Was ist neu

Der Serienmacher

Mitglied
Beitritt
07.12.2014
Beiträge
8
Zuletzt bearbeitet:

Der Serienmacher

Die Maserung hatte genau da,
wo er seinen Daumen entlangführte,
eine tiefe Rille.

Während Richard Dullen, dieser verfluchte amerikanische Bastard, seinen Tobsuchtsanfall bekam, fuhr der Serienmacher immer wieder über die Kante in dem sonst ebenen Holz des Konferenztisches. Und habt ihr die Scheiße von letzter Woche gesehen, schrie Richard. Seine Handflächen griffen den Himmel an und sein Brustkorb wehte im Sturm seiner Wut. » - ihr könnt mir doch nicht erzählen – also als das ausgestrahlt wurde… da sagt ihr doch nicht: Das ist meins! Also da rennst du, Gerald! - Musst ‘e gar nicht weggucken… da rennst du doch nicht mit ‘ner Latte zu deiner Freundin und sagst: Das ist meins, jetzt blas mir einen!«
»Herrje Richard, beruhig dich doch!«, warf die Frau ein, die mehr Mauerblümchen als Mensch war. Die anderen kicherten. Richard drehte sich zu ihr, und noch während er Luft holte, fiebste es reuegeschwängertes Stakkato aus der Kehle des Mauerblümchens. Sie gab sich alle Mühe erneut in ihrem Stuhl zu verschwinden und hätte sie nicht den Fehler begangen einen Ton, ja sogar eine Folge von Tönen von sich zu geben, so hätte sie wiedermal niemand bemerkt. Dann wäre keinem aufgefallen, dass es ein Mensch war, der im grauen Blazer, mit grauer Brille und schwarzen Schuhen auf der ebenfalls schwarzen Lehne ihres Stuhls verschwand.
Sie war, und das wussten wirklich alle, ein bleicher Schatten, der nie etwas sagte, außer Hirnlosigkeiten wie: »Beruhig' dich doch, Richard!« Wäre ihr Leben eine Telenovela, so hätte man ihr nicht mal die Hauptrolle geben können. Und der Serienmacher – das war schließlich sein Job – wusste, wie scharf dieses Urteil war. Beruhig' dich doch, hatte sie gesagt. Das war ja wohl das Letzte.
Der Serienmacher schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, sah er sie schon fast gar nicht mehr. »Fucking Shit!«, redete Richard weiter. »Gehen wir das Ganze noch mal durch[…]«, und es folgte eine zehnminütige Zusammenfassung der letzten drei Staffeln. Und während der Serienmacher noch einmal den gesamten von Ideenlosigkeit geprägten Plot der Low-Budget-Produktion hören musste, für den er zu einem Achtel verantwortlich war, fiel ihm auf, dass niemand (»aber auch wirklich niemand«), der irgendetwas mit diesem Schrott zu tun hatte, damit zu seiner Freundin rennen würde, um zu sagen: »Das ist meins, und jetzt blas mir einen«. Aber wer bekam schon regelmäßig einen geblasen für das, was er machte? Dafür muss man schon andere Qualitäten haben, oder eine Freundin, die tierisch darauf steht, oder besser noch: Eine, die das ganze Blasen-Thema nicht als Druckmittel benutzt, wie seine bisherigen Freundinnen. Auch wenn Richard also richtig lag - fiel ihm auf - scheiterte er vielleicht lediglich an seinem Anspruch. Es ging bei der Serie immerhin hauptsächlich darum, die Miete zahlen zu können und nicht einen geblasen zu bekommen. Er hätte Richard das gerne genauso erklärt, aber der Zug war wohl abgefahren, denn Richard nannte sie gerade eine Bande Fuckmonkeys.
»[…]räudige Bande Fuckmonkeys ohne Berufsethos«, sagte Richard. »Jetzt wollt ihr Lana töten?... töten… einfach so…« Für eine Sekunde drohte die Stimmung zu kippen; damit ihn niemand unterbrach, wurde Richard aber sogleich wieder wütend. »Und wie wollt ihr Fuckmonkeys das machen? Lukas! Sie rutscht auf Lukas Ball aus… einem Ball... und stürzt vom Geländer…«
»Du tust so, als würde das einfach vom Himmel fallen, Richard«
»Ich tue so, als würde Lana einfach vom Himmel fallen, du Kaulquappe!«
»So meinte ich das doch gar nicht, du tust so, als würden wir die Handlung gar nicht vorbereiten, als würde sie da einfach aus dem Nichts runterfallen.«
»Ah richtig, richtig«, und Richard hielt sich das Skript für die nächste Folge unter die hakenförmige Nase. Er hatte seine Lesebrille nicht auf. »Da war ja was. Zuerst,«, holte er aus, »zuerst dieses Fußballspiel. Lukas macht den Siegtreffer, nimmt den Ball mit auf das Dach - einen WM-Ball - und auf dem Dach wartet dann Lara… und erst nach dieser genialen Vorbereitung… fliegt sie runter und ist tot oder besser: wird zu Matsch« Er schlug während seiner Rede immer wieder auf den Stapel Blätter in seiner Hand, als könnte er die Wörter aus dem Papier klopfen. Dann verbeugte er sich von den Anwesenden, fuhr mit der Rechten erst an seine linke Schulter und sagte: »Im Namen des Vaters«, dann an seine rechte Schulter, »Im Namen des Sohnes«, dann an den Bauch, »und des Heiligen Geistes«, dann an den Kopf. »Amen. Matsch zu Matsch, Asche zu Asche, Staub zu Staub.«
»Richard! Das geht zu weit« Diesmal war es Gerald, der sprach.
»Also, wenn ihr den Scheiß hier senden wollt, dann ohne mich. Hört ihr, ohne mich! Ich hab einen MBA von der Columbia University – ich kann überall arbeiten!«
»Also hören Sie Herr Dullen, ich sehe wirklich keinen Grund, warum wir das Skript jetzt noch ändern sollten. Vom schreibhandwerklichen Standpunkt betrachtet ist das wirklich mehr als in Ordnung. Außerdem finde ich das alles wirklich halb so wild und was sie da beschreiben, na hören sie mal, da gibt es doch noch viel Schlechteres als unsere Sendung«, wurde vom Kopfende eingeworfen.
»Na schön! I dont need this crap…« Und mit diesen Worten stürmte Richard aus dem Besprechungsraum. Kurz vor der Tür drehte er sich allerdings noch einmal um, betrachtete den Raum wehmütig - wohl in der Vorausahnung, dass er nicht überall arbeiten konnte, ging ein paar Schritte auf das Mauerblümchen zu und blieb schlussendlich vor ihr stehen. Er bückte sich, bis sein Kopf auf Höhe ihrer Blüte war, steckte dann die fünf wurstigen Finger seiner rechten Hand in ihre streng zusammengebundenen Haare und machte eine Bewegung, als spielte er sehr ausladend Klavier. Er hörte erst auf, als das Haar des Mauerblümchens vollkommen durcheinander war.
»B.I.T.T.E.S.C.H.Ö.N!« Und das waren tatsächlich Richard Dullens letzten Worte im Konferenzraum der HOOK-Filmstudios.

