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Die Nordwölfe

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05.01.2015
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Die Nordwölfe

Jonathan, Akt I​

»Verdammt, wer hätte gedacht, dass die so durchdrehen, nur weil ich einen Ring geklaut habe?«, fluchte Jonathan und watete durch den hüfthohen Schnee.
Der Grenzwald, der die Provinzen Northwood und Dumping Grounds voneinander trennte, erwies sich als unangenehmer Geselle. Eine ausgeschilderte Straße gab es nicht und von Winterdienst hatte offenbar noch nie jemand etwas gehört. Es machte überhaupt keinen Unterschied, ob man auf der Straße oder am Rand ging, überall lag das weiße Teufelszeug in gleicher Höhe. Die hohen Nadelbäume hatten Mühe, die sich stapelnde Last zu tragen und beugten ihre Köpfe, um die Schneemassen abzuladen. Von überall prasselte das Weiß auf ihn ein; es kam vom Himmel, von den Bäumen, unter ihm türmte es sich auf, als würde Väterchen Frost persönlich am Boden entlang kriechen und immer wieder etwas nachschieben, es annektierte seine Kleidung, seinen Rucksack, einfach alles.
Ich konnte die anhänglichen Idioten von der Stadtwache erst am Waldrand abschütteln und jetzt stecke ich in der Tinte. Warum bin ich auch davon ausgegangen, dass es eine gute Entscheidung wäre, wenn ich mich bis zum Einbruch der Nacht im Wald verstecke?, dachte er und schniefte. So fest er seine Stinkedecke auch um sich schlang, ihm wurde einfach nicht wärmer. Wie auch, wenn sich der Schnee wie ein aufdringlicher Kneipengast an ihn kuschelte? Es fehlten nur noch zufällige Verwehungen auf seinen Schenkeln und das Dreckswetter stand auf derselben Stufe wie die ganzen Trottel, die einen Jungen mit langen Haaren nicht von einer Frau unterscheiden konnten.
Umdrehen konnte er nicht, da ein beißender Wind peitschte und seine Spuren schneller verwischte, als er sie machen konnte. Wenn er zu lange stehen blieb oder gar die Dreistigkeit besaß, sich für einen Moment auszuruhen, würde ihn der pfeifende Spießgeselle des Winters in eine hübsche Eisfigur verwandeln, bevor er bis drei gezählt hätte. Er musste laufen, laufen und verdammt nochmal laufen! Es galt, die Müdigkeit und die Erschöpfung auszublenden und einfach gerade aus zu schauen, um die Orientierung nicht zu verlieren. Irgendwann käme er schon irgendwo an.
Flomp! Eine Schneemasse ging von einer Baumkrone herab auf ihn nieder, die so schwer war, dass Jonathan mit dem Gesicht voran zu Boden gedrückt wurde. Ihm war, als könne er die Bäume und die darin sitzenden Eulen lachen hören. Das setzte dieser Nacht die Krone auf.
»Elender Scheißdreck!«, murmelte er und sprang auf. Sein Körper wurde von Frust und Frost gleichermaßen durchgeschüttelt.
»Hoo, hoo!«, lachte eine Eule. »Hoo, hoo! Hoo, hoo!«
»Ach, lach nicht so blöde«, flüsterte er dem Tier entgegen und klopfte sich den Schnee vom Körper. »Anstatt schadenfroh über Reisende zu lachen, könntest du dich ruhig etwas nützlich machen und ein wenig Schnee schieben, aber nein, Miss oder Mister „Ich kann meinen Kopf unnatürlich weit drehen" sitzt den ganzen Tag im Baum.«
»Hoo, hoo«, antwortete die Eule. »Hoo, hoo. Hoo, hoo.«
»Du kannst mich mal«, sagte er zu dem Vogel, hielt Augenkontakt mit dem Tier und ging ein paar Schritte.
Krrrk. Ein morscher Ast brach. In einem Wald sollte das nichts ungewöhnliches sein, doch Jonathan wurde sofort hellhörig. Er wollte einen schnellen Satz zurück machen, doch seine Reaktion war zu langsam. Ein Seil schlang sich straff um seinen Fuß und zog ihn mit einem unangenehmen Ruck von den Beinen. Sein Kopf traf beim Sturz den Boden, wurde durch den Dreck geschliffen und wenige Momente später konnte er die Welt aus der selben Perspektive wie die Eule betrachten.
Scheiße. Ich hätte aufmerksamer sein müssen!, dachte er und fing sofort an, seinen Körper in Bewegung zu setzen. Wenn ich so hänge, kann ich den Knoten nicht lösen. Unter Umständen bricht der Ast, wenn ich ihn genug belaste. Dazu brauche ich Schwung! Die Bemühungen des Jungen brachten die gesamte Baumkrone in Bewegung und befreiten sie von ihrer weißen Last. Der Vogel, der nur einen Ast weiter entfernt saß, schlug mit den Flügeln und hoote hektisch.
»Sei still!«, zischte Jonathan giftig, beugte seinen Oberkörper so weit er konnte nach oben und lies ihn ruckartig zurück in die Ausgangsposition sacken. Das Holz ächzte erst angestrengt, knackte beim zweiten Durchgang und brach beim dritten.
»Woah!«, rief Jonathan, als er zu Boden stürzte. Die hohe Schneedecke dämpfte den Aufprall, trotzdem definierte er einen sanften Sturz anders.
Bleib bloß nicht liegen, sagte er zu sich selbst, setzte sich auf und entwirrte den Knoten, der das Seil um seinen Fuß schlang. Die Befreiungsbemühungen, das Schreien der Eule und sein Aufruf waren alles andere als leise. Ich muss weiter. Die Falle war frisch, die Jäger sind bestimmt noch in der Nähe.
Ein grollendes Knurren ging durch den Wald wie ein anrollendes Gewitter, prallte an den Bäumen ab und drang aus allen Richtungen gleichzeitig. Die Morphlinge waren auf ihn aufmerksam geworden. In den Northwoods tobte seit vielen Jahren ein Krieg zwischen den Truppen der Regulation und den humanoiden Wolfskreaturen, die sich von den Menschen aus ihrem Lebensraum verdrängt fühlten. Eigentlich war sich Jonathan sicher, dass aus dieser Sache ein klarer Sieger hervorgehen würde, doch die gerissenen Viecher kannten die Landschaft besser als die Soldaten und errangen einige Siege. Erst in den letzten Monaten fanden die Regulationstruppen Anschluss und konnten die Wölfe an mehreren strategisch wichtigen Punkten zurückdrängen. Offensichtlich war der Grenzwald keiner dieser Punkte.
Hier komme ich nicht schnell genug weg. Ich habe die Orientierung verloren und in der derzeitigen Witterung finde ich keinen Weg aus dem Wald, bevor die Viecher aufschließen. Wenn ich es versuche, könnte ich mich auch gleich bunt anmalen, einen Ausdruckstanz aufführen und ein lautes Lied singen. Die Wölfe haben gute Nasen und sind mit Sicherheit auch größer und stärker als ich. Er hockte sich hin und schob eine Hand in den Schnee. So leicht wie hoch. Ideal für ein kleines Versteckspiel.
Ihm blieb nicht viel Zeit! Jonathan sprang auf, wickelte sich aus seinem Stinkedeckchen aus, riss es in kleine Fetzen und verteilte die Schnipsel in einem größeren Gebiet, als würde er ein Feld bestellen. »Tut mir leid, Deckchen.«, sagte er zu dem treuen Stück Stoff, dass ihn sooft Wärme gespendet hatte. »Es geht um mein Leben, also hast du sicherlich Verständnis dafür, dass ich dich benutze, um ihre Nasen zu täuschen?«
Danach lief er einige Bahnen durch das markierte Gebiet und wirbelte das jungfräuliche Fleckchen ordentlich durcheinander. Je chaotischer das Ergebnis aussah, umso größer wurden seine Chancen. Das wird nicht angenehm und verdammt kalt. Aber ein Versuch ist alle mal besser, als aufzugeben.
Er hockte sich in den Schnee, zog seine Kapuze über den Kopf und den dunklen Wollschal über die Nase. Der schneidende Wind deckte ihn rasch mit einer frischen, dünnen Schneedecke zu.
Sollen sie nur kommen, dachte er und versuchte seine Atmung zu beruhigen.

