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Die Streichlerin

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24.01.2009
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Die Streichlerin

Der alte Pagel saß am Fenster und schaute hinaus in den Frühling. Komm lieber Mai und mache, summte er, so gut es seine Stimme noch zuließ. Und ein bisschen hörte es sich an, als würde die Amsel mit ihm singen.
„Haben Sie das gehört? Die Amsel?“
Katja lächelte müde. „Ja. Habe ich. Und würden Sie jetzt bitte Ihre Tabletten nehmen.“
Aber Pagel war gar nicht bei der Sache. Und lass mir an dem Bache die kleinen Veilchen blühn!, sang er.
Katja fasste nach dem Rollstuhl und drehte Pagel ins Zimmer. „Nehmen Sie bitte ihre Tabletten. Danach können Sie von mir aus bis zum Mittag mit den Vögeln singen.“
Pagel griff nach den Rädern. Er wollte dieses Zimmer nicht sehen, nein, gewiss nicht, es war nicht so schön wie die Blütenpracht des Flieders. Aber Katja war schneller, sie blockierte die Räder und klapperte hässlich mit dem Tablettenbecher. Wütend schaute Pagel sie an.
„Sie hätten das schon lange hinter sich haben können“, sagte sie.
„Ich will duschen. Ich stinke.“
„Sie stinken nicht. Und geduscht haben Sie erst vor zwei Stunden.“
„Habe ich nicht!“
„Oh doch. Und das wissen Sie ganz genau.“
„Aber ich stinke.“
Katja seufzte, atmete tief durch und beugte sich dicht an Pagels Ohr. „Dann schicke ich Ihnen gleich den Jirka.“
„Nein!“, schrie Pagel auf. „Nicht der. Der ist“, Pagel überlegte, „brutal!“
„Ist er nicht.“
„Ist er doch!“
Katja schüttelte noch einmal mit dem Pillenbecher. Pagel riss ihn ihr aus der Hand, schluckte die Tabletten, trank einen Schluck Wasser nach und gerade als Katja nach dem leeren Becher griff, ließ Pagel ihn fallen. „Ups.“
Katja seufzte. „Das war doch Absicht.“
„Nein. Er ist mir aus den Händen geglitten.“
„Ach, Herr Pagel.“ Sie löste die Bremsen vom Rollstuhl und schob ihn zurück ans Fenster.
Wie möchte ich doch so gerne, ein Veilchen wieder sehn, sang Pagel als Katja aus dem Zimmer ging. Und nachdem sie fort war, flüsterte er: Ach, lieber Mai, wie gerne einmal spazieren gehn!

„Achtzehn“, sagte der Hohenegger.
„Hab ich“, sagte der Franz.
Pagel ließ seine Karten sinken. Aus jedem Dorf ein Weibe, das taugte beim Skat nichts. Für diese Runde war er raus.
„Zwanzig“, sagte der Hohenegger.
„Grand Hand“, sagte der Franz. „Kommste drüber?“
Der Hohenegger schnaubte, schob Franz den Skat zu, beugte sich vor und flüsterte: „Habt ihr schon von der Neuen jehört? Die, die jetzt im Zimmer von der Fusselheidi wohnt?“
„Was ist mit der?“, fragte der Franz.
„Die haben se ruhig jestellt.“
„Ach so“, murmelte der Franz, denn das war keine von den Geschichten, die er so gern vom Hohenegger hörte.
„Naja.“ Der Hohenegger rutschte mit seinem Stuhl näher an den Tisch. „Aber die Frage is doch: Warum?“
Der Franz hatte gerade den Pikbuben ausgespielt, da ließ er die Karten wieder sinken. „Und warum?“
„Die Unterwäsche sollen se ihr wechjenommen haben. Die Feine, aus Seide mit Spitze. Baumwollbüchsen haben se ihr dafür jejeben, wegen de Wäscherei und Hygiene und so. Und da soll die ausjetickt sein. Völlig explodiert. Jekeift, Jeschrien, jeschlagen nach allet, wat ihr vors Jesichte kam.“
„Wegen der Unterwäsche?“, fragte Pagel.
„So sagen se.“
„So ist der Teufel: Erst gibt er dir, dann nimmt er dir“, sagte der Franz. „Aber in Ordnung finde ich das nicht.“
„Und der Müller aus Zimmer 104“, erzählte der Hohenegger weiter, „der soll heut Nacht wieder nackt ins Schwesternzimmer rin und hat an seinem Schniedel jespielt.“
„So ist der Teufel“, sagte Franz, „den Verstand nimmt der dir, den Trieb lässt er dir. Hätte der Müller noch ein bisschen Grips, dann hätte er auch Moral und Anstand. Der Grips“, Franz tippte sich an die Schläfe, „macht, dass du anständig bleibst. Hat der Müller vor der Demenz ja nicht gemacht, so einen Schweinkram.“
Pagel schüttelte den Kopf. „Was geht mich der Müller an? Und die Unterwäsche von der Neuen? Lass den Franz jetzt seinen Grand spielen.“
„Pass uff“, sagte der Hohenegger. „Ene hab ich noch. Die jefällt och dir.“ Er lehnte sich weit über den Tisch und senkte die Stimme, so dass Pagel sich Mühe geben musste, ihn überhaupt zu verstehen.
„Der Exminister, blind und taub wie een Stücke Holz, aber der bekommt Besuch von ene Streichlerin.“
„Von einer was?“, fragte der Franz und guckte den Hohenegger an, als wäre der nicht ganz bei Trost.
„Nich' so laut!“, mahnte der. Und dann wieder so leise, das Pagel ihn kaum verstand. „So sagen se, Streichlerin. Offiziell is se wohl ene entfernte Verwandte, Großnichte oder so, aber in Wirklichkeit lässt die sich bezahlen. Erst is wohl so bisschen Massage und am Ende liegen die nackt beieinander im Bette. Nur rin in se, det darf er nich.“
„Nicht wahr!“, sagte Pagel und schaute den Franz an, der den Hohenegger anstarrte.
„Wenn ich es euch doch sag.“
Pagel klopfte dem Franz auf die Schulter. „Da hat es deinem Teufel wohl die Sprache verschlagen.“
Franz stand auf und warf seine Karten auf den Tisch. „Haste Geld, haste alles. Und mir hat der Teufel keins gegeben.“

Abends im Bett dachte Pagel nach. Ob das mit der Streichlerin nicht doch vom Hohenegger geflunkert war. Aber verstehen könne er ihn schon, den Minister a. D., auch wenn er ihn aus Prinzip schon nicht leiden mochte, weil der doch ein Einzelzimmer und einen Schlüssel für seine Zimmertür hatte. Bezahlen tat das alles die Tochter. Aber ob die auch …? Das konnte Pagel sich nun wirklich nicht vorstellen. Die war ja so eine Vornehme und stellte bei jedem Besuch einen Korb mit Obst und einen Blumenstrauß für die Allgemeinheit in den Aufenthaltsraum. Nein, von der Tochter bekam der Minister sicher kein Geld für eine Streichlerin. Und vom Heim schon mal gar nicht! Wenn die das oben erst spitz kriegten, dann bekäme der Minister keinen Damenbesuch mehr, dafür würden die schon sorgen. Dem Hohenegger hatten sie nicht einmal die Zeitschriften geduldet. Und das ist letztlich nur Papier, nicht Fleisch und Blut. Aber der Hohenegger war ja ein Fuchs. Seine Zeitungen, die hatte er nicht mehr im Zimmer, auch nicht im Haus, die putzten und schnüffelten ja in jeder Ecke. Der schnitt die Bilder jetzt aus, packte sie in eine Plastebüchse und die hatte er im Garten versteckt, hinten beim Zaun, unter einer Tanne.
Aber so eine Frau im Bett, das war schon was anderes als so Papierbildchen. Die war warm und weich, da schmiegte es sich an und kribbelte auf der Haut, wenn sie sacht die Finger führte. So wie bei der Gretha. Die war schon eine Gute, obwohl sie ihn oft geschimpft hatte, wenn er an den Wochenenden den Bus für die Ausflüge fuhr, während sie mit den drei Kindern zu Hause saß. Aber es brachte zusätzliches Geld und in den großen Städten, da gab es die Strumpfhosen, auf die die Gretha doch so scharf war. Und eine Freude war es ihm nun auch nicht immer. Wenn er zum Beispiel mit der Armee in die Stadt fahren musste, zum Theaterausflug. Als wollten die jungen Kerle dahin. Da kamen sie schon mal raus aus ihrer Kaserne und durften nach Berlin, und dann: Alle rin zum ollen Brecht oder Gorki oder Goethe. Nicht mal Ballett gab es da. Im Friedrichstadtpalast, da hätten die Jungs sich sicher mehr für die Kultur interessiert, da gab es Ballett mit nackten Beinen und Musik. Naja, ihm konnte es am Ende egal sein. Er lenkte den Bus und musste nicht in die Kultur. Er konnte währenddessen zum Alexanderplatz gehen und der Gretha ihre Strumpfhosen kaufen. Am liebsten waren ihm die Ausflüge mit den Frauen von der LPG, die, mit den Kuhstallfrauen. Und die durften ja nach der Kultur auch in der Stadt übernachten, in einem Hotel, die musste er erst am nächsten Morgen zurückjuggeln. Aber die wollten doch auch zum Alex und einkaufen, wo sie nun schon mal in der Hauptstadt waren. Gab ja zu Hause nichts. Und da haben sie ihn immer so geliebäugelt und ins Ohr gezwitschert, und er war ja nun auch nur ein Mann. Und das hat die Gretha wütend gemacht. Sie mit den drei Mädchen allein zu Hause und er jedes Wochenende auf Vergnügungsfahrt. Strumpfhosen hin, Strumpfhosen her. Zum Herrn Direktor von ganz oben im Haus wollte sie immer. „Der macht mir schöne Augen“, hatte die Gretha ihm unter die Nase gerieben. Hatte der auch, aber nur der Gretha, die Kinder wollte der nicht. War schon eine harte Zeit. Aber sie sind zusammengeblieben, obwohl die Gretha ihm an die Kehle gesprungen war und seine Sachen aus dem Fenster geworfen hatte. Am Ende hat sie ihn immer wieder rein gelassen in die Wohnung und auch ins Bett. Und jetzt hätte er sie gern bei sich. Aber Gretha war schon weg, während er Stück für Stück aus dem Leben faulte. Diabetes. Erst einen Fuß, später das Bein und dann das zweite. „Irgendwann fault er ab, dein Schwanz, von der Hurerei“, hatte die Gretha geschimpft und wer weiß, vielleicht tut er es tatsächlich. Aber sie hatte neben ihm gelegen, bis zuletzt, hat sich an seinen Körper geschmiegt und ihm die Hand gehalten. Hat ihm die Wange gestreichelt, das Haar gestrubbelt und mit den Fingerspitzen so Sachen gemacht, bis es kribbelte und sich die Härchen aufstellten. Und warm war die Gretha und ihr Geruch beruhigte ihn.
Pagel schlief kaum in dieser Nacht. Die Erinnerungen blitzten auf und tauchten wieder ab und er streichelte sich, aber es fühlte sich nicht wie Grethas Streicheln an und dann weinte er und fragte sich, ob die Streichlerin ihn auch besuchen würde, wenn er das Geld zusammen bekäme und dann schämte er sich sogleich für den Gedanken, und irgendwie war es ihm froh, als der Morgen anbrach.