Jemand schüttelte den Serienmacher an der Schulter. »He He! Aufwachen, komm schon, wir sind fertig. Gleich wird gefeiert! Wir beide, du und ich, gleich ins STAIRS?«, sagte Harry, der eigentlich Hans hieß.
»Gleich?« Der Serienmacher guckte auf die Uhr. In zwanzig Minuten war Feierabend. Um ihn herum stand einer nach dem anderen auf. Das Meeting hatte über drei Stunden gedauert. Zuerst war da Richards peinliche Einlage gewesen, die ausgiebig diskutiert wurde, dann hatte das Mauerblümchen angefangen zu weinen, weil ihre Haare ganz durcheinander waren und sie jeden in der Runde fragen musste, was dieses Bitteschön bedeute, das Richard gesagt hatte. Als es ihr keiner sagen wollte, war sie aus dem Raum gestürmt und man hatte ihr hinterherstürmen müssen. Schließlich kam sie mit dunklen Flecken auf den Wangen zurück und setzte sich an ihren üblichen Platz. Nachdem sie sich eingekriegt hatte, wurde darüber abgestimmt, ob alle Anwesenden sich bei dem Mauerblümchen zu entschuldigen hatten. Zwei stimmten dagegen (einer davon war der Serienmacher, der andere war Harry – der immer noch Hans hieß), sechs stimmten dafür. Die kollektive Entschuldigung sah so aus, dass einer nach dem anderen aufstand und sich dafür entschuldigte, was er getan hatte, also absolut gar nichts. Das Ganze war eine riesige Zeitverschwendung, deren einzig Gutes der Serienmacher darin sah, dass er der erste war, der sich zu entschuldigen hatte. Somit konnte er die Sache schnell hinter sich bringen. Er stand also auf. Das tat er sehr langsam und behäbig, denn er brauchte die Zeit, um sich irgendeinen absolut irrsinnigen Grund zu überlegen, aus dem er sich entschuldigte. Nachdem er stand, fing er ganz allgemein an. »Liebe …, es tut mir leid, dass ich dir vielleicht häufig das Gefühl gegeben habe, nein Moment, es tut mir leid, dass ich dir häufig das Gefühl gegeben habe, dass du nicht total wichtig für unser Team bist. Eigentlich möchte ich dir sogar sagen, dass gar nichts hier möglich wäre ohne dich. Du bist total wichtig und was Richard da zu dir gesagt hat, tut mir auch Leid, vor allem, weil Richard ein Arsch ist, und ich überhaupt ganz schön froh bin, dass er jetzt weg ist. Mobbing ist übrigens auch scheiße.« Hier hätte er eigentlich aufhören sollen, aber plötzlich geriet er furchtbar in Fahrt. Das passierte ihm manchmal. Da konnte er gar nicht gegen ankämpfen. Jetzt ging es darum richtig dick aufzutragen. »Du bist ein super Mensch«, sagte er, » wirklich 1-A, und ich hoffe, dass du bald jemand findest, der das sieht. Du bist ja schon ziemlich lang Single, und nur weil… weißt du… nur weil man nicht immer irgendwas sagt, heißt das nicht, dass einen jeder behandeln darf wie Scheiße. Wir sind doch alle nur Menschen und weißt du was? Ich finde, du bist ein ganz Toller… also Mensch… also jedenfalls, tut mir das alles total Leid« und dann weinte er echte Tränen. Das wiederum passierte ihm selten.
Während der Serienmacher redete, stöhnte hin und wieder jemand auf, weil er so viel sagte, und alle Angst hatten, dass überhaupt nichts mehr zu sagen übrig blieb, nachdem er fertig war. Als der Serienmacher dann endlich fertig aufgetragen hatte und alles furchtbar, furchtbar dick war, wurde neben ihm aufgestanden und der nächste sprach, aber er hörte gar nicht mehr zu, denn er war verdammt gerührt von den schönen Worten, die er gefunden hatte. Er blickte durch die Runde und einer nach dem andern nickte ihm wohlwollend zu. Die einzige, die er nicht ansah, war das Mauerblümchen. Er suchte sie, aber irgendwo – so in der Mitte seiner Rede – war sie erneut völlig mit dem Raum verschmolzen und gänzlich unsichtbar geworden.

Er war zuhause und wusch sein Gesicht mit Reinigungsgel, dann trug er einen dünnen Film Creme auf, nicht zu viel, sonst bekam er Pickel. Er griff nach der Zahnbürste und rieb sie gegen seine Zähne. Anschließend guckte er sich das Ergebnis an und suchte nach übriggebliebenen Resten vom Mittagessen, die sich vielleicht irgendwo in den Ritzen eingelagert hatten. Er pulte mit einem Ohrstäbchen in seinem Ohr und klippte sich die Nägel mit einem Nagelklipper, rollte sich die Achseln mit einem Achselroller, wusch die Füße mit Fußwäsche und zu guter letzt kleidete er seinen Körper mit Körperkleidung. Seine Garderobe war hauptsächlich schwarz und blau; er war einer dieser kreativen Typen. Leute sagten zu ihm, dass er Geschmack hatte, weil er das Hemd passend zur Hose wählte und die Schuhe, ja selbst den Gürtel und die Uhr, farblich abstimmte. Wenn es um sein Äußeres ging, überließ er nichts dem Zufall.

Harry stand in einer dunklen Seitengasse, aus der er dem Serienmacher zuwinkte. Vor einer spärlich gezimmerten Treppe hatte sich eine Schlange gebildet, an deren Kopf zwei dicke Schwarze in noch schwärzeren Bomberjacken standen. Hin und wieder machten die beiden Schwarzen einen Schritt zur Seite und ließen tröpfchenweise Menschen an ihnen vorbei. Harry griff den Serienmacher an der Hand, führte ihn an der Schlange vorbei und direkt zu einem der Schwarzen.
»He!«, sagte Harry zu dem Türsteher.
»Hey, steht ihr auf der Liste?«
Harry schüttelte mit dem Kopf. »Dann hinten! Aber zackig!«
»Komm schon, Mann, wir arbeiten beim Fernsehen. Wir sind die Schreiber für »Das neue Ufer: Lanas Weg««
Der Schwarze guckte Harry verwirrt an und schaute danach wieder auf seine Liste.
»Steht nicht drauf!«
»Muss auch nicht draufstehen, wir sind V.I.Ps« Der zweite Schwarze kam jetzt hinzu und brauchte nicht mehr als einen Blick, um die Situation zu verstehen.
»Jeder kennt die Sendung, wir haben Bombenquoten« Harry drehte sich zu zwei Frauen um, die ganz vorne in der Schlange standen. Die eine trug ein enges weißes Kleid, darüber eine Jacke mit Fellkragen, die andere einen Leopardenmantel, darunter ein neongelbes Top. »Ihr kennt unsere Sendung, oder? »Das neue Ufer: Lanas Weg««
»Voll die Scheißsendung, jaaaa«, sagte die im Leopardenlook.
»Siehst du, kennt jeder!«
Der erste Schwarze sah seinen Arbeitskollegen fragend an, zuckte mit den Schultern und sagte dann: »Wartet mal kurz!«
Die beiden Frauen wurden in den Club hineingelassen, danach noch fünf andere. Es dauerte eine Viertelstunde und zahlreiche weitere hineingelassene Gäste, bis der zweite Schwarze sich erneut zu Harry und dem Serienmacher umdrehte.
»Sorry Jungs, aber ihr müsst euch leider hinten anstellen.«
»Wichser!«, murmelte Harry, während er sich zusammen mit seiner Begleitung hinten in der Schlange anstellte.