Roxas, Akt II​

»Ich kann es kaum glauben, wie viel Glück wir haben. Zwei Eindringlinge an einem Tag!« Rexis war vor Freude ganz außer sich. Er ging voraus und schob den Schnee beiseite. Sein weißes Fell war nur etwas dunkler als der Niederschlag und ließ ihn in der Finsternis fast gänzlich darin verschwinden, weswegen er den Pelz eines Bären übergezogen hatte. Der Kopf ihres Abendessens diente ihm als Mütze und als Schaufel missbrauchte er eine alte, beinahe stumpfe Schlachtaxt mit schwarzem Doppelblatt.
»Du weißt, was der Than gesagt hat, Rexis. Wir werden die Beute suchen und gefangen nehmen«, mahnte Raxes. Er war der größte von ihnen und hatte pechschwarzes Fell. Seine bernsteinfarbenen Augen blitzten drohend auf und warfen dem kleinen Rexis warnende Blicke zu. Raxes hatte sich die Felle eines Hirsches umgelegt und trug das Geweih des Tieres als imposanten Kopfschmuck, der ausgehöhlte Kopf eines widerspenstigen Nordwolfmännchens biss in seine linke Schulter. Er hielt einen Jagdbogen in den Pranken und hatte einen Pfeil in die Sehne gespannt.
»Komm schon, Raxes!«, protestierte der weiße Wolf. »Zwei an einem Tag? Das kann kein Zufall sein. Die Regulation schickt Spione, um uns ausräuchern! Sag doch auch mal was dazu, Roxas!«
»Die erste war ein Mädchen«, sagte Roxas und fuhr sich durch die graue Mähne, in die mehrere lange Zöpfe eingeflochten waren. Er wusste, dass Rexis seinen Beistand wollte, damit sie ihren Bruder überstimmen und die Beute für sich beanspruchen konnten. »Ich glaube nicht, dass die Regulation ein halbes Kind zu uns schickt und meint, dass wir sie verschonen, weil sie sich harmlos verhält und ungefährlich aussieht.«
»Jetzt hörst du dich an wie der Than!«, bellte Rexis frustriert und schaufelte sich durch den Schnee.
Roxas brummte missmutig. Er musste sich schon immer vorwerfen lassen, dass er sich anhörte wie dieser oder jener. Ihm kam es vor, als ob er niemals eigene Worte sprach, sondern immer das sagte, was man von ihm erwartete. In diesem Fall schloss er sich der Meinung seines Bruders Raxes und des Thans an, die sich einstimmig gegen die Exekution ihrer Gefangenen ausgesprochen hatten, als sie erkannten, dass ein junges Mädchen keine Gefahr für ihr Lager darstellte.
Manchmal war er neidisch auf seine Geschwister. Auf Raxes, weil er mit donnernder Stimme und festem Wort sprach. Was er sagte, war Gesetz. Wenn er argumentierte, hatten seine Aussagen Hand und Fuß. Und so sehr er es hasste, musste er sich eingestehen, auf Rexis eifersüchtig zu sein. Der kleinste seiner Brüder hatte nicht viel zu sagen und sein Wort hatte so gut wie kein Gewicht, doch trotzdem hatte der Kerl feste Überzeugungen, an denen er auch dann noch festhielt, wenn die anderen sich gegen seine Vorschläge ausgesprochen hatten. Rexis nutzte die Schwäche von Roxas aus und versuchte immer wieder, seinen Bruder mit seinen Wertvorstellungen zu beeinflussen, um einen Nordwolf mit mehr Mitspracherecht auf seine Seite zu ziehen, auch wenn Roxas nicht verstand, wieso er mehr zu melden hatte - wo er doch so schlecht darin war, sich ein Urteil zu bilden.
»Lass dich von Rexis nicht verunsichern«, sagte Raxes und sah seinen Bruder an. »Er riecht Blut und vergisst, nachzudenken. Wegen Wölfen wie ihm sind die Nordwolfstämme in Verruf geraten. Wenn er uns nicht hätte, wäre er längst tot.«
»Du hast vermutlich recht«, sagte Roxas und biss die Zähne fest zusammen, als er merkte, dass er es schon wieder getan hatte.
Ist es so schwer, „Nein!“ zu sagen?, fragte er sich. Natürlich, Raxes hatte mit seiner Aussage recht, aber es wäre eine Erleichterung für Roxas gewesen, einfach zu widersprechen.
»Hier ist es!«, rief Rexis aufgeregt. »Spuren! Überall Spuren! Seht nur, wie ziellos die Beute herumgeirrt ist, als ich sie rief! Ha! Alle fürchten Rexis!«
»Ruhig«, dröhnte Raxes so tief, dass sich ein Schwung Schnee aus den Nadelbäumen löste und zu Boden stürzte. Rexis erschrak und senkte seinen Kopf. »Die Beute ist nicht planlos herumgerannt.« Das Schwarzfell sah sich aufmerksam um. »Es möchte uns verwirren.«
»Zu welchem Zweck?«, fragte Roxas und ignorierte Rexis, der mit seiner Axt den Schnee umbrachte und immer wieder »Hab die Beute, hab die Beute!« rief.
Raxes überlegte. »Vielleicht, um sich Zeit zu verschaffen, damit es sich davon stehlen kann, wenn wir danach suchen?«
»Die Nase!«, hechelte Rexis. »Ich hab die Beute in der Nase! Sie ist da! Und da! Und da! Und da! Und ... Har?« Rexis witterte. »Es sind viele! Sie haben uns umstellt! Ich hab‘s gewusst!«
»Es sind nicht viele, du Idiot!«, schimpfte Raxes und zog den herum tobenden Rexis an seine Seite. Mit der Nase deutete er auf einen Stofffetzen, der über den Schnee tanzte. »Es hat Stoff verteilt, um unsere Nasen zu täuschen. Auf die brauchen wir uns nicht zu verlassen.«
»Dann gehen wir den Spuren nach! Viele Spuren!« Rexis zeigte aufgeregt durch den aufgewühlten Schnee.
»Zwecklos«, sagte Raxes. »Es ist Runden gerannt und hat dafür gesorgt, dass die Spuren zusammenlaufen. Du würdest im Kreis laufen.«
»Es ist schlau«, sagte Roxas.
»Ist es nicht«, antwortete Raxes. Die Worte stachen in der Brust des Graufells. Du solltest den Rand halten, dann kannst du nichts falsches sagen, dachte er und senkte seinen Kopf. »Es hat sich selbst hier eingeschlossen. Wir müssen es nur in dem Gebiet suchen, dass es selbst abgesteckt hat.
Rexis wurde von etwas hartem im Nacken getroffen und mit der Schnauze voran in den Schnee geworfen. Das Schwarzfell brummte amüsiert, schulterte seinen Bogen und verschränkte die Arme. »Ich mag es«, sagte er zu Roxas, der selbst nicht anders konnte und schadenfroh die Zähne bleckte.
»Was hat es getan?«, fragte Roxas und zog seinen kleinen Bruder auf die Beine.
»Es friert und bewegt sich unter dem Schnee entlang. Rexis macht es der Beute mit seinen unvorhersehbaren Aktionen schwierig, in Bewegung zu bleiben. Also versucht es, den Wildfang zu kontrollieren. Dabei hat es vergessen, dass wir jetzt wissen, wo es sitzt.« Raxes nahm seinen Bogen, spannte einen Pfeil ein, fuhr herum und feuerte in den Schnee.
»Argh!«, schrie jemand, Raxes nickte Roxas und Rexis zu.
Die Nordwölfe begaben sich zur Einschlagstelle des Pfeils und staunten nicht schlecht, als sie feststellten, dass Raxes‘ Schuss ins Leere gegangen und der Schaft zerbrochen war. Das Schwarzfell runzelte die Stirn ... und wurde Sekunden später von einem Schneeball an der Wange getroffen. Rexis lachte hysterisch, rief »Das hat es bei mir auch getan!«, zeigte auf seinen Bruder, klatschte und wurde von einem weiteren Schneeball in den Schnee zurück befördert.
»Es fordert mich zum schießen auf. Du hattest recht, Roxas«, knurrte Raxes und wischte sich die Schneereste aus dem Fell. »Es ist schlau.«
Roxas zog die Mundwinkel nach oben und sah in die Nacht. Diese Worte fühlten sich an, wie ein Bad in einer heißen Quelle. »Was werden wir tun, Raxes?«, fragte er.
»Hast du eine Idee, Roxas?«, fragte sein großer Bruder und schulterte seinen Bogen. Roxas wusste nicht, ob er seinen kleinen Bruder nur aufbauen wollte, oder ob das Schwarzfell diese Frage tatsächlich ernst meinte, doch seine Brust schwoll vor Stolz an.
»Wir nutzen einen Vorteil, den es nicht hat«, sagte Roxas.
»Waffen! Waffen! Tot! Tot! Wir machen es tot!«, bellte Rexis wütend und wurde rasch von einem weiteren Schneeball zu Boden geworfen. »Ich HASSE es!«
»Ich glaube, ich weiß was du meinst«, sagte Raxes und klopfte seinem Bruder auf die Schulter.
»Wir harren aus. Es wirft nur Schnee und hat kein Fell, sonst müsste es sich nicht vor uns verstecken. Entweder erfriert es irgendwann oder es zeigt sich.«
Raxes und Roxas fixierten das Weißfell, indem sie die Pranken um ihren kleinen Bruder legten und ihn an sich drückten. Er war ein ausgezeichneter Schild gegen die Schneeballkanonade.