Jeden Mittwoch halb vier, hatte der Hohenegger gesagt. Pagel schaute auf die Uhr. In zehn Minuten. Ungeduldig rollte er den Flur auf und ab. Seit zwanzig Minuten. Der Jirka hatte ihn schon gefragt, ob es ihm denn gut gehe und warum er hier so auf dem Flur rumstehe, wo doch das Wetter so schön sei und er solle doch den Park genießen.
Jetzt kommt auch der Hohenegger. Was will der denn hier?
„Pagel, wat treibst du dich bei dem Wetter im Haus herum?“, fragte der Hohenegger.
„Treibst dich ja selbst im Haus rum.“
„Wartest uff de Streichlerin vom Minister, wa?“
„Ich habe nur mal nachgesehen, ob der Franz hier ist.“
„So so. Der Franz“, sagte Hohenegger und verkniff sich ein Lachen. „Na, dann haste den ja nu jefunden. Da kommt er.“
Pagel drehte den Rollstuhl in die Richtung, in die der Hohenegger schaute. Und ausgerechnet jetzt kam tatsächlich der Franz.
Dass ich daran nicht gedacht hab, ärgerte sich Pagel, dass die beiden wohl auch die Neugier hertreibt. Dabei hatte er sich alles so schön zurechtgelegt. In drei Wochen hat er Geburtstag und da käme sicher auch ein wenig Geld von den Kindern. Sagen musste er es ihnen natürlich. Dass er sich Geld wünscht und keine Präsentkörbe, Strickjacken oder Duftkram. Aber wenn die das erst geschluckt hatten, dann bekäme er bestimmt ein wenig Geld zusammen. Die Frage war nur: Wie viel er brauchen wird? Und ob die Streichlerin auch zu ihm kommt, wo er doch nur ein oller Mechaniker und kein Minister war.
Die Drei schauten einander an. Keiner zuckte, keiner setzte zum Gehen an, keiner sagte ein Wort. Dafür kam der Jirka: „Sie führen doch was im Schilde.“
„Nein! Nix führen wir im Schilde.“
„Wir unterhalten uns nur ein wenig.“
„Alles ganz harmlos.“
Der Jirka lachte, sagte: „Ich habe ein Auge auf euch“, und verschwand kurz in das Zimmer vom Minister.
„Der streichelt den Minister nicht. So viel steht mal fest“, sagte der Franz.
„Vielleicht hat uns der Hohenegger ja doch nur einen Bären aufgebunden“, gab Pagel zu bedenken. „Und wir sind so blöde und fallen drauf rein.“
Da kam der Jirka wieder heraus, deutete mit Zeige- und Mittelfinger auf seine Augen, während er den Dreien einen strengen Blick zuwarf, aber dann ging er und Pagel war es nur recht so.
„Vielleicht is die dit schon“, nuschelte der Hohenhegger und deutete mit dem Kopf in die Richtung, in die der Jirka verschwunden war.
Drei Augenpaare hofierten nun die Frau, die schnurstracks auf das Zimmer vom Minister zuschritt. Sie war klein, etwas pummelig, um die fünfzig, mit Kurzhaarschnitt, trug schwarze, flache Schuhe, Jeans und einen blauen Sommermantel. Sie klopfte, obwohl der Minister es ja nicht hören konnte, wartete ein paar Sekunden und trat dann ein.
„Es gibt sie also wirklich“, sagte der Pagel.
„Hab ich doch jesacht. Und ihr wolltet mir det nich glauben.“
„Ich habe mir die ganz anders vorgestellt“, sagte der Franz.
„Bisschen mehr wie Nutte, wa?“, sagte der Hohenegger. „Aber nee, so ene Streichlerin, det is kene von der Sorte. Dit is seriös. Deshalb darf der Minister ja och nich rin in ihr.“
Und wenn es nun doch nur die Großnichte ist, überlegte Pagel. Da machte man sich ja vollkommen lächerlich, wenn man sie fragte, wie teuer so ein Besuch sei. Es drang ein Stöhnen des Ministers durch die dünnen Wände und sogleich verwarf Pagel die letzten Zweifel an der Aussage des Hohenegger. Taub und blind, aber stumm ist der nicht, dachte er bei sich. So standen die drei Alten und lauschten bis der Jirka ein weiteres Mal über den Flur hetzte und sie nun doch in den Garten schickte.

Nur zehn Meter entfernt von des Hoheneggers Bilderbox standen sie am Tor und behielten den Hauseingang im Blick, denn hinaus musste sie ja wieder, die Streichlerin. Pagel blies auf seiner Mundharmonika das Lied vom Mai und die beiden anderen hörten zu oder summten mit. Der Hohenegger war vorher noch rasch aufs Zimmer geeilt und hatte sich umgezogen. Nun trug er ein Hemd und ein Sakko, welches ihm die Kinder zu Weihnachten geschenkt und er bis zum heutigen Tag nicht angerührt hatte, weil man so was hier nicht trug. Keiner lief so rum, da fiel man nur auf. Und das tat der Hohenegger auch, befand Pagel, dem das nicht passte. Sogar die Katja hatte einen Pfiff ausgestoßen und den Hohenegger gefragt, ob es einen Grund gäbe, dass er sich so schick gemacht hatte. Da war mal gut, dass der Hohenegger so ein Fuchs war. Für sie hätte er sich so fein gemacht, weil er sie doch fragen wollte, ob sie nicht mal mit ihm ausginge. Da hatte die Katja gelacht, aber nicht weiter nachgebohrt, sondern nur gesagt, sie sei ja leider schon vergeben.
Jetzt kam die Besucherin vom Minister aus dem Haus und lief direkt auf das Tor zu. Pagel steckte die Mundharmonika ein, der Franz trat von einem Bein auf das andere und der Hohenegger zog das Sakko straff. Er sollte die Frau ansprechen, das hatten sie so abgemacht.
Sie war schon an ihnen vorbei, als der Franz dem Hohenegger in die Rippen stieß, denn der stand nur da und bewegte sich nicht, und als sie schon fast an der Straße war, da rollte Pagel los und rief ihr hinterher: „Hallo! Darf ich Sie etwas fragen?“
Die Frau blieb stehen und wartete bis Pagel dicht bei ihr war. „Sicher“, sagte sie und das ermutigte Pagel ungemein. Er atmete tief durch, räusperte sich, rieb sich die Nase und fragte schließlich: „Sind Sie die Großnichte vom Minister?“
Die Frau lachte. „Nein. Wer erzählt denn so was?“
Pagel atmete innerlich auf. „Man erzählt hier viel. Die Leute haben wenig zu tun.“
„War es das, was sie mich fragen wollten?“
Pagel schaute sich zum Tor um. Warum kamen die beiden ihm denn nicht zur Hilfe? Der Franz nickte ganz aufgeregt und der Hohenegger zeigte ihm einen Daumen hoch.
„Nein. Nicht ganz“, gab Pagel zu. „Man erzählt sich auch, Sie würden Geld dafür bekommen, dass Sie den Minister besuchen.“
„Ja“, sagte die Frau, nun doch etwas irritiert.
„Naja“, Pagel spürte, wie ihm der Schweiß lief, „und die Leute erzählen, Sie würden den Minister massieren.“
„Das stimmt.“
Es klang ganz selbstverständlich, ihr „stimmt“, und auch sonst war nichts im Gesicht der Frau zu erkennen, dass ihr die Situation unangenehm war oder das Thema oder irgendwas. Sie sah Pagel offen und freundlich an und das ließ die letzten Hemmungen bei ihm fallen.
„Würden Sie mich auch einmal besuchen kommen? Ich bezahle auch. Wie der Herr Minister.“
„Wenn Sie das wollen“, sagte die Frau und öffnete ihre Handtasche. „Ich geben Ihnen meine Karte. Rufen Sie einfach an und vereinbaren Sie einen Termin.“
Pagel nickte eifrig.
„War das Ihre Frage?“
Wieder nickte Pagel und griff nach der Visitenkarte, die sie ihm hinhielt. „Vielen Dank.“
„Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.“ Die Frau reichte ihm die Hand. Pagel war so gerührt, so erleichtert, so beflügelt, dass er sie endlos schüttelte. Er blieb noch auf dem Gehweg stehen, bis sie mit ihrem Auto fortfuhr, dann schaute er auf die Karte. „Praxis für Physiotherapie“ stand ganz oben und sogleich löste sich das leichte, schöne, herrliche Gefühl in ihm auf. Alles weiß der Hohenegger eben doch nicht, fluchte Pagel still. Stumm reichte er die Karte an Franz weiter, der jetzt neben ihm stand und auch an den Hohenegger, der ebenfalls gekommen war, und schweigend gingen die Männer zurück ins Heim und jeder für sich aufs Zimmer.