Als sie in den Club kamen, war es nach drei Uhr morgens. Um die Garderobe war die Schlange der Gäste, die im Begriff waren zu gehen bereits größer als die der Neuankömmlinge. Es war ein muffiger Club, der sich über den Keller und das Erdgeschoss einer ehemaligen Näherei erstreckte. Die Decken waren hoch und schlecht verputzt. Es gab zwei Tanzflächen. Auf der ersten lief laut Beschreibung, die der Serienmacher im Internet gefunden hatte, House-Music auf der zweiten Deep-House-Music. Einen Unterschied konnte er nicht heraushören. Das Highlight des Clubs war ein künstlich angelegter Wasserfall, der sich über eine statisch höchst fragwürdige Konstruktion vom Erdgeschoss bis in den Keller erstreckte. Wo der Wasserfall auf die Erde traf, befand sich ein kleiner See, in dem unendlich viele leere Bierflaschen schwammen und der darüber hinaus Farbe und Geruch von Urin angenommen hatte. Es war der angesagteste Club der Stadt.
Harry und der Serienmacher standen an der Bar und Harry tippte einer dünnen, großgewachsenen Blondine auf die Schulter. Die Blondine drehte sich allerdings nach einem musternden Blick angewidert von Harry weg. Harry lächelte dem Serienmacher mit seinem »Alles Schlampen außer Mutti«-Blick zu und bestellte dann zwei Wodka. Als er merkte, dass das nicht reichen würde, bestellte er noch zwei Wodka und zwei Wodka-Energy, und, um die zwei Kurzen hinunterzuspülen, bestellte er auch noch Bier.
Nach einer aufregenden Wanderschaft über die zwei Stockwerke des Clubs, bei der Harry eine Frau nach der anderen antippte und mit Sprüchen wie »Scheiße, bist du schön!« vergraulte, fand er endlich eine, die bereit war, mit ihm zu tanzen. Es war eine Brünette, mit einem langen Riss an der linken Naht ihres Kleids. Während Harry mit ihr sprach, stolperte sie ein wenig und verschüttete dabei ihren Drink auf Harrys T-Shirt. Dort, wo Harry getroffen wurde, entstand ein dunkler Fleck, den die Brünette versuchte mit ihren an Harrys Brust gepressten Lippen aufzusaugen. Harry schrie auf vor Begeisterung, als ihm die ganz offensichtlich sturzbetrunkene Frau an der Brust herumsaugte. Umgehend lud er sie zu einem weiteren Drink ein.
Während Harry verschwand, um weitere Drinks zu kaufen, stand der Serienmacher eine Weile allein mit der Brünetten auf der Tanzfläche. Er beugte sich zu ihr hinüber und fragte sie, was mit ihrem Kleid passiert war.
»Was für ’n Scheiß hab ich kapiert?«, fragte sie.
»Dein Kleid«
»Mein Kleid?«
»Ja, dein Kleid!«
»Was ist mit meinem Kleid?«
»Kaputt!« Er packte sie an der Hüfte und verschob ihren weichen Körper so, dass sie den Riss in ihrem Kleid sehen konnte. »Scheiße!«, sagte sie. Und dann fing sie an zu kichern, als hätte sie soeben den besten Witz der Welt erzählt. Ohne den Serienmacher auch nur eines weiteren Blickes zu würden, zog sie an dem Riss, bis er ihr Kleid beinahe in zwei Teile trennte. Ein paar Jungs hinter ihr grölten sie an. Einen Ruck später hatte sie ein loses Stück Stoff in der Hand und ihr Bauch war unbedeckt. Sie hatte ein wenig zu weit gerissen, so dass man an einer Stelle ihre orangefarbene Unterhose sehen konnte.
»Wie krass, Mann!«, sagte Harry, als er hinter dem Serienmacher mit drei Getränken in der Hand auftauchte.

