzt einfach mal an, die Hinweise von Moderatorin Novak aufzugreifen: Es liegt sicher nicht an deiner Geschichte, dass du noch keine Rückmeldung dazu bekommen hast, sondern an der derzeit hohen Dichte an neuen Geschichten. Und wenn du siehst, wie umfangreich ausgearbeitet viele Kommentare der Moderatoren sind, wirst du verstehen, dass das alles seine Zeit braucht.

Aber ich hab mir nun deine Geschichte ein paar mal durchgelesen und finde den Ansatz schon mal recht gut. Den Perspektivenwechsel empfinde ich als recht intensivierend. So wird man als Leser gut unterstützt, sich in die Gefühlswelt der jeweiligen Protagonisten hineinzuversetzen.

Aber jetzt mal quer durch den Gemüsegarten ein paar Ansätze:

Störend ist für mich die numerische Datumsangabe "1. März" (wo im Übrigen grundsätzlich das Leerzeichen fehlt). Zunächst dachte ich, es würde im Verlauf der Geschichte eine präzisierende Rolle spielen. Hinsichtlich des Titels vielleicht "Ein Jahr". So in der Art als würde es mit dem 1. März beginnen und mit dem 1. März enden. Da dem aber nicht so ist, ist mir diese Angabe zu technisch, zu trocken, zu gefühllos und ohnehin verzichtbar. Warum also nicht "... im März"?

"Denn mit Vincent ist nichts normal, mit ihm ist alles ein wenig anders. Besonders."

Hier krieg ich die Kurve nicht: Svea empfindet das ja kurz nach ihrem Kennenlerntag! Doch dieser Satz klingt nach einer absoluten Feststellung nach der sie ihn schon lange kennen müsste: "NICHTS ist normal", "ALLES ist ein wenig anders"!
Ich meine, an dieser Stelle müsste sie eher einen anfänglichen Eindruck formulieren, dergestalt:
"Denn nichts schien normal zu sein mit Vincent, alles ein wenig anders, ein wenig besonders.
Und da tritt noch eine andere Verfänglichhkeit zutage: Die Aussage "Nichts ist normal mit Vincent" hat für mich etwas von einer psychologischen Beurteilung: "Vincent ist nicht normal!"
Ist aber jetzt schon sehr subjektiv, diese Einschätzung!
Inhaltlich fände ich es runder in der Art: "Denn nichts, was passierte, schien normal zu sein mit Vincent, als wäre alles ein wenig anders, ein wenig besonders."
Sprachlich sicher optimierbar, aber ich hoffe, du verstehst, was ich meine.

Deine Geschichte lebt ja von Sveas und Vincents Gefühlswelt. Deshalb finde ich, dass eine Reihe an Begrifflichkeiten und Formulierungen mehr Emotionalität vertragen würden. Ein paar Beispiele, die mir gleich beim ersten Lesen aufgefallen sind:

"Ich erwiderte ihr Lächeln." klingt mir zu formal, das "erwidern". Warum nicht: "(Und) Ich lächelte zurück"?

"... von frisch bedrucktem Papier ...", bitte entschuldige, aber frisch bedrucktes Papier assoziiere ich ausnahmslos mit einer Druckerei, diesen meist leicht stechenden Geruch frischer Farbe und der Lösemittel.
In einer Bücherei hingegen ist der Anteil eher alter oder älterer Bücher viel höher, daher dominiert dort eher "der staubige Muff vergilbten Papiers", was jetzt natürlich zu negativ wäre. Jedenfalls fände ich es besser, wenn du dir da nochmal etwas weniger Industrielles einfallen ließest.

"Unsere Liebe wuchs. Langsam aber stetig"
Abgesehen davon, dass ich die Formulierung "langsam aber stetig" für recht abgedroschen halte" finde ich dieses relativierende langsam auch inhaltlich fehl am Platze. Du schreibst von einer Liebe, die sehr intensiv ausgelöst wurde. Klar kann sie noch weiter wachsen. Aber was langsam wächst, beginnt zumeist im Kleinen. Also eher in dieser Art: "Unsere Liebe wuchs stetig (weiter)"

Na ja, und wenn du dann die Liebe metaphorisch blühen lassen willst, "Und ich blühte mit ihr", dann fehlt mir beim vorangegangen Satz die Verbindung zum Blühen. Liebe die wächst, blüht nicht zwangsläufig. Also müsstest du sie eher zu einem blühenden Etwas heranwachsen lassen.