Der alte Pagel saß am Fenster und schaute hinaus in den Frühling. Seine Mundharmonika lag vor ihm auf dem Tisch. Ihm war nicht nach singen oder spielen, ihm war auch nicht nach Frühling. Katja stand hinter ihm, sie hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt und gemeinsam schauten sie in den Garten.
„Mensch Pagel, was ist nur mit Ihnen los? Seit Tagen machen Sie ein Gesicht, als hätte man Sie in ein Sauerkrautfass gesperrt.“
„Geben Sie mir schon die Tabletten“, sagte Pagel.
Katja hielt ihm die Pillen und den Becher Wasser hin. Pagel nahm sie, schluckte, trank Wasser nach und stellte den Becher auf den Tisch.
„Und Skat spielen Sie auch nicht. Immer nur auf dem Zimmer. Sie können doch noch.“
Pagel drehte den Kopf, sah Katja an, griff nach ihrer Hand auf seiner Schulter und drückte sie sacht, bevor er zu seiner Mundharmonika griff und das Lied Am Brunnen vor dem Tore zu spielen begann. Katja hörte Pagel zu, summte leise mit und als der letzte Ton verklungen war, schenkte sie ihm ein Küsschen auf die Wange, so wie sie es manchmal tat, so wie sie es bei allen tat, wenn sie einen guten Tag hatte.

 

Hallo Fliege,

wunderschön und bittersüß, Deine Geschichte. Da hast Du wirklich einmal ein außergewöhnliches Thema gewählt. Deine Figuren wirken authentisch und lebendig, man kann sich dieses Pflegeheim und die Bewohner bildlich vorstellen. Meine Großeltern waren auch im Pflegeheim, deshalb kommt mir das alles bekannt vor, wobei die dort glaube ich nicht so viel Spaß hatten, wie Deine Männerrunde.
Gleich im ersten Absatz zeigst Du uns eine typische Szene, wie sie wahrscheinlich zig Mal täglich in jedem Heim vorkommt. Wollen wir mal hoffen, dass andere Pflegerinnen auch so geduldig und nett wie Katja sind. Ich habe großen Respekt vor dieser Arbeit.
Die Szene, wo der Hohenegger seinen Kumpels die schlüpfrigen Stories erzählt ist sehr lustig und zeigt, dass nicht nur Frauen geschwätzig sind:D.
Dann wird es ein bisschen traurig, als der Pagel an seine verstorbene Frau und seine Vergangenheit denkt.
Sehr lustig, als die drei dann auf dem Flur auf die "Streichlerin" warten. Und dann die Auflösung, dass es sich "nur" um eine Physiotherapeutin handelt. Herrlich.

Großes Kompliment für die gelungene Geschichte, ich habe rein gar nix zu meckern,
Kerkyra

 

he Fliege,

das ist eine wunderbare Geschichte.
Wirklich erstaunlich, wie du dieses bittersüße Thema zu präsentieren verstehst. Die Paarung zwischen Humor und Ernst, zwischen Freud und Leid, das ist schon ein Drahtseilakt, bei dem man mal schnell in die Tiefe der Klischees rutschen kann. Tust du hier in keiner Zeile. Jede Zeile sitzt. Und wirkt nach.
Trotz der Traurigkeit hat das großen Spaß gemacht zu lesen. Ich würde mir davon mehr wünschen, also eine Art Wiedersehen mit den drei Herren. Das hast du ja auch schon vorbereitet, mit den Geschichten des Hohenegger. Ja, das würde mich freuen, die Herren in einer zweiten Visite erneut belauschen zu können.
Das Ende an diese Stelle zu setzen ist natrülioch richtig. Diese Geschichte ist erzählt und hört auf, wo sie aufhören muss. Aber da schwingt noch eine Menge mit, das auch Erzählenswert wäre.
Hat mir sehr gut gefallen.

„Ach, Herr Pagel.“ Sie löste die Bremsen vom Rollstuhl und schob Pagel zurück ans Fenster.
Wie möchte ich doch so gerne, ein Veilchen wieder sehn, sang Pagel als Katja aus dem Zimmer ging.
Vielleicht den mittleren Pagel streichen?

gerade den Pick Buben ausgespielt
Pik
„So ist der Teufel: Erst gibt er dir, dann nimmt er dir“, sagte der Franz
:D
„Da hat es deinem Teufel wohl die Sprache verschlagen.“
Franz stand auf und warf seine Karten auf den Tisch. „Haste Geld, haste alles. Und mir hat der Teufel keins gegeben.“
wunderbar, wie du diesen Faden beibehältst.

Und nebenbei: Das schaffst du, an deinem Roman zu sitzen und nebenbei solch tolle Kurzgeschichten zu schreiben? Respekt

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Fliege

Als ich den Titel las, dachte ich, meine Güte, nun nur keine zu „idealisierte“ Geschichte über diese neuere Berufsausrichtung. :D Doch, da mir Deine souveräne Art Geschichten zu erzählen vertraut ist, schob ich diesen unwürdigen Gedanken schleunigst beiseite, um mich unbefangen darauf einzulassen.

Die Einstiegssätze führten mich gleich in das Szenarium eines Altersheimes, wie sie sich in der Realität ähnlich überall darstellen. Verblüfft hat mich die Lebendigkeit, die sich entfaltete, als ob man danebenstehen und zuschauen würde, die Personen trotz ihrer Eigenarten einem vertraut sein müssten. Nur beim Skat schob sich mir eine Distanz ein, keineswegs wegen der fein gezeichneten Figuren, vielmehr weil ich zu solchen Spielen keine Beziehung habe.

Die Dialoge nahmen mich dann wieder in Griff, das typisch wirkende Gesprächs- und Verhaltensmuster dieser alten Knaben schmunzelnd lesend. Was sich daraus entwickelte, ich kann es mir bühnenreif vorstellen, ist köstlich dargelegt.

Einmal war mir der Gedanke aufgekommen, die Herren der Schöpfung könnten sich gewaltig irren. Doch da sich alles wie in derer Fantasie ersehnt bestens fügte, kein Moment der Entkräftung ihrer Vision auftrat, verblasste mein leiser Zweifel. Ich stand in Distanz zu den Dreien am Ausgang, gespannt, wie sie dies anstellen wollten, zu späten Freuden zu gelangen.

Die Aufklärung, welche sich mit der Karte bot, das Wortspiel, welches dies einleitete, eine geniale Verstrickung der Sache. Ich musste lachen, wie hintergründig, leichtfüssig und ohne Wertung sich dieses Thema darstellte. Der Ausklang dann wieder den Alltag aufweisend, dem Protagonisten einen Hauch Zärtlichkeit schenkend, dies hat er doch immer so nah.

Ich fand es sehr gelungen, diese Geschichte, welche mir zu lesen Vergnügen bereitete und die Spannung aufrechtzuerhalten wusste.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
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Hola Fliege!
Das darfst Du aber nicht nochmal machen!
Ich schlecke mir die Lippen, habe die Augen schon auf halb sieben und wähle den übergroßen Ohrensessel, ein Monstrum aus vornapoleonischer Zeit, aber bei Erotik möchte ich die Beine hochlegen. Ich werde genießen - Erotik von Fliege!
Was trinkt man dazu? Tee, Sherry oder Port?
Die Antwort fällt nüchtern, ernüchternd aus:
Mineralwasser, nicht gekühlt, bitte ohne Bläschen! Drei alte Knacker im Altersheim warten auf den Tod mit den üblichen Ritualen und Redensarten - wie sie auch mir bald bevorstehen - und hätten eine tolle Zeit haben können mit einer echten Thai - Streichlerin, denn das Geldproblem ist ja gelöst.
Aber es singt ja die Amsel im Park. Erotik - dass ich nicht lache!
Aber Jefühl, dat bringste rein, mein Lieber. Und Du hast Auge und Ohr am Menschen - Kompliment!
Gerne hab' ich's gelesen!
Bis bald mal -
Josèfelipe

 

Vielen Dank Ihr Vier :)

waren mir natürlich eine Freude, die Kommentare, auch wenn ich Dich, josefelipe, um dein Vergnügen gebracht hab. Aber warum soll es dem Leser anders gehen als meinen Dreien :p. Klar, ich hätte auch den Erotiktag weglassen können, dafür den Humortag wählen, aber, nee, das Thema ist ja Sexualität im Altersheim. Zumindest bei mir im Kopf, während ich das schrieb. Eine Freundin (Ärztin) hat mir eine Geschichte erzählt, mit dem Fazit - ist ein riesen Problem, für die Alten und auch für das Pflegepersonal und ich dachte so, hey, tolles Thema. Dann habe ich im Internet gesucht, gelesen und hab nach drei Stunden Recherche echt geflennt. Spätestens ab da wollte ich unbedingt eine Geschichte zum Thema schreiben. Aber kannst ja jetzt nicht so einen 1:1 Abbildung machen, das ist ja deprimierend, das will doch keiner lesen, also habe ich versucht, es so zu verpacken, dass es erträglich wird. Scheint zu funktionieren :). Bittersüß ... ja. Ich mein, wenn man mal die Stories von dem Hohenegger nimmt, witzig sind die ja nicht wirklich. Die sind schon tragisch und sie sind echt. Und die Streichlerinnen gibt es auch in echt, die haben viele Namen - Berührerin, Sexualassistentinnen. Es gibt Sozialarbeiter, die die Kontakte herstellen und das Pflegepersonal dafür sensibilisieren, jetzt mal nicht in das Zimmer zu poltern, sondern den Leuten mal eine Stunde Intimsphäre zu gewähren (je nach Aufgeschlossenheit Heimleitung, darf nicht überall sein), die Transporte zu Prostituierten organisieren ... Ich hatte ein wenig Angst, dass die Katja-Szenen abschreckend wirken, langweiliger Alltag und bin froh, dass dies bei Euch nicht der Fall war. Sehr froh sogar. Denn die Pfleger können und sollen zwar die Grundbedürfnisse befriedigen, aber Sexualität ist auch eines, und kann man das wirklich nun auch noch ihnen überhelfen? Deswegen war mir Katja so wichtig.
Ich habe dann, als die Geschichte fertig war, so draufgeschaut und dachte, oh weh, jetzt haste eine Pointengeschichte geschrieben. War ja nun gar nicht die Absicht, aber jetzt wirklich die Streichlerin kommen zu lassen, dann hätte ich nicht dieses Unerfüllte drin und darum ging es mir ja. Ich komme hier gerade ins Schatzen ...


