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Jetzt aber- Aufbruch, nur Mut

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15.12.2014
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Jetzt aber- Aufbruch, nur Mut

Geschichte ist neu überarbeitet und neu reingestellt worden.


Es war gegen 15 Uhr an einem Samstagnachmittag. Immer um diese Uhrzeit, nahm ich diese eine Abkürzung um nachhause zu kommen. Das Rad schob ich an dem kleinen Bach entlang, durch ein Waldstück und den Feldweg wieder hoch. Nur, damit ja keiner sah wo ich wohnte. Man konnte ja nie wissen. Meine Mutter saß wie gewöhnlich in Bernds Zimmer auf dem Fernsehsessel, bereit für ihren Samstagnachmittag - TV- Marathon. Nach einer kurzen Begrüßung: "Na?", lehnte ich mich besser erst mal gegen den Türrahmen und verlor dann keine Zeit mehr.
„Ich kann in den Ferien mit den Bergmanns nach Kroatien“, sagte ich mit leicht gepresster Stimme und fühlte mich, als wenn ich ihr gerade gestanden hätte, ich wäre beim Klauen erwischt worden. Meine Mutter warf mir einen strafenden Blick zu und widmete sich wieder der Glotze. Sie lehnte sich in den Sessel zurück. Ihr Doppelkinn spannte sich kurz an und erschlaffte dann wieder.
„Aha,“ stöhnte sie. Sie verschränkte die Arme und und sagte erstmal gar nichts dazu. Sie hatte wohl nicht richtig gehört...Dann aber:
„Und will Inge das Geld dann irgendwann etwa wieder haben? Und da in Kroatien. Da musst du dich doch auch von irgendwas ernähren. Wie hast du dir das denn vorgestellt?“
Sie nahm das Glas vom Tisch mit dem Inhalt der wie Apfelsaft aussah, doch alleine ihr vorwurfsvoller Tonfall, deutete darauf hin, dass sie angetrunken war. Wieder mal. Die Flasche Kognak stand unten am Sessel und war nicht zu übersehen.
„Also, Roberts Mutter Inge sagt, ich bräuchte mir keine Sorgen machen wegen der Reisekosten. Wir fahren mit der Bahn. Sie hat da son Gruppenticket. Ich bräuchte nur ein bisschen Taschengeld, meinen Ausweis und deine Zustimmung.“
Ich warf wehmütig einen Blick in die Glotze in dem kurze Bildfolgen von irgendeiner Reklame zuckten und wartete auf eine Antwort. Jetzt, nach einer geschlagenen Minute beugte, sich meine Mutter nach vorne. Ihre Finger strichen mehrmals über ihren Oberschenkel, als wären dort tatsächlich Kuchenkrümel oder ähnliches. Und die sonst so warmen braunen Augen fixierten mich mit einem verschleierten Blick, der entweder Missgunst oder Gleichgültigkeit ausdrückte - ich war mir da nicht so sicher - und sahen dann an mir vorbei an die nikotingetränkte Tapete. Sie machte eine vage Geste und griff sich ihre Zigaretten vom Tisch.
“Meinetwegen. Lass mich nur schön alleine mit dem Irren,“ murmelte sie.
Schuldbewusst sah ich auf meine Füße, fühlte mich wie ein Verräter, während ich das Feuerzeug knacken und zischen hörte.
“Ist er wieder unterwegs?“, fragte ich sie.
Sie nickte bloß. Betretenes Schweigen folgte.Bis der Fernseher aufheulte wegen einer erneuten grellen Produktwerbung. Mit starren Blick kam mir da diese Erkenntnis von dem dahinvegetieren meiner Mutter. Darüber breitete sich allerdings sofort die lebhafte Vorstellung von Palmen, Strand, kroatischen Mädchen und Abenteuern für meine Person. Jetzt war ich auch mal dran - und verdammt nochmal!: Das sollte sowieso erst der Anfang sein. Schließlich war ich bereits 15. Fast 16.
Zusammen mit meinen negativen Erfahrungen im Zusammenleben mit meiner Mutter war auch mein Wunsch auf Ausbruch gewachsen. Ich stellte mich aufrecht in den Türrahmen. Meine Mutter blickte weiter in den Kasten, seufzte und setzte das Glas an. Und ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte zu sehen, wie ihre Hand beim Absetzen zitterte.
Der Irre von dem meine Mutter da gesprochen hatte, hieß Bernd und war sozusagen ihr neuer Lebenspartner. Aber eher aus der Not heraus. Wahrscheinlich um der Einsamkeit zu entfliehen und bei seinem plumpem Umwerben rannte er bei ihr ja auch offene Türen ein.
Bernd Heilmann, ein blasser und blutleerer Brüllaffe, hatte bereits ein vom Kognak aufgedunsenes Gesicht Er der hier schon seit Jahren in der Baracke „wohnte“ und sich in seinem kleinen Loch von Zimmer, wie ein Eremit eingerichtet und längst damit abgefunden hatte. Mit einem Kohleofen als Kochstelle, einer Plastikschüssel als Waschecke und einem an die Wand montierten Handspiegel, einem Sofabett und einen verstellbaren Fernsehsessel vor einem viel zu großen Fernseher. Auf dem Boden lagen dunkle ausgetretene Teppiche über andere dunkle abgewetzte Teppiche, die Wände voller Regale gefüllt mit Krimskrams vor vergilbten Tapeten. Ein verkrusteter Eimer stand neben einer dunklen Kommode auf einen zerfetzten grauen Lappen. Jeder Zentimeter seines Zimmers war zugestellt. Das meiste hatte er direkt vom Sperrmüll in seine dunkle Höhle geschleppt. Vom Sozialamt zugewiesen, standen in unserem Raum nebenan zwei Betten, eine Kommode mit einem Fernseher und ein kleiner Tisch. In einer Ecke ein kleiner Ofen, in der anderen ein stinkender Eimer.
War meine Mutter drüben bei Bernd, so hatte ich hier wenigstens mein eigenes Reich. Da sich die beiden aber oft in den Haaren hatten, stand sie schon mal spontan wieder im Zimmer. Total breit oder nur angetrunken, freiwillig oder mit Arschtritt, für ein paar Stunden oder für ein paar Tage.

