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Die Streichlerin

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24.01.2009
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Die Streichlerin

Der alte Pagel saß am Fenster und schaute hinaus in den Frühling. Komm lieber Mai und mache, summte er, so gut es seine Stimme noch zuließ. Und ein bisschen hörte es sich an, als würde die Amsel mit ihm singen.
„Haben Sie das gehört? Die Amsel?“
Katja lächelte müde. „Ja. Habe ich. Und würden Sie jetzt bitte Ihre Tabletten nehmen.“
Aber Pagel war gar nicht bei der Sache. Und lass mir an dem Bache die kleinen Veilchen blühn!, sang er.
Katja fasste nach dem Rollstuhl und drehte Pagel ins Zimmer. „Nehmen Sie bitte ihre Tabletten. Danach können Sie von mir aus bis zum Mittag mit den Vögeln singen.“
Pagel griff nach den Rädern. Er wollte dieses Zimmer nicht sehen, nein, gewiss nicht, es war nicht so schön wie die Blütenpracht des Flieders. Aber Katja war schneller, sie blockierte die Räder und klapperte hässlich mit dem Tablettenbecher. Wütend schaute Pagel sie an.
„Sie hätten das schon lange hinter sich haben können“, sagte sie.
„Ich will duschen. Ich stinke.“
„Sie stinken nicht. Und geduscht haben Sie erst vor zwei Stunden.“
„Habe ich nicht!“
„Oh doch. Und das wissen Sie ganz genau.“
„Aber ich stinke.“
Katja seufzte, atmete tief durch und beugte sich dicht an Pagels Ohr. „Dann schicke ich Ihnen gleich den Jirka.“
„Nein!“, schrie Pagel auf. „Nicht der. Der ist“, Pagel überlegte, „brutal!“
„Ist er nicht.“
„Ist er doch!“
Katja schüttelte noch einmal mit dem Pillenbecher. Pagel riss ihn ihr aus der Hand, schluckte die Tabletten, trank einen Schluck Wasser nach und gerade als Katja nach dem leeren Becher griff, ließ Pagel ihn fallen. „Ups.“
Katja seufzte. „Das war doch Absicht.“
„Nein. Er ist mir aus den Händen geglitten.“
„Ach, Herr Pagel.“ Sie löste die Bremsen vom Rollstuhl und schob ihn zurück ans Fenster.
Wie möchte ich doch so gerne, ein Veilchen wieder sehn, sang Pagel als Katja aus dem Zimmer ging. Und nachdem sie fort war, flüsterte er: Ach, lieber Mai, wie gerne einmal spazieren gehn!

„Achtzehn“, sagte der Hohenegger.
„Hab ich“, sagte der Franz.
Pagel ließ seine Karten sinken. Aus jedem Dorf ein Weibe, das taugte beim Skat nichts. Für diese Runde war er raus.
„Zwanzig“, sagte der Hohenegger.
„Grand Hand“, sagte der Franz. „Kommste drüber?“
Der Hohenegger schnaubte, schob Franz den Skat zu, beugte sich vor und flüsterte: „Habt ihr schon von der Neuen jehört? Die, die jetzt im Zimmer von der Fusselheidi wohnt?“
„Was ist mit der?“, fragte der Franz.
„Die haben se ruhig jestellt.“
„Ach so“, murmelte der Franz, denn das war keine von den Geschichten, die er so gern vom Hohenegger hörte.
„Naja.“ Der Hohenegger rutschte mit seinem Stuhl näher an den Tisch. „Aber die Frage is doch: Warum?“
Der Franz hatte gerade den Pikbuben ausgespielt, da ließ er die Karten wieder sinken. „Und warum?“
„Die Unterwäsche sollen se ihr wechjenommen haben. Die Feine, aus Seide mit Spitze. Baumwollbüchsen haben se ihr dafür jejeben, wegen de Wäscherei und Hygiene und so. Und da soll die ausjetickt sein. Völlig explodiert. Jekeift, Jeschrien, jeschlagen nach allet, wat ihr vors Jesichte kam.“
„Wegen der Unterwäsche?“, fragte Pagel.
„So sagen se.“
„So ist der Teufel: Erst gibt er dir, dann nimmt er dir“, sagte der Franz. „Aber in Ordnung finde ich das nicht.“
„Und der Müller aus Zimmer 104“, erzählte der Hohenegger weiter, „der soll heut Nacht wieder nackt ins Schwesternzimmer rin und hat an seinem Schniedel jespielt.“
„So ist der Teufel“, sagte Franz, „den Verstand nimmt der dir, den Trieb lässt er dir. Hätte der Müller noch ein bisschen Grips, dann hätte er auch Moral und Anstand. Der Grips“, Franz tippte sich an die Schläfe, „macht, dass du anständig bleibst. Hat der Müller vor der Demenz ja nicht gemacht, so einen Schweinkram.“
Pagel schüttelte den Kopf. „Was geht mich der Müller an? Und die Unterwäsche von der Neuen? Lass den Franz jetzt seinen Grand spielen.“
„Pass uff“, sagte der Hohenegger. „Ene hab ich noch. Die jefällt och dir.“ Er lehnte sich weit über den Tisch und senkte die Stimme, so dass Pagel sich Mühe geben musste, ihn überhaupt zu verstehen.
„Der Exminister, blind und taub wie een Stücke Holz, aber der bekommt Besuch von ene Streichlerin.“
„Von einer was?“, fragte der Franz und guckte den Hohenegger an, als wäre der nicht ganz bei Trost.
„Nich' so laut!“, mahnte der. Und dann wieder so leise, das Pagel ihn kaum verstand. „So sagen se, Streichlerin. Offiziell is se wohl ene entfernte Verwandte, Großnichte oder so, aber in Wirklichkeit lässt die sich bezahlen. Erst is wohl so bisschen Massage und am Ende liegen die nackt beieinander im Bette. Nur rin in se, det darf er nich.“
„Nicht wahr!“, sagte Pagel und schaute den Franz an, der den Hohenegger anstarrte.
„Wenn ich es euch doch sag.“
Pagel klopfte dem Franz auf die Schulter. „Da hat es deinem Teufel wohl die Sprache verschlagen.“
Franz stand auf und warf seine Karten auf den Tisch. „Haste Geld, haste alles. Und mir hat der Teufel keins gegeben.“

Abends im Bett dachte Pagel nach. Ob das mit der Streichlerin nicht doch vom Hohenegger geflunkert war. Aber verstehen könne er ihn schon, den Minister a. D., auch wenn er ihn aus Prinzip schon nicht leiden mochte, weil der doch ein Einzelzimmer und einen Schlüssel für seine Zimmertür hatte. Bezahlen tat das alles die Tochter. Aber ob die auch …? Das konnte Pagel sich nun wirklich nicht vorstellen. Die war ja so eine Vornehme und stellte bei jedem Besuch einen Korb mit Obst und einen Blumenstrauß für die Allgemeinheit in den Aufenthaltsraum. Nein, von der Tochter bekam der Minister sicher kein Geld für eine Streichlerin. Und vom Heim schon mal gar nicht! Wenn die das oben erst spitz kriegten, dann bekäme der Minister keinen Damenbesuch mehr, dafür würden die schon sorgen. Dem Hohenegger hatten sie nicht einmal die Zeitschriften geduldet. Und das ist letztlich nur Papier, nicht Fleisch und Blut. Aber der Hohenegger war ja ein Fuchs. Seine Zeitungen, die hatte er nicht mehr im Zimmer, auch nicht im Haus, die putzten und schnüffelten ja in jeder Ecke. Der schnitt die Bilder jetzt aus, packte sie in eine Plastebüchse und die hatte er im Garten versteckt, hinten beim Zaun, unter einer Tanne.
Aber so eine Frau im Bett, das war schon was anderes als so Papierbildchen. Die war warm und weich, da schmiegte es sich an und kribbelte auf der Haut, wenn sie sacht die Finger führte. So wie bei der Gretha. Die war schon eine Gute, obwohl sie ihn oft geschimpft hatte, wenn er an den Wochenenden den Bus für die Ausflüge fuhr, während sie mit den drei Kindern zu Hause saß. Aber es brachte zusätzliches Geld und in den großen Städten, da gab es die Strumpfhosen, auf die die Gretha doch so scharf war. Und eine Freude war es ihm nun auch nicht immer. Wenn er zum Beispiel mit der Armee in die Stadt fahren musste, zum Theaterausflug. Als wollten die jungen Kerle dahin. Da kamen sie schon mal raus aus ihrer Kaserne und durften nach Berlin, und dann: Alle rin zum ollen Brecht oder Gorki oder Goethe. Nicht mal Ballett gab es da. Im Friedrichstadtpalast, da hätten die Jungs sich sicher mehr für die Kultur interessiert, da gab es Ballett mit nackten Beinen und Musik. Naja, ihm konnte es am Ende egal sein. Er lenkte den Bus und musste nicht in die Kultur. Er konnte währenddessen zum Alexanderplatz gehen und der Gretha ihre Strumpfhosen kaufen. Am liebsten waren ihm die Ausflüge mit den Frauen von der LPG, die, mit den Kuhstallfrauen. Und die durften ja nach der Kultur auch in der Stadt übernachten, in einem Hotel, die musste er erst am nächsten Morgen zurückjuggeln. Aber die wollten doch auch zum Alex und einkaufen, wo sie nun schon mal in der Hauptstadt waren. Gab ja zu Hause nichts. Und da haben sie ihn immer so geliebäugelt und ins Ohr gezwitschert, und er war ja nun auch nur ein Mann. Und das hat die Gretha wütend gemacht. Sie mit den drei Mädchen allein zu Hause und er jedes Wochenende auf Vergnügungsfahrt. Strumpfhosen hin, Strumpfhosen her. Zum Herrn Direktor von ganz oben im Haus wollte sie immer. „Der macht mir schöne Augen“, hatte die Gretha ihm unter die Nase gerieben. Hatte der auch, aber nur der Gretha, die Kinder wollte der nicht. War schon eine harte Zeit. Aber sie sind zusammengeblieben, obwohl die Gretha ihm an die Kehle gesprungen war und seine Sachen aus dem Fenster geworfen hatte. Am Ende hat sie ihn immer wieder rein gelassen in die Wohnung und auch ins Bett. Und jetzt hätte er sie gern bei sich. Aber Gretha war schon weg, während er Stück für Stück aus dem Leben faulte. Diabetes. Erst einen Fuß, später das Bein und dann das zweite. „Irgendwann fault er ab, dein Schwanz, von der Hurerei“, hatte die Gretha geschimpft und wer weiß, vielleicht tut er es tatsächlich. Aber sie hatte neben ihm gelegen, bis zuletzt, hat sich an seinen Körper geschmiegt und ihm die Hand gehalten. Hat ihm die Wange gestreichelt, das Haar gestrubbelt und mit den Fingerspitzen so Sachen gemacht, bis es kribbelte und sich die Härchen aufstellten. Und warm war die Gretha und ihr Geruch beruhigte ihn.
Pagel schlief kaum in dieser Nacht. Die Erinnerungen blitzten auf und tauchten wieder ab und er streichelte sich, aber es fühlte sich nicht wie Grethas Streicheln an und dann weinte er und fragte sich, ob die Streichlerin ihn auch besuchen würde, wenn er das Geld zusammen bekäme und dann schämte er sich sogleich für den Gedanken, und irgendwie war es ihm froh, als der Morgen anbrach.