Die Jungfrau in Nöten, Akt III​

Erin schniefte. Nach mehreren Stunden durchgängigen Weinens waren ihr die Tränen ausgegangen und die Nordwölfe im Lager weigerten sich vehement, ihr Wasser zu geben, da sie das wieder zum heulen bringen würde.
Sie war mit groben Seilen an einem Stamm festgebunden. Die Wölfe hatten extra für sie einen Baum gefällt und die Äste abgetrennt, was bei den Monstern aus dem Wald als eine zuvorkommende Geste gewertet werden durfte. Sie hatte Geschichten darüber gehört, wie diese Bestien sonst mit ihren Gefangenen umgingen und war froh über den riesigen Wolf, der mit Schild und Streitkolben in der Mitte des Lagers stand und sein wachsames Auge auf die anderen Lagerbewohner warf.
Das Mädchen verstand die Sprache der Wölfe nicht, die sich hauptsächlich aus knurrenden, schnaufenden und bellenden Lauten zusammensetzte, doch dieser Hüne schien sich für sie eingesetzt zu haben. Er hatte sich vor sie gestellt, den Körper angespannt und seinen Artgenossen etwas zu geknurrt, wobei er eine zur Faust geballte Pranke in die offene Fläche der anderen schlug, woraufhin alle anderen zurückwichen und sie plötzlich zuvorkommend behandelten. Jetzt warf er ihr immer wieder einen aufmerksamen Blick zu und stand dann weiterhin wie eine Salzsäule in der Gegend herum. Der Große erwachte nur zum Leben, wenn sich zu viel Schnee auf ihm gesammelt hatte und er ihn wegwischen musste.
So habe ich mir das nicht vorgestellt, dachte Erin, als sie einen Weinkrampf in sich aufsteigen spürte, der sich in unkontrolliertes Schluchzen verwandelte. Ich wollte doch nur ausreißen, damit sich meine Eltern Sorgen machen und am Abend nach Hause gehen. Jetzt stellen sie bestimmt die ganze Stadt auf den Kopf und suchen nach mir. So war das nicht vorgesehen. Vielleicht sehe ich sie gar nicht mehr wieder und das nur, weil ich so blöd bin. Mein Vater hatte doch recht. Ich bin nichts wert und meine Ideen sind dumm!
Ihr innerer Monolog wurde von genervt bellenden Nordwölfen unterbrochen, die einen wild strampelnden Fellwurm in ihr Lager trugen. Der große, schwarze Wolf, der sie gefangen hatte, trug Bündel auf seiner rechten Schulter, die kleineren, der Weiße und der Graue, hielten den wildesten Teppich aller Zeiten fest.
Sie warfen das Bündel in die Mitte des Lagers und unterhielten sich mit der Wolfsalzsäule. Der Weiße setzte sich auf das Bärenfell, dass er bei seiner Abreise noch als Kleidung getragen hatte und lachte wie eine Hyäne.
Noch einer, dachte Erin und schniefte. Dann bin ich wenigstens nicht mehr so alleine.
Die drei Wölfe diskutierten mit dem Hünen, der Kleine schien sich sogar mit ihm anlegen zu wollen. Der Große knurrte laut, drückte seine Nase gegen die des wesentlich kleineren Wolfes und stellte drohend sein schneeweißes Nackenfell auf, woraufhin der Aufmucker die Schultern und den Kopf einzog.
Kurz darauf strampelte das Bündel, dass sich als junger Mann mit ungekämmten Haaren offenbarte, an einem Pfahl neben ihr und kam nicht zur Ruhe. An seiner Nase klebte gefrorenes Blut, er war dreckig und wirkte unterkühlt, doch das hielt ihn nicht davon ab, sich zu winden.
»Hallo«, flüsterte Erin. Erst da kam der Hitzkopf etwas zur Ruhe und sah sie an.
»Tag«, sagte er knapp und fuhrwerkte weiter herum.
»Ich bin Erin«, stellte sie sich vor. Sah er nicht, dass sie jemanden zum Reden suchte? Es ging ihr nicht gut und sie wollte sich ablenken.
»Ich bin Jonathan. Du kannst auch Johnny sagen, dass machen alle«, sagte er. »Jetzt stör‘ mich nicht. Wenn du mich mit Geschwätz ablenkst, kommen wir niemals hier raus.«
Erin zog perplex den Kopf zurück. »Hier raus? Wie willst du das anstellen?«
»Die Wölfe denken, dass ein fester Knoten reicht, um einen Gefangenen zu halten. Da sieht man, dass sie keine Erfahrung mit so was haben. Ich habe mich schon aus komplexeren Fesseln gewunden.«
In Erins Brust keimte Hoffnung auf. »Ist das dein Ernst?«
»Nein, ich mag es nur, an der Stange zu tanzen«, antwortete Johnny trocken.
»Ich möchte wieder nach Hause«, sagte sie leise. Der Junge hörte mit dem herum zappeln auf und sah sie an. »Meine Eltern machen sich bestimmt Sorgen um mich. Ich war dumm.«
»Bist du abgehauen?«, fragte er und Erin nickte. »Warum?«
»Mein Vater möchte mich auf ein Mädcheninternat in Wellington schicken, dass sich auf Wirtschaft spezialisiert hat und ich dachte, dass er sieht, was er an mir hat, wenn ich nicht mehr da bin«, antwortete sie. Johnny lachte - so laut und so spöttisch, dass die Wölfe des Lagers zu ihnen blickten.
»Du verarschst mich doch«, sagte er.
»Nein«, entgegnete Erin. »Er möchte unbedingt, dass ich später seine Firma übernehme, da er keinen Sohn hat. Deswegen ist er immer sehr streng mit mir gewesen. Er hat mich nie gelobt und nur meine Fehler angekreidet.«
»So ein Unfug«, sagte Johnny und zeigte ihr durch einen Fingerzeig, dass er seine Hände frei bekommen hatte, bevor er sich wieder hinsetzte, als wäre er gefesselt.
»Nicht wahr? Man muss doch jeden mal loben.«
»Ich meine dein Verhalten«, sagte er. »Wegen so einem Mist haust du ab und landest in dieser Situation? Schön blöd bist du. Es könnte dir später so gut gehen! Macht dein Vater im Betrieb etwas, dass dir nicht gefällt? Schön. Ändere es! Läuft es einwandfrei? Noch besser. Behalte es bei und lebe wie eine Königin!«
»Du hast doch keine Ahnung, was ich ertragen musste!«, zischte Erin.
»Wir reden hier von schlechten Vätern, ist das richtig?«
Erin nickte. »Exakt!«
»Schön. Mein Vater hat mich mit zwölf Jahren auf die Straße gesetzt, weil ich mich dazu erdreistet habe, mich nicht mehr für Geld an irgendwelche reichen Säcke verkaufen zu lassen und sie danach noch auszurauben. Du bist dran.«
Johnny sah sie an. Sie konnte in seinen grünen Augen lesen, wie schwer es für ihn war, diese Worte auszusprechen. Die Erinnerungen nagten an ihm, denn wenige Momente später brach sein Blick und wich ihr aus.
»Es tut mir leid«, sagte sie nach einer längeren Ruhepause.
»Muss es nicht«, antwortete er. »Du warst nicht dabei. Und jetzt hör mir zu. Ich erkläre dir unseren Fluchtplan.«
Erin sah zu Boden und tat so, als würde sie schluchzen. Sie hörte Johnnys Worten genau zu und spürte, dass er immer wieder nach ihrem Knoten griff und ihn langsam öffnete.