Ich sollte es besser wissen. Natürlich war er unterwegs. Was für eine Frage? Er fuhr per Rad immer zu Monatsanfang die Ellerauer Kneipen ab um von seiner Stütze die fälligen Deckel zu begleichen und neue zu eröffnen. Der Abend schien also wieder mal vorprogrammiert.
Gegen acht Uhr riss Bernd, voll wie eine Natter, unsere/meine Tür auf, hielt sich am Türgriff fest und fand mich mit einem Buch auf dem Bett liegend vor. Sein feister Schädel wackelte auf seinen Hals wie ein Spielzeug. Ob ich denn heute schon die Asche des Ofens raus gebracht und den Pisseimer geleert hätte, fragte er mich viel zu laut. Dabei starrte er mich mit seinem durchdringenden Charles-Manson-Blick an. Den setzte er immer auf, um mir klarzumachen, dass er es gerade todernst meinte. Bernd verströmte stets einen bedrohlichen Geruch nach Muff, Alkohol und ungebändigten Schweißausbruch. Meterweit.
Ein „Klo“ gab es nur im Mittelgang der Baracke, quer über den Hof, und zwar eines von der Sorte in dem selbst Schweine ungern ihre Notdurft verrichten würden. Ein kotverkrustete Keramikteil mit Loch im Boden und ohne Abzug und Fenster. Dazu stinkend, kalt und dunkel. Die kahlen, grauen Steinwänden mit Spinnennetzen und die brüchigen, versüfften Fliesen am Boden mit Insektenleichen, übersät. Deswegen wurde für das nächtliche Pinkeln ein Eimer in unserer Zimmerecke neben dem Fernseher gestellt. Ein kleiner Luxus sozusagen. Ich antwortete nicht auf sein Geschrei und blätterte in meinem Buch, auch wenn es in mir brodelte. Alles was ich tat, war mit den Füßen zu wackeln.
„Hast du was an den Ohren?“, brüllte er.
Bernd versuchte mit seinen übertriebenen Auftritten so etwas wie strenge Väterlichkeit zu demonstrieren - mir eine Spur Erziehung zukommen zu lassen. Meiner Mutter war das egal. In der Gewissheit ihm mittlerweile seit ein paar Monaten körperlich gewachsen zu sein, fasste ich langsam den Mut ihm immer öfters zu widersprechen oder ihm anderweitig die Stirn zu bieten. Er wusste das und versuchte das Überraschungsmoment durch jenes plumpe Hereinplatzen mit anschließendem Gepöbel zu nutzen. Aber ich hatte im Gegensatz zu meiner Mutter schon lange keine Angst mehr vor ihm. Jedenfalls keine große. Ein leises „Jupp“ von mir, reichte ihm dieses mal und er schloss die Tür mit Nachdruck.
In den wenigen Stunden die ich zuhause verbrachte, wäre ich ohne meine Büchern, dem Cassettenrecorder, den Kopfhörern und meinen Bob-Marley- Cassetten wohl an einer heftigen Jugenddepressionen erstickt.