Jeden Mittwoch halb vier, hatte der Hohenegger gesagt. Pagel schaute auf die Uhr. In zehn Minuten. Ungeduldig rollte er den Flur auf und ab. Seit zwanzig Minuten. Der Jirka hatte ihn schon gefragt, ob es ihm denn gut gehe und warum er hier so auf dem Flur rumstehe, wo doch das Wetter so schön sei und er solle doch den Park genießen.
Jetzt kommt auch der Hohenegger. Was will der denn hier?
„Pagel, wat treibst du dich bei dem Wetter im Haus herum?“, fragte der Hohenegger.
„Treibst dich ja selbst im Haus rum.“
„Wartest uff de Streichlerin vom Minister, wa?“
„Ich habe nur mal nachgesehen, ob der Franz hier ist.“
„So so. Der Franz“, sagte Hohenegger und verkniff sich ein Lachen. „Na, dann haste den ja nu jefunden. Da kommt er.“
Pagel drehte den Rollstuhl in die Richtung, in die der Hohenegger schaute. Und ausgerechnet jetzt kam tatsächlich der Franz.
Dass ich daran nicht gedacht hab, ärgerte sich Pagel, dass die beiden wohl auch die Neugier hertreibt. Dabei hatte er sich alles so schön zurechtgelegt. In drei Wochen hat er Geburtstag und da käme sicher auch ein wenig Geld von den Kindern. Sagen musste er es ihnen natürlich. Dass er sich Geld wünscht und keine Präsentkörbe, Strickjacken oder Duftkram. Aber wenn die das erst geschluckt hatten, dann bekäme er bestimmt ein wenig Geld zusammen. Die Frage war nur: Wie viel er brauchen wird? Und ob die Streichlerin auch zu ihm kommt, wo er doch nur ein oller Mechaniker und kein Minister war.
Die Drei schauten einander an. Keiner zuckte, keiner setzte zum Gehen an, keiner sagte ein Wort. Dafür kam der Jirka: „Sie führen doch was im Schilde.“
„Nein! Nix führen wir im Schilde.“
„Wir unterhalten uns nur ein wenig.“
„Alles ganz harmlos.“
Der Jirka lachte, sagte: „Ich habe ein Auge auf euch“, und verschwand kurz in das Zimmer vom Minister.
„Der streichelt den Minister nicht. So viel steht mal fest“, sagte der Franz.
„Vielleicht hat uns der Hohenegger ja doch nur einen Bären aufgebunden“, gab Pagel zu bedenken. „Und wir sind so blöde und fallen drauf rein.“
Da kam der Jirka wieder heraus, deutete mit Zeige- und Mittelfinger auf seine Augen, während er den Dreien einen strengen Blick zuwarf, aber dann ging er und Pagel war es nur recht so.
„Vielleicht is die dit schon“, nuschelte der Hohenhegger und deutete mit dem Kopf in die Richtung, in die der Jirka verschwunden war.
Drei Augenpaare hofierten nun die Frau, die schnurstracks auf das Zimmer vom Minister zuschritt. Sie war klein, etwas pummelig, um die fünfzig, mit Kurzhaarschnitt, trug schwarze, flache Schuhe, Jeans und einen blauen Sommermantel. Sie klopfte, obwohl der Minister es ja nicht hören konnte, wartete ein paar Sekunden und trat dann ein.
„Es gibt sie also wirklich“, sagte der Pagel.
„Hab ich doch jesacht. Und ihr wolltet mir det nich glauben.“
„Ich habe mir die ganz anders vorgestellt“, sagte der Franz.
„Bisschen mehr wie Nutte, wa?“, sagte der Hohenegger. „Aber nee, so ene Streichlerin, det is kene von der Sorte. Dit is seriös. Deshalb darf der Minister ja och nich rin in ihr.“
Und wenn es nun doch nur die Großnichte ist, überlegte Pagel. Da machte man sich ja vollkommen lächerlich, wenn man sie fragte, wie teuer so ein Besuch sei. Es drang ein Stöhnen des Ministers durch die dünnen Wände und sogleich verwarf Pagel die letzten Zweifel an der Aussage des Hohenegger. Taub und blind, aber stumm ist der nicht, dachte er bei sich. So standen die drei Alten und lauschten bis der Jirka ein weiteres Mal über den Flur hetzte und sie nun doch in den Garten schickte.

Nur zehn Meter entfernt von des Hoheneggers Bilderbox standen sie am Tor und behielten den Hauseingang im Blick, denn hinaus musste sie ja wieder, die Streichlerin. Pagel blies auf seiner Mundharmonika das Lied vom Mai und die beiden anderen hörten zu oder summten mit. Der Hohenegger war vorher noch rasch aufs Zimmer geeilt und hatte sich umgezogen. Nun trug er ein Hemd und ein Sakko, welches ihm die Kinder zu Weihnachten geschenkt und er bis zum heutigen Tag nicht angerührt hatte, weil man so was hier nicht trug. Keiner lief so rum, da fiel man nur auf. Und das tat der Hohenegger auch, befand Pagel, dem das nicht passte. Sogar die Katja hatte einen Pfiff ausgestoßen und den Hohenegger gefragt, ob es einen Grund gäbe, dass er sich so schick gemacht hatte. Da war mal gut, dass der Hohenegger so ein Fuchs war. Für sie hätte er sich so fein gemacht, weil er sie doch fragen wollte, ob sie nicht mal mit ihm ausginge. Da hatte die Katja gelacht, aber nicht weiter nachgebohrt, sondern nur gesagt, sie sei ja leider schon vergeben.
Jetzt kam die Besucherin vom Minister aus dem Haus und lief direkt auf das Tor zu. Pagel steckte die Mundharmonika ein, der Franz trat von einem Bein auf das andere und der Hohenegger zog das Sakko straff. Er sollte die Frau ansprechen, das hatten sie so abgemacht.
Sie war schon an ihnen vorbei, als der Franz dem Hohenegger in die Rippen stieß, denn der stand nur da und bewegte sich nicht, und als sie schon fast an der Straße war, da rollte Pagel los und rief ihr hinterher: „Hallo! Darf ich Sie etwas fragen?“
Die Frau blieb stehen und wartete bis Pagel dicht bei ihr war. „Sicher“, sagte sie und das ermutigte Pagel ungemein. Er atmete tief durch, räusperte sich, rieb sich die Nase und fragte schließlich: „Sind Sie die Großnichte vom Minister?“
Die Frau lachte. „Nein. Wer erzählt denn so was?“
Pagel atmete innerlich auf. „Man erzählt hier viel. Die Leute haben wenig zu tun.“
„War es das, was sie mich fragen wollten?“
Pagel schaute sich zum Tor um. Warum kamen die beiden ihm denn nicht zur Hilfe? Der Franz nickte ganz aufgeregt und der Hohenegger zeigte ihm einen Daumen hoch.
„Nein. Nicht ganz“, gab Pagel zu. „Man erzählt sich auch, Sie würden Geld dafür bekommen, dass Sie den Minister besuchen.“
„Ja“, sagte die Frau, nun doch etwas irritiert.
„Naja“, Pagel spürte, wie ihm der Schweiß lief, „und die Leute erzählen, Sie würden den Minister massieren.“
„Das stimmt.“
Es klang ganz selbstverständlich, ihr „stimmt“, und auch sonst war nichts im Gesicht der Frau zu erkennen, dass ihr die Situation unangenehm war oder das Thema oder irgendwas. Sie sah Pagel offen und freundlich an und das ließ die letzten Hemmungen bei ihm fallen.
„Würden Sie mich auch einmal besuchen kommen? Ich bezahle auch. Wie der Herr Minister.“
„Wenn Sie das wollen“, sagte die Frau und öffnete ihre Handtasche. „Ich geben Ihnen meine Karte. Rufen Sie einfach an und vereinbaren Sie einen Termin.“
Pagel nickte eifrig.
„War das Ihre Frage?“
Wieder nickte Pagel und griff nach der Visitenkarte, die sie ihm hinhielt. „Vielen Dank.“
„Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.“ Die Frau reichte ihm die Hand. Pagel war so gerührt, so erleichtert, so beflügelt, dass er sie endlos schüttelte. Er blieb noch auf dem Gehweg stehen, bis sie mit ihrem Auto fortfuhr, dann schaute er auf die Karte. „Praxis für Physiotherapie“ stand ganz oben und sogleich löste sich das leichte, schöne, herrliche Gefühl in ihm auf. Alles weiß der Hohenegger eben doch nicht, fluchte Pagel still. Stumm reichte er die Karte an Franz weiter, der jetzt neben ihm stand und auch an den Hohenegger, der ebenfalls gekommen war, und schweigend gingen die Männer zurück ins Heim und jeder für sich aufs Zimmer.

Der alte Pagel saß am Fenster und schaute hinaus in den Frühling. Seine Mundharmonika lag vor ihm auf dem Tisch. Ihm war nicht nach singen oder spielen, ihm war auch nicht nach Frühling. Katja stand hinter ihm, sie hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt und gemeinsam schauten sie in den Garten.
„Mensch Pagel, was ist nur mit Ihnen los? Seit Tagen machen Sie ein Gesicht, als hätte man Sie in ein Sauerkrautfass gesperrt.“
„Geben Sie mir schon die Tabletten“, sagte Pagel.
Katja hielt ihm die Pillen und den Becher Wasser hin. Pagel nahm sie, schluckte, trank Wasser nach und stellte den Becher auf den Tisch.
„Und Skat spielen Sie auch nicht. Immer nur auf dem Zimmer. Sie können doch noch.“
Pagel drehte den Kopf, sah Katja an, griff nach ihrer Hand auf seiner Schulter und drückte sie sacht, bevor er zu seiner Mundharmonika griff und das Lied Am Brunnen vor dem Tore zu spielen begann. Katja hörte Pagel zu, summte leise mit und als der letzte Ton verklungen war, schenkte sie ihm ein Küsschen auf die Wange, so wie sie es manchmal tat, so wie sie es bei allen tat, wenn sie einen guten Tag hatte.