Roxas, Akt IV

»Was machen wir mit ihnen?«, fragte Roxas und rieb sich über die Wange. Die Beute hatte ihm mit den Zähnen ein Büschel Fell herausgerissen, als er versuchte sie zu überwältigen. Der Schmerz pochte und Rexis hatte auf dem Rückweg fleißig über ihn gelacht.
»Wir knüpfen sie an der Straße auf und setzen ein deutliches Zeichen!«, knurrte das Weißfell, spannte die Muskeln an und schlug mit seiner Axt auf die Grenzsteine des Lagerfeuers.
»Eine Stunde später fallen Regulationstruppen bei uns ein und reiben uns auf«, antwortete Raxes und verschränkte seine Arme.
»Wir nehmen es mit ihnen auf! Wir nehmen es mit allen auf!«, bellte Rexis und starrte in die Richtung der Beute.
»Das bezweifle ich«, antwortete Raxes und nahm seinem Bruder endlich die Waffe ab. »Wir sind kaum mit dem kleinen Mistkerl fertig geworden, weil er uns auf dem falschen Fuß erwischt hat.«
Der Than hörte sich die Diskussion still an. Roxas wusste, dass er ihnen zuhörte, weil sein gesundes Auge zwischen den Sprechenden umherwanderte. Eine seiner Pranken fuhr durch seinen langen Kinnbart, den er mit zwei goldenen Perlen in Form hielt.
»Wie denkst du darüber, Roxas?«, fragte er schließlich. Seine tiefe Stimme brummte wie ein dumpfer Kanonenschlag in der Brust.
Roxas stockte. Er verstand sowohl Raxes‘ Standpunkt als auch den seines kleinen Bruders. Der Biss der Beute hatte ihn wütend gemacht und beinahe hätte er den Jungen gerissen, doch das Schwarzfell ging dazwischen, als er seine Pranke als geballte Faust gegen die Nase des Gefangenen donnern ließ. Das war ein Moment der Schwäche, sagte er zu sich selbst. Ich bin nicht wie Rexis!
Er wollte den kleinen Bastard hängen sehen! Das nagende Lachen von Rexis klingelte immer noch in seinen Ohren. Roxas war noch nie ein Wolf von starker Persönlichkeit und der frisch aufgebaute Stolz wurde durch dieses Erlebnis eingerissen wie eine brüchige Mauer. Der Junge und sein kleiner Bruder hatten den frischen Erfolg unter sich begraben wie eine Lawine und da es unter Stammesbrüdern mit dem Tod bestraft wurde, einem Angehörigen etwas anzutun, musste er einen anderen Sündenbock finden.
Doch ihm war auch klar, dass Rexis und sein Zorn nicht gewinnen durften. Er war nicht so. Raxes und der Than inspirierten ihn! Diese zwei hatten ihren Stamm von den anderen, wilden Nordwölfen abgekoppelt und waren auf dem beste Weg, eine Amnestie bei der Regulation zu erwirken. Er konnte diese Fortschritte nicht wegen einem persönlichen Groll zunichte machen.
Ich weiß es nicht, dachte er verzweifelt. Sie warten auf meine Antwort und ich weiß es nicht.
»Ich sage, wir bringen sie um!«, schrie Rexis und fand nur wenige Heuler in den Reihen seiner Brüder. Der Than und Raxes hielten den herum tobenden Wolf an den Armen fest.
»Nein«, brach es aus Roxas. Er war von sich selbst überrascht. Seine Brüder schienen nicht anders zu denken, denn ihre Blicke trafen ihn. »Wir lassen sie gehen.«
»Wir lassen sie gehen?«, fragte der Than. »Das musst du mir erklären.«
»Raxes hat recht«, sagte Roxas und zeigte auf das Schwarzfell. »Wenn wir sie töten, endet der Waffenstillstand mit den Regulationstruppen und sie fallen über uns her. Wenn wir die beiden jedoch aus dem Wald führen, sie an die Soldaten übergeben und der Than erklärt, dass sie in unsere Jagdfallen getreten sind, zeigen wir ihnen, dass wir es ernst meinen und eine friedliche Lösung anstreben! Es ist ein Schritt in die richtige Richtung!«
Der Than dachte nach. »Mir gefällt deine Art zu denken, Roxas.«
»Mir auch«, sagte Raxes und legte dem Graufell eine Pranke auf die Schulter.
»Mir nicht!«, rief Rexis.
»Halt die Fresse«, sagten der Than und Raxes.
»Dann ist es beschlossen«, sagte der Than und nickte. »Morgen lassen wir sie gehen. Ich werde gleich zu den beiden rübergehen und ihnen die ganze Sache erklären.«
Roxas zog die Lefzen rauf und gluckste kurz. Das in ihm aufsteigende Glücksgefühl überwältigte ihn, sodass sein Körper keinen anderen Weg sah, um damit fertig zu werden, als ihn auflachen zu lassen.
»Haha!«, rief Rexis plötzlich. »Sie fliehen! Sie fliehen!«
Nein!, dachte Roxas, als das warme Gefühl von der Brust hinab in seinen Magen sackte und schwer wie Blei darin landete. Er sah zu den Stämmen und erkannte, dass die Beute verschwunden war. O, bitte nicht, nein. Es war alles umsonst.
»Ich halte sie auf, ich halte sie auf!«, sang Rexis, wand sich aus dem Griff seiner Brüder, klaubte sich einen Bogen und verschwand auf allen vieren in die Nacht.
Roxas schüttelte mit dem Kopf. Diesmal nicht!, beschloss er. Erst wenn Rexis sie erwischt, war alles umsonst.

Erin, Akt V​

Johnny hielt sie fest an der Hand und zog sie hinter sich her. Wenn sie hier ein Lager haben, gibt es einen Weg rein und wieder raus, hatte er gesagt. Wir finden diesen Weg und rennen so schnell wir können.
Er hatte recht! Sie fanden einen zurecht getrampelten Pfad und folgten ihm. Ihre Flucht blieb lange unbemerkt, da die meisten Wölfe an einem Stammestreffen teilnahmen und so konnten sie einen gesunden Vorsprung herausarbeiten.
Es ging über Stock und Stein, oft stürzten sie, doch der Junge zog sie immer wieder auf die Füße und trieb sie zum weiterlaufen an. Über einen im Weg liegenden Baumstamm stieß er sie, machte einen Satz darüber, packte sie an der Hand und eilte weiter. Ihr grünes Kleid riss dabei und sie verlor einen Schuh, doch das störte Erin überhaupt nicht.
Er tut, was er tun muss, dachte sie. Und ich werde tun, was ich tun muss, sobald ich wieder Zuhause bin.
Als sie merkte, dass Johnny die Puste ausging, übernahm sie die Führung. Sie hielt ihren Retter an der Hand und zog ihn hinter sich her. Der Schnee machte sie langsamer und ihr Kleid erwies sich als Hindernis, also pausierte sie kurz, um das Kleidungsstück und ihren zweiten Schuh zurückzulassen. Glücklicherweise trug sie wegen den frischen Temperaturen dicke Wollkleider darunter.
»Lauf«, sagte sie zu Johnny, als sie spürte, dass er immer öfter stolperte. »Einen Fuß vor den anderen.« Sie sah, dass er völlig übermüdet war, doch zu seinem und ihrem Wohle konnte sie darauf keine Rücksicht nehmen.
»Es geht nicht mehr«, hauchte er. Die tiefen Ringe unter seinen traurigen Augen erzählten Geschichten, die Erin zu diesem Zeitpunkt nicht verstand.
»Stell dich nicht so an!«, rief sie. »Erst schwingst du große Reden und dann hängst du durch? Schön blöd bist du!«
»Ich glaube nicht, dass ...« Ein Pfeil schlug neben ihnen in einem Baum ein. Erin und Johnny zuckten zusammen. »Jetzt geht‘s wieder!«, rief er, ließ sich erst mitziehen und wurde immer schneller. Schließlich nahm er sie sogar auf die Arme und hüpfte wie ein Hirsch über im Weg liegende Hindernisse.
Hinter ihnen schallte die Hyänenlache des Weißen, der bereits einen weiteren Pfeil in den Bogen spannte.
»Lass mich runter!«, rief Erin. »Wenn du mich trägst, sind wir langsamer. Wir müssen etwas weiter auseinander laufen, dann kann er nur einen von uns anvisieren!«
Den Satz hatte sie noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als sie bereits wieder ihre eigenen Füße trugen. Sie blinzelte und sah zu Johnny.
»Ich hoffe, dass er auf dich zielt!«, rief der Junge, ob es sich dabei um einen Scherz handeln sollte, wusste Erin nicht.
»Du hattest Recht!«, sagte sie und schnaufte. Sie stellte sich vor, mit Johnny um die Wette zu laufen, um ihre stechende Brust noch etwas länger zu ertragen. »Ich hatte keine Ahnung, was es hieß, wirklich zu leiden. Aber nach dem, was du gesagt hast und dieser Situation am heutigen Tag, kann nichts schlimmeres mehr kommen.«
»Ich stimme dir zu«, antwortete der Junge und hechtete über einen verblüfft aus der Wäsche schauenden Fuchs. »Und jetzt halt die Klappe, spar‘ dir deinen Atem und LAUF
Erin schmunzelte und hechtete ebenfalls über den Fuchs, der jetzt gar nicht mehr wusste, was eigentlich los war. Entschuldigung, Meister Renard!, dachte sie, als das Tier ihnen ein genervtes „Yip Yip Yap“ hinterher bellte. Erin Bell. Geschäftsführerin des Bell Uhrenimperiums. Das hört sich gar nicht schlecht an. Die Pfeile des Nordwolfes verfehlten die beiden deutlich. Der Wilde war im Umgang mit dieser Waffe nicht geschult und Erin war ihm dankbar dafür. Es war kurios! In dieser Situation ging es um Leben und Tod und sie fühlte sich erschreckend lebendig. Das durfte nicht so sein. Völlig egal, was es ist., beschloss sie. Ich werde meinem Vater zeigen, dass ich es kann. Er schimpft nicht mit mir, weil er mich nicht mag, sondern weil er will, dass ich es richtig mache. Warum sollte er mich anders behandeln, als einen Sohn? Ich brauche keine zusätzlichen Streicheleinheiten und eine Sonderbehandlung, nur weil ich ein Mädchen bin. Sie blickte zu Johnny, bevor sie sich weiter auf ihre Flucht konzentrierte. Danke, Johnny. Du hast mir gezeigt, dass ...