Meine Mutter hatte mit Männern stets viel Pech gehabt und nun hatte sie mit Bernd auch nicht gerade das große Los gezogen. Sie stand gerade aus einer Pfütze auf um gleich in die nächste zu fallen. Dabei konnte ich langsam aber sicher ihren Lebensmut schwinden sehen. Sie ließ sich gehen und versank in Lethargie. Und meine anfängliche Wut ihr gegenüber, verwandelte sich in Mitleid. Ich würde Bernd gerne gegenüberstehen und ihm solche Sätze sagen wie: " Wenn du meine Ma noch einmal anrührst, bekommst du es mit mir zu tun." Und bald würde ich dazu in der Lage sein.
Die Nacht an jenem Abend ging weiter mit Gekeife und Gläserklirren und später schwallte noch eine dumpfe Kakophonie von Schlagermusik durch die Wand. Zwar bis hinein in die frühen Morgenstunden, doch diesmal ertrug ich den Lärm. Das Wissen erstmalig in den Urlaub fahren zu dürfen, wirkte wie eine Tablette gegen diese altbekannten Magenkrämpfe.
Eine Woche später, der Tag der Abreise. Der Zug ging vom Hamburger Hauptbahnhof über München weiter nach Zagreb. Robert, David und ich alberten stundenlang im Abteil dermaßen herum, dass Inge sich öfters aus unserem Zugabteil verabschiedete - auf eine oder zwei Selbstgedrehte. In ihrem Schlabberlook und Birkenstock setzte sie sich beizeiten in unsere Mitte und verteilte Kekse, geschmierte Brote und geschnippeltes Obst. Ebenso Wasser und Obstsäfte. Wie oft ich wohl dachte, dass die beiden gesegnet waren mit so einer Mutter?
Vor lauter Vorfreude auf Kroatien konnte ich im Gegensatz zu den anderen drei nicht einschlafen. Wir hatten mittlerweile die Sitze ausgezogen zu Liegen. Mit sehnsuchtsvoll verschleierten Blick sah durch das Zugfenster in die dunkle Nacht, lauschte den grellen und dumpfen Geräuschen der Zugräder auf den Gleisen, nahm jedes Abbremsen oder Anfahren als Anstoß für das, was noch kommen sollte, wahr. Vom Kribbeln im Bauch wachgehalten, war ich noch lange nicht müde und nahm mir vor auf den Sonnenaufgang zu warten. München hatten wir längst hinter uns gelassen und fuhren jetzt quer durch Österreich. Jede Minute, jede Stunde brachte mich weiter weg von meinem Elend. Dachte ich kurzweilig an meine zurückgelassene Mutter packte mich die Traurigkeit wie eine Faust im Nacken. Doch ich lag längst gespannt, wie der Pfeil auf den Bogen, lauernd um endlich abgeschossen zu werden. Robert und David hatten sich in der Mitte des Abteils in Embryohaltung unter ihren Jeansjacken abgelegt. Inge schnarchte zum Gang hin, bedeckt unter ihrem Sweatshirt mit dem Aufdruck Ich-bin O.K., Du bist O.K. Ich hatte mich zur Fensterseite hin lang gemacht und ein breites Grinsen aufgesetzt. Gespannt wie es ein Teenager nur sein konnte. Gespannt auf das was noch kommen sollte. Der Zug rollte immer weiter in die Dunkelheit und ich wehrte mich nicht mehr.