 

Hey nastro,Habe übrigens Ausschau nach neueren Geschichten von Dir gehalten und musste feststellen, da war gar nix in den letzten Monaten, um nicht Jahr zu sagen. Ich hoffe schwer, das bleibt nicht so ;).

Danke für Deine Ausschau;). Passt jetzt nicht zum Thema, aber: Stimmt, ich habe hier seit langem keine KG veröffentlicht. Dafür habe ich nach fünf Jahren endlich meinen ersten Roman fertig;
544 Seiten liegen der Agentur vor, schaun mer mal ... Sollte kein Verlag anbeißen, wäre eine Veröffentlichung bei den Wortkriegern eine Option.
Am Zweitling schreibe ich gerade, das Testkapitel sieht gut aus, aber ich werde diesmal die Arbeit erst dann fortsetzen, wenn beiden Testlesern (veröffentlichte Autoren) das Exposé gefällt.
KGs hier machen nur Sinn, wenn die Qualität stimmt – Referenz „Die Streichlerin“ , klare Empfehlung auch von mir ;). Und momentan ist für eine gute Geschichte der Kopf nicht frei.

 

Hi Fliege,

ich schreibe beim Lesen mal mit ohne Vorkommentare gelesen zu haben:

„Achtzehn“, sagte der Hohenegger.
„Hab ich“, sagte der Franz.
Ich finde den Einstieg in die Szene irgendwie wunderbar. Da wird noch nicht mal gesagt, dass Karten gespielt wird, aber man hat es direkt vor Augen

„So ist der Teufel“, sagte Franz, „den Verstand nimmt der dir, den Trieb lässt er dir.
nice!

Offiziell is se wohl ene entfernte Verwandte, Großnichte oder so, aber in Wirklichkeit lässt die sich bezahlen. Erst is wohl so bisschen Massage und am Ende liegen die nackt beieinander im Bette. Nur rin in se, det darf er nich.“
„Nicht wahr!“, sagte Pagel und schaute den Franz an, der den Hohenegger anstarrte.
„Wenn ich es euch doch sag.“
ich finde das Thema deiner Geschichte wunderbar - Sexualität im (hohen) Alter. Das ist ja so eine Art Tabu, jedenfalls wird nicht viel darüber gesprochen; da kamen in den letzten Jahren ein paar Filme zu auf, Wolke 9 fällt mir spontan ein, aber es gab auch noch einen anderen ... müsste man mal googlen. Jedenfalls gute Themenwahl

Aber der Hohenegger war ja ein Fuchs. Seine Zeitungen, die hatte er nicht mehr im Zimmer, auch nicht im Haus, die putzten und schnüffelten ja in jeder Ecke. Der schnitt die Bilder jetzt aus, packte sie in eine Plastebüchse und die hatte er im Garten versteckt, hinten beim Zaun, unter einer Tanne.
sehr originell, die Idee. Zu dieser ganzen Sache, dass Pfleger im Altenheim das unterbinden wollen mit der Sexualität; also ich habe mal eine Zeit lang in einem Altenheim gearbeitet und hab da auch so meine Erfahrungen gemacht. Irgendwann sagte mal eine von den Pflegerinnen hinter vorgehaltener Hand zu mir, dass man bei dem und dem Ehepaar lang und laut klopfen soll, weil die ... naja. Also es wurde von den Pflegern schon toleriert, solange sich da niemand pervers jemand anderen ggü. verhalten hat, weil er verwirrt, verkalkt war oder so. Wenn die Männer noch zurechnungsfähig im Kopf waren, dann wären wohl auch Erotikmagazine o.ä. geduldet worden, schätze ich mal. Aber jedes Heim ist anders, ich nehme dir das hier in der Geschichte trotzdem ab, dass andere Pfleger auch anders handeln im Bezug auf darauf.

Taub und blind, aber stumm ist der nicht, dachte er bei sich. So standen die drei Alten und lauschten bis der Jirka ein weiteres Mal über den Flur hetzte und sie nun doch in den Garten schickte.
Ja, das ist schon echt eine gute Geschichte bis jetzt. Allein diese zwischenmenschliche Dynamik zwischen den drei, wie und v.a. über was sie reden, das wirkt sehr authentisch, das gibt einen richtig so ein Altenheimflair, finde ich. Ihre Gedanken hast du gut aufgefangen: die kreisen nicht mehr über die großen Dinge, sondern ihr Alltag besteht aus Pflegern, die man nicht mag oder mag, wo kriege ich Geld her? usw. Bei mir im Altenheim gab es z.B. Kettenraucher, fällt mir gerade so ein. Die durften aber auf Anweisung des Arztes bloß ein paar Kippen am Tag rauchen, und deswegen sind sie die ganze Zeit um Pfleger herumgeschlichen, und haben versucht rauszufinden, wer ihnen Kippen gibt und wer nicht. Ganz ähnlich deiner Geschichte hier.

Da war mal gut, dass der Hohenegger so ein Fuchs war.
Da war mal?

„Wenn Sie das wollen“, sagte die Frau und öffnete ihre Handtasche. „Ich geben Ihnen meine Karte. Rufen Sie einfach an und vereinbaren Sie einen Termin.“
Pagel nickte eifrig.
„War das Ihre Frage?“
Wieder nickte Pagel und griff nach der Visitenkarte, die sie ihm hinhielt. „Vielen Dank.“
Das letzte "war das Ihre Frage" würde ich streichen, das wirkt unorganisch im Gesprächsverlauf, finde ich

Hey, Fliege, ich finde, das ist eine sehr gute Geschichte. So in deinem eigenen Erzählton, ruhig, angenehm, der Sprache folgt man gerne. Auch die Figuren und den Plot finde ich authentisch und originell, das ganze Thema Sexualität im Alter und man sehnt sich danach, weil man sich alleine fühlt, das ist gut.
Zum Plot, nachdem ich die Geschichte jetzt komplett gelesen habe: Hätte ich die Geschichte geschrieben, würde ich den kompletten ersten Absatz streichen und gleich damit anfangen, wie sie Karten spiele und der eine sagt: Da gibt es so eine Frau ... Dann wäre es gleich spannend. Der erste Absatz, den halte ich ein bisschen für ... nichtsaussagend; da passiert etwas, das genau so passiert, wie man es sich in einem Altenheim vorstellt, dass es passiert - weißt du, was ich meine? Der Rest der Story, da ist das, was im Altenheim passiert, originell, interessant, nicht vorhersehbar - im ersten Absatz halt schon. So für mein Gefühl. Also ich würde den killen und einzelne Sachen, wie solche liebenswerten Details:

Katja seufzte, atmete tief durch und beugte sich dicht an Pagels Ohr. „Dann schicke ich Ihnen gleich den Jirka.“
„Nein!“, schrie Pagel auf. „Nicht der. Der ist“, Pagel überlegte, „brutal!“
versuchen in spätere Szenen einzubauen.

Zweitens würde ich evtl versuchen, diese Rückblicks-Szene mit dem Theater in Berlin und so ein bisschen zu straffen; musst du nicht, aber ich persönlich würde das halt versuchen, wäre das mein Text. Du willst zeigen: Prot ist einsam, vermisst seine Frau, deswegen will er auch Streichlerin, darauf würde ich mich ein klein wenig mehr konzentrieren, aber vllt ist das auch Geschmackssache.

Ansonsten hat mir das sehr gut gefallen, da gibt es zwar kein großes Drama oder so, aber das habe ich auch gar nicht vermisst, das wirkt hier alles sehr authentisch und man folgt dem erzähler sehr gerne.

Grüße,
zigga

 

Hola Fliege,

Es gibt Sozialarbeiter, die die Kontakte herstellen und das Pflegepersonal dafür sensibilisieren, jetzt mal nicht in das Zimmer zu poltern, sondern den Leuten mal eine Stunde Intimsphäre zu gewähren (je nach Aufgeschlossenheit Heimleitung, darf nicht überall sein), die Transporte zu Prostituierten organisieren ...
ich habe Deine Altmännergeschichte wohl zu sehr auf die leichte Schulter genommen, denn in den anderen Kommentaren und in Deiner Antwort wird das Thema sehr ernsthaft analysiert.
Ich möchte zur allgemeinen Diskussion noch einen Aspekt hinzufügen:
Es geht mir um die Tätigkeit der ehrenamtlichen Helfer, die es in Deutschland, aber besonders und stärker gefördert in den Niederlanden gibt. Das sind Menschen, die sich einbringen - ein ungeheures Potential an menschlicher Wärme, Zuwendung und Anteilnahme wird so genutzt. Den Betreuten kommt deren Empathie und Einsatzbereitschaft zugute, und auch die Helfenden selbst profitieren von dieser Möglichkeit, ihren Mitteln entsprechend einen Teil ihrer Zeit und Kraft sinnvoll einzubringen ins menschliche Zusammenleben. Hier ist nicht die Routine der Katja nötig, und es ist auch unwichtig, ob die einen guten Tag hat (Küsschen) oder einen weniger guten Tag (kein Küsschen). Die Tätigkeit der Ehrenamtlichen kommt von Herzen und aus Überzeugung. Das ist echt, denn es geschieht freiwillig. Es geht doch um Nähe, um das Interesse aneinander – und um das Streiche(l)n über den Rücken oder eine kleine Nackenmassage. Ja, das tut wirklich gut. Wie auch die Teilnahme am gemeinsamen Singen, Musizieren, Kochen, Backen (mit anschließender Streuselkuchenverkostung). Das kostet keinen verdammten Cent. Auch nicht das Vorlesen eigener Geschichten, Erlebnisse, Erinnerungen, Gedichte. Hauptsache, es geschieht etwas, was dem Tag eine Struktur gibt, was dem Einzelnen vllt. ein kleines Erfolgserlebnis beschert, zumindest eine nette Stunde – einfach das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Das dieserart entlastete Personal wiederum kann - ohne Überbeanspruchung - bessere Arbeit leisten. Und entlastetes Personal ist freundlich.
Ich könnte mir vorstellen, dass so auch die von Dir beschriebene sexuelle Problematik ihren hohen Stellenwert verliert und leichter zu bewältigen ist.
Die Problematik mit den (noch) sexuellen Bedürfnissen der alten Menschen ist für uns Laien vermintes Gelände. Wir sollten uns da raushalten.

Ich lese von Sexualassistentinnen (?) und organisierten Transporten zu Prostituierten.
Und wer bezahlt’s? Die Kasse? Oder bleiben die Klassenunterschiede, so dass nur die reichen Säcke mitfahren, und die armen Schlucker im Heim bleiben müssen?