Kerkyra schrieb:
Großes Kompliment für die gelungene Geschichte, ich habe rein gar nix zu meckern,

Ich freue mich sehr. Danke für die schönen Worte.

weltenläufer schrieb:
Die Paarung zwischen Humor und Ernst, zwischen Freud und Leid, das ist schon ein Drahtseilakt, bei dem man mal schnell in die Tiefe der Klischees rutschen kann. Tust du hier in keiner Zeile. Jede Zeile sitzt. Und wirkt nach.

Muss jetzt nicht sagen, wie sehr mich das erleichtert hat, oder? Nur für den Fall das doch - hat mich sehr erleichtert.

weltenläufer schrieb:
Trotz der Traurigkeit hat das großen Spaß gemacht zu lesen.

Ziel erfüllt!

weltenläufer schrieb:
Ich würde mir davon mehr wünschen, also eine Art Wiedersehen mit den drei Herren. Das hast du ja auch schon vorbereitet, mit den Geschichten des Hohenegger. Ja, das würde mich freuen, die Herren in einer zweiten Visite erneut belauschen zu können.

Auf gar keinen Fall! Wann soll ich denn dann an meinem Roman weiterschreiben? So viel zu deiner Frage. War nicht geplant, dass mir die dazwischen gekommen ist. Danke für den Kleinkram, ist ausgebessert.

Anakreon schrieb:
Verblüfft hat mich die Lebendigkeit, die sich entfaltete, als ob man danebenstehen und zuschauen würde, die Personen trotz ihrer Eigenarten einem vertraut sein müssten. Nur beim Skat schob sich mir eine Distanz ein, keineswegs wegen der fein gezeichneten Figuren, vielmehr weil ich zu solchen Spielen keine Beziehung habe.

Das ist ein sehr schönes Lob. Das lässt mich so ein bisschen strahlen hier. Und was den Skat anbelangt, da hatte ich schon so meine Befürchtungen und hab schon ganz viel Skat wieder rausgenommen. Und mit den Rest müssen die Nichtskatspieler jetzt klarkommen, hab ich beschlossen. Nicht fein von mir, ich weiß.

Anakreon schrieb:
Die Dialoge nahmen mich dann wieder in Griff, das typisch wirkende Gesprächs- und Verhaltensmuster dieser alten Knaben schmunzelnd lesend. Was sich daraus entwickelte, ich kann es mir bühnenreif vorstellen, ist köstlich dargelegt.

Noch so ein großes Kompliment. Ich werde hier noch rot. Und dann geht das ja auch noch weiter. Hab recht vielen Dank dafür.

josefelipe schrieb:
Das darfst Du aber nicht nochmal machen!

Okay :). Ich werde mich bemühen. Aber ich kann auch wirkliche Erotik. Naja, bisschen jedenfalls. Ich weiß nicht, wohin es mich bei der nächsten Geschichte treibt. Vielleicht auch zu Kinder ... das ist dann mega Juendfrei. Ja, tut mir leid, dich da an der Nase herum geführt zu haben. Wirklich. Ich habe auf den Einwand auch gewartet. Er musste kommen, irgendwann. Umso mehr erleichtert hat mich dann dein Schlusswort:
Aber Jefühl, dat bringste rein, mein Lieber. Und Du hast Auge und Ohr am Menschen - Kompliment!
Gerne hab' ich's gelesen!

Ich danke Euch allen ganz herzlich und wünsche ein schönes Wochenende.
Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Fliege,
welch eine schöne Geschichte! Der Titel machte mich neugierig (da ich noch meistens vergesse auf die Tags zu achten, klappt es halt trotzdem nicht immer) Aber hier hat es geklappt, ich fand genau das, was ich in einer Geschichte von Dir neugierig erwartete: Klasse Typen, herrliche Dialoge und wahres Kopfkino. Hat sich sehr gut gelesen und ich habe hoffentlich wieder einiges dazu gelernt.

Beim Lesen habe ich ein paar kleine Randnotizen gemacht. Es ist unheimlich schwer etwas zu den Geschichten zu sagen, wenn man selbst noch nicht viel Ahnung hat. Aber ich versuche es mal, der Reihe nach mit meinen subjektiven Gedanken.

Zitat Fliege
„ ..summte er, so gut es seine Stimme noch zuließ. Und ein bisschen hörte es sich an, als würde die Amsel mit ihm singen.
„Haben Sie das gehört? Die Amsel?“
Katja lächelte müde. „Ja. Habe ich. Und würden Sie jetzt bitte Ihre Tabletten nehmen.“
Aber Pagel war gar nicht bei der Sache. Und lass mir an dem Bache die kleinen Veilchen blühn!, sang er aus voller Brust.“

Hier blieb ich etwas haken, ist seine Stimme nun schon dünner oder kommt da noch richtig was rüber? Oder liegt es eher an seiner Stimmung?

Zitat Fliege
„… gerade als Katja nach dem leeren Becher griff, ließ Pagel ihn fallen. „Ups.““

Mhh, in den ersten Sätzen habe ich Pagel als zwar deprimierten, traurigen Typen kennengelernt, auch später ist er doch eher der in Erinnerung lebende (Gretha und spazieren gehen) – ich sehe ihn einfach nicht so fies zu der Schwester sein. Vielleicht bin ich da aber auch zu sehr „Gutmensch“, wir werden ja wohl alle seltsam im Alter.

Zitat Fliege
„ „Die Unterwäsche sollen se ihr wechjenommen haben. Die Feine, aus Seide mit Spitze. Baumwollbüchsen haben se ihr dafür jejeben, wegen de Wäscherei und Hygiene und so. Und da soll die ausjetickt sein. Völlig explodiert. Jekeift, Jeschrien, jeschlagen nach allet, wat ihr vors Jesichte kam.“
„Wegen der Unterwäsche?“, fragte Pagel.“

Herrliche Geschichte, ich seh die drei Kerle wirklich vor mir. Und gleichzeitig ist der Teil mit der Unterwäsche definitiv ein Grund, nie ins Altersheim zu wollen – Baumwollschlüpfer …

Zitat Fliege
„Er konnte währenddessen zum Alexanderplatz gehen und der Gretha ihre Strumpfhosen kaufen.“

Mhh, ich tippe mal zwischen 1965 und 1975, danach hat es auf den Dörfern auch Strumpfhosen gegeben. Oder war es ganz weit draußen? Also ist der gute Pagel jetzt um die Achtzig? Oh, was die Zeit vergeht …

Zitat Fliege
Pagel schlief kaum in dieser Nacht. Die Erinnerungen blitzten auf und tauchten wieder ab und er streichelte sich, aber es fühlte sich nicht wie Grethas Streicheln an und dann weinte er und fragte sich, ob die Streichlerin ihn auch besuchen würde, wenn er das Geld zusammen bekäme und dann schämte er sich sogleich für den Gedanken, und irgendwie war es ihm froh, als der Morgen anbrach."

Mein Lieblingsabsatz, das ist so schön und so traurig – aber ganz viel Leben, Super!

Zitat Fliege
„Bisschen mehr wie Nutte, wa?“, sagte der Hohenegger. „Aber nee, so ene Streichlerin, det is kene von der Sorte. Dit is seriös. Deshalb darf der Minister ja och nich rin in ihr.“

Der Hohenegger ist so gut, einfach Klasse die Berliner Schnauze.

Das Ende ist traurig, aber versöhnlich. Ich schließe mich Weltenläufer an und würde gerne nochmal bei den drei Herren von der Bilderbox vorbei schauen. Danke für die schöne Geschichte aus dem Leben.
Herzlichst Greenwitch

.. sorry, das zitieren habe ich noch nicht so drauf, beim nächsten Mal hoffentlich in ordentlicher Form

 
Zuletzt bearbeitet:

Der alte Pagel saß am Fenster und schaute hinaus in den Frühling. Seine Mundharmonika lag vor ihm auf dem Tisch. Ihm war nicht nach singen oder spielen, ihm war auch nicht nach Frühling.

Nun ja, Fliege,

Fliege unter meiner Pepe-Geschichte schrieb:
...tue Deinen Figuren weh! Lass sie leiden! Quäle sie!

Diesen Satz scheinst du für dein eigenes Schreiben offenbar wirklich verinnerlicht zu haben. Zumindest bei dieser Geschichte. Auch wenn du über das Elend hier sehr charmant, beinahe leichtfüßig erzählst, allein schon durch die Themenwahl beweist du, dass du keine Scheu davor hast, deinen Figuren wehzutun. Geschenkt wird denen ja wirklich nichts.
Tatsächlich ist Sexualität im hohen Alter ja nach wie vor weitgehend ein Tabuthema, über das man sich, solange es einen selbst nicht betrifft, möglichst wenig den Kopf zerbrechen will. Sobald man aber gezwungen wird, darüber nachzudenken, und genau das tut deine Geschichte, beginnt man zu ahnen, was einem da möglicherweise selber einmal blüht, und man kann nicht anders, als mit deinen Figuren mitzuleiden. Außerdem geht es in deinem Text für mein Gefühl ja nicht nur um die mangelnde körperliche Zuwendung, mit der man wohl irgendwann einmal leben muss, sondern darüber hinaus über die Vergänglichkeit von allem Schönen, ja über die Vergänglichkeit von allem eigentlich.
Insofern kann ich auch deine Bedenken nicht teilen, du hättest hier eine Pointengeschichte geschrieben. Das Ende ist für mein Gefühl dem Text vollkommen angemessen, es entlässt die handelnden Personen in Desillusionierung und Trostlosigkeit, und das empfinde ich allemal realistischer, als meinetwegen ein kleines amouröses Abenteuer der alten Herren.

Ein trauriger Text, ein schöner Text. Schön traurig halt. Auf jeden Fall konnte er mich berühren, und genau das erwarte ich mir von Geschichten.

offshore

PS

Fliege schrieb:
Aber ich kann auch wirkliche Erotik.
Worauf wartest du? Her damit!