Eine Weile tanzten sie zu dritt, dann wurde Harrys Tanz mit der Brünetten sehr eng und die beiden fingen an, sich zu küssen. In einem unbemerkten Moment schlich sich der Serienmacher davon. Eigentlich wollte er gehen, doch dann drehte er eine weitere Runde durch den Club und als er damit fertig war, setzte er sich auf die Treppe, die den Keller mit dem Erdgeschoss verband. Er wollte immer noch gehen, fand aber, dass diese Nacht ein denkbar schlechter Zeitpunkt dafür war, um damit anzufangen, das zu tun, was er wollte. Oben, wo die Treppe zur zweiten Tanzfläche führte, blinkten rote und weiße Lichter trichter- und sternförmig auf. Vor ihm, an der Tür zu ersten Tanzfläche blinkten dieselben Lichter in Blau- und Gelbtönen.
Ein paar Treppenstufen über ihm rauchten fünf Jungs einen Joint und atmeten aromatisch riechenden Rauch in die Kellerluft. Sie kicherten. Einer der Jungs kam zu dem Serienmacher herunter; ein dürrer mit Haaren, die ihm wild im Gesicht herumflatterten. »Willst du ‘nen Zug«, fragte er. Der Serienmacher schüttelte mit dem Kopf, und der Junge rollte die Augen, als verstünde er nicht, warum man den Serienmacher überhaupt hineingelassen hatte. Als der Junge mit den wuscheligen Haaren die Treppen zu seinen Freunden zurückstapfte stand plötzlich eines der beiden Mädchen aus der Schlange vor ihm und setzte sich hin. Es war nicht die im Leopardenkleid, sondern, die die neben ihr gestanden hatte - im weißen Kleid (ihren Fellkragen hatte sie an der Garderobe abgegeben). Sie hatte dunkelblonde Haare, deren Spitzen rot gefärbt waren. Sie war dünn und wohlproportioniert und im rechten Licht, befand der Serienmacher, wirklich zu ertragen.
»Du bist doch dieser Serienschreiber, nicht?«
Er nickte.
»Hör mal, ich wollte es eben echt nicht zugeben, aber »Das neue Ufer« ist wirklich meine Lieblingssendung. Ich fühl mich gerade voll geehrt, dass ich neben einem sitze, der das schreibt und alles…«
»Wirklich nett von dir, aber du musst jetzt nicht so tun, als ob du den Scheiß magst. Ich mag’s ja nicht mal selbst.«
»Nein, ich mein das total ernst. Ich guck das jeden Tag.«
Der Serienmacher guckte sie ungläubig an.
»Zum Beispiel neulich. Oh, ich kann gar nicht davon erzählen, ohne dass ich total die Gänsehaut bekomme: da, wo Lukas Lana endlich geküsst hat. Boar ey! Das war so geniaaaaal!«
»Fandest du? Um ehrlich zu sein, hab ich genau die Episode geschrieben«
»Echt? Oh Gott, ich kann das gar nicht glauben, dass ich gerade echt mit dir darüber rede. Du bist einfach mal der Typ, der das alles geschrieben hat, wie krass ist das denn bitte?«
»Ob du ’s glaubst oder nicht. Aber die anderen bei uns, waren sich echt nicht sicher, ob wir nicht lieber Lana und Toni zusammenbringen sollten, aber ich hab dann einfach meine Episode so geschrieben, dass sie mit Lukas zusammenkommt, weil ich das irgendwie besser fand. Und dann wurde es gedreht.«
»Mit Toni? Oh Gooott, ich hätte total geheult! Das hast du total gut gemacht.« Sie berührte den Arm des Serienmachers und ließ ihre Hand liegen. Ein klares Zeichen.
»Boar, ich find das immer noch so krass, aber wahrscheinlich passiert dir das jeden Tag.«
»Hin und wieder«, gab er zu – was natürlich gelogen war. »Aber wir sind halt keine Schauspieler, wir Screen-Writer. Die Schauspieler werden natürlich ständig erkannt, obwohl wir eigentlich viel wichtiger sind. Wir machen das halt alles erst möglich, weißt du…«
»Du hast voll recht; da hab ich noch nie drüber nachgedacht«
»Wir können jemanden sterben lassen, oder dafür sorgen, dass jemand schwanger wird; eigentlich haben wir die volle Kontrolle«
»Boar, meeeeega.«
»Und was machst du so?«, fragte er sie.
»Ich studiere Anglistik und Medienwissenschaften an der FU«
»Und macht dir das Spaß?«
»Ja, schon. Aber ich war schon seit zwei Semestern nicht mehr in der Uni.«
Der Serienmacher lachte.
»Oh maaaaan, warum lachst du denn jetzt? Maaaaan ey! Sieh mal, das ist so: Früher wollte ich auch voll klug sein und alles, aber momentan, da will ich eher rausgehen und Spaß haben. So richtig jung sein eben, sonst bereut man das doch später… verstehst du?«
Er nickte und dachte daran, dass er in nicht weniger als fünf Wochen sechsunddreißig werden würde. Er war ein alter Sack und redete hier mit diesem Mädchen. Erst jetzt begriff er, dass man sich armselig und geil zur selben Zeit fühlen konnte. Wie alt war sie wohl? Er sah sie genau an. Höchstens zweiundzwanzig, beschloss er. Vielleicht auch eher fünfundzwanzig, aber er wollte Harry später unbedingt erzählen, dass sie zweiundzwanzig war.
»Du machst das schon richtig.«
»Danke ey! Das bedeutet mir echt voll viel, dass du das sagst. Meine Eltern verstehen das gar nicht unso«
»Du siehst übrigens sehr hübsch aus.«
»Danke« Sie kicherte, als hätte sie eigentlich nur darauf gewartet, dass er so was sagte. Und als er ihr so beim Kichern zusah, fragte sich der Serienmacher, warum er die Sache mit dem Hübsch-Aussehen überhaupt gesagt hatte. Er war sich nicht mal sicher, ob sie hübsch aussah. Er hatte das mehr aus Langeweile als aus Überzeugung gesagt. Die Nacht war schon spät und außerdem war es Ewigkeiten her, dass er mit einer Zweiundzwanzigjährigen geschlafen hatte. Er würde sie mit in ein Hotel nehmen, damit seine Frau nichts erfuhr, obwohl es - bezog man ein, wie es um seine Ehe stand - egal war. Probleme bekam er nur, wenn das ganze vor der Scheidung herauskam. Immerhin wollte er reichlich abkassieren.
»Hier ist es doch ziemlich laut, oder?«, sagte er.
»Ja totaaaal.«
»Sollen wir vielleicht noch woanders hin?«
»Oh ja, das fände ich voll schön.«
»Moment, ich hol nur noch eben Harry, den Typ vom Eingang, und frag ihn, ob er mit will. Ist deine Freundin noch da?«
»Ne, die ist schon weg.«
»Wartest du hier einen Moment?«
»Klar!«
Als er ein paar Schritte in die Richtung gegangen war, in der er Harry vermutete, dachte er, dass dieses Mädchen, mit dem er im Begriff war zu schlafen, doch noch etwas verdient hatte, was nur er ihr geben konnte.
»Weißt du,«, sagte er, »willst du was wissen, was noch keiner weiß; über »Das neue Ufer« meine ich jetzt.«
»Ohh, ja klar. Totaaaaal! Oh Gott, ich kann das gar nicht glauben. Stimmt ja, du weißt ja voll, wie es weitergeht.«
»Es gab ja diesen Streit zwischen Lana und Lukas und nächste Woche vertragen die sich.«
»Boar, das ist ja voll schön.«
»Und dann, wenn die sich vertragen haben, passiert ein Unfall und Lana rutscht auf einem Ball aus und fällt vom Dach. Einfach so. Dann ist sie tot, aber das darfst du keinem sagen. Top Secret!« Er zwinkerte.
Plötzlich änderte sich das Gesicht der Zweiundzwanzigjährigen. Ihr Mund stand offen und ihre Hände zitterten.
»LANA STIRBT?«, brüllte sie ihn an.
»Leise, leise! Das darf noch keiner wissen.«
»LANA STIRBT?«, sie brüllte weiter. »Und Lukas? Und Lukas!«
»Mit Lukas ist alles ok. Ich krieg langsam das Gefühl, ich hätte dir das nicht sagen sollen.« Sie wedelte mit ihren Haaren herum und aus ihren Augen liefen Bäche des Entsetzens. Sie holte aus und versetzte dem Serienmacher einen Schlag mitten auf die Brust.
»Krieg dich mal wieder ein!«, sagte der Serienmacher, nachdem ihn die flache Hand traf. Doch schon holte sie wieder aus und schlug erneut zu. Dieses Mal schlug sie mit der Faust, aber verfehlte ihn.
»Wie kannst du bloß Lana töten, bist du verrückt?«, sie heulte ohne Unterbrechung. Der Serienmacher schnappte ihre vorbeifliegende Hand, drehte sie um und umklammerte sie. Es fühlte sich sehr unangenehm an, sie so zu halten. Die Jungs auf der Treppe johlten vergnügt und feuerten die beiden an. Minutenlang standen sie eng umschlungen, bis die Frau in seinem Arm aufhörte zu schlagen. Der Serienmacher löste seine Umklammerung und verschwand, ohne sich umzusehen, in der Masse der Menschen auf der Tanzfläche. Er ließ seinen Blick flüchtig durch die Räumlichkeiten gleiten, um zu sehen, ob er Harry irgendwo fand, doch er hatte keinen Erfolg. Schließlich beschloss er, ohne Harry zu gehen. Er presste sich durch die Tanzenden, die ihre Hände noch immer unermüdlich gen Decke warfen, und stellte sich in die Schlange vor dem Ausgang. Zwei Minuten später tauchte Harry an seiner Seite auf. Über die untere Hälfte von Harrys T-Shirt erstreckte sich ein großer gelber Fleck Erbrochenes. Es stank bestialisch. Über dem neuen Fleck befand sich noch immer der alte dunkle Fleck des Drinks, der davor auf ihn gekippt worden war.