Herzliche Grüße!
Joséfelipe

 

Hallo Fliege,

auch ich habe deine Geschichte mit Begeisterung gelesen und finde die Empfehlung völlig berechtigt. Gleich mit der ersten Szene hattest du mich schon überzeugt und ich möchte sie auf keinen Fall missen. Wie du in diesen wenigen Sätzen den "kleinen" Machtkampf zwischen Katja und Pagel so darstellst, dass ich mit beiden mitfühlen kann, ist wirklich wunderbar gemacht. Meiner Erfahrung nach ist das eine sehr typische Szene in einem Seniorenheim.
Was mir fast etwas zu lang wurde, war die Rückblende in die Vergangenheit. Aber vielleicht ist die auch gerade wichtig. Menschen in Heimen werden oft nur noch in ihrem "Jetzt"-Zustand wahrgenommen. Und die ausführliche Beschreibung von Pagels Berufstätigkeit und seiner Ehe gibt ihm noch mehr Würde und macht es für mich als Leserin noch leichter, mich zu identifizieren.

Übrigens glaube ich, dass auch bei jüngeren Menschen eine Massage bei der Physiotherapeutin oder beim Masseur oft ein Bedürfnis nach Zuwendung und Körperkontakt erfüllt.


Eine wunderbare Geschichte!

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege,

eine tolle Geschichte ist dir da gelungen. Ich finde, du hast das Thema Sexualität hier so gut verpackt, dass auch die jüngere Generation Gefallen daran finden kann. Diese Generation neigt ja (leider!) dazu, die eigentlich natürlichste Sache der Welt als ekelerregend herabzustufen, sobald es dabei um alte Leute geht. Tja, nur werden wir alle mal älter.
Den Charakter Pagel hast du sehr gut getroffen. Ich persönlich mag alte Leute und habe auch etwas Erfahrung mit dem Leben und den Leuten im Altersheim. Dabei konnte ich folgende Dinge beobachten, die du hier treffend wiedergegeben hast.

Alte Menschen sind oft stur und aufsässig.

Pagel griff nach den Rädern. Er wollte dieses Zimmer nicht sehen, nein, gewiss nicht, es war nicht so schön wie die Blütenpracht des Flieders. Aber Katja war schneller, sie blockierte die Räder und klapperte hässlich mit dem Tablettenbecher. Wütend schaute Pagel sie an.
„Sie hätten das schon lange hinter sich haben können“, sagte sie.
„Ich will duschen. Ich stinke.“
„Sie stinken nicht. Und geduscht haben Sie erst vor zwei Stunden.“
„Habe ich nicht!“
„Oh doch. Und das wissen Sie ganz genau.“
„Aber ich stinke.“
Katja seufzte, atmete tief durch und beugte sich dicht an Pagels Ohr. „Dann schicke ich Ihnen gleich den Jirka.“
„Nein!“, schrie Pagel auf. „Nicht der. Der ist“, Pagel überlegte, „brutal!“
„Ist er nicht.“
„Ist er doch!“

Sie glauben (wieder) jeden Quatsch, der das Leben im Altersheim auch nur ein kleines bisschen aufregender macht.

„Der Exminister, blind und taub wie een Stücke Holz, aber der bekommt Besuch von ene Streichlerin.“
„Von einer was?“, fragte der Franz und guckte den Hohenegger an, als wäre der nicht ganz bei Trost.
„Nich' so laut!“, mahnte der. Und dann wieder so leise, das Pagel ihn kaum verstand. „So sagen se, Streichlerin. Offiziell is se wohl ene entfernte Verwandte, Großnichte oder so, aber in Wirklichkeit lässt die sich bezahlen. Erst is wohl so bisschen Massage und am Ende liegen die nackt beieinander im Bette. Nur rin in se, det darf er nich.“
„Nicht wahr!“, sagte Pagel und schaute den Franz an, der den Hohenegger anstarrte.
„Wenn ich es euch doch sag.“

Und ich musste lachen, denn es ist wirklich so, dass Menschen im Altersheim wohl wieder vermehrt dazu neigen zu singen.

Komm lieber Mai und mache, summte er, so gut es seine Stimme noch zuließ. Und ein bisschen hörte es sich an, als würde die Amsel mit ihm singen.

Sehr schön fand ich auch den Rückblick auf Pagels und Grethas Zusammenleben mit all seinen Höhen und Tiefen. Du bringst hier gut hervor, wie nichtig solche Streitereien und sogar Seitensprünge erst einmal werden, wenn sie überdauert sind und der Partner gar nicht mehr am Leben ist. Man erinnert sich vorwiegend an die schönen Dinge. Das schaffen heute glaube ich nicht mehr viele, da wird vorher die Scheidung eingereicht. Eine ganz andere Generation eben.

Kurz bevor die Auflösung kam, im Dialog mit Pagel und der Physiotherapeutin, habe ich dann auch - patsch, Hand auf die Stirn - gecheckt, worum es sich bei der Streichlerin handelt. Die Erkenntnis kam also etwas zu früh, aber wie schon andere hier angemerkt haben, lebt deine Geschichte absolut nicht von dieser Pointe sondern von so ziemlich allem anderen, was darin steckt.

Sehr gern gelesen!

Gruß,
rehla

 

Ich bin mir vielleicht doch nicht sicher, ob ich dich verstanden hab, oder du mich jetzt.
Fliege, Du verunsicherst mich. Ich frag mich jetzt auch, ob ich irgendwas Grundlegendes ganz doll nicht verstanden hab. :aua:

Was ich vllt verstanden hab:
Der Pagel denkt, dass er in dem Moment als er fragt, ob diese ihm vollkommen fremde Frau gegen entsprechende Bezahlung auch zu ihm kommen würde, dass er in diesem Moment gemessen, gewogen und für gut genug befunden worden ist.

Was ich nicht verstehe ist, wie das für ihn funktioniert.
Wenn ich mir vorstelle, ich würde meinen, ich bräuchte eine Berührung, ein Kuscheln und ich würde jemanden, den ich nicht kenne und der mit keiner Geste und keinem Wort verraten hat, wer und wie er ist, um eine Berührung bitten, wenn ich ihm Geld dafür gebe, oder gar möchte, dass der sich nackt auszieht und neben mir liegt - dann würde ich doch immer noch nicht auf die Idee kommen, dass der dann gefühlsmäßig dabei ist. Dass das dann echt ist. Und damit wär doch das Ganze hinfällig. Weil ich doch genau darauf aus bin. Sonst kann ich mich ja auch einfach massieren lassen.

Wie deichselt der das? Das find ich spannend. Wie macht der sich vor, dass das klappen könnte. Nicht, weil er alt ist, sondern weil er etwas will, was man mit Geld nicht bekommen kann.

Ich weiß nicht, ob das besser zu verstehen ist …

 

Tja, so kann es gehen mit diesen Geschichten über den Alltag, ob nun im Altersheim oder sonstwo. Da engagiert ein Minister a.D. eine Masseuse, was man ja nun mit Fug und Recht "Damenbesuch" nennen könnte – und damit gewisse Ausmalungen im Geiste fördert, Sehnsüchte bei nem Andern weckt. Eine hübsche Geschichte, fliegend und routiniert und sauber erzählt. Wahrlich ist Sexualität im Alter ein Thema, wovon man hierzuboard nicht viel liest, ich zumindest gerne mehr lesen würde, das so schwierig ist wie notwendig, wenn man die Demografie bedenkt.

Die Geschichte ist zu recht empfohlen. Gut gemacht, gern gelesen, liebe Fliege.


Viele Grüße
-- floritiv

 

Boah, da ist ja noch einiges zusammengekommen.
Vielen lieben Dank an Euch allen. Ich habe mich wirklich über jeden Kommentar sehr gefreut!

nastroazzurro Viel Glück, wünsche ich Dir. Aber das weißt Du ja aus der PM schon.

Hey zigga,

ich finde das Thema deiner Geschichte wunderbar - Sexualität im (hohen) Alter.

Schön. Ich nämlich auch :).

... da kamen in den letzten Jahren ein paar Filme zu auf, Wolke 9 fällt mir spontan ein,

Davon hat mir eine Freundin erzählt, als ich ihr von der Geschichte erzählt hab. Ich hab es ja nicht so mit Filmen, aber den will ich jetzt schon gern sehen.

Zu dieser ganzen Sache, dass Pfleger im Altenheim das unterbinden wollen mit der Sexualität;

Ist sicher von Heim zu Heim sehr verschieden. Ich habe mich da an die negativ Beispiele gehalten, die mir bei meiner Recherche untergekommen sind. Und da kommt das mit den Zeitschriften her und auch das mit der Unterwäsche.

Irgendwann sagte mal eine von den Pflegerinnen hinter vorgehaltener Hand zu mir, dass man bei dem und dem Ehepaar lang und laut klopfen soll, weil die ... naja.

Schön!

... dann wären wohl auch Erotikmagazine o.ä. geduldet worden, schätze ich mal.

Die tun ja nun auch wirklich niemandem weh. Das habe ich auch überhaupt nicht verstanden, warum die nicht geduldet wurden.

Allein diese zwischenmenschliche Dynamik zwischen den drei, wie und v.a. über was sie reden, das wirkt sehr authentisch, das gibt einen richtig so ein Altenheimflair, finde ich.

Das freut mich sehr.

Zum Plot, nachdem ich die Geschichte jetzt komplett gelesen habe: Hätte ich die Geschichte geschrieben, würde ich den kompletten ersten Absatz streichen und gleich damit anfangen, wie sie Karten spiele und der eine sagt: Da gibt es so eine Frau ... Dann wäre es gleich spannend.

Die Idee hatte ich tatsächlich auch, weil so als Einstieg ist die erste Szene schon arg ... weniger spannend jedenfalls. Dann habe ich mich aber doch dagegen entschieden, weil ich es wichtig fand, den Leser erst mal in dieser Tristesse zu erden, ihm den Pagel vorzustellen, seinen Alltag. Dann wird auch irgendwie klarer, was die Streichlerin da für ihn an Aufregung bringt. Und der Rahmen zur letzten Szene, der wäre ja auch futsch. Die Überlegungen haben mich also dazu gebracht zu sagen bleibt und einfach zu hoffen, ist kurz genug, damit mir die Leser nicht abhauen. Risiko. Und hier mag es für mich auch gut laufen, wegen dem Nick, in der Welt da draußen, mag sein, ich verliere da schon einige Leute.

Zweitens würde ich evtl versuchen, diese Rückblicks-Szene mit dem Theater in Berlin und so ein bisschen zu straffen; musst du nicht, aber ich persönlich würde das halt versuchen, wäre das mein Text. Du willst zeigen: Prot ist einsam, vermisst seine Frau, deswegen will er auch Streichlerin, darauf würde ich mich ein klein wenig mehr konzentrieren, aber vllt ist das auch Geschmackssache.