 

Hallo greenwitch,

und herzlich Willkommen im Forum!

Aber hier hat es geklappt, ich fand genau das, was ich in einer Geschichte von Dir neugierig erwartete: Klasse Typen, herrliche Dialoge und wahres Kopfkino.

Oh ... bis vor zwei Tagen kannte ich Deinen Nick nicht, aber Du hast solche Erwartungen ... ich fühle mich irgendwie gerade total geehrt. :).

Es ist unheimlich schwer etwas zu den Geschichten zu sagen, wenn man selbst noch nicht viel Ahnung hat. Aber ich versuche es mal, der Reihe nach mit meinen subjektiven Gedanken.

Ich verstehe das total. Aber es ist unglaublich hilfreich, wenn Leute auch mal ganz frisch und unbefangen und ganz unliterarisch auf den Text schauen. Ich glaube, da ist jeder Autor hier auch froh drum. Also, mach Dir bloß keinen Kopf darum. Und ganz ehrlich, Geschmäcker und Stilvorlieben sind so verschieden, deshalb muss auch nicht immer richtig für eine Geschichte sein, was wer sagt, der schon ganz lange hier ist. Da muss eh jeder Autor abwiegen, was er von der Kritik annehmen will und was nicht. Egal, wie man sich am Ende entscheidet, wenn man drüber nachdenkt und abwägt, dann hat jede Kritik ihren Sinn. Schreib einfach ganz unbefangen deine Kritiken, bitte :).

Hier blieb ich etwas haken, ist seine Stimme nun schon dünner oder kommt da noch richtig was rüber? Oder liegt es eher an seiner Stimmung?

Ja. Das kommt vom kürzen und umbasteln und dann passt Satz 1 nicht mehr zu Satz 2. Ich sehe den logischen Bruch auch und werde ich morgen früh gleich beheben.

Mhh, in den ersten Sätzen habe ich Pagel als zwar deprimierten, traurigen Typen kennengelernt, auch später ist er doch eher der in Erinnerung lebende (Gretha und spazieren gehen) – ich sehe ihn einfach nicht so fies zu der Schwester sein. Vielleicht bin ich da aber auch zu sehr „Gutmensch“, wir werden ja wohl alle seltsam im Alter.

Ich glaube, der ist in der Szene mies drauf. Und fies ... ja, der Pecher ist Pagels Rache, dass Katja nicht so will wie er. Für mich passt das schon ins Gesamtbild, aber wenn da noch mehr Stimmen zusammenkommen, dann muss der Becher auch nicht sein. Ich hänge da jetzt nicht so dolle dran.

Herrliche Geschichte, ich seh die drei Kerle wirklich vor mir. Und gleichzeitig ist der Teil mit der Unterwäsche definitiv ein Grund, nie ins Altersheim zu wollen – Baumwollschlüpfer …

Hehe und danke für die Blumen.

Mhh, ich tippe mal zwischen 1965 und 1975, danach hat es auf den Dörfern auch Strumpfhosen gegeben. ... Also ist der gute Pagel jetzt um die Achtzig? Oh, was die Zeit vergeht …

Ja, so dachte ich.

Mein Lieblingsabsatz, das ist so schön und so traurig – aber ganz viel Leben, Super!

Ich mag total gern, wenn Lieblingssätze zitiert werden. Danke für Deinen.

Das Ende ist traurig, aber versöhnlich. Ich schließe mich Weltenläufer an und würde gerne nochmal bei den drei Herren von der Bilderbox vorbei schauen. Danke für die schöne Geschichte aus dem Leben.

Nein! Da wird mein Roman nieeeeee fertig, weil ich mich dann auch noch in den Hohenegger als Figur verliebe und den dann nicht mehr aus dem Kopf bekomme. Das geht doch nicht ...

.. sorry, das zitieren habe ich noch nicht so drauf, beim nächsten Mal hoffentlich in ordentlicher Form

Das geht so: Unter Geschichte, Kommentar (woraus immer Du zitieren willst) zitieren anklicken, dann ganz unten das Feld: "Antworten" und dann hast Du den ganzen Text im Feld. Dann makierst Du die Sätze und drückst oben in der Toollieste auf das letzte Zeichen, auf die eckige Sprechblase. Fertig. Die zu finden hatte ich mich auch schwer.

Lieben Dank für deine Zeilen. Und gib mir ein Zeichen, wenn Deine erste Geschichte kommt, damit ich mich revanchieren kann.


Hey ernst,

Tatsächlich ist Sexualität im hohen Alter ja nach wie vor weitgehend ein Tabuthema, über das man sich, solange es einen selbst nicht betrifft, möglichst wenig den Kopf zerbrechen will. Sobald man aber gezwungen wird, darüber nachzudenken, und genau das tut deine Geschichte, beginnt man zu ahnen, was einem da möglicherweise selber einmal blüht, und man kann nicht anders, als mit deinen Figuren mitzuleiden.

Darüber hab ich mich gefreut.

Außerdem geht es in deinem Text für mein Gefühl ja nicht nur um die mangelnde körperliche Zuwendung, mit der man wohl irgendwann einmal leben muss, sondern darüber hinaus über die Vergänglichkeit von allem Schönen, ja über die Vergänglichkeit von allem eigentlich.

Naja, wenn der Tod so nah vor der Tür steht, spielt das wohl immer mit rein. Bei allem was zu Ende geht. Manchmal reicht dafür schon der Ende eines Urlaubes oder etwas noch Kleineres, ein mega tolles Buch oder so.

Insofern kann ich auch deine Bedenken nicht teilen, du hättest hier eine Pointengeschichte geschrieben.

Ist es schon. Vielleicht nicht nur, aber auf jeden Fall auch.

Das Ende ist für mein Gefühl dem Text vollkommen angemessen, es entlässt die handelnden Personen in Desillusionierung und Trostlosigkeit, und das empfinde ich allemal realistischer, als meinetwegen ein kleines amouröses Abenteuer der alten Herren.

Ich mag das Ende auch und ich war beim Schreiben sehr traurig. Oh man war ich traurig ...

Ein trauriger Text, ein schöner Text. Schön traurig halt. Auf jeden Fall konnte er mich berühren, ...

Danke!

Worauf wartest du? Her damit!

Habe ich nicht erst gelesen Du wolltest auch eine Szene schreiben und hast dann aufgegeben? Ich warte darauf, dass Du zur Challenge aufrufst und mitmachst :D.

Danke für die Zeilen. Lieben Gruß, Fliege

 

Hallo Fliege


Oh ... bis vor zwei Tagen kannte ich Deinen Nick nicht, aber Du hast solche Erwartungen ... ich fühle mich irgendwie gerade total geehrt. :).

Sorry, dass musste sich für Dich doof anhören "Erwartungen" - ich lese seit einem knappen Jahr "heimlich" mit, dadurch haben sich doch schon ein paar Lieblingsschreiber und Schwerpunkte herauskristalisiert.

Herzlichen Dank für die Hilfe beim Zitieren, so sieht es doch gleich viel ordentlicher aus ...

verwehte Grüße
witch

 

Aber Gretha war schon weg, während er Stück für Stück aus dem Leben faulte.

Monströser Satz! Überhaupt sehr viele gute Sätze drin, in dem Text. Mich hat es ein wenig an einen Film erinnert, ich komm jetzt nicht auf den Namen, da ging es um etwas sehr ähnliches, ein ähnliches Sujet.

Ja, ich denke, in diesen Zusammenhängen ist körperliche Nähe, überhaupt Körperlichkeit, noch einmal völlig anders zu bewerten. Das ist sicherlich eine große Sehnsucht, diese Art der intimen Nähe, noch nicht einmal Sex. Im Grunde ist das traurig, sicher, ein trauriger Text. Es klingt dann auch so bürokratisch und steril, "Physiotherapie", das ist so gegenteilig zu Nähe und Intimität.

Mich stört im zweiten Absatz die Stimme des Erzählers etwas. Die ist so bewusst melodiös und liest sich ein bisschen wie ein Schwank, wen er da so von früher erzählt, und auch diese Begriffe wie "juggeln", ich weiß nicht, ich würde mir da mehr Distanz erhoffen. Ich finde die Dialoge nämlich alles sehr gut, udn die sagen auch alles über die Charaktere. Ich finde, durch diese Nähe des Erzählers, also von der Sprache her, drängt der sich mir auf, drängt sich etwas in den Vordergrund. Naja, nur meine subjektive Meinung.

Gerne gelesen!

Jimmy

 

Hey Fliege,
jetzt hast du mich aber ziemlich traurig gemacht.
Leider finde ich in den letzten Monaten kaum Zeit für Wortkrieger, lese nur so'n bisschen mit, aber deine Geschichte hat mich dann doch so berührt, dass ich dir das sagen muss.
Ist ein Thema, darüber habe ich noch nie so richtig nachgedacht und wenn, dann so rein theoretisch, die Geschichte hier lässt mich das aber wirklich nachfühlen. Ich frage mich, wie viel das ganze eigentlich mit der Sexualität zu tun hat und wie viel mit dem einfachen Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Ich meine, diese alten wollen doch eigentlich nur ein bisschen kuscheln, nur ein wenig berührt werden, das ist ja nicht unbedingt sexuell, oder? oder vllt so sex light, was anderes können die doch auch gar nicht, denke ich.
Da ist auch diese Passage, wo Pagel sich an Gretha erinnert, da wird ja ganz deutlich, dass ihm vor allem diese Nähe fehlt, der Geruch, die Wärme. Dieser Entzug, dass niemand mehr einen anfassen will, das ist so tragisch. Ich glaube, das ist doch bei Babys schon so. Wenn sie keine körperliche Nähe bekommen, sterben sie. Mir drängt sich das irgendwie auf, weil man im Alter auch so ein bisschen in eine Kinderrolle verfällt, auch so hilflos wird und auf die Pflege anderer angewiesen. Aber in diese Pflege gehört in einem Altenheim eben keine Streichelei.
Und dieses Kindliche, das ist mir ganz besonders deutlich hier geworden, als der Jirka sie im Flur "erwischt." Die sind dann so süß auch und er behandelt sie, als wären die nicht mehr mündig.
Und dann reden die drei alten ja über diese Streichlerin, als ginge es für sie um richtigen Sex. Wenn der Hohenegger meint, dass der Minister nicht rein dürfe. Und das ist wahrscheinlich einfach diese Männersache, diese alten Männerrollen, die sie noch spielen, die sie aber nicht mehr erfüllen können.
Ja, ich finds auf jeden Fall ganz großartig.
Auch von der Dramaturgie ist es toll gemacht. Diese Erwartung, die aufgebaut wird und man fühlt so sehr mit dem Pagel und wie er sich überlegt, dass er von seinen Kindern nun Geld wünscht und das alles dann halb geheim, wirklich wie bei Kindern und dann zieht sich der Hohenegger auch was Schickes an, o Mann, also mich haben da einfach krass viele Stellen berührt. Und dann ist es eine Physiotherapeutin, wie bitter ist das. Und das Ende, das hat mich komplett fertig gemacht. Die Katja, die ihm dann dieses Küsschen gibt und das bedeutet ihr gar nichts, natürlich nicht, die ist wahrscheinlich einfach eine liebe, aber für ihn sind diese Almosen so essenziell, puh.
Ja, also, handwerklich ist es auch toll. Du findest genau die richtige Stimme, aber jetzt habe ich keine Zeit mehr, leider nicht. Da kann ich dir auch gar nichts nützliches erzählen. Vielleicht noch ein Satz, den ich besonders toll fand, den zitiere ich.

