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Date mit Kimmy

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12.01.2015
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Date mit Kimmy

Draußen explodierte das Leben, sangen die Vögel, strömten Menschen in Shorts und nach Sonnencreme duftend ins Freie. Die Bäume standen in voller Blüte, es waren die ersten Tage im Mai, außergewöhnlich heiß.
Gerhard Koch hatte anderes im Sinn. Er schloss die Tür, stellte den Arbeitskoffer unter die Garderobe und zog sein Sakko aus, hastig seine Schuhe, die Vorhänge zu. Zuviel Licht mochte er nicht, doch diesmal war Kimmy der Grund seiner Verdunklungsaktion.
Koch nahm eine Bierflasche aus dem Kühlschrank, öffnete es zischend mit einem Feuerzeug und nahm einen tiefen Schluck. Diese Kühle im Gaumen. Runterkommen. Den ewig gleichen Alltag hinter sich lassen. Ein kleines bisschen Leben spüren, war das zu viel verlangt?
Er war Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs in der Innenstadt Hannovers. „Koch, Ihr Spirituosen-Experte, seit 1953“, prangerte in roter, wichtiger Schrift über dem Laden. Er mochte seinen Job nicht sonderlich, doch er kannte nichts anderes. Er duzte seine Stammkunden, er wusste, wer in der Gegend ein Doppelleben führte, ein normales als Anwalt, Hausfrau oder Lehrerin, ein anderes als Alkoholiker. Er kannte die Stadien, in denen einer war, er wusste, bei wem es zu spät war, und bei wem Hilfe noch etwas bewirken könnte. Doch das war nicht sein Job. Den Betrieb hatte er von seinem Vater übernommen. Der Job sicherte ihm ein sicheres Auskommen, ekelte ihn aber viel zu oft nur noch an. Auch ansonsten war Koch nicht gerade ein Lebenskünstler. Stundenlang verkroch er sich in seinem abgedunkelten Zimmer vor dem PC. Auf seinen Regalen stapelten sich DVDs und Computerspiele. Kaum Bücher. Ausflüge beschränkten sich im Wesentlichen auf gelegentliche Besuche bei seinen Eltern im Spessart und den Besuch der Kneipe im Erdgeschoss, in der er gelegentlich ein Bier trank. Bier verkaufte er nicht, Bier ging. Koch war nicht gefährdet, denn er sah tagtäglich zu, wie Menschen ihren Verstand und ihre Seele dem Abgrund entgegen lenkten. Freunde hatte Koch, aber richtige? Er ging ab und zu mit seinen Aushilfen zu 96. Ansonsten war nicht viel. Seit Lola weg war, hatte er an kaum mehr etwas Freude gefunden. Sich zurückgezogen. Sein Leben bestand im Grunde aus nichts als Routine. Bis Kimmy kam. Kimmy war Luxus.
Eine echte Freundin hatte Koch seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr. In Wirklichkeit waren es erst sechs Jahre, doch Koch fühlte sich eingerostet, als ob seine Lebensuhr langsam ablief, ohne dass irgendetwas Bedeutsames passierte. Lola war sowieso schuld an allem.
Er ging nicht mehr gern aus, fand nicht mehr die richtigen Worte. Von käuflicher Liebe hatte er schon lange genug. Er war kein Heiliger, aber je öfters er Prostituierte zu sich bestellt hatte – und das kam nach der Trennung von Lola häufig vor -, desto mehr taten sie ihm leid. Das Fass zum Überlaufen brachte die kleine Rumänin Mimi, um die 20, so süß, dass ihm die Vorstellung unerträglich vorkam, dass sie sich täglich von fremden Männern besteigen ließ. Ihr Körper war verbraucht wie der einer Fünfzigjährigen. Die Brüste hingen schlaff hinab. Falten am Bauch. Sie sah krank aus. Hatte kein Wort Deutsch verstanden, nicht einmal Englisch. Er hatte nicht mir ihr geschlafen, sie tat ihm leid, er hielt sie in seinen Armen und empfand zum ersten Mal wieder etwas Menschliches, nachdem die Trennung und die Jahre danach seine Gefühlswelt hatten erkalten lassen.
Bei Kimmy würde es gehen.
Das Gleitmittel fand Koch in seinem Nachtschränkchen. Auf der Kommode lag Kimmys Haarband. Die langen blonden Haare verbargen jetzt, wo sie kein Haarband mehr hatte, ihr hübsches, faltenfreies Gesicht. Vor zwei Wochen hatte Koch in seinem Briefkasten eine Karte gefunden. Er hatte sie bestellt, nun war sie gekommen. Er hatte sie bei seiner Nachbarin abgeholt, sie zu sich in die Wohnung genommen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie hatten Sex beim ersten Treffen, von vorn, von hinten, mehrfach.
Kimmy war schweigsam und stellte keine Ansprüche. Wenn sie auf ihm ritt, er ihre weichen Nippel liebkoste, fühlte er sich gut. Wenn er auf ihr lag und in sie eindrang, war er happy. Es war wieder soweit. Er legte Küchenpapier beiseite und zog die Hose aus. Aus der großen Plastiktüte kramte er die Luftpumpe hervor.