Du bist ja der Erste, der das anspricht. Mir persönlich ist das schon wichtig alles, oder mir ist es wichtig, um ein möglichst komplettes Bild vom Pagel zu zeichnen. Der war halt früher kein Kind von Traurigkeit, der hat auch alles mitgenommen, was ihm begegnet ist. Ja die Ausflüge mit den Armeejungs, die braucht es dazu vielleicht nicht wirklich, aber ich mag die Geschichte einfach. Nichts mit Weibern, Kultur! Und im Altersheim: Nichts mit Weibern: Singenachmittag! Naja, ist jetzt etwas weit ausgeholt, aber insofern - ach meno, lass ihn da doch dran denken ;).

Ansonsten hat mir das sehr gut gefallen, da gibt es zwar kein großes Drama oder so, aber das habe ich auch gar nicht vermisst, das wirkt hier alles sehr authentisch und man folgt dem erzähler sehr gerne.

Danke.


Hallo josefelipe,

Ich möchte zur allgemeinen Diskussion noch einen Aspekt hinzufügen:

Ich finde schön, dass Du das ansprichst. Und ich habe mal gelesen, dass die Ehrenämter irre viel Anteil haben, dass unser System überhaupt noch funktioniert. Allein die Kinderbetreuung durch Großeltern, damit die Eltern zur Arbeit können, oder eben so "Betreuungsleute", die da wirklich großes leisten und Menschlichkeit in so manches System bringen.

Die Tätigkeit der Ehrenamtlichen kommt von Herzen und aus Überzeugung. Das ist echt, denn es geschieht freiwillig. Es geht doch um Nähe, um das Interesse aneinander – und um das Streiche(l)n über den Rücken oder eine kleine Nackenmassage. Ja, das tut wirklich gut. Wie auch die Teilnahme am gemeinsamen Singen, Musizieren, Kochen, Backen (mit anschließender Streuselkuchenverkostung). Das kostet keinen verdammten Cent. Auch nicht das Vorlesen eigener Geschichten, Erlebnisse, Erinnerungen, Gedichte. Hauptsache, es geschieht etwas, was dem Tag eine Struktur gibt, was dem Einzelnen vllt. ein kleines Erfolgserlebnis beschert, zumindest eine nette Stunde – einfach das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Das dieserart entlastete Personal wiederum kann - ohne Überbeanspruchung - bessere Arbeit leisten. Und entlastetes Personal ist freundlich.
Ich könnte mir vorstellen, dass so auch die von Dir beschriebene sexuelle Problematik ihren hohen Stellenwert verliert und leichter zu bewältigen ist.

Ich glaube da auch fest dran. Und ich ziehe meinen Hut vor den Tausenden, die das leisten, weil sie es wollen!

Ich lese von Sexualassistentinnen (?) und organisierten Transporten zu Prostituierten.
Und wer bezahlt’s? Die Kasse? Oder bleiben die Klassenunterschiede, so dass nur die reichen Säcke mitfahren, und die armen Schlucker im Heim bleiben müssen?

Das stand nicht dabei. Ich gehe mal davon aus, wer Geld hat ... und die anderen halt nicht.

Danke für deinen Beitrag.


Hallo Chutney,

Gleich mit der ersten Szene hattest du mich schon überzeugt und ich möchte sie auf keinen Fall missen.
Das freut mich zu hören, weil ich damit ja selbst auch am Hadern war, und natürlich ist schön, wenn sie als Einstieg auch taugt.

Wie du in diesen wenigen Sätzen den "kleinen" Machtkampf zwischen Katja und Pagel so darstellst,

:)

Was mir fast etwas zu lang wurde, war die Rückblende in die Vergangenheit.

Dir also auch. Hm.

Aber vielleicht ist die auch gerade wichtig.

Mir persönlich irgendwie schon. Aber mir persönlich heißt nicht unbedingt, für die Geschichte. Vielleicht sollte ich da in einem halben Jahr noch mal drüberschauen, wenn ich dem nicht mehr ganz so verbunden ist. Da geht das dann einfacher mit dem "Kill your Darlings".

Und die ausführliche Beschreibung von Pagels Berufstätigkeit und seiner Ehe gibt ihm noch mehr Würde und macht es für mich als Leserin noch leichter, mich zu identifizieren.

Und das ist ja am Ende das wichtige.

Übrigens glaube ich, dass auch bei jüngeren Menschen eine Massage bei der Physiotherapeutin oder beim Masseur oft ein Bedürfnis nach Zuwendung und Körperkontakt erfüllt.

Klar!

Eine wunderbare Geschichte!

Danke.


Hey rehla,

Ich finde, du hast das Thema Sexualität hier so gut verpackt, dass auch die jüngere Generation Gefallen daran finden kann.

Das war das Ziel. Darüber habe ich mir im Vorfeld fast die meisten gedanken gemacht, wie stricke ich die Geschichte, um möglichst viele Leser zu erreichen. Humor war mir wichtig, weil Humor geht in jedem Alter. Und noch die Balance, die Drei nicht als "lüsternde" Alte zu stempeln, davor hatte ich Angst, dass mir das entgleiten könnte. Und weil das noch nie wer moniert hat, freue ich mich einfach total.

Ich persönlich mag alte Leute und habe auch etwas Erfahrung mit dem Leben und den Leuten im Altersheim. Dabei konnte ich folgende Dinge beobachten, die du hier treffend wiedergegeben hast.

Das hat mich auch gefreut. Ich selbst bin ja auch noch ein paar Jahre entfernt, aber ich habe Großeltern, die ärmsten, mussten hier ganz schön Pate stehen, für das ein oder andere Detail.

Sehr schön fand ich auch den Rückblick auf Pagels und Grethas Zusammenleben mit all seinen Höhen und Tiefen. Du bringst hier gut hervor, wie nichtig solche Streitereien und sogar Seitensprünge erst einmal werden, wenn sie überdauert sind und der Partner gar nicht mehr am Leben ist. Man erinnert sich vorwiegend an die schönen Dinge. Das schaffen heute glaube ich nicht mehr viele, da wird vorher die Scheidung eingereicht. Eine ganz andere Generation eben.

Ja, da gibt es ordentliche Veränderungen im Gefüge. An diesem Absatz scheinen sich die Empfindungen zu spalten. Aber irgendwie finde ich das gut so.

Sehr gern gelesen!

Freut doch sehr zu hören.


Hey Ane,

Wenn ich mir vorstelle, ich würde meinen, ich bräuchte eine Berührung, ein Kuscheln und ich würde jemanden, den ich nicht kenne und der mit keiner Geste und keinem Wort verraten hat, wer und wie er ist, um eine Berührung bitten, wenn ich ihm Geld dafür gebe, oder gar möchte, dass der sich nackt auszieht und neben mir liegt - dann würde ich doch immer noch nicht auf die Idee kommen, dass der dann gefühlsmäßig dabei ist. Dass das dann echt ist. Und damit wär doch das Ganze hinfällig. Weil ich doch genau darauf aus bin. Sonst kann ich mich ja auch einfach massieren lassen.

Ich glaube hier steckt der Pudels Kern. Trennen wir mal Gefühle und Sexualität. Das eine ist Kopf, das andere ist Körper. Und körperliche Bedürfnisse lassen sich ganz hervorragen ohne Emotionen stillen. Essen kann Hunger stillen, kann aber auch zu einem Genuss auf emotionaler Ebene werden. Sex mit einer Prostituierten ist Bedürfnisbefriedigung,
Sex mit der Traumfrau erreicht wieder das Emotionale. So weit sind wir uns sicher einig.
Klar kann er sich massieren lassen. Das würde sicher auch sein Bedürfnis nach Berührung erst mal erfüllen. Aber gerade bei einer Physiotherapeutin hat das ganze einen medizinischen Beigeschmack. Den will Pagel nicht. Es ist nicht das Streicheln auf Rezept. Und er will ja mehr, er will ja auch anfassen. Und fange mal an die Physiotherapeutin zu streicheln oder sie zu bitten, dich eine halbe Stunde lang im Arm zu halten.
Die einen wollen poppen, die bezahlen dafür wen. Pagel will Zärtlichkeit, der bezahlt dafür wen. Und wenn körperliche Bedürfnisse gestillt werden, dann setzt ja auch eine seelische Zufriedenheit ein. Wenn ich satt bin, fühle ich mich wohl. Mit Hunger im Bauch eher nicht. Ich glaube, Sex (in welcher Form und Intensität egal) und Gefühle, wenn man das voneinander trennen kann, dann landet man bei Pagel.


Hey floritiv,

Dein Kommentar hat sich ja wunderbar gelesen. Schönes Lob, worüber ich mich natürlich freue.

Wahrlich ist Sexualität im Alter ein Thema, wovon man hierzuboard nicht viel liest, ich zumindest gerne mehr lesen würde, das so schwierig ist wie notwendig, wenn man die Demografie bedenkt.

Naja, kommt ja langsam. Zu mindestens ist es inzwischen in der Ausbildung von Altenpflegern mitbedacht. Immerhin. Aber es ist erst ein Anfang. Und für die eigenen Kinder ist sexuelle Aktivität der Eltern eh ein Tabuthema. Noch viel mehr Tabu, wenn die Eltern ein bestimmtes Alter erreichen. Da steckt viel Scham drin, von beiden Seiten. Und wenn die Kinder dann erst die Finazen verwalten. Weiß nicht, wie viele da auch ein Bildchenmagazin ihrem Vater kaufen würden, wenn sie die Alltagssachen besorgen.

Ich danke Euch allen sehr, sehr, sehr!

Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Ist schon gut, die Geschichte, wenn auch ein bisschen traurig. Als die Sprache auf die Streichlerin kam, dachte ich für einen Augenblick an meine Dienstagstrinkergeschichte, aber Du, Fliege, hast von Anfang einen anderen Ton angeschlagen, sozusagen den Blues gewählt. Leider, kann ich da nur sagen, denn ich hätte die Streichlerin kommen und den drei alten Herren ihren Spaß haben lassen. Statt Karten mit Titten zu spielen ist schon was anderes, und es ist schon erstaunlich wie rigoros manche Heime dies verbieten. Ist das überhaupt rechtens? Ich meine, alt bedeutet ja nicht rechtlos, oder?

Ansonsten ist die Geschichte sehr einfühlsam, für meinen Geschmack gibt es da sogar ein bisschen zu viel Traurigkeit. Die letzte Szene mit Katja finde ich z.B. entbehrlich, ich hätte dem alten Pagel und seinen 2 Freunden zumindest die Hoffnung auf eine Streichlerin gegeben – es muss ja nicht für alle gelten, was in dieser Geschichte dem blinden und tauben Minister widerfährt.