 
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Hallo Grobi mit dem lustige Namen, wir kennen uns noch nicht, also sag ich mal hallo und herzlich Willkommen.

Du hast ja eine Jugendgeschichte geschreiben über einen Jungen, der aus seinem verwahrlosten Elternhaus ausbrechen will und deswegen mit Schuldgefühlen zu kämpfen hat, sich aber trotzdem für den Aufbruch entscheidet.
Es ist ein gutes Thema, trotzdem gibts amS einiges zu überarbeiten.

1. Ich fang mal mit Jugendgeschichte an: Das heißt ja, es soll Jugendliche ansprechen. Und da bin ich mir nicht so sicher, ob dein Text das wirklich tut. Denn der Protagonist wirkt stellenweise auf mich zu abgeklärt. Da würde ich mir eine klarere Erzählstimme wünschen. Ein Beispiel dafür ist am Ende der Satz hier:

Gespannt wie es ein pickliger Teenager nur sein konnte. Gespannt auf das was noch kommen sollte. Der Zug fuhr weiter in den dunklen Tunnel der Nacht und ich wehrte mich nicht mehr
Das ist mir viel zu sehr aus einer Rückschau geschrieben. Meine Zeit als Jugendliche ist lange vorbei, aber die Jugendlichen, die ich kenne, würden nicht so über ihre Pickel reden. Die nerven sie viel zu sehr. So wie du das schreibst, klingt es, als würdest du die Geschichte wie gesagt rückblickend erzählen, als Erwachsener, was ja auch nichts macht, auch Erwachsene oder alte Knacker mögen Geschichten, die in der Jugendzeit spielen, aber es ist dann halt nicht mehr nur der Adressatenkreis "Jugend".
Und zu den letzten Sätzen noch:
Der Zug fuhr weiter in den dunklen Tunnel der Nacht und ich wehrte mich nicht mehr.
Das Bild, dass die Nacht ein Tunnel ist und der Zug reinfährt. Hmmm, also ich kann irgendwie gut verstehen, wie du darauf kommst, und dass es dir gut gefällt. Aber es ist halt ein sehr sehr herkömmliches und oft benutztes Bild, den Zug in einen Tunnel fahren zu lassen. Das erzeugt bei erfahrenen Lesern dann oft Verdruss, weil die das schon Hunderte von Malen gelesen haben. Ich würde da entweder nur schreiben der Zug fuhr weiter in die Nacht oder die Nacht beschreiben, denn manchmal fährt ja so ein Zug in einen bestimte Himmelsrichtung und man kann den Himmel noch ganz lange beobachten, wie die Lichter immer kleiner werden. Das erzeugt dann eine ähnliche Stimmung, wie du die wohl hier gerne hättest, so einen Aufbruch mit Wehmut, es wäre aber deine eigene Stimmung. Mir hat mal jemand hier gesagt, Kubus war das, man solle, wenn man ein Bild benutzen will, nicht gleich das erste beste nehmen, das einem einfällt, sondern ein bisschen drüber räsonnieren und versuchen, was Eigenes zu finden. Und ich glaube, das ist wrklich sehr wichtig. Das macht man ja nicht überall, aber eben an den Stellen, die einem selbst sehr wichtig sind. Und ich denke das ist die Stelle hier.
Und zum letzten Teilsatz: das Wehren. Dass du so abschließt, dass der Protagonist aufbrechen will, das finde ich gut, mir ist aber "wehren" als Verb da zu viel. Er wehrt sich ja nicht dagegen, nach Kroatien fahren zu dürfen, sondern er hat ein schlechtes Gewissen. Ihn packt die Traurigkeit, schreibst du vorher. Also da würde ich was suchen, was das besser ausdrückt. Und was mir ganz unbedingt fehlt, das ist ein Grund für diese Traurigkeit. Ich fand das nämlich schön in deiner Geschichte, diese Stelle, als dein Prota traurig ist, wenn er an die Mutter denkt. Und da würde ich auch vorher in der Geschichte insgesamt so ein paar mehr Stellen noch einflechten, wo er nicht nur so negativ auf den Dreck schaut, in dem er da lebt, sondern wo ein kleines bisschen mehr Traurigkeit über seine Mutter mitschwingt. In der Art, wie du ihn auf die Mutter blicken lässt.