 
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Draußen explodierte das Leben,

Das könnte als fertiger Satz so stehen bleiben! Denn das, was danach kommt, ist eine Beschreibung des explodierenden Lebens. Oder ist tatsächlich irgendwas detoniert, währenf Vögel sangen und so weiter?

Er schloss die Tür, stellte den Arbeitskoffer unter die Garderobe und zog sein Sakko aus, hastig seine Schuhe, die Vorhänge zu.

Da fehlt was! Ich weiß, was du meinst, aber trotzdem schadet ein wenig Klarheit nicht.

Koch nahm eine Bierflasche aus dem Kühlschrank, öffnete es zischend mit einem Feuerzeug und nahm einen tiefen Schluck.

Er öffnet die Bierflasche, also "sie". Wenn er "es" öffnet, müsste es "das Bier" sein, da sonst Lesefluss flöten geht. Ausserdem: Wer zischte? Er? Die Flasche? Das Feuerzeug? Ich stelle mir gerade vor, dass er vor seiner Flasche sitzt und "Fffffffft" macht.

Diese Kühle im Gaumen.

Am Gaumen, es sei denn, Gerhard hat ne Tür dran, was ich ihm nicht wünsche!

Freunde hatte Koch, aber richtige?

Der Satz gefällt mir persönlich nicht. Er wirkt so knapp, obwohl man dazu ein bisschen mehr sagen könnte.

Sich zurückgezogen. Sein Leben bestand im Grunde aus nichts als Routine. Bis Kimmy kam.

Nee. Der Satzanfang klingt, als wäre die Hälfte verloren gegangen.
Seit Lola weg war, hatte er an kaum mehr etwas Freude gefunden und sich zurückgezogen.
Du schreibst eine Geschichte, kein Telegramm.

Bis Kimmy kam. Kimmy war Luxus.

Hier hingegen passt dieser Stil besser.

Ihr Körper war verbraucht wie der einer Fünfzigjährigen. Die Brüste hingen schlaff hinab. Falten am Bauch. Sie sah krank aus.

Jetzt wiederrum nicht. Erst bist du in einem fließenden Text und plötzlich brichst du in diese knappen Sätze. Stell dir vor, wie du über den Nührburgring rast und einer auf dem Beifahrersitz alle paar Meter die Handbremse anzieht. So liest sich das!

Wenn er auf ihr lag und in sie eindrang, war er happy.

Du hast bisher auf englische Worte verzichtet und daher finde ich das "happy" ganz schön unpassend. Ist etwas am Wort "glücklich" auszusetzen?

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Fazit:

Ich habe jetzt verdammt viele Kleinigkeiten angekreidet, die mir beim drüberlesen aufgefallen sind. Da stecken noch mehr drinnen, aber wenn ich jede einzelne raussuchen würde, wäre mein Beitrag länger als deine Geschichte. *g*

Kimmy hat mich schön in die Falle tappen lassen. Ich dachte erst, "Wow, was muss das für ein Brett sein, wenn er auf Mimi verzichtet?" und als ich den letzten Satz las, musste ich mir erstmal selbst eine Hand an die Stirn klatschen. Ertappt!