PS: Ich wollte noch sagen, dass die Geschichte, so wie sie ist, in sich stimmig, also gut ist.

 

Hallo Dion,

das war je eine schöne Überraschung Dich hier zu lesen!

... aber Du, Fliege, hast von Anfang einen anderen Ton angeschlagen, sozusagen den Blues gewählt. Leider, kann ich da nur sagen, denn ich hätte die Streichlerin kommen und den drei alten Herren ihren Spaß haben lassen.
Das glaube ich Dir sofort und es wäre sicher auch eine Geschichte, die ihren Reiz hätte. Einen anderen, aber doch auch schönen.

Statt Karten mit Titten zu spielen ist schon was anderes, und es ist schon erstaunlich wie rigoros manche Heime dies verbieten. Ist das überhaupt rechtens? Ich meine, alt bedeutet ja nicht rechtlos, oder?

Da bin ich ganz bei Dir. Solange keiner zu Schaden kommt bei der Befriedigung sexueller Bedürfnisse ist es nicht Rechtens.

Ansonsten ist die Geschichte sehr einfühlsam, für meinen Geschmack gibt es da sogar ein bisschen zu viel Traurigkeit. Die letzte Szene mit Katja finde ich z.B. entbehrlich, ich hätte dem alten Pagel und seinen 2 Freunden zumindest die Hoffnung auf eine Streichlerin gegeben – es muss ja nicht für alle gelten, was in dieser Geschichte dem blinden und tauben Minister widerfährt.

Stimmt. Aber ich wollt es halt gern den Blues hier. Man hätte die Geschichte sicher auch optimistischer und erlebnisreicher schreiben können, und allen (Protagonisten und Lesern) etwas mehr Spaß gönnen können. Aber kann man ja bei jedem Thema - es in die eine oder andere Richtung verstärken. Das hängt vom Autor ab. Und beide Tendenzen hätten ganz sicher ihren Reiz.

Ich danke Dir fürs lesen und kommentieren. Hat mich sehr gefreut.
Beste Grüße, Fliege

 

Hallo,

was mir an der Geschichte sehr gut gefallen hat, war der Ton. Dass du Mut hast zu einer gewissen Hässlichkeit, einer Rohheit in der Sprache.

Wenn man Alltagssprache hat, ist das nicht immer schön. Und da versteckt man sich gerne dahinter und sucht als Autor andere Formulierungen. Und ich finde, was dir gelungen ist: Du hast Sprache so gestaltet, dass sie roh wirkt, ohne wirklich roh zu sein. Das ist sozusagen, die Sahnetorte, die nicht dick macht.

Das hab ich oft so erlebt, dass man einem Autor sagt: Das ist aber langweilig. Und er sagt: Ja, klar, das ist langweilig, das ist ja so gewollt. Dem Protagonosten ist ja auch grad langweilig. Aber eigentlich müsste es dann als Autor die hohe Kunst sein, etwas langweilig aussehen zu lassen, ohne dass sich der Leser wirklich langweilt.

Und in deiner Geschichte hast du den Figuren eine Authentizität gegeben und ein "einfaches" Leben, ohne dass es wirklich ermüdend wäre, ihnen zuzuhören.

Meine Lieblingspassage ist die Lebensgeschichte des ehemaligen Busfahrers, wie das da so an ganz wenigen Sätzen erzählt wird und es ist so viel drin. Auch dieses ganz Banale. Sie hätte ihn verlassen. Aber sie konnte nicht, sie hatte Kinder mit ihm - und die haben sie auch an ihn gefesselt. Und wie er so andeutet, ja, vielleicht hat er auch mal die Frauen da beglückt, aber vielleicht auch nicht. Aber es hätte wohl Gründe gegeben, ihn zu verlassen. Aber sie ist bei ihm geblieben und hat gut gerochen. Und das fehlt ihm.

Das ist, glaub ich, das Schöne an der Geschichte. Das sind keine Leute (auch Katja nicht, als Einfluss von außen) die große Worte um das machen, was sie fühlen. Die das nicht analysieren und zerdenken. Sondern die fühlen das, die haben schon ein Gespür füreinander, aber gehen dem nicht so nach. Das muss alles nicht ausgesprochen werden. Man bleibt da für sich.

Ich denke da: Wenigstens haben sie noch einander, die 3 alten Herren. Und wenn sie vielleicht anders miteinander umgehen könnten und wären offener zueinander, könnten sie auch an so einem tristen Ort dann noch mehr haben.

Aber es ist dann auch eine Geschichte von jemandem, der sich kurz was erhofft, dann merkt, dass er es nicht kriegen kann und ihn das enttäuscht und er auch merkt, wie töricht er da war. Ich hab das auch schon öfter gehört, dass es sowas wirklich gibt, Sexualtherapeuten.

Ich weiß nich, ich hab mal einen Fall gesehen. Da hatte eine Mutter in den 50ern einen schwerbehinderten, erwachsenen Sohn und hat beschlossen, weil sei nicht mehr konnte, sich umzubringen und den Sohn mit, weil sie ihn nicht alleine auf der Welt lassen sollte. Und da hat sie dann auch, am Tag, wo das passieren sollte, noch mal die Sexualtherapeutin (also so eine Streichlerin) bestellt, damit der Sohn es noch mal "schön" hat. Das hab ich irgendwann mal gesehen, das fand ich auch so eine ganz absurde Situation. Okay, das hat jetzt mit deiner nix zu tun, aber ich kannte halt diese "Streichlerin"-Idee schon und das war so mein Ausgangspunkt jetzt.

Wirklich gute Geschichte, Fliege

 

Ohne Wenn und Aber eine wunderbare Geschichte die fesselt und den Leser zwingt, weiterzulesen.
Vielen Dank dafür!
Herzliche Grüße
Emma

 

Liebe Fliege,

herrlich, deine Alten im Heim und die Pflegerin mitsamt Jirka. Du umhüllst deine Geschichten immer mit der richtigen Aura, als Leser fühle ich mich sofort mitten in der Szene. Das verdanken die Geschichten deiner stimmigen Dialoge und Kleinigkeiten wie:

und klapperte hässlich mit dem Tablettenbecher
.

Darin ist alle Drohung der pünktlichen Einnahme enthalten. Gut, dass Katja noch einen rabiaten Kollegen hat, mit dem man Angst machen kann.

und gerade als Katja nach dem leeren Becher griff, ließ Pagel ihn fallen. „Ups.“
Katja seufzte. „Das war doch Absicht.“
„Nein. Er ist mir aus den Händen geglitten.“

Und gleich kommt die kleine Rache.

Hier kommt mein einziger Kritikpunkt, und das ist auch nur formaler Natur:

Von

Abends im Bett dachte Pagel nach. Ob das mit der Streichlerin nicht doch vom Hohenegger geflunkert war.

bis

Und warm war die Gretha und ihr Geruch beruhigte ihn.

gibt es keinen Absatz. Das ist elend lang, ich fand das sehr anstrengend zum Lesen.

Dafür kam der Jirka: „Sie führen doch was im Schilde.“
„Nein! Nix führen wir im Schilde.“
„Wir unterhalten uns nur ein wenig.“
„Alles ganz harmlos.“
Der Jirka lachte, sagte: „Ich habe ein Auge auf euch“,

das ist ja wie im Kindergarten - die Alten können sich nicht mal im Flur treffen.


So standen die drei Alten und lauschten bis der Jirka ein weiteres Mal über den Flur hetzte und sie nun doch in den Garten schickte.

Müssen die Herren sich das gefallen lassen? Wer noch Skat spielen kann, hat noch alle Tassen im Schrank und müsste selbst bestimmen können, ob man seine Zeit auf dem Flur oder im Garten verbringt.

Fliege, schreib' doch mal eine Fortsetzung, bei der die Alten gegen den Jirka und die Heimleitung rebellieren :).


Sogar die Katja hatte einen Pfiff ausgestoßen und den Hohenegger gefragt, ob es einen Grund gäbe, dass er sich so schick gemacht hatte. Da war mal gut, dass der Hohenegger so ein Fuchs war.
Von wem kommt diese Aussage? Das ist der Erzähler, der sich so ein wenig aus seiner Anonymität rausschält. Das sind die Details, die die Geschichte u.a. so liebenswert machen.

Katja hörte Pagel zu, summte leise mit und als der letzte Ton verklungen war, schenkte sie ihm ein Küsschen auf die Wange, so wie sie es manchmal tat, so wie sie es bei allen tat, wenn sie einen guten Tag hatte.
Sehr schönes Ende.


Was mir gut an dem Plot gefiel, war die Thematik Sex im Heim, zu dem es gar nicht gekommen ist (aber durch des Ministers Reaktion auf die Physiotante erst einmal so in den Raum gestöhnt wurde). So wurde für mich noch viel eindringlicher auf die Misere hingewiesen, als wenn tatsächlich Sex als Dienstleistung möglich gewesen wäre. Schon alleine die Szene, dass Pagel es irgendwie hindeichseln muss, an frei verfügbares Geld zu kommen, ist traurig genug.

Ähnlich gelagert ist der Umgang mit dem Thema in Behindertenheimen. Die letzten Jahre wurde es etwas lockerer, was ich in meinem Umkreis feststelle, so dass Beziehungen - auch bei geistig behinderten Menschen - offiziell innerhalb des Heimes ausgelebt werden dürfen.
Von daher haben wir schon noch Bedarf an solchen Geschichten - ich kann mich nur noch an zwei weitere zu dem Thema hier im Forum erinnern.

Also Fliege, ein dickes Lob für die Geschichte, für die Idee dahinter und die sehr ansprechende Umsetzung. Man muss die Leute aus diesem Heim einfach mögen - ich bin auch für eine Fortsetzung (Thema habe ich ja schon gegeben) :).

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Fliege,

leider kann ich auch nichts anderes schreiben als ein großes Lob für eine sehr gute Geschichte. Aber es ist doch mehr als eine Geschichte. Ein Psychogramm einer Männergruppe, die das Entbehrte fantasiert, um das entsexualisierte Altersheim zu überstehen. Auch wenn das Thema Sex im Alter nicht mehr so tabuisiert ist wie vor zehn Jahren, so beschleicht einen doch ein mulmiges Gefühl, darüber zu nachdenken. Die Wirkungen der langen Zeit der Verteufelung des Sexus sind noch latent vorhanden.
Deswegen ist das Thema deiner Geschichte ein wichtiges und notwendiges. Und du hast es sehr feinsinnig beschrieben, was Männer in der Wirklichkeit vielleicht derber ausdrücken, was aber in einer Geschichte geschmacklos wirken würde. So ergänzen sich bei dir Feinsinnigkeit mit der nötigen Derbheit.
Eine Geschichte, für die ich ein dafür ungewöhnliches Wort verwenden würde: eine Geschichte mit Anstand.
Fröhlichst
Wilhelm

 

Lieben Dank Euch allen! Es hat mich sehr, sehr gefreut! Dank für Zeit und Lesen und Kommentieren!