2. In der Geschichte sind stlisitisch gesehen noch einige Stolperfallen. Das fängt an bei redundanten Textstellen, hört immer noch nicht bei Kommafehlern u.ä. auf und insgesamt könntest du dir an einigen Stellen schon mal überlegen, ob du nicht mehr in die Szene reingehen willst und direkt zeigst. Und insgesamt wirkt mir der Verlauf und die Abfolge einfach ein bisschen wirr und könnte mehr Klarheit und Struktur vertragen.

Ich gucke mal, ob ich ein paar Beispiele finde, um dir das zu verdeutlichen, was ich meine.

3. Ach und ja, ehe ich es vergesse, den Titel find ich doof. Hehe. Der nimmt dir ja schon alles vorweg.
Übrigens schreibt man das so:
Jetzt aber - Aufbruch nur Mut.


Ich stellte mein Rad an die Hauswand und legte das Schloss an. Dann trat ich durch die vordere Tür (Leerstelle zuviel) der Baracke, gelangte in den Flur und klopfte an die erste Zimmertür. Zuvor hatte ich wie immer um diese Uhrzeit eine Abkürzung nach Hause (nachhause) genommen, das Rad an dem kleinen Bach entlang durch ein Waldstück geschoben, damit nur ja keiner sah KOMMA wo ich wohnte. Samstagnachmittags konnte man nie wissen.
Schon in dem ersten Abschnitt hier machst du dem Leser die Sache ein bisschen schwer, weil man zuerst denkt, es handelte sich um zwei verschiedene Orte, nicht um ein und denselben. Der Satz, der das Missverständnis glaube ich erzeugt, ist Zuvor hatte wie immer um diese Uhrzeit ... Abkürzung nachhause genommen. Würde ich unbedingt deutlicher machen, dass er über Umwege nach Hause fährt, damit keiner weiß, wo er wohnt. Dein Satz ist recht kryptisch ausgedrückt. Außerdem auch die erste Zimmertür. Das klingt nicht so, als ob er dort wohnt, sondern fremd wäre.

Dann: Ich hab die Rechtschreibfehler mal fett gemarkert.

Zweimal Tür finde ich auch zuviel, eines kann man ersetzen oder gar weglassen.

Meine Mutter saß wie gewöhnlich in Bernds Zimmer auf dem Fernsehsessel. Nach einer kurzen Begrüßung (kein Komma) lehnte ich mich erst mal gegen den Türrahmen und verlor dann keine Zeit mehr, mein Anliegen vorzutragen.
Ich hab Füllwörter fett gemarkert. Das sind Wörter, die zwar hin und wieder wichtig sind, aber häufiger noch quetscht man sie im normalen Alltagsgespräch zwischen alle möglichen Satzstellen, ohne dass sie irgendwas bringen. Sie blähen Texte oft nur auf, relativieren den Inhalt und versauen dir manchen Satz. Hier ist es so: dass du wohl für den Leser die folgende Wirkung erzeugen willst: Der Junge will was. Ganz unbedingt. Und ehe er den Mut verliert, plappert er lieber gleich los. Ich finde die "erst mal"s und "dann"s da vermeidbar, ebenso, dass er sich überhaupt an die Wand lehnt. Warum macht er das? Holt er sich da Mut? Kann ja sein. Ist mir jedenfalls schon so gegangen, dass ich was anfassen musste, um etwas sagen zu können, was mir nichts so angenehm war. Alber da würde ich dann trotzdem ein bisschen mehr in den Protagonisten reingehen. Und der Satz mit dem Anliegen vorbringen, der ist gestelzt und viel zu formell.