Gerhard ist ein nachvollziehbarer Charakter, dass hat mir gut gefallen. Er hat die Nase voll von den ganzen Idioten, ihren Problemen (die er natürlich nicht hat. P-sha!) und hat es satt, enttäuscht zu werden, was ihn dazu bewegt, sich abzukapseln. Frauen scheint er nicht mehr zu vertrauen und ich nehme an, dass er nach dem Erlebnis mit Mimi auch den Glauben an bedeutungslosen Sex verloren hat, weswegen er zu Kimmy gegriffen hat.

Das könnte also eine gute Charaktergeschichte werden, wenn du nicht diese kleinen, erzählerischen Mängel drin hättest. Mal fließt der Text und eine Sekunde später rattert das Getriebe. Ich weiß nicht, ob du damit bezweckst, Gerhards pragmatischen Denkstil rüberzubringen, aber es hat zumindest bei mir nicht funktioniert und meinen Lesefluss gestört.

Setz dich nochmal ran und bring das Ding auf Vordermann, denn dann kanns noch ein ganzes Stück besser werden!

 

Hallo MDHerrGarcia,

herzlich willkommen hier. Ich habe deine Geschichte durchgelesen und dachte mir erst, ob du diese noch nicht komplett hochgeladen hast oder ob die einfach mittendrin aufhört. Ich stand total auf dem Schlauch und erst beim zweiten Mal Lesen erschloss sich mir, wozu dein Protagonist eine Luftpumpe braucht. Man könnte jetzt vielleicht denken, ich wäre einfach nicht intelligent genug, mir das gleich zusammenzureimen, aber vielmehr ist der Grund dafür wohl, dass ich das Handeln und Denken deiner Hauptfigur nicht nachvollziehen kann. Sie bleibt einfach etwas blass und für mich ist es auch nicht ganz stimmig, dass jemand, der einfühlsam genug ist, sich mit einer Prostituierten nur zu unterhalten, weil sie ihm leid tut, sich mit einer Gummipuppe vergnügt. Es würde mir als Leserin helfen, wenn ich mehr über Gerhard Koch und sein vergangenes Leben erfahre. Mich interessiert, was es mit dieser Lola auf sich hat, denn ich glaube, Kimmy hat ganz bestimmt etwas damit zu tun? Warum haben sich die beiden getrennt? Sieht er in der Gummipuppe seine Lola? Hatte Lola etwa solche Macht auf ihn ausgeübt, indem er nun mit Kimmy das genaue Gegenteil sucht? Ich finde die Handlung ja ganz interessant und amüsant, aber du solltest nicht so viel mit Informationen geizen. So kann ich deiner Geschichte leider noch nicht viel abgewinnen.

Und auch mein Lesefluss wurde immer wieder gestört, denn wie schon von NWZed erwähnt, komme ich mit deinem knappen Satzstil auch nicht klar. Und das hier geht schon gar nicht:

Er schloss die Tür, stellte den Arbeitskoffer unter die Garderobe und zog sein Sakko aus, hastig seine Schuhe, die Vorhänge zu.

Das ist kein korrekter Satz und viele weitere Passagen sind schlichtweg einfach verwirrend.

Also Mr. Garcia, setz dich nochmal ran und versorge die Leser mit mehr Information und somit einem hoffentlich mehr einleuchtenden Handlungsablauf, ich lese dann auch bestimmt die neue Version.
(Und verstehe dann vielleicht endlich, warum manche wenige Männer eine Gummipuppe benötigen.)

Gruß, rehla

 
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Hola Garcia,

zu Deiner "Highway-Geschichte" habe ich einen völlig blödsinnigen Kommentar abgeliefert. Erst Wilhelm Berliner hat mir die Augen geöffnet. Seitdem lese ich Garcias KGs aufmerksamer.