Hey Quinn,

was mir an der Geschichte sehr gut gefallen hat, war der Ton. Dass du Mut hast zu einer gewissen Hässlichkeit, einer Rohheit in der Sprache.

Ich würde ja jetzt gern sagen, dass ich das absichtlich gemacht hab, dass dies in meiner Absicht war ... aber da würde ich schwindeln. Es ist mir einfach so passiert.

Und ich finde, was dir gelungen ist: Du hast Sprache so gestaltet, dass sie roh wirkt, ohne wirklich roh zu sein. Das ist sozusagen, die Sahnetorte, die nicht dick macht.

Aber das finde ich schon sehr, sehr cool.

Das hab ich oft so erlebt, dass man einem Autor sagt: Das ist aber langweilig. Und er sagt: Ja, klar, das ist langweilig, das ist ja so gewollt. Dem Protagonosten ist ja auch grad langweilig. Aber eigentlich müsste es dann als Autor die hohe Kunst sein, etwas langweilig aussehen zu lassen, ohne dass sich der Leser wirklich langweilt.

Das habe ich auch schon sehr oft hier erlebt :).

Und in deiner Geschichte hast du den Figuren eine Authentizität gegeben und ein "einfaches" Leben, ohne dass es wirklich ermüdend wäre, ihnen zuzuhören.

Da muss ich aber sagen, ich habe eine Schwäche für die ganz einfachen Leute. Ich mag die gern. Meistens jedenfalls. Weil sie eben einfach sind und nicht kompliziert und weil die auch nicht verkomplizieren und eine Bockwurst eine Bockwurst ist und kein Delikt am Übermaß des Menschens.

Meine Lieblingspassage ist die Lebensgeschichte des ehemaligen Busfahrers, ...

Mit der hab ich auch gerungen. Was ist zu viel, was ist zu wenig, für diesen einen Absatz habe ich so lange gebraucht, wie für die anderen alle zusammen.

Das ist, glaub ich, das Schöne an der Geschichte. Das sind keine Leute (auch Katja nicht, als Einfluss von außen) die große Worte um das machen, was sie fühlen. Die das nicht analysieren und zerdenken. Sondern die fühlen das, die haben schon ein Gespür füreinander, aber gehen dem nicht so nach. Das muss alles nicht ausgesprochen werden.

Schön, wenn man die so wahrnimmt. Das ist mir nämlich nicht einfach passiert, das hab ich schon ganz bewusst gewollt.

Aber es ist dann auch eine Geschichte von jemandem, der sich kurz was erhofft, dann merkt, dass er es nicht kriegen kann und ihn das enttäuscht und er auch merkt, wie töricht er da war.

Ja.

Ich weiß nich, ich hab mal einen Fall gesehen ...

Krasse Geschichte.


Hallo Emma Lue,

und an dieser Stelle, Willkommen bei den wortkriegern!

Ohne Wenn und Aber eine wunderbare Geschichte die fesselt und den Leser zwingt, weiterzulesen.

Na, das hört man doch gern. Vielen Dank, dass Du die Geschichte gelesen und mir die Zeilen dagelassen hast. Habe ich mich sehr drüber gefreut.


Liebe bernadette,

Du umhüllst deine Geschichten immer mit der richtigen Aura, als Leser fühle ich mich sofort mitten in der Szene. Das verdanken die Geschichten deiner stimmigen Dialoge und Kleinigkeiten wie:

Jetzt werde ich ja ein bisschen rot ...

Hier kommt mein einziger Kritikpunkt, und das ist auch nur formaler Natur:
Von ... bis ... gibt es keinen Absatz. Das ist elend lang, ich fand das sehr anstrengend zum Lesen.

Ich schau da gern noch mal drauf. Wahrscheinlich tat sich mir einfach keine Stelle auf, wo ich es angebracht empfunden hätte, aber quälen will ich ja nun auch keinen.

Müssen die Herren sich das gefallen lassen? Wer noch Skat spielen kann, hat noch alle Tassen im Schrank und müsste selbst bestimmen können, ob man seine Zeit auf dem Flur oder im Garten verbringt.

Das finde ich aber auch!

Fliege, schreib' doch mal eine Fortsetzung, bei der die Alten gegen den Jirka und die Heimleitung rebellieren :).

Hehe. Vielleicht. Mal sehen. Ich weiß noch nicht.

Was mir gut an dem Plot gefiel, war die Thematik Sex im Heim, zu dem es gar nicht gekommen ist (aber durch des Ministers Reaktion auf die Physiotante erst einmal so in den Raum gestöhnt wurde). So wurde für mich noch viel eindringlicher auf die Misere hingewiesen, als wenn tatsächlich Sex als Dienstleistung möglich gewesen wäre. Schon alleine die Szene, dass Pagel es irgendwie hindeichseln muss, an frei verfügbares Geld zu kommen, ist traurig genug.

Danke dafür.
Und: "aber durch des Ministers Reaktion auf die Physiotante erst einmal so in den Raum gestöhnt wurde" :D Ich liebe es!
Ähnlich gelagert ist der Umgang mit dem Thema in Behindertenheimen. Die letzten Jahre wurde es etwas lockerer, was ich in meinem Umkreis feststelle, so dass Beziehungen - auch bei geistig behinderten Menschen - offiziell innerhalb des Heimes ausgelebt werden dürfen.

Das hat jetzt aber auch paar tausend Jahre gedauert. Mann, Mann, Mann!


Hey Wilhelm,

leider kann ich auch nichts anderes schreiben als ein großes Lob für eine sehr gute Geschichte.

Leider???? Ey! :)

Deswegen ist das Thema deiner Geschichte ein wichtiges und notwendiges. Und du hast es sehr feinsinnig beschrieben, was Männer in der Wirklichkeit vielleicht derber ausdrücken, was aber in einer Geschichte geschmacklos wirken würde. So ergänzen sich bei dir Feinsinnigkeit mit der nötigen Derbheit.

Da sprichst Du einen Punkt an, vor dem ich echt Schiss hatte. Der mir beim Plotentwurf ganz übel im Kopf umherging. Ich, weiblich, 40 - habe einen Erzähler männlich und ü 80. Eine glaubwürdige Erzählstimme ... das war mein größtes Sorgenkind. Und da freue ich mich natürlich, wenn es zu funktionieren scheint. Klar sind Männer derber, Frauen ja auch viel mehr, als Männer ihnen zutrauen, aber geschmacklos will ich auch nicht. Stimmt schon, dass dann da ein Kompromiss bei rauskommt muss und Kompromisse haben ja auch ihr Gutes, wie Du selbst sagst.

Eine Geschichte, für die ich ein dafür ungewöhnliches Wort verwenden würde: eine Geschichte mit Anstand.
Ohhh. Das finde ich schön.


Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Fliege,

Mein Urlaubsvorhaben, alle in letzter Zeit empfohlenen Geschichten zu lesen und zu kommentieren, habe ich fast geschafft, nur bei deiner Streichlerin muss ich es noch nachholen.

Dass die als letzte dran kommt, liegt nicht daran, dass ich sie nicht gut fand, im Gegenteil. Es ist immer schwierig, dem Anspruch der Seite gerecht zu werden, dass wir konstruktive Kritik üben sollen und nicht bloß „gefällt mir“ sagen, wenn man keine Kritikpunkte hat. :)

Ich finde hier alles toll, wie auch bei den anderen Geschichten, die ich bisher von dir gelesen habe. Wie die aufgebaut ist, wie viel man trotz der Kürze des Textes über die Figuren herauslesen kann, und wie gut die Sprache zur Figur von Pagel passt.

Aber ein bisschen liegt es auch am Thema, dass ich diesen Kommentar so lange aufgeschoben habe. Ich muss ehrlich sagen, mit dem Altern setze ich mich überhaupt nicht gern auseinander. Die Geschichte lässt einen zwar nicht niedergeschlagen zurück, dafür hat sie zuviel Wärme und Humor. Auch wenn diese unerfüllte Sehnsucht nach Sexualität oder wenigstens körperlicher Nähe natürlich ein echtes Problem ist, das sicher viele alte Menschen begleitet, würde ich sagen, dass deine drei Hauptpersonen es vergleichsweise gut haben. Immerhin haben sie noch einander, und sie sind geistig noch einigermaßen fit, so dass es noch die Möglichkeit für Gespräche und gemeinsame Pläne gibt.

Aber es gibt viele kleine Einzelheiten in der Geschichte, die mir einen Stich versetzt haben. Die Pfleger in der Geschichte wirken ja eigentlich sympathisch, insbesondere die Katja. Aber sie verhalten sich auch so ein bisschen wie Kindergärtner – was denke ich auch ganz gut widerspiegelt, wie es im echten Leben aussieht.
Und als erwachsener Mensch auf so was angewiesen zu sein, ist echt keine schöne Vorstellung. Dass einem dann vorgeschrieben wird, welche Unterwäsche man tragen soll. Oder dass „dann wäscht dich halt der Pfleger, den du nicht so magst“ als Drohung eingesetzt wird. Das kommt im Text alles so nebenbei und harmlos rüber, ist aber eigentlich eine ziemlich schlimme Vorstellung. Man hat ja nur bedingt Einfluss darauf, wie hilfsbedürftig man im Alter einmal wird. Und diese Abhängigkeit erzeugt einfach ein sehr unangenehmes Gefühl, da müssen die Pfleger gar nicht bösartig drauf sein.

Na ja, jedenfalls wollte ich dir immer schon mal sagen, dass du sehr lebendig und überzeugend schreibst und ich das gerne lese. Wenn ich mit meiner aktuellen Lektüre fertig bin, kommt wahrscheinlich dein E-Book an die Reihe. :)

Grüße von Perdita

 

Liebe Perdita,

na, so Kommentare lese ich doch gern. Lass Dich da bloß nicht wegen der kritischen Dinge von abhalten :).

... dass wir konstruktive Kritik üben sollen und nicht bloß „gefällt mir“ sagen, wenn man keine Kritikpunkte hat. :)

Das geht mir auch so. Dann zitiere ich als Ausweg einfach tolle Sätze :).

Ich finde hier alles toll, wie auch bei den anderen Geschichten, die ich bisher von dir gelesen habe. Wie die aufgebaut ist, wie viel man trotz der Kürze des Textes über die Figuren herauslesen kann, und wie gut die Sprache zur Figur von Pagel passt.