Die Erinnerungen blitzten auf und tauchten wieder ab und er streichelte sich, aber es fühlte sich nicht wie Grethas Streicheln an und dann weinte er und fragte sich, ob die Streichlerin ihn auch besuchen würde, wenn er das Geld zusammen bekäme und dann schämte er sich sogleich für den Gedanken, und irgendwie war es ihm froh, als der Morgen anbrach.
Das tat weh.
Ich werde die Geschichte empfehlen.
Liebe Grüße,
randundband

 

„So sagen se, Streichlerin. Offiziell is se wohl ene entfernte Verwandte, Großnichte oder so, aber in Wirklichkeit lässt die sich bezahlen. Erst is wohl so bisschen Massage und am Ende liegen die nackt beieinander im Bette. Nur rin in se, det darf er nich.“

Vorab kurz zum Stil: Ich mag, und glaube da gehöre ich einer großen Mehrheit an, keine geschriebenen Dialekte und finde, dass man das als guter Autor lassen sollte. Dass es ohne funktioniert, dafür gibt es, glaube ich, genug Beispiele.
Aber nun zur Story: Gefällt mir ;).
Altenheim und Demenz erlebe ich gerade in der Familie, da stehe ich nahe dran und vermag deine Patienten förmlich zu riechen.
Ganz extrem erinnert mich deine Geschichte an den Film: „Sleeping Beauty“ von Julia Leigh. Die Protagonistin, eine von ständiger Geldnot getriebene Schönheit, betreibt hier einen seltsamen Service: Sie steht, von einem Schlafmittel betäubt, schlafend und nackt im Bett liegend, alten Männern zur Verfügung. Nur Penetration ist verboten.
In seiner Weiße-Haut und Null-Musik Optik ein verstörender Film.
Aber zurück zur Geschichte: stark! Danke für das Leseerlebnis,
ciao nastro.

 

Hey greenwitch,

... ich lese seit einem knappen Jahr "heimlich" mit,

Ohhh wie schön, dass Du Dich aus der Beobachterecke rausgetraut hast. Doppelt herzliches Willkommen!

Hey jimmy,

Monströser Satz! Überhaupt sehr viele gute Sätze drin, in dem Text. Mich hat es ein wenig an einen Film erinnert, ich komm jetzt nicht auf den Namen, da ging es um etwas sehr ähnliches, ein ähnliches Sujet.

Beim Thema Film muss ich ja meist passen, aber den kenne ich auch. Hat mich damals total verwirrt und verstört. Allerdings hatten die Männer da nicht unbedingt Nähe im Kopf, sondern zum Teil ganz andere Dinge, was das Klischee der lüsternden, perversen Alten erfüllte. Ein fieser Film, aber gut gemacht. Ich habe mich beim Schreiben allerdings keine Sekunde dran erinnert.

Ja, ich denke, in diesen Zusammenhängen ist körperliche Nähe, überhaupt Körperlichkeit, noch einmal völlig anders zu bewerten. Das ist sicherlich eine große Sehnsucht, diese Art der intimen Nähe, noch nicht einmal Sex. Im Grunde ist das traurig, sicher, ein trauriger Text. Es klingt dann auch so bürokratisch und steril, "Physiotherapie", das ist so gegenteilig zu Nähe und Intimität.

Ja.

Mich stört im zweiten Absatz die Stimme des Erzählers etwas. Die ist so bewusst melodiös und liest sich ein bisschen wie ein Schwank, wen er da so von früher erzählt, und auch diese Begriffe wie "juggeln", ich weiß nicht, ich würde mir da mehr Distanz erhoffen. ... Ich finde, durch diese Nähe des Erzählers, also von der Sprache her, drängt der sich mir auf, drängt sich etwas in den Vordergrund. Naja, nur meine subjektive Meinung.

Mit dem Absatz hatte ich mich sprachlich auch am schwersten. Ich kann dich gut verstehen, aber mir ist der Absatz als solches sehr wichtig und nach ewigem hin und her, war es mir die liebste Version. Das die jetzt perfekt ist, will ich damit nicht sagen, eher, meine Fähigkeiten sind ausgereizt.

Gerne gelesen!

Danke! Überhaupt für den Kommentar.

Hey randundband,

Leider finde ich in den letzten Monaten kaum Zeit für Wortkrieger, lese nur so'n bisschen mit, aber deine Geschichte hat mich dann doch so berührt, dass ich dir das sagen muss.

Das mit der Zeit kenne ich gut. Und ja, ist mir schon aufgefallen, dass es um dich rar geworden ist. Um Dich und einige andere. Aber freut mich doch, wenn da ab und an ein Lebenszeichen kommt. Und so ein schönes.

Ist ein Thema, darüber habe ich noch nie so richtig nachgedacht und wenn, dann so rein theoretisch, die Geschichte hier lässt mich das aber wirklich nachfühlen.

Wenn das funktioniert, dann bin ich irre stolz auf mich :). Hört sich jetzt Scheiße selbstverliebt an, ist aber so.

Ich frage mich, wie viel das ganze eigentlich mit der Sexualität zu tun hat und wie viel mit dem einfachen Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Ich meine, diese alten wollen doch eigentlich nur ein bisschen kuscheln, nur ein wenig berührt werden, das ist ja nicht unbedingt sexuell, oder? oder vllt so sex light, was anderes können die doch auch gar nicht, denke ich.

Oh, es gibt Männer die werden im hohen Alter noch Vater. Da geht bei manchen noch eine ganze Weile was. Und ob Kuscheln auch Sexualität ist, da gibt es sicher engere und weitere Definitionsumfänge. Ich nehme die am weitesten gefasste :).

Dieser Entzug, dass niemand mehr einen anfassen will, das ist so tragisch. Ich glaube, das ist doch bei Babys schon so. Wenn sie keine körperliche Nähe bekommen, sterben sie. Mir drängt sich das irgendwie auf, weil man im Alter auch so ein bisschen in eine Kinderrolle verfällt, auch so hilflos wird und auf die Pflege anderer angewiesen. Aber in diese Pflege gehört in einem Altenheim eben keine Streichelei.

Spannender Aspekt und traurig eben.

Und das ist wahrscheinlich einfach diese Männersache, diese alten Männerrollen, die sie noch spielen, die sie aber nicht mehr erfüllen können.

Ich habe das selbst gar nicht gesehen, aber wenn Du das jetzt so sagst ... damit kann ich gut leben.

Diese Erwartung, die aufgebaut wird und man fühlt so sehr mit dem Pagel und wie er sich überlegt, dass er von seinen Kindern nun Geld wünscht und das alles dann halb geheim, wirklich wie bei Kindern und dann zieht sich der Hohenegger auch was Schickes an, o Mann, also mich haben da einfach krass viele Stellen berührt. Und dann ist es eine Physiotherapeutin, wie bitter ist das. Und das Ende, das hat mich komplett fertig gemacht.

Ich freue mich über die Blumen und stelle sie auch gleich in die Vase. Danke.

Vielleicht noch ein Satz, den ich besonders toll fand, den zitiere ich.

Da waren es schon zwei.

Danke für deine knappe Zeit und den dafür doch sehr ausführlichen Kommentar.

Hey nastro,

Vorab kurz zum Stil: Ich mag, und glaube da gehöre ich einer großen Mehrheit an, keine geschriebenen Dialekte und finde, dass man das als guter Autor lassen sollte. Dass es ohne funktioniert, dafür gibt es, glaube ich, genug Beispiele.

Da gehe ich nicht mit. Ich mag Dialekte sehr gern lesen, wenn ich sie verstehe. Ich kann sie nicht leiden, wenn ich erst mal die Worte wie ein Leseanfänger zusammenpuzzlen muss, oder deren Sinn sich mir nicht erschließt, aber sonst sind sie für mich eine großartige Sache, genau wie Sprachfehler, eine Person zu charakterisieren und wie in diesem Fall, ich habe ja eine ziemliche Menge an Personal, die Figuren auch zu unterscheiden. Und ich will mal behaupten, "Der Hauptmann von Köpenick" wäre nur halb so gut ohne. Oder die Falladaromane. Tucholsky. Alles sicher eine Frage des wieviel und der Vorlieben. Aber grundsätzlich würde ich die Dialekte nicht aus der Literatur verbannen.

... und vermag deine Patienten förmlich zu riechen.

:)

Ganz extrem erinnert mich deine Geschichte an den Film: „Sleeping Beauty“ von Julia Leigh. ... In seiner Weiße-Haut und Null-Musik Optik ein verstörender Film.

Dich also auch. Habe bei jimmy schon was dazu geschrieben. Und verstörend in jedem Fall.

Aber zurück zur Geschichte: stark! Danke für das Leseerlebnis,

Danke! Auch für den Kommentar.