Ich finde Deine Geschichte gelungen. Die greift rein ins Leben. So sieht's aus. Erotik-Versandfirmen machen gute Umsätze.
Was der einen ihre Vibratorsammlung, ist dem andren seine Gummipuppe. Na und? Wenn's der Mensch doch braucht!
Mutter Uhse hat's als erste unwissenschaftlich, aber lebensecht erkannt und Du, mein Lieber, liegst mit Deiner Beschreibung eines dieser verdammten Leben total richtig und sagst mal der pikierten Gesellschaft, wo der Hammer (oder die Luftpumpe) hängt.
Auch wenn die Vorstellung, wie's ein Mann mit der Kimmy treibt, ein todtrauriger Akt ist, so muss doch dem Geplagten irgendwie geholfen werden.

G. Koch gehört wohl zu den Menschen, die nicht in der Lage sind, leichfüßig ins Bordell zu marschieren. Sich zu Hause besuchen zu lassen, ist auch nicht das Optimum. Aber die Mimi ist gar keine Prostituierte. Frauen wie sie werden von überwiegend osteuropäischen Sklavenhändlern zur Maloche geschickt und abkassiert, die sind Opfer.

Ich finde es gut, dass Du mal in diesen dunklen Winkel geleuchtet hast.
LG
Joséfelipe

PS: Hab' ich etwas übersehen, oder hast Du vergessen, Wilhelm Berliner zu antworten?

 

MDHerrGarcia,

Mist, habe ich beim scollen mir die Pointe selbst versaut, da ich den letzten Satz laß unm dann oben zu beginnen.

Zuerst einmal: Gefällt mir vom Schreibstil her recht gut. Geht locker-lockig runter. Das ist für mich immer ganz wesentlich bei so einer Geschichte.

Tja, der arme Herr Koch! Gut beschrieben, solche Typen gibs wohl und öfter als man denkt.

Nachfolgenden Satz habe ich nicht verstanden: "Bier verkaufte er nicht, Bier ging."

Insgesamt eine nette Geschichte mit einer gewissen Traurigkeit. menschliche Existenzen haben mehr Facetten und Tragik, als man gemeinhin annimmt. Den Winner, dem alles im Leben zufällt und der sich dabei gut fühlt, stellt sicher die Ausnahme dar.

Weiter so.

Gruß, Freegrazer

 
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Lieber Joséfelipe,

vielen Dank für die hilfreiche Kritik! Und Entschuldigung für die Verspätung.

Gruß
MD

Guten Morgen Freegrazer,

danke fürs Lesen und Kommentieren!

Der Satz "Bier verkaufte er nicht, Bier ging." sollte bedeuten, dass er Bier für nicht gefährlich im Sinne einer Suchtgefahr hält. Von den Dingen, die er im Laden verkauft, lässt er lieber die Finger, weil er die Typen tagtäglich sieht, die sich ihr Leben damit versauen.

Viele Grüße
MD

 
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Hola Garcia,

würdest Du möglicherweise noch einmal Deine beleidigende Antwort auf meinen Kommentar überdenken?
Das ist eine grobe Geschmacklosigkeit, schnöselig und arrogant.
Du kannst Dich gerne bei mir entschuldigen.

(etwas spät leider) vielen Dank für die hilfreiche Kritik!

Oh, kein Problem, ich hatte nach dem Ausbleiben Deiner Reaktion auf meinen und Wilhelm Berliners Kommentar auf den „Highway“ sowieso nicht mehr damit gerechnet.
Aber Achillus ist es ja gelungen, Dich an die Spielregeln zu erinnern.

...war ich übrigens in einem Internetshop auf eine Puppe gleichen Namens gestoßen, falls dich das Vorbild meiner Geschichte näher interessiert.

Ja, spinne ich denn? Du hast sie wohl nicht alle!

Ich habe keine Schwierigkeiten, Klartext zu sprechen – aber vielleicht sollte ein Moderator etwas dazu sagen.

Joséfelipe

 

Hallo NWZed,

vielen Dank für die ausführliche Kritik mit den vielen wertvollen Hinweisen!


Lieben Gruß
MD

 

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