Was trinkst Du? Danke dafür!

Ich muss ehrlich sagen, mit dem Altern setze ich mich überhaupt nicht gern auseinander.

Wer macht das schon? Okay, der eine mehr, der andere weniger, aber gerne wohl die allerwenigsten.

... dass deine drei Hauptpersonen es vergleichsweise gut haben. Immerhin haben sie noch einander, und sie sind geistig noch einigermaßen fit, so dass es noch die Möglichkeit für Gespräche und gemeinsame Pläne gibt.

Wäre dem nicht so, könnte sie einem auch wirklich derb aufs gemüt schlagen. Das ist vielleicht Literatur dann, aber mein Anspruch ist vor allem auch Unterhaltung. Ich will die Leser nicht quälen, das überlass ich den Literaturpreisträgern gern.

Aber es gibt viele kleine Einzelheiten in der Geschichte, die mir einen Stich versetzt haben. Die Pfleger in der Geschichte wirken ja eigentlich sympathisch, insbesondere die Katja. Aber sie verhalten sich auch so ein bisschen wie Kindergärtner – was denke ich auch ganz gut widerspiegelt, wie es im echten Leben aussieht.

Ja. Sieht in manchen Altersheimen ja auch aus wie im Kindergarten, wenn man sich Flur- und Fensterdeko anschaut. Irgendwie ist die Vorstellung grausig, aber wer weiß, vielleicht finden wir es ja irgendwann wieder toll, wenn wir in der Bastelgruppe Scherenschnitte anfertigen. Ich habe keine Ahnung. Mein Opa empfand seine Volksliedersingegruppe jedenfalls als wöchentlichen Höhepunkt. Trotzdem kein Grund, mit den Leute so zu reden, als ob sie Kleinkinder sind.

Das kommt im Text alles so nebenbei und harmlos rüber, ist aber eigentlich eine ziemlich schlimme Vorstellung. Man hat ja nur bedingt Einfluss darauf, wie hilfsbedürftig man im Alter einmal wird. Und diese Abhängigkeit erzeugt einfach ein sehr unangenehmes Gefühl, da müssen die Pfleger gar nicht bösartig drauf sein.

Ja, ja und ja.

Na ja, jedenfalls wollte ich dir immer schon mal sagen, dass du sehr lebendig und überzeugend schreibst und ich das gerne lese.

Danke dafür. Und ich kann doch so schlecht mit Komplimenten ... Ich freue mich.
Wenn ich mit meiner aktuellen Lektüre fertig bin, kommt wahrscheinlich dein E-Book an die Reihe.

Nur wenn du wirklich willst. Ich erwarte in dieser Richtung keine Freundschaftsdienste oder wie auch immer man das nennen mag.

Liebe Grüße, Fliege

 

hallo fliege,

WOW, eine sensibel erzählte Geschichte, spannend, inhaltlich + stilistisch sehr gut,gern gelesen.

viele grüße, petdays

 

Mir ist da was aufgefallen, Fliege. Und zwar mittendrin im Text, als ich gerade eingetaucht war. Da dachte ich, dass ich wahrscheinlich an der Art, wie du Geschichten erzählst, erkannt hätte, dass die von dir ist. Kompliment, die ist toll und leise und zwischen die Zeilen passt kein Staubkorn mehr, so voll ist das da.

Momentan ist das Thema Alter bei mir im Kopf sehr päsent und leider kann auch deine Geschichte mich nicht aus der Deppression holen, die mich befällt, wenn ich darüber nachdenke. Es ist alles sehr traurig einfach und mich überkommt oft der Drang, ganz viel in einen plötzlichen Herztod zu investieren. Aber aus Rauch und Alkohol kann ja auch Krebs entstehen und das will ich dann auch nicht. Zudem bleibt die Hoffnung auf Enkelkinder und Urenkelkinder, den Rest des Alters möchte ich eigentlich gar nicht erleben.

Ich fand den Stil gut, ich fand die Figuren gut, ich mag den Ton und den Rückblick sehr, den find ich extrem geschickt gemacht. Und jetzt folgt meine Lieblingsstelle:

Nun trug er ein Hemd und ein Sakko, welches ihm die Kinder zu Weihnachten geschenkt und er bis zum heutigen Tag nicht angerührt hatte, weil man so was hier nicht trug. Keiner lief so rum, da fiel man nur auf. Und das tat der Hohenegger auch, befand Pagel, dem das nicht passte. Sogar die Katja hatte einen Pfiff ausgestoßen und den Hohenegger gefragt, ob es einen Grund gäbe, dass er sich so schick gemacht hatte. Da war mal gut, dass der Hohenegger so ein Fuchs war. Für sie hätte er sich so fein gemacht, weil er sie doch fragen wollte, ob sie nicht mal mit ihm ausginge. Da hatte die Katja gelacht, aber nicht weiter nachgebohrt, sondern nur gesagt, sie sei ja leider schon vergeben.
sehr fein, Frau Fliege.

Ja, also was genau sich die Männer da wünschen? Ich glaube, es ist einfach: Gib mir das Gefühl zurück. Es geht nicht um Sex unbedingt, es geht um sich nochmal jünger und geliebt zu fühlen. passt genial zu dem Lied und diesem extrem traurigen Satz

Ach, lieber Mai, wie gerne einmal spazieren gehn!"
Also ich bin jetzt wieder traurig, ich mag das Alter einfach nicht, ich kann dem nichts abgewinnen. Aber die Geschcihte war toll, Empfehlung absolut verdient.

Lollek

 

Hey maria!

ich möchte eine Beichte ablegen: Ich wollte diese Geschichte niemals lesen. Als sie empfohlen wurde, da habe ich halb mit bekommen, dass es sich um alte Menschen und das wunderbare Thema Sex handelte. Und ja, ich dachte mir nur dabei: Wääääääääääääääääääh. Ich schäme mich dafür und bereue meine eigene Dummheit, weil ich die Geschichte so falsch gedeutet habe und wäh absolut falsch war. Ich bitte um Absolution.

Da braucht es keine Absolution. Ich lese auch nichts, was mit thematisch nicht liegt. Wozu auch? So ist das eben :).

Ja, genug gelabert, was wäre ich denn für eine Vorsitzende von der Fliege-Fan-Gemeinschaft, wenn ich diese Geschichte nicht gelesen hätte?

lol

... und auch wenn ich das moralisch abwegig fand, wollte ich total, dass der alte Pagel die „Hure“ kriegt, bezahlt und endlich wieder einen warmen, nackten Körper vor sich zu spüren bekommt. Das ist super gewesen.

Da geht mir ja glatt das Herz auf!

Aber der eigentliche Hit der Geschichte ist der Schluss, als das wunderschöne Gefühl verblasst und die Dame sich wirklich als Masseure ohne Happy-Ending herausstellt. Das fand ich total super. Ich war genauso enttäuscht wie Pagel, ich hielt förmlich so eine formlose Visitenkarte in der Hand! Bam, Oida, da hat’s mich gerissen. Und dann, wie er traurig vor dem Fenster sitzt und nichts machen wollte, da tat er mir unendlich leid, da wollte ich schon meinen eigenen Körper bereitstellen. Natürlich ohne dass er reindarf :P Verdammt, du hast es hingekriegt.

Oh Maria! Wie mich das freut. Ich hätte es mir auch niemals verziehen, die Vorsitzende meine Fanclubs um ihre Zeit betrogen zu haben und sie zu langweilen, aber das Du so mitgegangen bist, obwohl Dich die Thematik abstößt, das haut mich um. Echt. Das finde ich total ... schön. Dafür habe ich Dich schon wieder voll lieb :).
Und auch wenn der Anfang nicht Deins war und Du lange gebraucht hast einzusteigen in die Geschichte, irgendwas hat es ja gemacht mit Dir. Das finde ich toll.

Danke fürs Durchhalten! Fürs Lesen und diesen schönen Kommentar.

PS: Das ist doch ein Fehler! Eindeutig, oder?

Nein, ist keiner :(.


Hallo petdays,

WOW, eine sensibel erzählte Geschichte, spannend, inhaltlich + stilistisch sehr gut,gern gelesen.

Kurz, knapp, und trotzdem schön! Vielen Dank für das Feedback.

Hey Herr Lollek,

ist das schön, Dich mal wieder unter einer Geschichte zu lesen. Das fühlt sich richtig wie in alten Zeiten an, wo es noch Rubriken gab und die Nicks zum Teil ganz andere waren und ich viel jünger :). Verrückt, wie man sich hier an die Leute gewöhnt und wie sehr man sie auch vermisst.


Mir ist da was aufgefallen, Fliege. Und zwar mittendrin im Text, als ich gerade eingetaucht war. Da dachte ich, dass ich wahrscheinlich an der Art, wie du Geschichten erzählst, erkannt hätte, dass die von dir ist. Kompliment, die ist toll und leise und zwischen die Zeilen passt kein Staubkorn mehr, so voll ist das da.

... leider kann auch deine Geschichte mich nicht aus der Deppression holen, die mich befällt, wenn ich darüber nachdenke. Es ist alles sehr traurig einfach und mich überkommt oft der Drang, ganz viel in einen plötzlichen Herztod zu investieren. Aber aus Rauch und Alkohol kann ja auch Krebs entstehen und das will ich dann auch nicht.

Ja, drüber nachdenken oder es im Umfeld aktiv miterleben, ist schon beängstigend und ich glaube, alle wünschen sich einzuschlafen, aus einem normalen Leben ohne Krankheit oder sonstige Begleiterscheinungen des Alters heraus. Deswegen verdrängt man das Thema halt auch gern. Es macht traurig und ist beängstigend.

Und jetzt folgt meine Lieblingsstelle: sehr fein, Frau Fliege.

Vielen Dank dafür. Ich mag die Stelle auch.

Ja, also was genau sich die Männer da wünschen? Ich glaube, es ist einfach: Gib mir das Gefühl zurück. Es geht nicht um Sex unbedingt, es geht um sich nochmal jünger und geliebt zu fühlen. passt genial zu dem Lied und diesem extrem traurigen Satz

Ich habe es neuerdings mit Liederzeilen. Ich verbastle die gern in Geschichten, sofern sie denn auch wirklich was zu sagen haben. Und diese Zeile fand ich, hat extrem viel zu sagen.

Also ich bin jetzt wieder traurig, ich mag das Alter einfach nicht, ich kann dem nichts abgewinnen.

Ach Mensch! Hast ja noch ein paar Jahre und keiner weiß vorher, wie das für ihn laufen wird (und das ist gut so). Bis dahin mach dir mit jung und alt an deiner Seite das Leben einfach schön.

Liebe Grüße an Euch drei und herzlichsten Dank!
Fliege

 

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