Jonathan, Akt VI​

Erin ging zu Boden wie ein nasser Sack. Ein langer Pfeil bohrte sich durch ihren Hinterkopf, trat durch ihr linkes Auge aus und warf sie zu Boden. Jonathan wurde langsamer und blickte ungläubig auf den Schnee, der sich rasch rot färbte.
»Erin?«, fragte er, obwohl er es besser wusste. Er erhielt keine Antwort.
Der Dieb verharrte. Seine Muskeln schmerzten und fingen an zu pochen. Sie fühlten sich unsagbar schwer an. Er bekam nur beiläufig mit, dass der weiße Wolf, der den Pfeil abgeschossen hatte, von dem schwarzen und dem grauen Biest übertölpelt und zu Boden geworfen wurde. Der ganz große Kerl mit der Augenklappe folgte ihnen, brüllte den Weißen an und presste seinen Kopf gegen einen Baum. Die Nordwölfe näherten sich vorsichtig.
»Was wollt ihr?«, fragte Jonathan und schlang seinen Mantel um sich. Ihm war nicht kalt, aber hundeelend.
Die Wölfe sahen ihn nachdenklich an. Der Schwarze gab bellende und knurrende Laute von sich und zeigte auf die am Boden liegende Erin. Der graue im braunen Lendenschurz lud das Mädchen auf seine Schulter und stapfte voraus, die anderen Wölfe folgten ihm.
Jonathan sah ihnen nach und neigte den Kopf. Erst, als sich die Augenklappe zu ihm umdrehte, »Folgen« knurrte und winkte, ging er ihnen nach. Sie bringen mich hier raus, stellte er fest. Ich bin ein Idiot. Warum habe ich nicht gewartet? Vielleicht haben sie darüber gesprochen!
Sie geleiteten Jonathan bis zur Hauptstraße, die nach Snowbrook führte und brachten ihn zum Stützpunkt der Regulation. Ihm war klar, dass er vorneweg gehen musste, um ein Sperrfeuer von den Soldaten zu vermeiden und das kam ihm recht. Er war kraftlos. Immer wieder mussten die Wölfe ihn anstoßen, damit er sich nicht einfach auf die Straße legte.
»Halt!«, schrie ein Soldat und trat mit entsichertem Karabiner auf die Straße, als die Wölfe sich näherten. »Junge, was schleppst du da an?«
»Sie haben mich gerettet«, antwortete Jonathan mit bebender Stimme.
»Die andere?«, rief der Wächter. Sie heißt Erin.
»Das war nicht ihre Schuld«, versicherte er.
Der Graue stieß den Weißen nach vorne und zeigte auf ihn. Ein kehliges Knurren drang aus seiner Kehle.
»Er war es.« Ich war es.
»Ist das wahr? Bei allen Göttern, schwöre, dass es wahr ist!« Mehr Wächter fanden sich auf der Straße ein. Sie bildeten eine Formation.
»Ich schwöre es. Er war es.«
Es gab keine Verhandlung mit Wilden. Die Soldaten richteten ihre Gewehre auf den weißen Wolf aus und feuerten eine Salve auf ihn. Die anderen Wilden zuckten zusammen, aber hielten sich zurück. Augenklappe legte eine Pranke auf Jonathans Schulter und brummte beruhigend.
Der Offizier richtete den Lauf auf die anderen Nordwölfe und winkte mit seinem Gewehr in Richtung des Waldes. Sie hoben ihre Pranken und bewegten sich langsam zurück in den Grenzwald. Jonathan sah, dass der Graue am Waldrand hielt, sich für einen Moment hinhockte und nachzudenken schien, bevor ein tiefes Knurren ihn zum weitergehen animierte.
»Findet die Eltern von dem armen Ding«, sagte der Offizier und behielt die Wölfe im Auge.
»Sie heißt Erin«, sagte Jonathan. Mehr brachte er nicht über die Lippen.

 

Hej NWZed,

ich schreib mal beim Lesen mit:

als würde jemand im Taucheranzug am Boden entlang kriechen
Ein Mann läuft durch den Wald. Wurde nicht ausgesetzt, tut es freiwillig. Zumindest konnte ich bis hierher kein "Müssen" herauslesen. Wenn er kein Fahrzeug benutzt, ist er entweder nicht sehr schlau oder es gibt keine Fahrzeuge. Automatisch packe ich Deine Geschichte in eine Zeit, die Motoren nicht kennt. Der Taucher haut mich da wieder raus und ich fühle mich orientierungslos.

wie die ganzen Trottel, die einen Jungen mit langen Haaren nicht von einer Frau unterscheiden konnten.
Ernsthaft? So viele. Dann ist das ein eher zartes Bürschchen?

gerade aus
geradeaus

Flomp!
Schönes Geräusch. Ist das von Dir? Ich find es passend, für eine Masse Schnee. Ich lese auch gerade ein Buch, in dem die Geräusche stellenweise so ausgeschrieben werden.

er sich nicht zu erkennen gab und nur mit unflätigen Ausdrücken um sich warf.
Jetzt habe ich den Einruck, dass Jonathan etwas dumm ist. Warum kennt er kein Echo? Oder verstehe ich da etwas nicht?

da hätte er sich auch gleich als Piñata verkleiden und von einem Ast hinab hängen können
Ähnlich wie bei dem Taucher frage ich mich hier, woher Dein Prot eine Piñata kennt, in welcher Zeit das Ganze spielt, wo er herkommt. Für mich entsteht durch dieses Bild nicht mehr Klarheit, sondern weniger.

Seine bernsteinfarbenen Augen stachen hervor wie ein Sternbild
etwas schief, die Formulierung

Er hielt einen Jagdbogen in den Pranken und hatte einen Pfeil in die Sehne gespannt.
Ups, hier bin ich so gut wie raus. Tiere, die Menschenkram benutzen, das funktioniert für mich oft nicht ohne Weiteres.

Rex, Rax und Rox. Das ist schwer zu unterscheiden. Sonst gibt es als Anhaltspunkt nur die Fellfarben und das mangelnde Selbstbewusstsein des einen Wolfs. Würd ich deutlicher machen.

und wurde Sekunden später von einem Schneeball an der Wange getroffen.
Warum tut er das? Anstatt sich einfach ruhig zu verhalten?

den riesigen Wolf, der mit Schild und Streitkolben in der Mitte des Lagers stand
Das hier meine ich. Wölfe sind nicht dazu gemacht, länger auf den Hinterbeinen zu stehen. Bei einer Ratte oder einer Maus wäre das kein Problem. Aber den hier sehe ich nur mit Mühe so stehen. Da wird es für mich brüchig.

Eine seiner Pranken fuhr durch seinen langen Kinnbart
Hat damit auch etwas von einem Ziegenbock. :)

und so konnten sie einen gesunden Vorsprung herausarbeiten.
Das fand ich lustig. Du würdest ihn nicht direkt gesundheitsfördernd nennen, oder?

Eine wilde Mischung hast Du da zusammengeschrieben. Bis zum Schluss ist mir nicht klar, was für ein Ding sich hinter dem Begriff "Regulation" verbirgt. Wie kommt es, dass die Wölfe sich so menschenähnlich formiert haben. Gilt das auch für andere Tiere?
Ach, und sind Jonathan und Maxwell ein und dieselbe Person?

Mein Eindruck ist, dass Du das ganze schwungvoll geschrieben hast und irgendwie hat es mir auch gefallen, aber es fehlt insgesamt zuviel Hintergrund, um wirklich in diese Welt eintauchen zu können.

Gefallen hat mir die Stinkdecke, über die hätte ich gerne mehr erfahren. ;)

Ich wünsche Dir noch viel Spaß hier,

Gruß,
Ane

 

Gut, dann gehe ich mal auf die einzelnen Kritikpunkte ein!

Ein Mann läuft durch den Wald. Wurde nicht ausgesetzt, tut es freiwillig. Zumindest konnte ich bis hierher kein "Müssen" herauslesen. Wenn er kein Fahrzeug benutzt, ist er entweder nicht sehr schlau oder es gibt keine Fahrzeuge. Automatisch packe ich Deine Geschichte in eine Zeit, die Motoren nicht kennt. Der Taucher haut mich da wieder raus und ich fühle mich orientierungslos.

Diese Kurzgeschichte baut auf einer weiteren Kurzgeschichte auf, die ich vorher geschrieben habe. Der Charakter Jonathan kommt auch schon darin vor und ich habe ihn jetzt nicht noch einmal näher beleuchtet, weil die einzelnen Akte dann zu lang geworden wären. Soviel sei gesagt: Er hat weder das richtige Alter, noch die Mittel um sich ein Fahrzeug zu leisten, dass durch hüfthohen Schnee kommt. Das er jetzt in der Situation steckt, in der er steckt, liegt an einer gehörigen Portion Impulsivität; er hat tatsächlich gedacht, dass es eine gute Idee ist, einer fahrenden Taverne hinter her zu reisen und statt es nochmal zu überlegen, einfach gemacht. Darauf spielt der Anfang an. Ich werde den Vergleich trotzdem nochmal überarbeiten, denn du hast recht. Das haut aus der Bahn.

Ernsthaft? So viele. Dann ist das ein eher zartes Bürschchen?

Richtig.