Eine gelbe U-Bahn fuhr ein. Die Schienen summten unter dem Gewicht des schweren Stahls. Eine Lautsprecheransage ermahnte die Wartenden dazu, von den Schienen zurückzutreten und dann fächerte ein Stoß Luft durch die Hallen der Station und die großen Wagons tauchten einer nach dem anderen auf.
Harry und der Serienmacher saßen auf dreckigen orangefarbenen Plastikmuscheln. Als die U-Bahn hielt, standen sie auf und dort, wo sie eben noch gesessen hatten, setzte sich jetzt ein junges Pärchen hin, das aus irgendeinem Grund sofort wieder aufstand. Der Serienmacher guckte Harry nicht an und auch sonst niemanden. In der Innentasche seines Mantels, kramte er nach seinem Ehering. Er war weg. Vielleicht hatte er ihn auch in seiner Hosentasche, nur da wollte er gerade nicht heran. Er nahm sich vor, später noch einmal genauer nachzusehen. Durch den Lautsprecher hallte es, dass der Verkehr der Line U8 heute unregelmäßig ist. Bauarbeiten waren der Grund dafür. Sie stiegen beide in die Bahn. Das Licht war sehr hell und als sie sich mit einem Ruck in Bewegung setzten, stolperte eine ältere Frau im Gang.

 

Jetzt nochmal ein wenig überarbeitet. Wenn jemand Feedback in irgendeiner Form hat, würde mich freuen.

 

Servus MeMo,
Ich hab deine Geschichte noch nicht gelesen, mir allerdings vorgenommen, das am Wochenende zu tun und, so sie es wert ist, dir dazu auch was zu schreiben. Schon deshalb, weil ich es schade finde, wenn der Text von einem Autor, der selbst sehr ambitionierte und profunde Kritiken schreibt, unbeachtet und unkommentiert nach unten rutscht.
Also gedulde dich bitte noch ein wenig.

Einen Verbesserungsvorschlag habe ich allerdings jetzt schon:

Forum
Texte
Kurzgeschichten
Der Serienmacher

MeMo: Der Serienmacher


Der Serienmacher
Kurzgeschichte

Der Serienmacher


Fällt dir was auf?
Wenn du dir den Seitenanfang anschaust, wirst du sehen, dass über deiner Geschichte nicht nur der Titel noch zweimal steht, sondern auch, dass es sich um eine Kurzgeschichte handelt. Bevor ich mit deinem Text beginne, lese ich also viermal den Titel. Finde ich etwas übertrieben, und dass ich im Kurzgeschichtenforum bin, weiß ich ja sowieso.
Das braucht es nicht zusätzlich noch im Textfeld.

Bis später,

offshore

 

Hallo MeMo

Ich finde das Thema deiner Geschichte ziemlich interessant, da ich selbst gerne Serien schaue. Nicht die täglichen Telenovelas, sondern eher die Dramaserien aus den USA. Mit den Mechanismen im Hintergrund hab ich mich allerdings noch nicht genauer auseinandergesetzt.

So klingen in deinem Text dann auch mehrere spannende und vielversprechende Aspekte an - zum einen die Tatsache, dass die Darsteller jeder kennt, die Autoren aber kaum jemand. Dabei leisten die wirklich tolle Arbeit. Dann die Tatsache, dass die Autoren einen großen Einfluss auf die Serie haben - wobei die natürlich auch nicht nach Belieben Episoden schreiben dürfen. Gerade bei den großen US-Serien gibt es ja die Showrunner, die meines Wissens den groben Handlungsverlauf vorgeben. Wie das bei Serien wie GZSZ beispielsweise ist (mit der sich deine fiktive Serie wohl eher vergleichen lässt), weiß ich nicht. Aber ich denke, da wird es auch eine eher kleine Gruppe geben, die den Handlungsverlauf grob skizziert und dann ein größeres Team von Autoren, welches die einzelnen Episoden schreibt.
Und letzten Endes thematisierst du auch das Verhältnis zu den Fans einer Serie. Das ist ein ganz eigenes Thema, Stephen King hat sich ja damit schon vor dreißig Jahren in Misery ausführlich damit beschäftigt, und heutzutage hat das ja durch das Internet nochmal eine ganz neue Dynamik bekommen. Wenn ich nur daran denke, wie in manchen Foren auf George Martin eingeprügelt wird, weil er mit Ice and Fire nicht vorankommt ...

Also kurzum, das ist ein weites und ambitioniertes Feld. Das alles klingt zwar an in deiner Geschichte, aber richtig intensiv beschäftigst du dich mit keinem Thema. So vermisse ich auch ein wenig den roten Faden. Das sind einzelne Szenen, die durchaus Spaß machen beim Lesen, ich finde die auch kreativ umgesetzt, aber der große Zusammenhang wollte sich mir nicht erschließen. Vielleicht wolltest du hier einen Tick zu viele Themen unterbringen, mir persönlich hätte es besser gefallen, du hättest dich auf einen dieser Aspekte konzentriert und den dann eben auch als roten Faden in dem Text verwendet.

Den Beginn und den Schluss halte ich für die besten Teile des Textes. Gerade zu Beginn hattest du mich ziemlich schnell, das ist immer ein gutes Zeichen.

Und während der Serienmacher noch einmal den gesamten von Ideenlosigkeit geprägten Plot der Low-Budget-Produktion hören musste, für den er zu einem Achtel verantwortlich war, fiel ihm auf, dass niemand (»aber auch wirklich niemand«), der irgendetwas mit diesem Schrott zu tun hatte, damit zu seiner Freundin rennen würde, um zu sagen: »Das ist meins, und jetzt blas mir einen«.

Das finde ich echt witzig. Solche Zusammenkünfte der Autoren, wenn es um gewisse zentrale Handlungselemente der Serie geht, stelle ich mir tatsächlich ziemlich interessant vor. Ich finde, du hast das sehr ordentlich, vielleicht ein wenig überspitzt (was ok ist, da der Text ja auch als Satire deklariert ist) umgesetzt. Hat mir echt gut gefallen der erste Teil. Im Anschluss dann, das Mauerblümchen, die Entschuldigung - das fällt für mich irgendwie aus dem Text. Ich sehe da keinen Zusammenhang zu den anderen Szenen, hat sich mir auch nicht erschlossen, was das sollte. Das wäre in meinen Augen ganz klar ein Kandidat zum Streichen. Die Szene in der Disco ist wieder besser, da klingen dann eben auch die oben erwähnten Themen an, die sich direkt auf das Leben des Serienmachers beziehen (und darum geht es ja auch; er ist immer und überall der Serienmacher, auch nachts in der Disco, nicht umsonst hast du ihm ja keinen echten Namen gegeben). Vielleicht ist das auch eine Art roter Faden, es sind einfach Episoden im Leben eines Mannes, der auch privat seinen Beruf nicht ablegen kann. Im positiven wie im negativen Sinn.