"... kannten uns in- und auswendig": Ich hab jetzt grade keine Vorschlag parat, aber dies ist für mich wieder so eine gefühllose Floskel, die kein Bild ergibt - bestenfalls ein chirurgisches.

"Alles war intensiver mit ihm (,) und ich war süchtig danach."

Schwierig jetzt: Also was alles war intensiver im Vergleich wozu?
Vielleicht in dieser Richtung: "Jedes Erlebnis, jedes Gefühl, einfach alles, was ich an seiner Seite verspürte, war intensiver als ich es je zuvor fühlte." Das kann man jetzt sicher auch kürzer auf den Punkt bringen.

"... ich war süchtig danach":

Der Begriff Sucht transportiert generell Negatives. Ich meine, das gehört nicht hierher.
Etwas archaisch zwar aber treffender wäre so etwas wie "Und ich verzehrte mich danach!" o. ä.

So, jetzt lass mich aber an dieser Stelle mal aussteigen.

Du hast dir ein Thema und einen Stil ausgewählt, die sehr anspruchsvoll sind. Es ist immer sehr schwierig, persönliche, tiefe Gefühle so aufs Papier zu bringen, dass Fremde etwas davon miterleben können. Aber gerade davon lebt deine Geschichte. Deshalb scheint es mir richtig, dass du sie dahingehend durchforstest, dass sie möglichst frei von nichtssagenden Floskeln bleibt, frei von staubigen oder technisierenden Begriffen und Formulierungen.

In weiten Bereichen bringst du bereits schöne Bilder:
"Sie war zurück und sie hatte mein Herz mitgebracht." u. v. m.

Daher glaube ich, dass du Begriff für Begriff, Formulierung für Formulierung nochmals auf den Prüfstand stellen solltest - daneben sind auch noch ein paar Rechtschreib-, Tipp- und Kommafehler drin, von denen du sicher die einen oder anderen noch selber findest.

Drückt die formalistisch wirkende "Gitarrenbegleitung", wirklich das aus, was Vincents Herz verspürt
Kann etwas gleichzeitig schimmern und funkeln?
Ist der Asphalt grau, wenn Schnee auf ihm schmilzt?
Kann man nicht zusammenliegen anstatt nur dazuliegen?

usw.

Ich hoffe nun, dass du das alles nicht als ein böses Zerpflücken deiner Geschichte siehst. Wäre es mir darum gegangen, hätte ich mich sicher nicht so ausführlich damit beschäftigt, dir ein paar (hoffentlich) verständliche Ansätze zu liefern, wie du in meinen Augen noch mehr daraus machen könntest. Ich meine, sie hätte es verdient.

Viele Grüße und viel Spaß weiterhin
oisisaus

 

Liebe/r oisisaus,

Ich freue mich sehr, dass Du Dich mit meiner Geschichte beschäftigt hast und bin dankbar für Deine Kritik. Leider fehlt mir im Moment die Zeit, meine Geschichte zu überarbeiten, aber sobald ich dazu komme werde ich mich noch einmal genau mit ihr beschäftigen und sie überarbeiten.

Vielen Dank nochmal,
MadMermaid

 

Svea war meine Vorspeise, mein Hauptgang und mein Dessert in einem.
*
Ja, da haben zwo einander zum Fressen gern,

liebe Meermaid,
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!
*
So ist das mit dem Verliebtsein, dass eher lyrisch denn prosaisch daherkommt und den Gesichtssinn zum Spiegel nimmt, dass einer sich im Auge des andern erkenne. Ob daraus Liebe wird, die weder fragt noch Besitzansprüche stellt, muss hier offenbleiben. Im künftigen Leben wäre ein allzu häufiges „ich lieb(e) dich!“ eher verdächtig, ist doch das Adjektiv eines der häufigst gebrauchten Wörter (selbst in Briefanfängen und – wie Du ja selber siehst – in Anreden hierorts, dass es eigentlich nicht mehr aussagt, als es ursprünglich bedeutet, wobei – das klingt jetzt vielleicht unangemessen, ist aber durchaus ernst zu nehmen – die männliche Anrede „lieber“ zu allem Überfluss noch der Komparativ von lieb ist. Aber von solchen Problemen ist Dein Versuch lyrischer Prosa (keine bange, ich mag Lyrik in Verbindung mit Prosa, ist doch prosaisch eher die bürgerliche Arbeitswelt). Du bringst beides zusammen, wovon junge Leute häufig erzählen: Liebe und Tod (wobei da der Suizid[versuch] bevorzugt wird), wenn man so will: Eros und Tanatos, Libido und Aggression.
*
Dabei bistu nahe beim Schulaufsatz, wenn die Zeitenfolge haarklein befolgt wird, ohne dass ein Zwang dazu besteht, wodurch Hilfsverben haben, sein, werden inflationär und in der Folge auch* Partizpien gebraucht werden, wie hier direkt zu Anfang:

Doch niemals hatten wir einander angesehen, wir waren beschäftigt gewesen mit unseren Leben[,] *und ich hatte nicht im Traum daran gedacht, dass unsere Wege sich einmal kreuzen würden.
Es ginge auch „lyrischer“ und die würde-Konstruktion fiele auch noch in einem Aufwasch weg, also etwa
„Doch niemals sahen wir uns an, beschäftigt waren wir mit unseren Leben, und ich dachte nicht im Traum daran, dass unsere Wege sich einmal kreuzten.“ (Auf die Zeichensetzung komm ich gleich)
*
Und auch ein kürzeres Beispiel
Sie war immer das Mädchen von nebenan gewesen.
Was schon ziemlich nach aufs Ende und „verwesen“ verweist, warum nicht einfach*
Sie war immer das Mädchen von nebenan […]
Und noch ein Beispiel, bei dem man wahrlich ein angemesseneres Verb setzen könnte
Doch was war ein Kuss schon wert, wenn er nicht von Svea war?
„…, wenn er nicht von Svea kam?“
*
Da solltestu noch weiter Ausschau halten.
*
Von der Rechtschreibung her ist das für die meisten Einsteiger hierorts nahezu fehlerfrei, bis auf die Zeichensetzung, wobei ich da den Verdacht hab, dass die an sich sitzt, aber öfters Flüchtigkeit obsiegt:
*
Hier zu Relativsätzen (nur zwo Beispiele jeweils, damit der Komm nicht länger werde als der Muttertext)
Überall[,] wo wir zusammen waren[,] ließen wir kleines Stück unserer Geschichte, unserer Seelen zurück.
Sie war die Erde[,] auf der ich ging[,] und die Luft[,] die ich atmete.
*
Einmal hab ich den Eindruck, dass Du das Ende des Nebensatzes vergisst, weil direkt danach die Konjunktion einen zwoten Hauptsatz aufführt:
Wenn wir am See saßen und zu ihrer Gitarrenbegleitung sangen, lauschte uns die Welt[,] *und wenn wir abends fröstelnd mit Wolldecken den Sternenhimmel bestaunten, lauschten wir ihr.
*
Und einmal tritt die Flüchtigkeit derart zu Tage, weil im Folgesatz misslingt, was im Satz zuvor gelang:
Wir lachten über alles, worüber man lachen konnte. Wir dachten über alles nach[,] über das man nachdenken konnte.
*
Hier schnappt eine Ausnahme in der neuen Regelung der Infinitivgruppen zu
Sie überbrachte mir die Nachricht, die ich so sehr gefürchtet hatte, dass ich mir nie erlaubt hatte[,] sie für möglich zu halten.
(Ich rate immer zur alten Regelung, Komma zu setzen, dann braucht man sich nicht die Ausnahmen der neuen Regelung zu merken)
*
Hier leitet „wie“ einen vollständigen Nebensatz ein
Sie ging so schnell und leise[,] wie sie gekommen war[,] und ließ mich zurück, …
*
Hier nun ist der Punkt vorm auslaufenden Anführungszeichen, wobei es mir weniger nach einer schlichten Aussage, denn nach einem Ausruf klingt, dass ich tatsächlich ein „!“ setzte, hätte ich es denn geschrieben.*
„Ich liebe Dich.“ und ein Kuss
(wobei ich fast vergessen hätte, dass hier die Höflichkeitsform des Du eigentlich Distanz signalisiert)
Wie auch hier ein Ausrufzichen angemssener erscheint
Die Welt hält den Atem an. Nein. Nein[!]
*
Unter all diese Flüchtigkeiten fallen selbst wunderschöne Sätze wie
Der Sand, den die Gezeiten mit sich nahmen und weit wegtrugen, an Orte[,] von denen wir träumten, trug unsere Namen.
und
Der Schnee fiel langsam und ich wünschte[,] ich könnte mit ihm auf dem grauen Asphalt schmelzen.
*
Gleichwohl: Das wirstu packen!,
meint der
*
Friedel,
der vorsorglich schon mal schöne Feiertage wünscht!

 

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