Ähnlich wie bei dem Taucher frage ich mich hier, woher Dein Prot eine Piñata kennt, in welcher Zeit das Ganze spielt, wo er herkommt. Für mich entsteht durch dieses Bild nicht mehr Klarheit, sondern weniger.

In meinem Kopf ist das ganze in einem Diesel/Steampunk-Universum angesiedelt, weil ich hohe Hüte mag, aber auch die Freiheit zur zeitgenössischen Satire haben möchte *g*

Jetzt habe ich den Einruck, dass Jonathan etwas dumm ist. Warum kennt er kein Echo? Oder verstehe ich da etwas nicht?

Liegt vermutlich daran, dass ich viel mehr Zeit mit diesem Charakter verbracht habe, als jemand, der nur diese Kurzgeschichte kennt. Jonathan weiß, was ein Echo ist, hat aber eine sehr lebhafte, fast schon paranoide Fantasie, sodass er manchmal Dinge hört und glaubt, die er dann als Fakt ansieht. In diesem Fall hat er sich tatsächlich eingeredet, dass da im Wald einer hockt, der ihn ärgern will. Das noch mit in die Geschichte zu packen, hätte den Rahmen gesprengt. Es wird wohl irgendwann in einer anderen Geschichte auftauchen, die vor diesen Ereignissen spielt und die ich auch entsprechend einordnen sollte.

Ups, hier bin ich so gut wie raus. Tiere, die Menschenkram benutzen, das funktioniert für mich oft nicht ohne Weiteres.

Sie sind anthropomorph. In meiner Welt nennt man sie "Morphlinge". Für meine Charaktere ist das Basiswissen, für einen Leser, der das nicht weiß, verwirrend. Da hast du recht.

Rex, Rax und Rox. Das ist schwer zu unterscheiden. Sonst gibt es als Anhaltspunkt nur die Fellfarben und das mangelnde Selbstbewusstsein des einen Wolfs. Würd ich deutlicher machen.

Darüber habe ich nachgedacht und mich dagegen entschieden, weil es dem Pacing schaden würde.

Warum tut er das? Anstatt sich einfach ruhig zu verhalten?

Weil es unterm Schnee arschkalt ist, er in Bewegung bleiben und die Wölfe verwirren möchte. In dieser Situation hat er nur die Möglichkeit, die drei zu verwirren, weil sie wissen das er da ist und er sie auch sprechen hören kann. Das ihm da der Arsch auf Grundeis läuft, ist ja wohl klar. *g*

Das fand ich lustig. Du würdest ihn nicht direkt gesundheitsfördernd nennen, oder?

Gesünder als "Die Viecher hauchen mir in den Nacken, während wir fliehen", oder? *g*

Bis zum Schluss ist mir nicht klar, was für ein Ding sich hinter dem Begriff "Regulation" verbirgt

Auch hier heißt es wieder "Mea Culpa". Ich habe wieder etwas, dass für die Charaktere selbstverständlich ist, nicht erläutert. In diesem Fall bewusst, weil die Regulation mit der Handlung nichts zu tun hatte. Die Regulation ist im Grunde nichts anderes als eine Regierung, die die Abläufe in meiner Welt überwacht und in die richtigen Bahnen lenkt. Das tun sie über unnötig komplexe Strukturierungen und blödsinnige Gesetze, z.B. schreiben sie einer Jahreszeit vor, wann sie zu beginnen und zu enden hat.

Wie kommt es, dass die Wölfe sich so menschenähnlich formiert haben. Gilt das auch für andere Tiere?

Das ist die Geschichte der Northwoods. Wolfmorphlinge sind nichts anderes als Werwölfe mit einem blöden Namen. Und ja, es gibt noch andere Morphkreaturen in der Welt, die allerdings allesamt nicht hoch angesehen sind, weil sie von den Menschen als Freaks betrachtet werden. Die meisten haben sich daher zurückgezogen.

Ach, und sind Jonathan und Maxwell ein und dieselbe Person?

Ja. Er hat gelogen. Paranoia.

aber es fehlt insgesamt zuviel Hintergrund, um wirklich in diese Welt eintauchen zu können

Mea Culpa. Ich wollte den Rahmen einer Kurzgeschichte nicht sprengen und sie nicht mit unnötiger Exposition vollstopfen. :/

Danke für den Kommentar, um den Fehler werde ich mich gleich kümmern und mir das ganze Ding nochmal in Ruhe ansehen. Vielleicht kann ich an die ein oder andere Stelle noch ein wenig Exposition stopfen.

 

Hallo NWZed,

Man merkt der Geschichte an, dass viel Arbeit drin steckt und viele gute Absichten. Also ich hatte den Eindruck, du hast dir viele Gedanken gemacht, was das für eine Welt ist, in der die Geschichte spielt, und hast dabei einige typische Fantasy-Klischees vermieden. Und grundsätzlich finde ich deine Vorgehensweise auch sehr gut, Dinge, die die Figuren in deiner Geschichte wissen, als selbstverständlich vorauszusetzen, und nicht erst ein langes Expositionskapitel voranzustellen - das ist ein ehrgeiziges und lobenswertes Ziel.

Das Problem ist: der Leser weiß diese Dinge nicht, für den sind die nicht selbstverständlich. Wenn man als Autor diesen Weg wählt, die Exposition eher indirekt in den Text einzubauen, dann muss es trotzdem irgendwie gelingen, die nötigen Informationen rüberzubringen, so dass man der Handlung folgen kann.

Das ist schon nicht einfach, aber das ist nur die erste Hürde für dich.
Ich muss als Leser nicht nur verstehen, in was für einer Situation deine Figuren sind, ich muss mit denen auch was anfangen können. Beim Protagonisten versuchen die meisten Autoren, dafür zu sorgen, dass der Leser den mag - das muss aber nicht zwingend so sein. Es kann auch eine unsympathische Figur im Fokus stehen. Aber was man unbedingt vermeiden sollte, ist dass die Figuren einen kalt lassen. Und das war in deiner Geschichte leider der Fall bei mir. Ich zitier später noch ein paar Textstellen und versuche zu zeigen, woran es lag.

Es fängt schon an damit, dass ich die ganz schwer auseinanderhalten kann. Das hat Ane ja auch schon angesprochen. Ich halte es für keine gute Idee, dem Protagonisten zwei verschiedene Namen zu geben. Ich war mir nämlich auch keineswegs sicher, ob Jonathan und Maxwell die selbe Person sind. Wenn du das unbedingt willst, dass er einen falschen Namen verwendet, dann musst das richtig deutlich machen - also uns zum Beispiel einen Blick in seinen Kopf werfen lassen, wenn er den falschen Namen nennt, und durch seine Gedanken zeigen, dass er in Wirklichkeit anders heißt. Aus meiner Sicht trägt es aber zur Geschichte nichts bei außer Verwirrung, das könntest du ohne Probleme weg lassen.

Auch die Namen der Wölfe, Rex, Rax und Rox, finde ich sehr unglücklich gewählt. Ich weiß, dass die alle eine ausgeprägte Persönlichkeit haben, und die hast du in den Szenen mit den dreien auch deutlich gemacht. Und das hast du eigentlich auch gut gemacht, also das sind durchaus gut charakterisierte Figuren. Aber wenn du mich jetzt im Nachhinein fragst: Wer von den dreien ist der kämpferische, wer ist der Anführer, und wer ist der zurückhaltende, unsichere Typ, dann kann ich dir die Frage nicht beantworten, weil die Namen einfach viel zu ähnlich sind.
In der Realität kommt es natürlich oft vor, dass Leute sehr ähnlich heißen oder sogar den gleichen Namen haben. In der Literatur wirst du das aber sehr selten finden, aus genau diesem Grund. Die Unterscheidbarkeit der Namen wird quasi übertrieben, als Service für den Leser, damit der die Figuren leicht auseinanderhalten kann. Du musst den Lesern natürlich nicht alles auf dem Silbertablett servieren - Rätsel sind oft ein wichtiges Element in einer Geschichte und sorgen für Spannung. Aber das Rätsel sollte nicht heißen: Wer war das gleich wieder? :p

Also ich glaube, du hast beim Schreiben der Geschichte das ganze sehr "von innen heraus" betrachtet, als jemand, der die Welt der Geschichte sehr gut kennt. Wenn du die jetzt überarbeitest, wäre es gut, wenn du mehr von außen drauf schaust, mit der Frage im Hinterkopf: Ist das verständlich für jemanden, der diese Welt nicht wie seine Westentasche kennt? Und wenn nicht, was müsste sich ändern, damit es besser verständlich wird?

Man hat es ja in Fantasy-Geschichten oft mit dem Phänomen zu tun, dass jemand aus "unserer" Welt, also der ganz normalen Realität, plötzlich in einer anderen Welt landet. Ich denke, einer der Gründe warum das so beliebt ist, ist halt dass der Protagonist in dem Fall dann genau so unwissend ist wie der Leser. Und das bedeutet dann, dass jeder dem Protagonisten alles mögliche erklären kann, was in der Fantasy-Welt anders funktioniert als in der realen, ohne dass es gleich klingt wie "Guten Tag, ich bin der Expositions-Lieferant". :)

Wenn die Geschichte in einer quasi in sich geschlossenen Welt spielt, dann steht man beim Thema Exposition vor ganz anderen Herausforderungen. harrytherobot hat ein paar Geschichten geschrieben, wo das aus meiner Sicht gut gelungen ist, "Der Duft der Toten" und die Fortsetzungen "Das Floß" und "Das Floß 2". Da versteht man als Leser auch nicht alle Zusammenhänge, aber doch genug um zu wissen was die Figuren motiviert und was vor sich geht.