Was das Lesevergnügen leider trübt sind handwerkliche Schwächen. Kommasetzung unbedingt nochmal anschauen, da fehlen haufenweise Kommas in dem Text. Was mich richtig gestört hat, sind Schreibweisen, die eher ins Comic gehören:

und erst nach dieser G.E.N.I.A.L.E.N Vorbereitung

»Richaaaaaarrrd!

»B.I.T.T.E.S.C.H.Ö.N!!«

(bitte nie nie niemals zwei Ausrufezeichen verwenden)

Das stört mich immer. Versuch doch Betonungen einfach kursiv zu schreiben, es geht aus dem Gesagten dann schon hervor, was gemeint ist. Auch die langgezogenen Vokale stören. Später, in der Disco, als er mit dem Mädel spricht, mag es an der einen oder anderen Stelle noch durchgehen, aber langgezogene Konsonanten - auf die solltest du wirklich verzichten.

Ansonsten sind es Fehler, die ich bei dem Niveau, das ich dir unterstelle, einfach mal als Schlampereien abtue:

Außerdem finde ich das alles wirklich halb so wild und was sie da beschreiben,

Sie als Anrede immer groß

da gibt es doch noch viel Schlechteres als unsere Sendung.«, wurde vom Kopfende eingeworfen.

Interpunktion bei wörtlicher Rede nochmal anschauen: Wenn der Satz weitergeht, wird die wörtliche Rede nicht mit einem Punkt abgeschlossen (andere Zeichen wie Fragezeichen und Ausrufezeichen sind jedoch erlaubt).

Liebe …, es tut mir Leid,

leid

aber Plötzlich geriet er furchtbar in Fahrt.

plötzlich

und zu guter letzte kleidete

zu guter Letzt

Harry griff der Serienmacher an der Hand,

den Serienmacher

darüber einen Jacke

eine Jacke

Sieht du,

Siehst

die er Serienmacher im Internet gefunden hatte,

der Serienmacher

Es war eine brünette,

Brünette

Und dann fing sie an zu Kichern,

kichern

Eine Weile tanzten Sie zu dritt,

Hier klein: sie

und aus ihren Augen liefen Bäche der Entsetzung.

des Entsetzens

Ja das sind mir echt noch zu viele Fehler. Da musst du sorgfältiger werden, das stört beim Lesen.

Also insgesamt, MeMo, fand ich das ein gutes Debüt, das bei mir auf jeden Fall Interesse an weiteren Texten deinerseits geweckt hat. Es ist ziemlich ambitioniert, wie ich finde, du hast dir da einige Gedanken gemacht, wie gesagt, vielleicht einen Tick zu ambitioniert. Beim nächsten Mal würde ich mir wünschen, dass du weniger Themen, dafür aber ausführlicher dann, beackerst. Hier klingt vieles eben nur an, ohne richtig in die Tiefe zu gehen. Im Groß und Ganzen funktioniert der Text für mich, auch wenn mir der rote Faden fehlte.

Wünsch dir noch viel Spaß bei uns, viele Grüsse
Schwups

 

Danke Schwups, dass du dir die Mühe gemacht hast, so einen ausführlichen Kommentar zu schreiben. Genau darauf hatte ich gehofft, jemand der sich mit meinen ganzen Buchstaben und dem daraus fabrizierten Salat beschäftigt. Dass du dem Schluss und Anfang (relativ zum Rest) etwas abgewinnen konntest, freut mich.

Zur Kritik: Ja, ich stimme dir da voll und ganz zu, ich hab 's wohl ziemlich übertrieben mit diesen ausladenden S.C.H.R.E.I.B.W.E.I.S.E.N. In langsamer Überarbeitung werde ich versuchen, das Ganze mal zu glätten, um Textbild und Lesefluss zu fördern. Die Kommas! Upff leidiges Thema. Auf die Schnelle habe ich jetzt gar keine Fehler in der Interpunktion gefunden, was anscheinend dafür spricht, dass mir ein paar Interpunktionsregeln abhanden gekommen sind(?) Falls sich jemand mit Beispielen findet, wäre ich selbstverständlich dankbar, jemand dazu nötigen meinen Text Korrektur zu lesen, will ich nun aber auch nicht. Ich werde der Sache aber noch mal nachgehen. Schade ist 's das da doch einige Schlampereien drin sind, hab das Ganze doch das ein oder andere Mal überarbeitet.

Zum roten Faden (hier wird 's kontrovers), weil das tatsächlich so gewollt war. Auch wenn ich gerne rot gefädelte Geschichten lese, und da wohl nicht der einzige bin, predige ich doch nicht selten den Tod des linearen (und allen Variationen davon) Erzählens, das bekommt man dann mal stärker und mal schwächer zu spüren. Das soll allerdings nicht heißen, dass ich mein Vorhaben, das lineare Erzählen zu verbannen, besonders gut beherrsche. Ich muss da noch - und will auch - besser werden.

Danke für den Kommentar.

 
Zuletzt bearbeitet:

Während Richard Dullen, dieser verfluchte amerikanische Bastard, seinen Tobsuchtsanfall bekam, fuhr der Serienmacher immer wieder über die Kante in dem sonst ebenen Holz des Konferenztisches. Und habt ihr die Scheiße von letzter Woche gesehen, schrie Richard. Seine Handflächen griffen den Himmel an und sein Brustkorb wehte im Sturm seiner Wut. » - ihr könnt mir doch nicht erzählen – also als das ausgestrahlt wurde[Leerzeichen]… da sagt ihr doch nicht: Das ist meins! Also da rennst du, Gerald! - Musst ‘e gar nicht weggucken[Leerzeichen]… da rennst du doch nicht mit ‘ner Latte zu deiner Freundin und sagst: Das ist meins, jetzt blas mir einen!«
»Herrje Richard, beruhig dich doch!«, warf die Frau ein, die mehr Mauerblümchen als Mensch war. Die anderen kicherten. Richard drehte sich zu ihr, und noch während er Luft holte, fiebste [fiepste] es [?] reuegeschwängertes Stakkato aus der Kehle des Mauerblümchens. Sie gab sich alle Mühe [Komma] erneut in ihrem Stuhl zu verschwinden [Komma] und hätte sie nicht den Fehler begangen [Komma] einen Ton, ja sogar eine Folge von Tönen von sich zu geben, so hätte sie wiedermal [wieder mal] niemand bemerkt. Dann wäre keinem aufgefallen, dass es ein Mensch war, der im grauen Blazer, mit grauer Brille und schwarzen Schuhen auf [?] der ebenfalls schwarzen Lehne ihres Stuhls verschwand.