Dann freue ich mich jetzt noch ein bisschen vor dem schlafen gehen und verbleibe mit lieben Grüßen an Euch
Fliege

 

„was das Klischee der lüsternden, perversen Alten erfüllte…“
Ich fand das gut gemacht in „Sleeping Beauty“. Die drei Alten waren ja in Ihrer Art völlig verschieden – hochgebildet und rücksichtsvoll der Erste (und schließlich Letzte), lüstern und pervers tatsächlich der Zweite und beinahe lustig der Dritte, dieser ehemalige Bodybuilder, der das Mädchen wie eine Puppe in den Armen gehalten und sie als Hantel gestemmt hat.

„Da gehe ich nicht mit. Ich mag Dialekte sehr gern lesen…“
Ach jeder wie er es gerne mag. Mich persönlich strengt das beim Lesen eher an, ich finde es angenehmer, wenn die Person eben als typischer Hamburger Junge charakterisiert wird und der gedruckte Text dann hochdeutsch ist. Aber wie gesagt, da kann jeder sehen, wie er will.
Ich mag Dialekte eher in Hörbüchern/Hörspielen: Eben Tucholsky, da gibt es eine wundervolle Aufnahme von „Rheinsberg“ mit Kurt Böwe und Ulrike Krumbiegel. Ebenfalls hörenswert die bayrischen Radiotatorte mit Brigitte Hobmeier und Gisela Schneeberger als Sprecherinnen, sowie die vom WDR mit dem herrlich schlabbrigen Frankfurter Dialekt von Sönke Möhring.

 

Wunderbar Fliege. Hat mich berührt und voll überzeugt. Du hast mir auf eindrücklich unaufgeregte Art das Thema Leben und Sexualität im Altersheim, dort, wo es einem eigentlich an nichts mangeln sollte und einem doch so viel fehlt, näher gebracht. Danke für dieses zartbittere mit Gesellschaftsstück, das du mit dem richtigen Fingerspitzengefühl erzählst, so dass ich von Anfang an mit den drei Veteranen mitfiebern konnte, was sich aus dem Wunschdenken entwickelt. Wie Pagel die Visitenkarte entgegen nimmt, da kribbelt es doch in den Lenden, Erotik pur. ;)

Fein gesetzte Seitenhiebe, die betroffen machen, aber durchaus auch ein Schmunzeln zulassen, wie der hier:

„Irgendwann fault er ab, dein Schwanz, von der Hurerei“, hatte die Gretha geschimpft und wer weiß, vielleicht tut er es tatsächlich.

Dann dies berührende Rückblende von Pagel, wie er den Bus in die Stadt lenkt, die Strumpfhosen für seine Gretha besorgt, am Ende stand by your man, dass hat mir wirklich gut gefallen.

Wenn überhaupt, dann ist für mich der Schlusssatz das herausragendste, weil er nach diesem starken Stück mitunter das schwierigste Element bildet:

Katja hörte Pagel zu, summte leise mit und als der letzte Ton verklungen war, schenkte sie ihm ein Küsschen auf die Wange, so wie sie es manchmal tat, so wie sie es bei allen tat, wenn sie einen guten Tag hatte.
Da steck so viel Erzählkraft drin, mit diesem Nachhaken, nur ein kleiner Ausdruck der Wertschätzung, brav gewesen heute, mehr nicht, Pflgealltag für die einen, ein weiterer letzter Frühling für die anderen.

Roman hin oder her, für das Asyltrio Franz, Pagel, Hohenegger könnte ich mir schon so eine Serie vorstellen. Die kannste doch da nicht versauern lassen, mensch Fliege.

Kleinkram:

und krabbelte auf der Haut,
kribbelte?

auf die die Getha doch so scharf war.
Gretha

trug schwarze, flache Schuhen,
Schuhe

Liebe Grüsse
dot

 

Es drang ein Stöhnen des Ministers durch die dünnen Wände und sogleich verwarf Pagel die letzten Zweifel an der Aussage des Hohenegger. Taub und blind, aber stumm ist der nicht, dachte er bei sich. So standen die drei Alten und lauschten.
[…]
„Man erzählt hier viel. Die Leute haben wenig zu tun.“

Ja – alles schon gesagt, dass auch noch ich alter Sack dazukommen muss? Nee, müsst’ ich gar nicht, wenn ich nicht wollte,

Fliege,

und dran vorbeigehn geht auch nicht so recht. Also fang ich an mit dem/den Eingangszitat/en, die schön aufzeigen, dass das Gerücht weniger mit der Küche und dem Geruch(sinn) zu tun hat als mit dem Rufen. Im mhd. konnt’ man es noch deutlich erkennen im geruofte (buchstäbl „Gerufe“, wir würden aber heute „Geschrei“ dazu sagen) und im ahd. liumunt wurde gar der positve Leumund, der gute Ruf, mit seiner Negation, dem Gerücht verquickt. Da muss ja Katja zu Beginn einmal die Höflichkeitsform vergessen

„Nehmen Sie bitte ihre Tabletten …
Aber schöne Geschichte, die zugleich (s. o.) aufzeigt, was die Gerüchte-Küche erst so richtig in Gang setzen kann – was hier aber eher vorsichtig geschieht. Und das ist gut dargestellt (vllt. könnt der Berliner Dialekt n bissken mehr durchgezogen werden, muss ja nich wie’t Ruhrlatein bei mich fast imma daherkommn).

Die erste Fluse ist schon genannt, bissken Flüchtigkeit geht aber noch

Minister a.[…]D.,
pum[m]elig

Alles Flüchtigkeit, aber hier juckt’s mich zum Scherz einer Verwechselung von lesen und lassen
und das lies die letzten Hemmungen bei ihm fallen.

Okay, ich weiß, Du bist nicht für den Pagel verantwortlich, aber warum bricht hier der Konjunktiv zugunsten des Indikativs ab? Wäre der nicht besser beibzubehalten?
Aber wenn die das erst geschluckt hatten, dann bekäme er bestimmt ein wenig Geld zusammen. Die Frage war nur: Wie viel er brauchen wird? Und ob die Streichlerin auch zu ihm kommt, wo er doch nur ein oller Mechaniker und kein Minister war.

Und dann, wahrscheinlich wird man jetzt an Geschmacksverirrung glauben, hat aber so wenig mit der Küche zu tun wie’s Gerücht. Wunderschön dieser Satz mit dem gedoppelten „es“
Die Erinnerungen blitzten auf und tauchten wieder ab und er streichelte sich, aber es fühlte sich nicht wie Grethas Streicheln an und dann weinte er und fragte sich, ob die Streichlerin ihn auch besuchen würde, wenn er das Geld zusammen bekäme und dann schämte er sich sogleich für den Gedanken, und irgendwie war es ihm froh, als der Morgen anbrach,
wo beim ersten jedem klar ist, was „es“ bedeutet, nicht aber unbedingt das zwote
und dann schämte er sich sogleich für den Gedanken, und irgendwie war es ihm froh, als der Morgen anbrach,
wo es auch ohne „es“ ginge.
„Es“ ist hier Subjekt geworden, wie schon zu allem Anfang, wenn es heißt „Es werde …“ und „es ward …“, denn „es“ – in dem Fall das Gefühl, dem ja selbst Freuds Modellvorstellung entspricht – war früher da als alle Vernunft.

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch'n gutes Restjahr wünscht.

 

Hej Fliege,

ich fühle mich hin und hergerissen, was die Geschichte angeht. Zuerst einmal hab ich sofort hinein gefunden und das Thema find ich wirklich gut gewählt (und ich freu mich für Dich für die Empfehlung, schon allein deswegen). Auch sprachlich hat sie mir gefallen.

Auf der anderen Seite (das sage ich jetzt mal ohne spezielle Kenntnisse, ich hab da nichts recherchiert wie Du) leben meines Wissens deutlich mehr Frauen als Männer in Alten- und Pflegeheimen. Gerade letztens hat mir jemand erzählt, dass sein Opa in einem Heim lebt und da praktisch der Hahn im Korb ist. Das hab ich ganz unsortiert im Hinterkopf und es stellt die Männer in Deiner Geschichte für mich in ein anderes Licht. Worum geht es ihnen (oder dem einen von ihnen) genau? Es sind ja Frauen da. Geht es also um Frischfleisch?

Mir ist nicht ganz klar, worum es dem Pagel geht.
Wenn es ihm um bloße Berührung geht, könnte er ja einfach einen Termin vereinbaren und sich von dem Geld massieren lassen.
Wenn es ihm um Gefühle geht, dann wäre von vornherein klar, dass die nicht mit Geld zu erkaufen sind. Wenn es ihm um eine Projektionsfläche geht, würde sich die Streichlerin eignen, oder Katja.
Wenn es um Sex geht, dann wär das, was er will eine Prostitutierte.
Für mich passt alles ein wenig und nichts ganz.

Vielleicht nochmal anders:

Aber sie hatte neben ihm gelegen, bis zuletzt, hat sich an seinen Körper geschmiegt und ihm die Hand gehalten. Hat ihm die Wange gestreichelt, das Haar gestrubbelt und mit den Fingerspitzen so Sachen gemacht, bis es kribbelte und sich die Härchen aufstellten. Und warm war die Gretha und ihr Geruch beruhigte ihn.
Wenn ich das hier lese, dann frage ich mich, ob es nicht doch auch eine gute Variante gewesen wäre, den Pagel mit der Streichlerin zusammen kommen zu lassen.
Du schreibst:
dann hätte ich nicht dieses Unerfüllte drin und darum ging es mir ja.
... und das ist es, was die Geschichte in meinen Augen auszeichnet.

Aber dieses Unerfüllte beruht auf einem Missverständnis. Dass das den Pagel entmutigt, finde ich nachvollziehbar, aber wenn das Unerfüllte in der Natur der Sache läge, wenn er neben der Streichlerin oder irgendwem liegen und feststellen würde, dass er nicht dahin gelangt, wo er eigentlich sein möchte, dann würde die Ausweglosigkeit seiner Situation für mich an Schärfe gewinnen.