Ein paar Textstellen:

Der Grenzwald, der die Provinzen Northwood und Dumping Grounds voneinander trennte, erwieß sich als unangenehmer Geselle.
Dumping Grounds? Da gibt es wirklich eine Provinz, die "Mülldeponien" heißt?
erwies

Wie auch, wenn sich der Schnee wie ein aufdringlicher Kneipengast an ihn kuschelte? Es fehlte nur noch ein gehauchtes „Und? Bist du öfters hier?“ und das Dreckswetter stand auf derselben Stufe wie die ganzen Trottel, die einen Jungen mit langen Haaren nicht von einer Frau unterscheiden konnten.
Du hast viele farbige Vergleiche im Text. Das ist gut, es lässt deinen Stil lebendig wirken. Aber es gibt da auch ein zu viel, und du überschreitest nach meiner Ansicht hin und wieder die Grenze. Dass der Schnee sich an ihn kuschelt wie ein aufdringlicher Betrunkener fand ich noch gut. Aber das, was ich fett gemacht habe, treibt es zu weit. Da verlässt es den Bereich des Metaphorischen und redet über tatsächliche Kneipengäste und was Jonathan mit denen in Verbindung bringt. Und das funktioniert für mich nicht. Der Schnee kuschelt sich an - okay, gekauft. Der Schnee fragt: Und, bist du öfter hier? - Nee. Das kauf ich nicht.
Ich werde mich jetzt nicht über jeden Vergleich im Text, wo es mir so gegangen ist, so lang und breit auslassen. Ich wollte nur an einem Beispiel erklären, was ich damit meine, dass man das zu weit treiben kann.

»Hör auf mich zu beleidigen!«, giftete Jonathan laut in die Nacht. Wenn er eins weniger mochte als aufdringlichen Schnee, dann war das ein großschnäuziger Zwillingsbruder, der sich nicht zu erkennen gab und nur mit unflätigen Ausdrücken um sich warf.
Ane hat es schon angesprochen - an der Stelle wirkt es, als sei Jonathan entweder sehr dumm, oder würde sich aus irgendeinem Grund sehr dumm stellen. Das ist im Grunde wieder so ein Beispiel, wo ein eigentlich gutes Bild (Echo als böser Zwilling, der sich über ihn lustig macht) so weit getrieben wird, dass es ins Absurde kippt.

Jetzt hatte er die Bewohner des Grenzwaldes auf sich aufmerksam gemacht, die der alleinige Grund für die Aufgabe des Forstes waren.
Ja ... das war wirklich eine reife Leistung, nicht? Ein Problem, was ich mit Jonathan hatte, war dass er auf der einen Seite ziemlich kompetent wirkt. Also er weiß, welche Gefahren der Wald birgt, er hat gute Ideen, um die Wölfe abzulenken bzw. um vor ihnen zu fliehen. Auf der anderen Seite benimmt er sich wie ein Vollidiot. Klar, so eine Winternacht im Wald ist kein Vergnügen. Vielleicht hätte ich mehr Mitgefühl mit ihm, wenn ich wüsste, warum er sich überhaupt dort herumtreibt. Aber dass er seinen Unmut unbedingt laut herausposaunen muss und Wölfe auf sich aufmerksam macht - tja, also, da verspielt er eine Menge Sympathiepunkte bei mir. Wenn der anstatt da auf Echos und Eulen zu schimpfen möglichst leise und vorsichtig durch den Wald schleichen würde und sich ein paar Gedanken machen würde, warum es so wichtig ist, leise und vorsichtig zu sein - dann hättest du schon mal eine Möglichkeit, Exposition unterzubringen, ohne das es gezwungen wirkt. Und wenn er dann trotzdem von den Wölfen gefangen wird, dann täte es mir vielleicht auch leid, weil er nicht selbst daran schuld wäre.

Die drei Wölfe diskutierten mit dem Hünen, der Kleine schien sich sogar mit ihm anlegen zu wollen. Der Große knurrte laut, drückte seine Nase gegen die der Miniaturwolfschnitzerei und stellte drohend sein schneeweißes Nackenfell auf, woraufhin der Aufmucker die Schultern und den Kopf einzog.
Ich hab echt keine Ahnung, auf wen oder was sich das Wort bezieht.

An seiner Nase klebte gefrorenes Blut, er war dreckig und wirkte unterkühlt, doch dass hielt ihn nicht davon ab, sich zu winden.
das

Erin zog konsterniert den Kopf zurück.
Ist Ansichtssache, aber ich finde, Fremdwörter sollte man dann verwenden, wenn sich das, was man sagen möchte, nicht mit einem bekannteren Wort ausdrücken lässt. Das hier ist nicht so ein Fall.

»Mein Vater möchte mich auf ein Mädcheninternat in Wellington schicken, dass sich auf Wirtschaft spezialisiert hat«, antwortete sie.
Also auf der einen Seite mochte ich das. Endlich mal keine Zwangsheirat als Motiv fürs Weglaufen. :)
Andererseits lässt das Erin auch ziemlich dumm wirken. Oh nein, ein Wirtschaftsinternat! Da ist in den Wald laufen und erfrieren oder umgebracht werden klar die bessere Alternative! :rolleyes:

Das war ein Moment der Schwäche, sagte er zu sich selbst. [/i]Ich bin nicht wie Rex![/i]
Formatierungsfehler, in der ersten Klammer muss das / raus.

Er konnte diese Fortschritte nicht wegen einem persönlichen Groll wett machen.

zunichte machen - wettmachen ist was anderes

Man hat es aufgegeben, uns die Grenzwälder abnehmen zu wollen; wenn wir zeigen, dass es ungefährlich ist, sie zu durchqueren, wird man uns eher akzeptieren, als wenn wir sie umbringen! Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung!«
Na ja, wirklich durchqueren könnte man die Wälder ja trotzdem nicht, wenn sie Eindringlinge abfangen und rauswerfen.

Wenn sie hier ein Lager haben, gibt es ein Weg rein und wieder raus, hatte er gesagt.
einen

Der Schnee machte sie langsamer und ihr Kleid erwies sich als Hindernis, also pausierte sie kurz, um das Kleidungsstück und ihren zweiten Schuh zurückzulassen.
Ernsthaft, die lässt im tiefsten Winter ihr Kleid und ihre Schuhe in der Gegend rum liegen? Warum erfriert sie nicht, bevor sie der Pfeil trifft?

Der Dieb verharrte.
Das ist, wenn ich richtig gelesen habe, die erste und einzige Erwähnung davon, dass Jonathan ein Dieb ist. Und in der Geschichte hier stiehlt er auch gar nichts, deshalb wirkt es eigentlich bloß verwirrend an der Stelle.

Ein kehliges knurren drang aus seiner Kehle,
»Er war es.«
Knurren groß

Die andere Wilden zuckten zusammen, aber hielten sich zurück.
anderen

Jonathan sah, dass der Graue am Waldrand hielt, sich für einen Moment hinhockte und nachzudenken schien, bevor ein tiefes knurren ihn zum weitergehen animierte.
groß

Grüße von Perdita

 

Zuerst einmal danke für die umfassende Analyse!

Wenn man als Autor diesen Weg wählt, die Exposition eher indirekt in den Text einzubauen, dann muss es trotzdem irgendwie gelingen, die nötigen Informationen rüberzubringen, so dass man der Handlung folgen kann.

Damit hast du vollkommen recht. Wie ich bereits im Beitrag vorher sagte, sitze ich gerade daran und mache mir darüber Gedanken.

Es fängt schon an damit, dass ich die ganz schwer auseinanderhalten kann. Das hat Ane ja auch schon angesprochen. Ich halte es für keine gute Idee, dem Protagonisten zwei verschiedene Namen zu geben. Ich war mir nämlich auch keineswegs sicher, ob Jonathan und Maxwell die selbe Person sind.

Es ist für die Figur Jonathan wichtig. Hast du einen Vorschlag, wie ich diesen Punkt umsetzen kann, ohne den PoV zu ändern?

Auch die Namen der Wölfe, Rex, Rax und Rox, finde ich sehr unglücklich gewählt. Ich weiß, dass die alle eine ausgeprägte Persönlichkeit haben, und die hast du in den Szenen mit den dreien auch deutlich gemacht.

Noted. Im WiP heißen sie inzwischen "Rexes", "Raxas" und "Roxos" - das klingt immernoch sehr ähnlich, aber ist beabsichtigt. Ich finde diese Namen aber wesentlich besser zu unterscheiden, als die momentanen. Ich will nicht, dass sie Nyahanocopotapatepetl heißen, weil es gegen meine eigene Lore wäre. *g*

Wenn du die jetzt überarbeitest, wäre es gut, wenn du mehr von außen drauf schaust, mit der Frage im Hinterkopf: Ist das verständlich für jemanden, der diese Welt nicht wie seine Westentasche kennt?

Guter Ratschlag! Ich werde mir beim drüberlesen prätentiös am Bart kratzen und mir Gedanken darüber machen. (Nein, dass war nicht ironisch gemeint, prätentiös am Bart kratzen ist toll.)

Dumping Grounds? Da gibt es wirklich eine Provinz, die "Mülldeponien" heißt?

Ja. Die Hauptstad der Dumping Grounds ist Musical Dumpster. Wenn ich eine Kurzgeschichte darüber schreibe, weißt du auch wieso. *g*

Das ist im Grunde wieder so ein Beispiel, wo ein eigentlich gutes Bild (Echo als böser Zwilling, der sich über ihn lustig macht) so weit getrieben wird, dass es ins Absurde kippt.

Verständlich. Ich schreibe üblicherweise Satire und es ist schwer, davon loszukommen. Mea Culpa.

Klar, so eine Winternacht im Wald ist kein Vergnügen. Vielleicht hätte ich mehr Mitgefühl mit ihm, wenn ich wüsste, warum er sich überhaupt dort herumtreibt.

Das Problem wurde vorher schon angesprochen; Es besteht hauptsächlich darin, dass diese Kurzgeschichte auf einer weiteren aufbaut. Es ist keine Fortsetzung und vielleicht hätte ich es auch nicht so behandeln sollen. Ich werde beim überarbeiten drauf achten, die Geschichte möglichst als losgelöstes Exemplar umzusetzen und jegliche Verbindung zum Vorgänger wegzuwischen. Blöde Gewohnheit!

Ich hab echt keine Ahnung, auf wen oder was sich das Wort bezieht.

Whoops. Gutes Auge! Überbleibsel aus dem ersten Draft. Kommt weg!

Das ist, wenn ich richtig gelesen habe, die erste und einzige Erwähnung davon, dass Jonathan ein Dieb ist. Und in der Geschichte hier stiehlt er auch gar nichts, deshalb wirkt es eigentlich bloß verwirrend an der Stelle.

Selbes Problem wie oben. Ich habs wie eine Fortsetzung behandelt, obwohl es keine sein sollte. Mea Culpa!

Nochmal danke für die ausführliche Analyse. Ich werde die ganzen, kleinen Fehler jetzt und auch nicht direkt morgen früh rauseditieren, sondern das ganze als Komplettupdate bringen, wenn ich die Geschichte überarbeitet habe! :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Es fängt schon an damit, dass ich die ganz schwer auseinanderhalten kann. Das hat Ane ja auch schon angesprochen. Ich halte es für keine gute Idee, dem Protagonisten zwei verschiedene Namen zu geben. Ich war mir nämlich auch keineswegs sicher, ob Jonathan und Maxwell die selbe Person sind.
Es ist für die Figur Jonathan wichtig. Hast du einen Vorschlag, wie ich diesen Punkt umsetzen kann, ohne den PoV zu ändern?

Mir leuchtet nicht ein, weshalb das im Rahmen deiner Kurzgeschichte wichtig sein sollte. Ich weiß natürlich nicht, was du mit der Kurzgeschichte noch vor hast, ob sie nur eine von vielen sein soll, in denen du ein detailliertes Bild deiner Welt und der darin befindlichen Charaktere zeichnen willst. Aber nur auf diese eine Geschichte bezogen ist es wirklich vollkommen irrelevant, ob Jonathan sich als jemand anders ausgibt oder nicht. Und deswegen empfehle ich dir, Perditas Ratschlag zu folgen und diese unnötige Verwirrung einfach zu eliminieren.

Willst du es aber unbedingt beibehalten, würden mir spontan drei Möglichkeiten einfallen:

1. Du gestaltest den Charakter der Erin um einiges schlauer, sodass sie merkt, dass Jonathan aka Maxwell lügt. Allerdings, wenn sie schlauer wäre, wäre sie wahrscheinlich gar nicht erst in den Wald gerannt, weil ihr Vater sie auf ein Wirtschaftsinternat schicken wollte, nicht wahr?

2. Du könntest schon im Jonathan-Teil der Geschichte etablieren, dass er einen festen Alias hat, in diesem Fall eben Maxwell.

3. Du lässt ihn von Anfang an, auch für den Leser, als Maxwell auftreten und deutest nur an, dass das nicht sein richtiger Name ist. Dann bräuchtest du natürlich eine Begründung, weshalb er gerade als Maxwell unterwegs ist.

Insgesamt habe ich einen ähnlichen Eindruck wie Perdita und Ane. Du schreibst schon recht souverän, aber manchmal übertreibst du es mit den Bildern. Und wie auch meine beiden Vorredner, hatte ich Schwierigkeiten, deiner Geschichte zu folgen, wusste ich nicht so wirklich, wie, wo und wann ich deine Geschichte einordnen sollte.

Eine Kleinigkeit ist mir noch aufgefallen:

Die Pfeile des Nordwolfes verfehlten die beiden um Kilometer.

Ich bezweifle sehr, dass ein Pfeil übrhaupt einen Kilometer weit fliegen kann. Klar, du willst nur sagen, dass der Pfeil sein Ziel weit verfehlt, aber durch deine Formulierung klingt es unfreiwillig komisch. Das reiht sich ein mit einigen anderen Dingen, die dir Perdita und Ane schon genannt haben.

Nun denn, ich bin gespannt auf deine überarbeitete Fassung.

Bis dahin
Mix


In der Realität kommt es natürlich oft vor, dass Leute sehr ähnlich heißen oder sogar den gleichen Namen haben. In der Literatur wirst du das aber sehr selten finden, aus genau diesem Grund. Die Unterscheidbarkeit der Namen wird quasi übertrieben, als Service für den Leser, damit der die Figuren leicht auseinanderhalten kann.

Hast du zufällig A Song of Ice and Fire gelesen? Dieses Prinzip wird dort quasi außer Kraft gesetzt. Da gibt es so viele Namen, die ähnlich klingen oder sogar identisch sind, dass man extrem aufpassen muss, um sich nicht verwirren zu lassen, und egal wie aufmerksam man ist, irgendwann fragt man sich doch "Wer war das gleich nochmal?" :lol:

 

So! V2 ist oben.

Wichtige Änderungen:

Ich habe mir die Kritik aus dem Thread zu Herzen genommen und versucht, soviel wie möglich davon umzusetzen. Jonathan sollte jetzt weniger inkompetent rüberkommen, ich habe die Namen und einige anderen Sachen geändert, zusätzliche etwas Exposition hinzugefügt (obwohl es immernoch wenig ist, aber wie gesagT: Ich möchte den Rahmen nicht sprengen) und viele kleine Fehler entfernt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo NWZed,

ich habe die neue Version jetzt noch nicht gründlich gelesen, heute abend bin ich ein bisschen zu müde, aber meinen ersten Eindruck nach dem Überfliegen kann ich dir schon mal sagen: Ja, das ist besser. Man erfährt gleich am Anfang, warum Jonathan überhaupt im Wald ist, und er macht die Wölfe nicht auf sich aufmerksam, indem er einen Heidenlärm veranstaltet, sondern geht in eine gut getarnte Falle, was jedem passieren könnte, der dort unterwegs ist. Die Verwirrung mit dem falschen Namen ist behoben. Die Namen der Wölfe finde ich immer noch sehr ähnlich, aber doch - geringfügig besser auseinanderzuhalten :).
Erins Motivation wirkt immer noch sehr ... naiv, sage ich mal, aber das sagt Jonathan ja auch selbst, und vor ihrem tragischen Tod kommt sie wahrscheinlich sogar selbst zu dieser Erkenntnis. Ich glaube beim ersten Lesen ist mir auch nicht gleich klar gewesen, dass beide Figuren wirklich noch sehr jung sind - das erklärt einige Verhaltensweisen. Eventuell kannst du ihr Alter noch irgendwo erwähnen oder deutlich machen.

Also die Überarbeitung hat sich schon sehr gelohnt, würde ich sagen. Und Hut ab, dass du das so schnell umgesetzt hast, bei so einem langen Text, der anscheinend auch zu einem größeren "Universum" mit weiteren Geschichten gehört, ist das ja nicht einfach.


Grüße von Perdita

 

Hallo NWZed,

ein nicht ganz einfacher Text, weil dem Leser viel abverlangt wird, aber das muss nicht schlecht sein. Ich finde deine Sprache spannend und unverbraucht, es hat Spaß gemacht, deine verwendeten Bilder zu lesen und auch die komischen Situationen taten gut. Eine etwas andere Story eben - gefiel mir jedenfalls ganz gut. Aber aufpassen, dass der Leser nicht einen Info-Infarkt bekommt. Für mich persönlich war es hier zwar grenzwertig, aber noch in Ordnung.

Gern gelesen

 

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