Ehrlich, MeMo, ich glaub, ich brauchte drei Anläufe, um endlich einmal über die ersten Absätze hinwegzukommen. Einerseits machte mich die rasante Sprache neugierig und auch das Setting, das du entwirfst, andererseits wurde ich immer wieder abgeschreckt von der so augenscheinlichen Schlampigkeit, die mich in nahezu jedem Satz mindestens einmal auf die Fresse fliegen ließ.
Das beginnt mit dem unpassenden Adjektiv eben, wo du vermutlich glattes Holz meinst und geht weiter mit Richards Frage, der nicht nur das Fragezeichen fehlt, sondern auch die Kenntlichmachung als direkte Rede. (Wäre es indirekte Rede, müsste es ja so lauten: Ob wir die Scheiße von letzter Woche gesehen hätten, schrie Richard.)
Dann kommt diese eigenartige Wortkreation Musst 'e, bei der ich keine Ahnung habe, wofür das Auslassungszeichen stehen soll.
Dazu noch fehlende Leerzeichen und fehlende Kommas und hinter diesem Satz
»Herrje Richard, beruhig dich doch!«
stört mich das Rufzeichen, weil ich mir kaum vorstellen kann, dass das Mauerblümchen schreit. Ich kann mir übrigens auch nicht vorstellen, dass diese graue Maus auf der Stuhllehne verschwindet. Wahrscheinlich soll ich mir das so vorstellen, dass sie vor (dem Hintergrund) der schwarzen Stuhllehne verschwindet. Steht so aber nicht da.

Also dieser Anfang machte einen sehr ambivalenten Eindruck auf mich.
Zwar meinte ich zu spüren, dass hier einer schreibt, der gut schreibt und das auch gern tut, aber was die Form betrifft, bin ich halt furchtbar altmodisch. Ich kann mit dieser scheiß SMS/Facebook/Twitter-Nonchalance in literarischen Texten echt nix anfangen. Nicht, weil ich ein verbitterter Schriftsprach-Taliban wäre, sondern weil die perfekte Gestaltung eines Textes für mich auch eine Frage der Ästhetik (und obendrein der Verständlichkeit) ist. Ich mein, so was zum Beispiel

»Gehen wir das Ganze noch mal durch[…]«
Was sollen diese eckigen Auslassungsklammern in einem gesprochenen Satz? Wie soll ich das lesen? Sagt das der Typ so ? („Gehen wir das Ganze noch mal durcheckige Klammer Punkt Punkt Punkt eckige Klammer.“) Oder was?

Bist du noch da, MeMo? Ja? Gut.
Ich habe schließlich fertiggelesen. Gegen Ende allerdings immer leidenschaftsloser. Die Dynamik der ersten Szene ging leider sehr schnell verloren und vor allem der Besuch der beiden in dem Club hat schon gewaltige Längen. Finde ich schade, weil du einen an sich gar nicht mal so schlechten Plot hättest, der allemal Stoff für eine wirklich bissige Satire böte. Ich mein, was gibt es Lustvolleres, als auf diese sich selbst in ihrer Wichtigkeit so maßlos überschätzenden „Kreativen“ hinzuprügeln. Die zum überwiegenden Teil hedonistische Zyniker sind, deren Arbeit in Wahrheit und zum größten Teil Massenverdummung darstellt. (Ich habe in meinem Freundeskreis genug Typen von dem Schlag - Werbetexter, PR-Heinis, Pressesprecher etc. - um mir dieses Urteil anzumaßen.)
Allerdings finde ich sowohl die Dramaturgie als auch die Figurenzeichnung recht gut, und einen roten Faden kann ich durchaus erkennen. Du zeigst den namenlosen Serienmacher in seinem beruflichen und in seinem privaten Umfeld, und da wie dort erkennt man seine Verlogenheit und seine gleichzeitige Unzufriedenheit damit. Und aus seiner realistischen Selbsteinschätzung resultiert dann natürlich sein branchenimmanenter Zynismus.
Stellenweise fühlte ich mich an 39.90 von Frédéric Beigbeder erinnert, das spricht auf jeden Fall für deinen Text, aber halt leider nur in Ansätzen. Und das sprachliche Niveau flacht für mein Gefühl gegen Ende hin deutlich ab. Ein radikales Drübergehen mit dem Rotstift täte dem Text wirklich gut.

Und apropos Rotstift:

Dann verbeugte er sich von [vor] den Anwesenden,
tut mir auch Leid [leid]
Jetzt ging es darum [Komma] richtig dick aufzutragen
und zu guter letzt [zu guter Letzt]
Harry griff den Serienmacher an der Hand,
besser: ... ergriff die Hand des Serienmachers

Harry schüttelte mit dem Kopf. »Dann hinten! Aber zackig!«
besser: ... schüttelte den Kopf.
Außerdem solltest du vor dem Satz des Türstehers unbedingt einen Zeilenumbruch machen

den die Brünette versuchte [Komma] mit ihren an Harrys Brust gepressten Lippen aufzusaugen.
und fragte sie, was mit ihrem Kleid passiert war [sei]
Ohne den Serienmacher auch nur eines weiteren Blickes zu würden [würdigen]
Vor ihm, an der Tür zu ersten Tanzfläche [entweder Komma, oder das Komma hinter "ihm" weglassen] blinkten dieselben Lichter in Blau- und Gelbtönen.
Der Serienmacher schüttelte mit dem Kopf,
besser: ... schüttelte den Kopf

Als der Junge mit den wuscheligen Haaren die Treppen zu seinen Freunden zurückstapfte [Komma] stand plötzlich eines der beiden Mädchen ...
Es war nicht die im Leopardenkleid, sondern, [kein Komma] die [Komma] die neben ihr gestanden hatte
Aber die anderen bei uns, [kein Komma] waren sich echt nicht sicher
Durch den Lautsprecher hallte es, dass der Verkehr der Line U8 heute unregelmäßig ist [sei].

(Vermutlich stecken noch mehr Fehler im Text. Einiges hat ja schon Schwups angemerkt, und manche Fehler wiederholen sich mehrmals.)


Auf jeden Fall halte ich den Text für gut genug, dass sich eine ernsthafte Überarbeitung lohnt.
Viel Spaß dabei.

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Schnappatmung! Upf ... Ich bin sicher, dass ich dir morgen in den meisten, vielleicht sogar in allen Punkten, zustimme ... aber gerade ... aber gerade, da muss ich erst mal atmen.

Morgen, jaja, vermutlich moren, werde ich mich wieder an meinen rotgeschwängerten Text machen.

Zur Geschichte: Ja, die eigentliche Dynamik sollte in der Disko entstehen. Es war und ist eine Geschichte über einen Serienmacher, der auf einen Seriengucker stößt und alles andere dient quasi diesem Augenblick. Die Einstiegsszene, ja, da sollte man ihn nur kennenlernen. Da sollen diese Menschen, die uns den Unterhaltungsmüll liefern, entzaubert werden. Ach, ich weiß ja auch nicht so recht; während des Schreibens, da hab ich den Serienmacher selber gar nicht so klar gesehen, wie so manch anderen, über den ich schon berichtet habe - trotzdem fand ich den dabei entstandenen Text interessant. Warum ich nicht auf die Fuzzis eingeschimpft habe? Ich glaube, weil Fuzzis mich generell wenig interessieren, was mich viel mehr interessiert hat, war das Treffen zwischen Macher und Gucker.