Das nutzt dir wahrscheinlich nicht viel, als Hinweis. Ich will damit auch nicht vorschlagen, die Geschichte umzuschreiben. Das Unerfüllte ist drin. Ich hab nur versucht zu erklären, an welchen Punkten für mich Fragen entstehen, die ich spannend finde.

Sehr gern gelesen.

Gruß,
Ane

 

Hey nastro,

Ich fand das gut gemacht in „Sleeping Beauty“. Die drei Alten waren ja in Ihrer Art völlig verschieden – hochgebildet und rücksichtsvoll der Erste (und schließlich Letzte), lüstern und pervers tatsächlich der Zweite und beinahe lustig der Dritte, dieser ehemalige Bodybuilder, der das Mädchen wie eine Puppe in den Armen gehalten und sie als Hantel gestemmt hat.

Okay, ich stimme dir zu. Mir ist vor allem der Zweite in Erinnerung geblieben. selektive Wahrnehmung ...

Ach jeder wie er es gerne mag. Mich persönlich strengt das beim Lesen eher an, ...

Natürlich.

Ich mag Dialekte eher in Hörbüchern/Hörspielen: Eben Tucholsky, da gibt es eine wundervolle Aufnahme von „Rheinsberg“ mit Kurt Böwe und Ulrike Krumbiegel. Ebenfalls hörenswert die bayrischen Radiotatorte mit Brigitte Hobmeier und Gisela Schneeberger als Sprecherinnen, sowie die vom WDR mit dem herrlich schlabbrigen Frankfurter Dialekt von Sönke Möhring.

Unbedingt. Ach der alte Böwe ... ich mochte ihn sehr.

Habe übrigens Ausschau nach neueren Geschichten von Dir gehalten und musste feststellen, da war gar nix in den letzten Monaten, um nicht Jahr zu sagen. Ich hoffe schwer, das bleibt nicht so ;).


Hey dot,

Lieben Dank für den Kommentar und all dem Lob darin. Irgendwie ist es schön, wenn einem gelungen zu sein scheint, was am Herzen lag. Ich freue mich wirklich über jeden einzelnen Satz.

Fein gesetzte Seitenhiebe, die betroffen machen, aber durchaus auch ein Schmunzeln zulassen, ...

Das muss auch sein. Ich wollte keine Heulgeschichte schreiben. Deswegen hab ich mich auch ein bisschen in den Hohenegger verschossen, weil der so undramatisch daherkommt. Mein Ritter in edler Rüstung. Und die Strumpfhosen mag ich auch.

wie der hier:

Dann dies berührende Rückblende von Pagel, wie er den Bus in die Stadt lenkt, die Strumpfhosen für seine Gretha besorgt, am Ende stand by your man, dass hat mir wirklich gut gefallen.

Wenn überhaupt, dann ist für mich der Schlusssatz das herausragendste, weil er nach diesem starken Stück mitunter das schwierigste Element bildet:

Es kam noch einer danach, der musste aber wieder weg. Und so ist der vorletzte Satz zum letzten geworden. Da hab ich nicht lang drüber nachgedacht, weil es ja nicht der letzte war :).

Roman hin oder her, für das Asyltrio Franz, Pagel, Hohenegger könnte ich mir schon so eine Serie vorstellen. Die kannste doch da nicht versauern lassen, mensch Fliege.

Ach, die drei machen da jetzt total die Party, bestimmt. Ich vertrau denen.

Kleinkram:

Danke dafür. ist ausgebessert.


Lieber Friedrichard,

Ja – alles schon gesagt, dass auch noch ich alter Sack dazukommen muss? Nee, müsst’ ich gar nicht, wenn ich nicht wollte,

Komm Du mal ruhig und erzähle mir was über die deutsche Sprache. Dümmer werde ich davon nicht. Und das mein ich jetzt ganz im Ernst. Weil:

dass das Gerücht weniger mit der Küche und dem Geruch(sinn) zu tun hat als mit dem Rufen. Im mhd. konnt’ man es noch deutlich erkennen im geruofte (buchstäbl „Gerufe“, wir würden aber heute „Geschrei“ dazu sagen) und im ahd. liumunt wurde gar der positve Leumund, der gute Ruf, mit seiner Negation, dem Gerücht verquickt.

das hab ich nämlich nicht gewusst. Allerdings hab ich auch nie geglaubt, dass das Wort "Gerücht" dem "Gericht" (also Essen) entsprungen sein sollte. Obwohl, in den küchen wurde damals bestimmt auch viel getratscht ...

(vllt. könnt der Berliner Dialekt n bissken mehr durchgezogen werden, muss ja nich wie’t Ruhrlatein bei mich fast imma daherkommn).

Ich hab z.B. auf alle icke verzichtet und mich auch an anderen Stellen zurückgenommen. Mit dem Dialekt finde ich immer so eine Sache, da bin ich vorsichtig mit und mach dann so halbe Sachen. Aber ich finde das okay, weil Dialektlesen durchaus auch eine Herausforderung darstellt und ich will doch, dass mich am Ende auch alle verstehen.

Die erste Fluse ist schon genannt, bissken Flüchtigkeit geht aber noch

wofür ich Dir sehr dankbar bin und ich werde mich dranmachen. Nicht mehr heut Nacht, aber ganz bald.

Wunderschön dieser Satz mit dem gedoppelten „es“wo beim ersten jedem klar ist, was „es“ bedeutet, nicht aber unbedingt das zwote

Da muss ich noch mit mir hadern, klar geht es grammatikalisch ganz ohne dem Zweiten, aber es klingt rhythmisch so schön und wer denkt schon grammatikalisch korrekt. Das Pagel das nicht tut, das weiß ich, ich hab den erfunden :).

Gern gelesen

Das freut.

der noch'n gutes Restjahr wünscht.

Ich Dir auch.


Hallo Ane,

schön, dass Du Deine Bedenken dagelassen hast.

Auf der anderen Seite (das sage ich jetzt mal ohne spezielle Kenntnisse, ich hab da nichts recherchiert wie Du) leben meines Wissens deutlich mehr Frauen als Männer in Alten- und Pflegeheimen. Worum geht es ihnen (oder dem einen von ihnen) genau? Es sind ja Frauen da. Geht es also um Frischfleisch?

Es geht um Kuscheln, um Wärme, um Zärtlichkeiten. Ich glaube nicht, dass die Frauen in den Altersheimen jetzt die Männer dort bezirrzen und noch mal den zweiten, dritten, achten Frühling mit ihnen erleben wollen. Wäre dem so, würde es sicher nicht so ein Thema sein. Dann wäre die Welt ja in Ordnung. Abgesehen davon das mein Prot. männlichen ist, es hätte genauso gut eine Frau sein können. Die haben das Problem ja auch, wobei die prozentual gesehen eher weniger eine Streichlerin wollten. Bezahlen ja weniger Frauen für Sex als Männer.
Alte Leute die noch daheim wohnen, haben ja oft eine Katze, einen Hund, einen Wellensittich was weiß ich, und die sind eben wichtig für sie, da können sie ihre Gesicht ins Fell drücken und Wärme spüren, die Katze/der Hund schmiegt sich an, reagiert auf den Körperkontakt. In wenigen Heimen ist die Tierhaltung erlaubt, andere haben eine Katze für alle Bewohner, in den meisten ist es verboten. Aber in denen mit Tieren, geht es den Leuten besser. Das Bedürfnis nach "Kuscheln" ist ja nicht weg, nur weil es keinen gibt, der noch mit einem kuscheln will.

Wenn es ihm um bloße Berührung geht, könnte er ja einfach einen Termin vereinbaren und sich von dem Geld massieren lassen.

Medizinisch. Das ist nicht das gleiche wie gestreichelt werden, umarmt werden, kleine Zärtlichkeiten austauschen, die Nähe des anderen spüren.

Wenn es ihm um eine Projektionsfläche geht, würde sich die Streichlerin eignen, oder Katja.

Ja, eine Streichlerin, nein Katja. Aber Projektionsfläche, weiß nicht, ob wir das gleiche jetzt meinen. Projektionsfläche für Gefühle/echten Emotionen sicher nicht. Ja zur Erfüllung körperlicher Bedürfnisse. In den Pflegeheimen wird das Pflegepersonal ja hin und wieder dazu und das ist dann nicht unbedingt spaßig für die.

Wenn es um Sex geht, dann wär das, was er will eine Prostitutierte.

Ja. Aber um den Geschlechtsakt als solchen geht es ihm nicht. Meinem Pagel jetzt. Anderen schon.

Aber dieses Unerfüllte beruht auf einem Missverständnis. Dass das den Pagel entmutigt, finde ich nachvollziehbar, aber wenn das Unerfüllte in der Natur der Sache läge, wenn er neben der Streichlerin oder irgendwem liegen und feststellen würde, dass er nicht dahin gelangt, wo er eigentlich sein möchte, dann würde die Ausweglosigkeit seiner Situation für mich an Schärfe gewinnen.

Ich verstehe worauf Du hinaus willst, glaube ich jedenfalls. Aber er würde von der Streichlerin genau das bekommen, wonach er sich sehnt. Ihm ist klar, dass da keine Liebe, keine Emotionen im Spiel sind, ihm ist durchaus bewusst, dass es nicht das gleiche wie bei Gretha ist, aber körperliche Zuwendung fühlt sich gut an. Wenn jemand deinen Körper noch berührt, nicht weil er ihn pflegt oder untersucht, sich nicht von ihm abgestoßen fühlt, einfach nur streicheln, umarmen, festhalten - das ist doch wichtig. Egal, ob von einem Familienanghörigen oder der Katze die auf dem Schoß schläft, von einer Frau die man dafür bezahlt, einfach nur Nähe, jemandes Zuwendung. Und man selbst will ja auch noch geben, man kann ja auch noch umarmen und streicheln ... man ist so voll davon und keiner will es haben (bis auf die Haustiere).

Ich hab nur versucht zu erklären, an welchen Punkten für mich Fragen entstehen, die ich spannend finde.

Ich bin mir vielleicht doch nicht sicher, ob ich dich verstanden hab, oder du mich jetzt.

Sehr gern gelesen.

Das beruhigt mich jetzt doch.

Euch allen vielen, lieben Dank und Grüße
Fliege

 

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