„Ich kann in den Ferien mit den Bergmanns mit nach Jugoslawien“, sagte ich mit leicht gepresster Stimme und fühlte mich, als wenn ich ihr gerade gestanden hätte, ich wäre beim Klauen erwischt worden. Meine Mutter warf mir kurz einen Blick zu und widmete sich wieder der Glotze. Sie lehnte sich in den Sessel zurück. Ihr Doppelkinn spannte sich kurz an und erschlaffte dann wieder.
Das doppelte "mit" stört den Satzrhythmus. Merkst du, wenn du dir selbst laut vorliest. Und du brauchst es übrigens auch gar nicht.
Schön finde ich hier, dass er es sagt und sich wie beim Klauen fühlt. Da spürt man, dass er sich als Verräter empfindet. Das mit der Stimme stört dann nicht, brauchst du aber auch nicht unbedingt, denn ist eh klar, dass man nicht wie der Supertenor vor sich hinröhrt, wenn man grad die Mutter verrät in den eigenen Augen. Mach aber bitte, wenn du die gepresste sStimme behalten willst, das leicht weg. Das ist wieder so ein relativierendes Füllsel. Und das doppelte "kurz" ist wieder das was es ist, doppelt. Wenn sie eh gleich wieder zum Fernseher schaut, weiß man, dass der Blick nur kurz sein kann. Kannst du also sparen.

So und hier mach ich mal Schluss. Die Zeit drängt.
Viele Grüße
von Novak

 

Hey Novak,

vielen Dank für deine wirklich gute Kritik und die Zeit die du dir dafür genommen hast. So etwas wünsche ich mir. Da kann ich noch einiges lernen von dir. Ich werde die Geschichte über die Feiertage nochmal überarbeiten.
Jedenfalls ganz, ganz vielen Dank und schöne Feiertage für dich.

gruss
grobi

 

Angenehmes Talent. Bitte schreibe das, was Du hasst, nicht so sehr aus, sonst ist die Wut staerker als das Bild, das Du zeigen willst. Der letzte Satz war sehr schoen. Jugoslawien gibt es nicht. Mittelerde auch nicht. Dafuer aber Saeuferkinder und ein klein wenig Glueck mit Gruppenticket und rollendem Picknick im Freien. Klingt betroffen, aber so hilflos bist Du offenbar doch nicht. Schreib Dich raus. Sei wuerdevoll dabei. Dein eco,

 

Hey eco,
danke für die Bezeichnung "Angenehmes Talent" :-)))) Das motiviert!
Juguslawien gab es in den 80igern sehr wohl, habe aber vergessen zu erwähnen, dass es zu dieser Zeit geschah...sorry.
Ich hoffe nicht nur der letzte Satz war schön...;-)Aber du hast diesen letzten Satz verstanden, das freut mich, da er wirklich ganz spontan entstand.
Würdevolles Schreiben würde ich gerne erlernen...was genau meinst du damit?
Ich mache weiter. Versprochen.:-)

dank dir und schöne Feiertage
dein grobi

 

Wuerdevoll ist man schon dadurch, dass man ein Mensch ist: wuerdevoll schreiben heisst, sich nicht mitreissen lassen von dem, was man erzaehlt, sondern es mit aufrechter Haltung mitzuteilen: kein Kuenstler weint während der Ausuebung seiner Kunst, sondern alle schauen konzentriert und ernst - wuerdevoll eben. Das meine ich.
Du hast es quasi schon hinter Dir und erzaehlst es nun uns - die wir daraus lernen wollen. Das ist die Wuerde des Kuenstlers - des Schriftstellers. Und das bist Du ja nun ... wie wir sehen :-)
Ich freu mich auf Deinen naechsten Text!

Dir auch geruhsame, kreative Tage - lass Dich nicht ablenken! Dein eco

 

Super. Dank dir tausendfach, denn das geht runter wie Honig.

dein Grobi

 

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