Tragisch ist es, dass die Form dir den Inhalt blockiert. Das sollte nicht passieren und da muss ich an mir arbeiten.

Dass du dir die Mühe gemacht hast, einen langen Kommentar zu schreien, sehe ich dennoch als positives Zeichen.

 

Hallo MeMo,
du musst unbedingt was an dem Anfang ändern. Ich hatte drei Mal angefangen, den Text zu lesen und bin nicht über die ersten paar Absätze hinausgekommen. Dabei habe ich den Text ab der Mitte recht gerne gelesen.
Ich versuch mal ein paar Beispiele zu geben, die mich komplett abgestoßen haben.

Die Maserung hatte genau da,
wo er seinen Daumen entlangführte,
eine tiefe Rille.
Erklär mir bitte, warum es so exponiert da steht? Ich verstehe es nicht und es wirkt furchtbar bedeutungsschwanger.
dieser verfluchte amerikanische Bastard
Hier dachte ich, dieser Erzähler und ich werden keine Freunde. Wieso muss er sich so stark in den Vordergrund drängen?
Irgendwie finde ich den ersten Absatz ziemlich wirr, ich hatte Schwierigkeiten, mich zu orientieren. Man braucht schon Zeit zu verstehen, worüber die reden, was da passiert. Und das kann man schon machen, aber dann muss es ansprechend präsentiert werden. Mir fiel es einfach nur schwer, den Text einzuordnen.
fiebste es reuegeschwängertes Stakkato aus der Kehle des Mauerblümchens. Sie gab sich alle Mühe erneut in ihrem Stuhl zu verschwinden und hätte sie nicht den Fehler begangen einen Ton, ja sogar eine Folge von Tönen von sich zu geben, so hätte sie wiedermal niemand bemerkt.
reuegeschwängertes Stakkato? ist das jetzt witzig? klingt für mich bemüht. Genauso wie das mit der Folge von Tönen. Das hat mir gar nicht gefallen. Ist auch so furchtbar umständlich ausgedrückt.
Also bis dahin würde ich mir an deiner Stelle echt was überlegen. Ich kann damit nicht wirklich was anfangen. Mir ist diese Serienwelt auch völlig fremd. Ich kenn das nur aus dritter Hand. Ich verstehe jetzt natürlich die satirischen Elemente, aber mir fällt es schwer zu beurteilen, ob das jetzt fein ist oder plump. Ich meine, es ist nicht schlecht parodiert.
Also den Part mit Richard, da musste ich mich durchquälen. Der ist auch erzählerisch so unbalanciert und unsauber, versuch dort mal zu entschlacken.
So, dann wo die sich bei dem Mauerblümchen entschuldigen, das fand ich witzig. Da zitiere ich jetzt mal was.
»Liebe …, es tut mir leid, dass ich dir vielleicht häufig das Gefühl gegeben habe, nein Moment, es tut mir leid, dass ich dir häufig das Gefühl gegeben habe, dass du nicht total wichtig für unser Team bist. Eigentlich möchte ich dir sogar sagen, dass gar nichts hier möglich wäre ohne dich. Du bist total wichtig und was Richard da zu dir gesagt hat, tut mir auch Leid, vor allem, weil Richard ein Arsch ist, und ich überhaupt ganz schön froh bin, dass er jetzt weg ist. Mobbing ist übrigens auch scheiße.« Hier hätte er eigentlich aufhören sollen, aber plötzlich geriet er furchtbar in Fahrt. Das passierte ihm manchmal. Da konnte er gar nicht gegen ankämpfen. Jetzt ging es darum richtig dick aufzutragen. »Du bist ein super Mensch«, sagte er, » wirklich 1-A, und ich hoffe, dass du bald jemand findest, der das sieht. Du bist ja schon ziemlich lang Single, und nur weil… weißt du… nur weil man nicht immer irgendwas sagt, heißt das nicht, dass einen jeder behandeln darf wie Scheiße. Wir sind doch alle nur Menschen und weißt du was? Ich finde, du bist ein ganz Toller… also Mensch… also jedenfalls, tut mir das alles total Leid« und dann weinte er echte Tränen. Das wiederum passierte ihm selten.
Das gefällt mir wirklich gut. Sagt schon einiges über den Serienmacher und auch über die Umgebung. Ab hier hattest du mein Interesse.
Den Rest, also die Situation im Club hab ich auch gerne gelesen. Für mich lag der Fokus auf der Erbärmlichkeit von Harry und dem Serienmacher, davon wie sie dieser Job, dieser Zwang, etwas zu machen, was sie hassen, innerlich zersetzt und zu zynischen Gestalten gemacht hat, die vor sich selbst keinen Respekt haben. Und dann kommt noch das Altern hinzu, die Desillusionierung ist da schon längst eingetreten, das Privatleben ist einfach nur traurig. Das ist auch etwas, was ich bei einem Bekannten mitbekommen habe, der in der Produktion von "Frauentausch" arbeitet. Ist auch ein einsamer Alkoholiker. Na ja.
Ich finde das schon gut dargestellt. Der Erzähler wird auch ruhiger, funktionaler, gefiel mir fiel besser, der Teil. Das Mädchen, mit dem der Serienmacher sich unterhält, die ist vllt ein bisschen zu doof, aber ich fand das schon auch witzig. Insgesamt sind da ein paar gelungene Überspitzungen drin.
Also, MeMo, mach was mit dem Anfang, vllt auch sonst stellenweise ein bisschen straffen, es lohnt sich definitiv, was an dem Text zu machen.
Liebe Grüße,
randundband

 

Schon wieder entweicht mir ein Upf ... nachdem jetzt also schon gesagt wurde, dass der Teil mit dem Mauerblümchen streichwürdig ist, gefällt er jetzt dem nächsten. So ist das wohl im Leben, und über Geschmack lässt sich bekanntlich am besten streiten.

Am Anfang, und das muss ich mir zu deinem Misgefallen herausnehmen, will ich nicht mehr schrauben. Mir gefiel dieser Erzähler, der sich im ersten Satz total vergisst und das tut er auch immer noch. Klar, über einen Erzähler, der so wertend ins Geschehen eingreift, lässt sich vermutlich auch gut streiten, aber ich unterstelle dem Ganzen einfach mal Methode.

Mit dem ersten Satz, hasst du aber Recht. Das ist wirklich so ein 0815-Satz und dann steht der da auch noch kursiv und mit merkwürdigen Zeilenumbruch. Das hat mir vom Textbild her gefallen ist aber, und da hast du absolut recht, Mumpitz.

Nochmal danke für den Kommentar! Es ist immer sehr interessant, wenn jemand, der etwas geschrieben hat, dass ich mag (die Geschichte über Klara, fand ich super) ein wenig Kritik ablässt, weil man da eine gewisse ästhetische Schnittmenge unterstellen kann. Genauso verhält es sich auch mit Herrn Offshore, dessen Texte ich für Gewöhnlich auch sehr schätze.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom